TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/30 95/19/1469

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Veröffentlicht am 30.05.1997
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. September 1995, Zl. 106.110/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 10. Dezember 1993 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Mai 1994 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, weil er im Anschluß an seine Antragstellung ohne Sichtvermerk wieder nach Österreich eingereist sei. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. September 1995 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage sichtvermerksfrei eingereist und habe seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Es liege daher der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Eine auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützte Entscheidung stelle einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben dar.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (3. Oktober 1995) hatte die belangte Behörde das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die am 27. Juni 1995 ausgegebene Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 anzuwenden.

§ 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG, letzterer in der Fassung dieser Novelle, lauten auszugsweise:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

§ 3 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 lautete:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

2. Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 Aufenthaltsgesetz auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrages aufenthaltsberechtigt sind oder waren, ..."

Der Beschwerdeführer tritt der maßgeblichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach er (im Anschluß an seine Antragstellung) sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist sei und sich seither in Österreich aufhalte, nicht entgegen. Auf Basis dieser Bescheidfeststellungen ist der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gegeben.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf ein ihm als türkischem Staatsbürger behauptetermaßen zustehendes Recht aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates, somit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Union (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424) beruft, stünde ihm ein solches Recht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu. In ein danach allenfalls bestehendes Aufenthaltsrecht wäre durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Daher ist die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werden durfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach DIESEM Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/19/1549). Aus den im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996 dargelegten Gründen war auch von der vom Beschwerdeführer beantragten Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes abzusehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897, dargelegt hat, sind auch türkische Staatsangehörige, denen ein Aufenthaltsrecht aufgrund des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses zusteht, nach der im vorliegenden Fall anzuwendenden Rechtslage nicht zur Antragstellung im Inland berechtigt. Das Regelungssystem des § 6 Abs. 2 AufG in Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG bewirkt, daß Fremde vom Ausland aus den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung zu stellen haben und sodann nicht wieder sichtvermerksfrei in das Inland einreisen können, ohne den Erfolg ihres Antrages zu gefährden. Der behauptete, erst ab 1. Jänner 1995 denkmögliche, ZWISCHENZEITIGE Erwerb eines Aufenthaltsrechtes aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 böte daher auch keine Rechtsgrundlage dafür, dem Beschwerdeführer eine Bewilligung nach dem AufG zu erteilen, obwohl er sich nach sichtvermerksfreier Einreise im Bundesgebiet aufhält.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12 Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191469.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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