TE Bvwg Beschluss 2020/11/18 W208 2232681-1

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Veröffentlicht am 18.11.2020
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Entscheidungsdatum

18.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
COVID-19-VwBG §1
COVID-19-VwBG §6
GEG §9
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W208 2232681-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgericht WIEN, vom 23.03.2020, Jv 50969-33a/20, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren beschlossen:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

1. Im Grundverfahren (einer Pflegschaftssache) GZ 1 Pu 43/12m wurden der nunmehrigen beschwerdeführenden Partei (im Folgenden: bP) Gerichtsgebühren in einer Gesamthöhe von € 200,-- (Entscheidungsgebühren TP 7 lit a GGG und PG § 24 UVG) vorgeschrieben.

2. Mit Schreiben vom 20.02.202 brachte die bP ein als Nachlassantrag gem § 9 Abs 2 GEG gewertetes Schreiben beim Bezirksgericht PURKERSDORF (in der Folge: BG) ein, welches vom Gericht des Grundverfahrens an die belangte Behörde - den Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN (OLG) - zur Entscheidung weitergeleitet wurde.

Begründet war der Antrag im Wesentlichen damit, dass sie nunmehr € 430,-- Alimente im Monat zahlen müsse. Von der monatlichen Pension würden nur € 850,-- bleiben, wovon € 728,-- Miete zu bezahlen wären. Er habe 50 Jahre Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und wissen nicht wo er die € 200,-- hernehmen solle. Die Zahlen die das Gericht angenommen habe, würden hinten und vorne nicht stimmen.

3. Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren durch, dessen Ergebnis im Wesentlichen war, dass das BG einen monatlichen Durchschnittspensionsbezug (inkl. 13 und 14. Bezug, die Hälfte des Familienbonus und exekutionsbedingten Abzügen) von € 2.287,-- netto ab 01.01.2019 festgestellt hat und davon die bP ab 01.01.2019 Unterhaltsbeiträge für ihren am 14.09.2007 geborenen Sohn iHv € 430,-- zu zahlen habe, da dieser im Haushalt der Mutter lebe. Als Fremdabzug wurden 543,62/monatlich festgestellt und die vom BF angeführten Mietzahlungen von € 728,-- angenommen.

4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde dem Antrag der bP auf Nachlass der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren nicht stattgegeben.

In der Begründung wurde, nach Wiedergabe des Sachverhaltes und Zitierung des § 9 Abs 2 GEG, im Wesentlichen ausgeführt, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten nur dann zu einem Nachlass führen könnten, wenn mit einer Besserung auf Dauer nicht gerechnet werden könne. Von einer besonderen Härte könne vor dem Hintergrund des Pensionsbezuges, trotz der Abzüge (Pensionspfändung und Unterhaltsleistung) nicht ausgegangen werden.

5. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 09.04.2020) erhob die bP mit Schreiben vom 29.05.2020 (Postaufgabedatum 17.07.2020) Beschwerde.

6. Mit Schriftsatz vom 30.06.2020 (eingelangt am 03.07.2020) legte die belangte Justizverwaltungsbehörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. Mit Schreiben des BVwG vom 14.09.2020 und 23.10.2020 wurde der bP Parteiengehör eingeräumt bzw die Verspätung der Beschwerde vorgehalten. Bis dato ist keine Stellungnahme eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen und beginnt in den Fällen des Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

Der Bescheid wurde laut Rückschein am Donnerstag den 07.04.2020 zugestellt und von der bP übernommen. In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides wurde die Frist zur Einbringung einer Beschwerde von vier Wochen richtig angeführt.

Gemäß § 32 Abs 2 AVG enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Die Beschwerdefrist iSd § 7 Abs 4 erster Satz VwGVG von vier Wochen hätte somit am Donnerstag den 07.05.2020, 24:00 Uhr geendet.

Gemäß §§ 1, 6 des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, kundgemacht mit BGBl. I. Nr. 16/2020 am 21.03.2020, werden in anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden sind, alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen. Sie begannen mit 01.05.2020 neu zu laufen.

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die vierwöchige Frist am 01.05.2020 neu zu laufen begonnen und erst am 22.05.2020 um 24:00 Uhr geendet hat.

Die bP hat ihre Beschwerde aber erst am 29.05.2020 verfasst und damit eine Woche nach Ablauf der Frist. Die für die Fristwahrung entscheidende Postaufgabe erfolgt überhaupt erst am 17.06.2020. Das ergibt sich eindeutig aus dem im Akt einliegenden Rückschein, der Datierung der Beschwerde und dem Poststempel am Kuvert. Die Beschwerde ist damit verspätet.

Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die bP wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerde selbst bei einer fristgerechten Einbringung nicht stattzugeben gewesen wäre, weil sie nicht mitgewirkt und keine Beweismittel für ihre Behauptungen vorgelegt hat, sowie – wie der Behörde richtig angeführt hat - die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nur vorübergehender Natur sind (die Unterhaltspflichten für den Sohn laufen in absehbarer Zeit aus) und sie schließlich auch eine Zahlung in allenfalls sehr kleinen Teilbeträgen beantragen kann (VwGH 28.03.1996, 96/16/0020, mwN; 27.05.2014, 2011/16/0241). Die relevante Gesetzesbestimmung lautet:

„§ 9. (1) Auf Antrag kann die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).

[…]

(3) Ein Stundungs- oder Nachlassantrag hat keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat, wenn sonst der Zweck der Entscheidung ganz oder teilweise vereitelt werden könnte, auf Antrag oder von Amts wegen die Einbringung bis zur Entscheidung über das Stundungs- oder Nachlassbegehren aufzuschieben, wenn das Begehren einen ausreichenden Erfolg verspricht und nicht die Einbringlichkeit gefährdet wird.

(4) Über Anträge nach Abs. 1 bis 3 entscheidet der Präsident des Oberlandesgerichts Wien im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid; er kann den Leiter oder andere Bedienstete der Einbringungsstelle ermächtigen, diese Angelegenheiten in seinem Namen zu erledigen und zu unterfertigen. Bei Beträgen über 30 000 Euro bedarf die Gewährung einer Stundung oder eines Nachlasses der Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz. Über Anträge auf Stundung und Nachlass von Beträgen aus Grundverfahren beim Bundesministerium für Justiz entscheidet die Bundesministerin für Justiz. Auf das Verfahren in Stundungs- und Nachlassangelegenheiten sind § 6b, § 7 Abs. 3 bis 7 sinngemäß anzuwenden. […]“

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gerichtsgebühren - Nachlass Rechtsmittelfrist Unterbrechung Verspätung Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2232681.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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