TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/26 W280 2203059-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W280 2203059-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .03.198 XXXX , StA. Albanien, vertreten durch RA Mag.a Doris EINWALLNER, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .06.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige von Albanien, beantragte im Juli 2017 gemäß den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) einen Aufenthaltstitel für den Zweck „Familienangehörige“ bei der zuständigen Aufenthaltsbehörde.

Mit dem im Februar 2018 ergangenen Bescheid wurde der Antrag der BF mit der Begründung abgewiesen, dass diese die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltszweck nicht erfülle, ihr Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne und der Antrag unzulässiger Weise im Inland gestellt worden sei.

Bei einer im Juni 2018 durchgeführten Hauserhebung wurde die BF an ihrer Wohnadresse angetroffen. Nach Sicherstellung ihres Reisepasses wurde die BF über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt und diese Ende Juni 2018 niederschriftlich hierzu einvernommen.

Mit dem am darauffolgenden Tag erlassenen und im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA oder belangte Behörde) wurde sodann gegen die BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen die BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Zif 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Albanien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde der BF eine Frist für ihre freiwillige Ausreise binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Am XXXX .06.2018 reiste die BF sodann freiwillig auf dem Luftweg nach Albanien aus.

Mit Eingabe vom selben Tag langte beim BFA fristgerecht die Beschwerde der BF ein, die dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt am XXXX .08.2018, eingelangt am XXXX .08.2018, vorgelegt wurde. Die BF begehrt mit ihrer Beschwerde die ersatzlose Behebung des gegenständlichen Bescheides, in eventu den bekämpften Bescheid dahingehend abzuändern, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt werde, in eventu den bekämpften Bescheid nach § 28 Abs. 3 VwGVG mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 25.06.2020 wurde die Beschwerdesache einer anderen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die volljährige, strafrechtlich unbescholtene, BF mit albanischer Staatsbürgerschaft, die über geringe Deutschkenntnisse verfügt, ist seit XXXX .2017 mit einem ebenfalls aus Albanien stammenden österreichischen Staatsbürger verheiratet und somit begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Zif 11 FPG. Sie besitzt einen albanischen Reisepass, ausgestellt am XXXX .2017 mit Gültigkeit bis XXXX .2027. Ihre Identität steht fest.

Bis Oktober 2017 war ihr Lebensmittelpunkt in Albanien, wo sie im Haus ihrer Eltern lebte. Ab Anfang Oktober 2017 hielt sich die BF durchgehend bis zu ihrer freiwilligen Ausreise im Bundesgebiet auf.

Ebenfalls in Albanien leben ihr Bruder und ihre Schwägerin. Zu ihren Familie bestand auch nach ihrer Ausreise nach Österreich weiterhin ein loser Kontakt.

Nach Besuch der Grundschule arbeitete die BF in einer Schneiderei in ihrem Herkunftsstaat.

Die BF weist behördliche Wohnsitzmeldungen in den Zeiträumen vom XXXX .03.2017 bis XXXX .04.2017, vom XXXX .07.2017 bis XXXX .07.2018, sowie ab XXXX .10.2018 im Bundesgebiet auf.

Am XXXX .2017 gebar die BF eine Tochter, die ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

Festgestellt wird, dass die BF am XXXX .07.2017 bei der zuständigen Aufenthaltsbehörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehörige“ gestellt hat, der am XXXX .02.2018 bescheidmäßig abgewiesen wurde.

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ist infolge der Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer seither nicht rechtmäßig. Dieser Umstand war der BF bewusst.

Die BF verfügt abseits ihres Ehemannes und ihrer gemeinsamen Tochter über keine Angehörigen im Bundesgebiet. Sie ist nicht erwerbstätig.

Die BF weist keine relevanten Integrationsschritte auf.

Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung der BF in ihren Herkunftsstaat Albanien gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

Die BF reiste am XXXX .06.2018 freiwillig auf dem Luftweg nach Serbien aus.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in die Beschwerde. Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister und der Grundversorgung sowie aus der Sozialversicherung zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Identität der BF steht aufgrund der Vorlage ihres Reisepasses gegenüber der belangten Behörde fest.

Die Feststellungen zu ihren persönlichen, familiären und beruflichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben der BF bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme im Rahmen des Parteiengehörs.

Die Feststellung zur Verehelichung mit einem österreichischen Staatsbürger gründet in der im Verfahrensakt einliegenden Ablichtung der Heiratsurkunde und der Verleihungsurkunde betreffend die österreichische Staatsbürgerschaft an diesen, jene über die Geburt der gemeinsamen Tochter und deren österreichischen Staatsbürgerschaft ebenfalls aus den diesbezüglichen Unterlagen im Akt der belangten Behörde.

Die Feststellungen zur behördlichen Meldung im Bundesgebiet entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich sowie das Zentrale Melderegister), jene zur freiwilligen Ausreise am XXXX .06.2018 aus dem entsprechenden im Akt der belangten Behörde einliegenden Schriftverkehr sowie der entsprechenden Flugbestätigung.

Der nicht rechtmäßige Aufenthalt der BF im Bundesgebiet gründet im Umstand, dass der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels von der zuständigen Behörde mit dem im Verfahrensakt einliegenden Bescheid der zuständigen Aufenthaltsbehörde abgewiesen wurde, die BF wissentlich weiterhin im Bundesgebiet verblieb und die erlaubte visumsfreie Aufenthaltsdauer überschritten hat. Dies ergibt sich aus der glaubhaften Angabe der BF in der niederschriftlichen Befragung durch das BFA, wonach sich diese seit acht Monaten, sohin Oktober 2017 durchgängig in Österreich aufgehalten hat und dieser unrechtmäßige Aufenthalt ihr auch bewusst war. Der Aufenthaltszeitpunkt Oktober 2017 wird auch durch die von der BF vorgelegte Bescheinigung über den von ihr besuchten Kurs „ XXXX Deutsch“ am Standort einer Volkshochschule im Zeitraum XXXX .10.2017 bis XXXX .12.2017 bestätigt.

Dass die BF – unbeschadet des Besuches eines derartigen Kurses – nur über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, ergibt sich aus dem im Verfahrensakt der belangten Behörde einliegenden Bericht der Landespolizeidirektion XXXX über das Ergebnis der durchgeführten Hauserhebung und der notwendigen Beiziehung eines Dolmetschers für die albanische Sprache bei der Einvernahme vor dem BFA.

Die Feststellung, wonach die BF – abseits ihres Ehemannes und der Tochter - über keine Angehörigen in Österreich verfügt beruht auf deren glaubhaften Angaben gegenüber der belangten Behörde. Aus diesen ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf die Setzung von Integrationsschritten in einem entscheidungsrelevanten Ausmaß. Weder hat sich die BF in einem Verein engagiert noch hat diese Schritte hinsichtlich einer etwaige beabsichtigten künftigen wirtschaftlichen Integration durch den Besuch von weiterführenden Kursen dargetan.

Der Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien beruht darauf, dass die BF weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 aus von der BF zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre (§ 52 Abs. 9 FPG).

Die freiwillige Ausreise ergibt sich aus dem Verfahrensakt der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zur Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wurde von der BF nicht behauptet und ergeben sich auch aus dem Verfahrensakt keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß leg.cit. nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zur Rückkehrentscheidung sowie zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Albanien (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 leg.cit. in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Zif 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Zif 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Zif 3), der Grad der Integration (Zif 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Zif 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Zif 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Zif 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Zif 8), und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Zif 9) (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre (§ 9 Abs. 3 BFA-VG).

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 29.03.2019, Ra 2018/18/0539).

Die BF hatte bis wenige Monate nach ihrer Verehelichung im XXXX 2017 ihren Lebensmittelpunkt in ihrem Herkunftsstaat. Erst seit Anfang Oktober 2017 ist diese durchgängig in Österreich aufhältig. Ein im Juli 2017 im Inland gestellter Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde von der zuständigen Aufenthaltsbehörde am XXXX .02.2018 rechtskräftig abgewiesen. Infolge des Umstandes, dass die BF weiterhin im Bundesgebiet aufhältig blieb und sie hierdurch die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer überschritt, wurde ihr Aufenthalt unrechtmäßig.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung aufgrund des oben angeführten, nicht rechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt.

Die BF lebte seit Anfang Oktober 2017 bis zu ihrer freiwilligen Ausreise am XXXX .06.2018 zusammen mit ihrer im August 2017 geborenen Tochter, die so wie ihr Ehemann über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügt, an jener Wohnadresse im Bundesgebiet, an der sie auch behördlich gemeldet war bzw. ist. Es ist daher von einem bestehenden und zu berücksichtigenden Familienleben auszugehen, wenngleich dieses insofern eine starke Relativierung erfährt, als es zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem der BF als auch deren Ehemann der unsichere Aufenthalt der Ersteren bewusst sein musste.

Angesichts des insgesamt nur acht Monate dauernden durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet, der sohin per se nicht geeignet ist ein entscheidungsrelevantes Privatleben zu begründen, konnte die BF weder maßgebliche Integrationsschritte nachweisen noch wurden solche von der BF ins Treffen geführt.

Der Besuch eines Deutschkurses „ XXXX Deutsch“ im Zeitraum XXXX .10.2017 bis XXXX .12.2017 dokumentiert zwar den Wunsch der BF ihren Aufenthalt im Bundesgebiet längerfristig zu verfestigen, stellt jedoch kein dermaßen außergewöhnlicher Integrationsschritt dar, der eine - die Entscheidung beeinflussende - Beachtlichkeit nach sich ziehen würde.

Angesichts des Umstandes, dass die BF lediglich wenige Monate durchgängig in Österreich lebte, diesem Zeitraum jedoch ca. 2 XXXX Jahre gegenüberstehen, in welchen diese ihren Lebensmittelpunkt in ihrem Herkunftsstaat hatte, wo sie zur Schule ging, arbeitete, und ihre Eltern als auch ihr Bruder leben, ist von nach wie vor sehr intensiven Bindungen zum Heimatstaat auszugehen.

In Zusammenschau dieser Lebensumstände ergeben sich für das erkennende Gericht keine Anhaltspunkte, dass die Achtung des Privat- und Familienleben das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der BF, selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die BF temporär von ihrem Kind getrennt sein sollte, überwiegt. Auch ist es der BF zumutbar bis zur Erlangung eines regulären Aufenthaltstitels nach dem NAG im Wege befristeter visumsfreier Aufenthalte in Österreich den familiären Kontakt aufrecht zu erhalten.

Die von der belangten Behörde ausgesprochene Rückkehrentscheidung stellt sohin keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte nach Art. 8 EMRK bzw. in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der BF dar.

Wenn die BF unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH vom 15. November 2011, C-256/11, Dereci ua. das Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf primärrechtlicher Grundlage moniert, so kann das erkennende Gericht dem nicht beitreten. Mit der Rechtssache Dereci hat der EuGH klargestellt, dass abgeleitete Aufenthaltsrechte auf Ausnahmesituationen beschränkt sind.

Vielmehr stellt der EuGH in dieser Entscheidung klar, dass die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitgliedstaats aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union wünschenswert erscheinen könnte, dass sich Familienangehörige, die nicht die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats besitzen, mit ihm zusammen im Gebiet der Union aufhalten können, für sich genommen nicht die Annahme rechtfertigt, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (s. Rz 68 der genannten Entscheidung).

Damit stehe - so der EuGH - fest, dass die vorübergehende Trennung von Ehegatten, etwa zur Durchführung eines Visumverfahrens, niemals geeignet sei, den Kernbereich des Unionsbürgerrechts zu beeinträchtigen. Auch eine länger andauernde Trennung der Ehegatten infolge einer Ausweisung des Ehegatten führe nicht zu einer unzulässigen Beeinträchtigung des Kernbereichs des Unionsbürgerrechts nach Art. 20 AEUV.

Die Beschwerde war daher hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs. 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs. 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs. 3).

Hier trifft keine dieser Voraussetzungen zu. Konkrete Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung gehen weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vorbringen der BF hervor.

Dass es sich bei Serbien um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, ergibt sich aus § 1 Zif 7 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten auf Basis des § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 ifF BGBl. II Nr. 145/2019).

Zur Festsetzung einer Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Die im angefochtenen Bescheide festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG.

Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann bei Überwiegen besonderer Umstände die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekannt zu geben. § 37 AVG gilt.

Dass besondere Umstände vorliegen, die die Drittstaatsangehörige bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt habe, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde weder behauptet noch ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes Anhaltspunkte hierfür. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine solche wurde von der BF auch nicht beantragt.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht EuGH illegaler Aufenthalt Interessenabwägung öffentliches Interesse Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W280.2203059.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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