TE Bvwg Beschluss 2020/11/30 W129 2227114-1

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Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GehG §15
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W129 2227114-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde von GrInsp XXXX , vertreten durch RA Dr. Hermann Rieder, gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors für Tirol vom 08.10.2019, Zl. PAD/19/00687945/001/AA-PA, betreffend Auszahlung ruhender Nebengebühren, den Beschluss:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit E-Mail vom 30.12.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Aus- und Nachzahlung ruhender Nebengebühren rückwirkend ab dem 17.08.2017. Er befinde sich im Krankenstand und es sei fachärztlich festgestellt worden, dass die Ursache der Krankheit im aktuellen Konnex nach strukturellen und traumatischen Belastungen zu sehen sei. Die Krankenakte und Diagnose liege bei der Polizeiärztin auf.

Mit E-Mail vom 13.02.2019 übermittelte der Beschwerdeführer eine Entscheidung des BVwG W122 2159062-1, wonach das auslösende Ereignis für eine akute posttraumatische Belastungsstörung auch weiter in der Vergangenheit gelegen sein könne.

Mit Schreiben der Dienstbehörde vom 10.04.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Unterlagen bezüglich eines im Zusammenhang mit der Dienstausübung stehenden außergewöhnlichen Ereignisses, welches die akute posttraumatische Belastungsreaktion ausgelöst haben sollte, sowie entsprechende fachärztliche Gutachten binnen Frist von 14 Tagen beizubringen.

In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer mit Mail vom 30.04.2019 mehrere Bestätigungen über das Vorliegen einer depressiven Störung sowie einer posttraumatischen Belastungstörung vor, weiters zwei dienstliche E-Mails über seine Zuteilung zu zwei bestimmten FRONTEX-Operationen, darunter eine im Zeitraum 24.04. bis 23.05.2012 in XXXX Griechenland sowie ein privates Mail, welches der Beschwerdeführer am 07.05.2012 an einen Arbeitskollegen geschickt hat und in welchem der Beschwerdeführer seine persönlichen Eindrücke von seinem Auslandseinsatz schildert.

Der Beschwerdeführer führte weiters in seinem Mail vom 30.04.2019 aus, er habe keine Unterlagen zu dem auslösenden Ereignis, welches sich in einem (vom Beschwerdeführer näher bezeichneten) Tal zwischen zwei (vom Beschwerdeführer genannten) Ortschaften zugetragen habe. Vier Menschen seien bei einer Verfolgungsjagd verunfallt und seien verbrannt. Sicherlich verfüge die griechische Grenzpolizei in XXXX über entsprechende Unterlagen, auch seien Gutachten in seiner Krankenakte beim polizeiärztlichen Dienst vorhanden. Er selbst habe nur ein an Arbeitskollegen gerichtetes privates Mail, in welchem er seine Eindrücke schildere. Die Einsätze hätten ihn sehr belastet, er habe das Leid der Flüchtlinge gesehen, insbesondere den Tod von vier Menschen, die bei einer Verfolgungsjagd verunfallt und dadurch verbrannt seien.

Mit Bescheid vom 08.10.2019, Zl. PAD/19/00687945/001/AA-PA, wies die belangte Behörde den Antrag auf rückwirkende Erstattung und Wiederanweisung der aufgrund der Erkrankung des Beschwerdeführers eingestellten und nicht ausbezahlten Bezüge gemäß § 15 Abs. 5 GehG ab.

Nach Darlegung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde unter Zitierung eines BKA-Rundschreibens unter anderem aus, dass nur auf ganz außergewöhnliche Ereignisse abgestellt werden könne, wie etwa das Aufnehmen von Todesfällen. Der Beschwerdeführer habe ein Ereignis vorgebracht, welches jedoch lediglich in einem vom Beschwerdeführer verfassten Mail erwähnt werde, sonst habe er keine weitere Dokumentation oder Berichterstattung vorweisen können. Es sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar, inwiefern der Beschwerdeführer in den Vorfall involviert gewesen sei. Auch sei der Vorfall nicht geeignet, ein außergewöhnliches Ereignis darzustellen, welches eine akute psychische Belastungsreaktion auslösen könne.

Mit Begleitschreiben vom 19.12.2019, eingelangt am 02.01.2020, legte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

2.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den einschlägigen dienstrechtlichen Normen für den vorliegenden Fall keine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

2.2. Nach § 15 GehG gilt:

Nebengebühren

§ 15. (1) Nebengebühren sind
1.         die Überstundenvergütung (§ 16),
2.         die Pauschalvergütung für verlängerten Dienstplan (§ 16a),
3.         die Sonn- und Feiertagsvergütung (Sonn- und Feiertagszulage) (§ 17),
4.         die Journaldienstzulage (§ 17a),
5.         die Bereitschaftsentschädigung (§ 17b),
6.         die Mehrleistungszulage (§ 18),
7.         die Belohnung (§ 19),
8.         die Erschwerniszulage (§ 19a),
9.         die Gefahrenzulage (§ 19b),
10.         die Aufwandsentschädigung (§ 20),
11.         die Fehlgeldentschädigung (§ 20a),

(Anm.: Z 12 und 13 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 96/2007)
14.         die Vergütung nach § 23 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976 (§ 20d).

Anspruch auf eine Nebengebühr kann immer nur für Zeiträume bestehen, für die auch ein Anspruch auf Gehalt besteht.

(2) Die unter Abs. 1 Z 1, 4 bis 6 und 8 bis 11 angeführten Nebengebühren sowie die im Abs. 1 Z 3 angeführte Sonn- und Feiertagsvergütung können pauschaliert werden, wenn die Dienstleistungen, die einen Anspruch auf eine solche Nebengebühr begründen, dauernd oder so regelmäßig erbracht werden, dass die Ermittlung monatlicher Durchschnittswerte möglich ist (Einzelpauschale). Die Pauschalierung bedarf in den Fällen des Abs. 1 Z 1, 3 bis 6 und 10 der Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport. Die Festsetzung einheitlicher Pauschale für im Wesentlichen gleichartige Dienste ist zulässig (Gruppenpauschale). Bei pauschalierten Nebengebühren für zeitliche Mehrleistungen ist zu bestimmen, welcher Teil der Vergütung den Überstundenzuschlag darstellt.

(2a) Bei der Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis bedarf die Pauschalierung abweichend vom Abs. 2 nicht der Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport, wenn
1.         der Beamte am Ende des unmittelbar vorangegangenen Dienstverhältnisses als Vertragsbediensteter des Bundes das betreffende Pauschale bereits gemäß § 22 Abs. 1 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 bezogen hat und
2.         die Anspruchsvoraussetzungen für die Nebengebühr sowie Art und Ausmaß der Dienstleistungen nach wie vor unverändert gegeben sind.

(3) Das Pauschale hat den ermittelten Durchschnittswerten unter Bedachtnahme auf Abs. 5 angemessen zu sein und ist
1.         bei Einzelpauschalierung der Überstundenvergütung und der Sonn- und Feiertagsvergütung in einem Hundertsatz des Gehaltes zuzüglich einer allfälligen Dienstalterszulage, Dienstzulage, Funktionszulage, Verwaltungsdienstzulage, Verwendungszulage, Pflegedienstzulage, Pflegedienst-Chargenzulage, Ergänzungszulage, Exekutivdienstzulage, Heeresdienstzulage, Omnibuslenkerzulage, Truppendienstzulage, Wachdienstzulage und Teuerungszulage,
2.         bei Gruppenpauschalierung der Überstundenvergütung und der Sonn- und Feiertagsvergütung in einem Hundertsatz des Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4,
3.         bei Pauschalierung von Nebengebühren gemäß Abs. 1 Z 2, 4 bis 6, 8 und 9 in einem Hundertsatz des Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4 und
4.         bei den übrigen Nebengebühren in einem Eurobetrag

festzusetzen.

(4) Pauschalierte Nebengebühren sind mit dem jeweiligen Monatsbezug im voraus auszuzahlen.

(5) Ist die Beamtin oder der Beamte länger als einen Monat vom Dienst abwesend, ruht die pauschalierte Nebengebühr vom Beginn des letzten Tages dieser Frist an bis zum Ablauf des letzten Tages der Abwesenheit vom Dienst. Zeiträume
1.         eines Urlaubs, während dessen die Beamtin oder der Beamte den Anspruch auf Monatsbezüge behält, oder
2.         einer Dienstverhinderung auf Grund eines Dienstunfalls oder
3.         einer Dienstverhinderung auf Grund einer akuten psychischen Belastungsreaktion im Zusammenhang mit einem außergewöhnlichen Ereignis im Zuge der Dienstausübung

einschließlich unmittelbar daran anschließender dienstfreier Tage bleiben außer Betracht. Fallen Zeiträume nach Z 1, 2 oder 3 in eine Abwesenheit im Sinne des ersten Satzes, verlängert sich die Monatsfrist oder verkürzt sich der Ruhenszeitraum im entsprechenden Ausmaß.

(5a) Eine Dienstverhinderung auf Grund einer akuten psychischen Belastungsreaktion gemäß Abs. 5 Z 3 wird durch ein außergewöhnliches Ereignis ausgelöst, dem die Beamtin oder der Beamte im Zuge der Dienstausübung ausgesetzt war und das nicht typischerweise mit der Dienstausübung verbunden ist. § 52 BDG 1979 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Anordnung der Dienstbehörde, sich einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung des Gesundheitszustandes zu unterziehen, innerhalb von drei Arbeitstagen nach Beginn der Abwesenheit vom Dienst und sodann in Abständen von längstens einer Woche zu erfolgen hat.

(6) Die pauschalierte Nebengebühr ist neu zu bemessen, wenn sich der ihrer Bemessung zugrunde liegende Sachverhalt wesentlich geändert hat. Die Neubemessung wird im Falle der Erhöhung der pauschalierten Nebengebühr mit dem auf die Änderung folgenden Monatsersten, in allen anderen Fällen mit dem auf die Zustellung des Bescheides folgenden Monatsersten wirksam.

(7) Tritt ein Beamter mit Anspruch auf eine durch Verordnung pauschalierte Nebengebühr unmittelbar
1.         nach Ablauf eines Karenzurlaubes oder einer Karenz oder
2.         im Anschluss an einen Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienst

erst nach dem ersten Arbeitstag eines Kalendermonats den Dienst wieder an, so gebührt ihm diese Nebengebühr für den betreffenden Kalendermonat in dem Ausmaß, das sich aus § 12c Abs. 1 ergibt.

(8) Die Bundesministerin oder der Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport hat, soweit ihm eine Mitwirkung bei der Zuerkennung oder Bemessung von Nebengebühren zukommt, dafür zu sorgen, daß eine gleichmäßige Behandlung der Bundesbeamten im Bereich sämtlicher Bundesdienststellen gewährleistet ist.

2.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.

2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

?        Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

?        Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

?        Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

2.5. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zum einen dargelegt, dass nicht nachvollzogen werden könne, inwieweit der Beschwerdeführer in den von ihm genannten Vorfall involviert gewesen sei, zum anderen, dass der geschilderte Vorfall als nicht geeignet erachtet werden könne, ein außergewöhnliches Ereignis iSd § 15 Abs 5 GehG darzustellen.

2.5.1. In Bezug auf den ersten Standpunkt ist zu entgegnen, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht erkannt werden kann, dass die belangte Behörde umfassend ihren Ermittlungspflichten nachgekommen ist. Die Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung der materiellen Wahrheit trifft die Behörde grundsätzlich auch dann, wenn das Verwaltungsverfahren auf Antrag eingeleitet wird (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz 13 mwN). Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass - soweit einzelne Sachverhaltselemente ihre Wurzel im Ausland haben – die Mitwirkungspflicht der Partei in dem Maß höher ist, als die Pflicht der Behörde zu amtswegigen Erhebungen wegen des Fehlens entsprechender Möglichkeiten geringer ist (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz 10). Es kann jedoch auf Basis der Aktenlage nicht nachvollzogen werden, warum die belangte Behörde den Vorschlägen des Beschwerdeführers nicht Folge geleistet hat und ein Auskunftsersuchen an die griechischen Polizeibehörden oder an die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache zu richten. Dass die Einholung einer solchen Auskunft an rechtlichen oder tatsächlichen Möglichkeiten der belangten Behörde gescheitert wäre (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz 10), wurde von der belangten Behörde nicht behauptet und ist auch nicht als wahrscheinlich anzunehmen. Zudem hat die Behörde es auch verabsäumt, den Beschwerdeführer selbst niederschriftlich zu den von ihm behaupteten Vorfällen, zum Ausmaß seiner Beteiligung oder zu seinen Beobachtungen zu befragen. Insbesondere wäre es aber geboten gewesen, eine – vom Beschwerdeführer ausdrücklich als zulässig erklärte - Einsicht in die polizeiärztlichen Akten zu nehmen und gegebenenfalls mit Amtssachverständigen die Frage zu klären, ab welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Beeinträchtigungen seiner Dienstfähigkeit aufgetreten sind. Auch wäre mit den Amtssachverständigen zu klären gewesen, ob die nunmehr bestehende psychische Beeinträchtigung mit der unmittelbar nach den Vorfällen bestehenden eher gut gelaunten Stimmung in Einklang zu bringen ist, so wie sich dies aus dem vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten E-Mail an seine Kollegenschaft aufgrund des eher beschwingten Tonfalls ergibt („dann sind wir durch die pampa und haben einen schlepper festgenommen … ich kann euch sagen… lieber XXXX , das sind festnahmen nach deinem geschmack….“ ).

2.5.2. Dass der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall (Verbrennen von vier Menschen nach einem Autounfall während einer Verfolgungsjagd) prinzipiell nicht geeignet sein soll, ein außergewöhnliches Ereignis darzustellen, welches eine akute psychische Belastungsreaktion auslösen kann, widerspricht nicht nur der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern auch dem von der belangten Behörde selbst zitierten Rundschreiben des Bundeskanzleramtes zur Rechtslage nach § 15 Abs 5a GehG und insbesondere den vom Beschwerdeführer vorgelegten - prinzipiell schlüssigen und übereinstimmenden – Befunden zu seinem psychischen Zustand. Dem angefochtenen Bescheid ist jedoch keine Begründung zu entnehmen, warum die belangte Behörde zum Schluss der mangelnden Eignung des Vorfalles kommt oder warum sie die vorgelegten Befunde als unrichtig erachtet.

2.6. Im Gesamtbild hat es die belangte Behörde somit unterlassen, ein den Grundsätzen der Offizialmaxime entsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen, womit sie im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt hat.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist es jedenfalls nicht undenkbar, dass der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall geeignet sein könnte, ein außergewöhnliches Ereignis darzustellen, welches eine akute psychische Belastungsreaktion auslösen kann. Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren ein Auskunftsersuchen an die griechischen Sicherheitsbehörden sowie die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache zu dem vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfall zu richten zu haben, weiters wird sie unter Beiziehung eines Sachverständigen sowie unter Beibringung der polizeiärztlichen Unterlagen und unter Einbeziehung der bereits vorliegenden privaten Befunde zu ermitteln haben, ob und in welchem eine akute psychische Belastungsreaktion vorliegt, welche auf den vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfall zurückzuführen ist. Gegebenenfalls wird auch der Beschwerdeführer selbst niederschriftlich zu befragen sein.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist nicht ersichtlich, zumal es sich bei der in Rede stehenden Ermittlungen (auch) um solche handelt, bei der die belangte Behörde besonders „nahe am Beweis“ ist (vgl. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

außergewöhnliches Ereignis Auskunftsbegehren Befragung Dienstfähigkeit Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Nebengebühr psychische Belastungsreaktion

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W129.2227114.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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