TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/1 W247 2235846-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.2020
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Entscheidungsdatum

01.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
IntG §9 Abs4 Z3

Spruch


W247 2235846-1/ 4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides wird gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben, der Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II., III. und IV. aufgehoben und ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., auf Dauer unzulässig ist.

III. Gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG iVm § 9 Abs. 4 Z 3 Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017, idgF., wird XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: „BF“) reiste im November 2012 erstmals ins Bundesgebiet ein.

1.2. Am 23.11.2012 wurde der BF seitens der BH XXXX eine Aufenthaltsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ zur Zl. XXXX , mit Gültigkeit bis 22.11.2013, bzw. am 19.02.2013 seitens der BH XXXX eine Aufenthaltsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ zur Zl. XXXX , mit Gültigkeit bis 23.11.2013, erteilt.

1.3. Am 24.11.2013 wurde der BF seitens der XXXX eine Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ zur Zl. XXXX , mit Gültigkeit bis 24.11.2014 erteilt, welche in weiterer Folge seitens des Magistrats der XXXX , XXXX jährlich verlängert wurde, zuletzt bis 24.08.2017. Am 22.08.2017 brachte die BF einen Antrag auf Verlängerung Aufenthaltsbewilligung beim Magistrat der XXXX ein.

1.4. Mit Bescheid der XXXX vom 30.08.2019, Zl. XXXX , wurde der Antrag der BF auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ abgewiesen und erwuchs dieser Bescheid mit 02.10.2019 in Rechtskraft.

Begründend wurde ausgeführt, dass die BF mehrmals, konkret am 08.09.2017, 04.04.2018, 05.06.2018, 12.03.2019 u. 08.05.2019) von Seiten der Behörde dazu aufgefordert worden sei, ein Sammelzeugnis vorzulegen und sie bis dato nur eine Bestätigung des Studienerfolges vom 10.05.2018 mit einer Benotung „Genügend“ vorgelegt habe. Aus dieser Vorlage gehe hervor, dass sie über keinen ordentlichen Studienerfolg verfüge und somit eine wichtige Erteilungsvoraussetzung für den Aufenthaltszweck „Studierende“ nicht gegeben sei.

2.1. Am 14.07.2020 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet.

2.2. Mit Verfügung vom 17.07.2020, zugestellt am 20.07.2020, wurde der BF vom BFA mitgeteilt, dass wegen der beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eine Beweisaufnahme stattgefunden habe und wurde die BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Gleichzeitig wurde ihr die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

2.3. Am 12.08.2020 (somit verspätet) langte beim BFA eine Stellungnahme der BF ein, in welcher diese im Wesentlichen geltend machte, dass sie seit ca. 7 Jahren in XXXX lebe. Sie sei seit November 2012 in Österreich. Sie habe in dieser Zeit einen Deutschkurs an der Universität XXXX absolviert und besitze ein Zeugnis für das Niveau B2/1-C1/1. Da sie in Russland Humanmedizin studiert habe, habe sie versucht, ihr Diplom zu nostrifizieren. Sie sei seit Herbst 2016 an der medizinischen Universität XXXX als außerordentliche Studierende angemeldet und habe für die Ablegung der Prüfungen für das gesamte Studium eine Frist von 3 Jahren und 6 Monaten erhalten. Da das Studium so aufgebaut sei, dass es keine Lehrveranstaltungen für Nostrifikanten gebe, sei es schwierig für sie gewesen, alles vorzubereiten und habe sie es nicht geschafft, die medizinischen Fächer auf Deutsch abzulegen. Sie könnte allerdings trotzdem auf Basis ihres Diploms ein anderes Studium machen bzw. vielleicht einen Job suchen, sie wolle in Österreich bleiben. Leider habe es ein Missverständnis zwischen ihr und den Behörden gegeben, da man die Prüfungen eben wie im ordentlichen Studium ablegen müsste. Daher habe ihr der Magistrat seit 2017 kein Visum verlängert. Sie habe von 2017 mehr keinen gültigen Aufenthaltstitel und habe sich keinen Job suchen können und sich auch nicht zu einem anderen Studium anmelden können. Zur Zeit habe sie keinen Kontakt mit Russland (gemeint wohl: mit Angehörigen in Russland, Anm.) und wolle sie gerne die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben.

Vorgelegt wurden folgende Unterlagen:

?        Meldebestätigung;

?        Benützungsvertrag mit XXXX vom 05.08.2020;

?        Kopie des Russischen Reisepasses;

?        Kopien von Aufenthaltsbewilligungskarten „Studierende“, ausgestellt am 24.08.2016, 26.11.2015, 25.11.2014, 24.11.2013;

?        Kopien von Aufenthaltsbewilligungskarten „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ vom 19.02.2013 u. 23.11.2012;

?        Zeugnis Deutschkurs B2/1-C1/1 vom 22.01.2015;

?        Nostrifizierungsbescheid der Universität XXXX vom 01.09.2016;

?        Studienblatt der Universität XXXX als außerordentliche Studierende WS 2016;

2.4. Mit Verfahrensanordnung vom 27.08.2020 wurde die BF verpflichtet, gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG ein Rückkehrberatungsgespräch bis 10.09.2020 in Anspruch zu nehmen.

2.5. Mit Bescheid des BFA vom 27.08.2020, Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

2.6. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die BF im November 2012 nach Österreich gereist sei und bis 24.08.2017 im Besitz eines Aufenthaltstitels für Studierende gewesen sei. Derzeit halte sie sich ohne gültigen Aufenthaltstitel in Österreich auf. Während dieser Jahre sei sie gelegentlich geringfügig erwerbstätig gewesen. Sie sei in Österreich nicht erwerbstätig und könne die für die Sicherung der zu ihrem Unterhalt und ihrer sozialen Versorgung erforderlichen Mittel nicht aufbringen. Wie sie ihren Lebensunterhalt finanziere, habe sie der Behörde nicht mitgeteilt. Sie habe keine familiären, sowie privaten Anknüpfungspunkte in Österreich. Es sei davon auszugehen, dass ihr im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat keine besonderen Schwierigkeiten widerfahren würden, zumal sie ihr bisheriges Leben in ihrer Heimat verbracht habe und davon auszugehen sei, dass sie dort über einen Verwandten- und Freundeskreis verfüge, in welchen sie sich wieder einfügen könne. Stichhaltige Gründe, weshalb von einer Erlassung einer Rückkehrentscheidung abgesehen werden sollte, seien im Verfahren nicht festzustellen. Auch aus den aktuellen Länderfeststellungen hätten sich keine Hinweise darauf ergeben. Eine besondere Bindung zu Österreich – aus welchen Gründen – immer habe nicht festgestellt werden können und ergebe sich daraus, dass das Interesse an einer zwingenden Rückkehr gegenüber allfällig entwickelten Bindungen überwiege. Es seien auch keine weiteren Umstände ersichtlich, welche für eine Entscheidung zu ihren Gunsten sprechen würden. Sie sei auch nur zur Absolvierung eines Studiums nach Österreich gereist, welches sie mangels Studienerfolg nicht abgeschlossen habe.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei. Da die Voraussetzung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes vorliege und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung, sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Auch im Hinblick auf die aktuelle Covid-19 Pandemie könne im Entscheidungszeitpunkt keine Gefährdung nach Art. 3 EMRK erkannt werden. Weiters traf das BFA Länderfeststellungen zur Situation im Herkunftsstaat der BF.

2.7. Mit Verfahrensordnung vom 27.08.2020 wurde der BF für ein etwaiges Beschwerdeverfahren ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

3. Mit Schriftsatz vom 24.09.2020 erhob die BF durch ihren Rechtsberater Beschwerde im vollen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, wegen unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und brachte im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass sie im Zeitraum von 24.11.2013 bis 02.10.2019 Inhaberin einer Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ im Bundesgebiet gewesen sei. Sie habe versucht, ihre Nostrifikationsprüfung an der XXXX in deutscher Sprache zu absolvieren, spreche Deutsch auf B2 Niveau und verfüge über Ersparnisse, mit denen sie ihren Lebensunterhalt bestreite und habe sich in Österreich ein Leben aufgebaut, sowie sich voll in die Gesellschaft integriert. Aufgrund der Schwierigkeiten, die Nostrifikationsprüfung zu bestehen, habe sie beschlossen, einen vertiefenden Englisch Kurs zu besuchen. Aktuell bewerbe sie sich bei einem akademischen Lehrgang Sonography, welcher Mitte Februar am XXXX starte. Das Studium dauere 2 Semester und werde in englischer Sprache unterrichtet. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die belangte Behörde verkannt habe, dass sie durch eine Rückkehrentscheidung in ihren Rechten nach Art. 8 EMRK verletzt werde. Sie sei zu Unrecht zum Schluss gekommen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig sei. Sie sei strafrechtlich unbescholten und gefährde ihr Aufenthalt weder die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit. Sie verfüge über eine Studentenwohnung, Ersparnisse sowie über eine entsprechende Ausbildung, sodass nicht davon auszugehen sei, dass ihr Aufenthalt in Zukunft zu einer Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde. Sie befinde sich seit 8 Jahren in Österreich, davon 7 Jahre mit einer Aufenthaltsbewilligung. Beantragt wurde, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG stattgeben und ihr gemäß § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) erteilen und aussprechen, dass die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Daue unzulässig ist; 2.) jedenfalls eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG durchführen; in eventu 3.) den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

Beigefügt wurden der Beschwerde folgende Unterlagen:

?        Anmeldebestätigung für den Kurs „Englisch Kombi-Kurs: Semi Intensiv I + II“ Vollmacht XXXX vom 13.01.2020;

?        Kontoauszug vom 22.09.2020;

4. Mit Verfügung vom 29.09.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 08.10.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Der Ablauf des Verfahrensgangs zum bisherigen Verfahren wird wie unter Punkt I. dargelegt festgestellt.

1.2. Zur Person der BF:

Die volljährige BF ist Staatsangehörige der Russischen Föderation. Die BF führt die im Spruch angeführten Personalien. Die Identität der BF steht fest.

Die BF hat am 20.06.2009 an der XXXX Staatlichen Medizinischen Universität der Föderalen Agentur für Gesundheitswesen und Soziale Entwicklung der Russischen Föderation das Studium der Humanmedizin abgeschlossen.

Am 23.11.2012 wurde der BF seitens der BH XXXX eine Aufenthaltsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ zur Zl. XXXX , mit Gültigkeit bis 22.11.2013, bzw. am 19.02.2013 seitens der BH XXXX eine Aufenthaltsbewilligung „Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ zur Zl. XXXX , mit Gültigkeit bis 23.11.2013, erteilt. Am 24.11.2013 wurde der BF seitens der XXXX eine Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ zur Zl. XXXX , mit Gültigkeit bis 24.11.2014 erteilt, welche in weiterer Folge seitens des Magistrats der XXXX jährlich verlängert wurde, zuletzt bis 24.08.2017. Am 22.08.2017 brachte die BF einen Antrag auf Verlängerung Aufenthaltsbewilligung beim Magistrat der XXXX ein. Mit Bescheid der XXXX vom 30.08.2019, Zl. XXXX wurde der Antrag der BF auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ abgewiesen und erwuchs dieser Bescheid mit 02.10.2019 in Rechtskraft.

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ist somit seit dem 02.10.2019 nicht mehr rechtmäßig.

Die BF war von 09.11.2012 bis 19.12.2012, von 22.12.2014 bis 20.01.2017, sowie von 08.02.2017 bis 31.03.2018 als geringfügig beschäftigte Arbeiterin bzw. Angestellte beschäftigt. Die BF verfügt im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen. Die BF ist unbescholten und bezog zu keinem Zeitpunkt Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Die BF ist seit dem 12.11.2012 bis heute - abgesehen von einer einmonatigen Unterbrechung im Jänner 2013 - durchgehend im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der BF besitzt Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2. Sie ist nicht Mitglied in Vereinen und Organisationen. Sie wohnt in einem Studentenheim der XXXX und bestreitet die hierfür anfallenden Kosten aus eigenen Mitteln. Die BF verfügt über Ersparnisse von € 11.370,00 (Stand: 22.09.2020) auf ihrem Giro-Konto bei einer österreichischen Bank. Die BF verfügt in Österreich über enge private und soziale Bindungen, welche sich durch Freundschaften mit österreichischen Staatsbürgern äußern.

Die BF hat sich für einen Sonographie-Kurs am XXXX beworben und sich zu diesem Zweck für einen Englisch-Intensivkurs bei der Universität XXXX gebucht, welcher von 06.10.2020 bis 28.01.2021 stattfindet.

1.3. Zur Frage der Rückkehr in die Russische Föderation:

Es existieren in casu keine Umstände, welche einer Abschiebung der BF aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Die BF verfügt über keine sonstigen Aufenthaltsberechtigungen. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF in die Russische Föderation eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde.

Der Beschwerdeführerin leidet auch an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, welche ihrer Rückkehr in die Russische Föderation entgegenstehen würden. Auch aus dem sonstigen Verfahrensergebnis werden vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in ihrem Herkunftsstaat keine Hinweise auf eine allfällige Gefährdung der Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr ersichtlich, noch wurde von der BF eine solche Gefährdung behauptet. Eine in die Russische Föderation zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Die BF verfügt im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte mit welchen sie aber nicht in Kontakt steht. Es war der BF möglich im Herkunftsstaat eine umfassende Schul- und Universitätsausbildung zu absolvieren. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die BF im Herkunftsstaat selbsterhaltungsfähig war bzw. auch im familiären Umfeld entsprechend unterstützt worden ist, da ihr sonst diese Ausbildung im Herkunftsstaat nicht möglich gewesen wäre. Es ist daher eine grundsätzliche Arbeitsfähigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit der BF anzunehmen bzw. von unterstützenden Familienangehörigen im Herkunftsstaat auszugehen und weiters mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die BF bei Rückkehr nicht in eine aussichtslose Lage geraten wird.

1.4. Zu den Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin wird auf die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden, nach wie vor in den entscheidungsrelevanten Aspekten als aktuell anzusehenden, Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich anschließt und welche das Bundesverwaltungsgericht in casu seinem Erkenntnis zugrunde legt.

Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report – der WHO (World Health Organization)

vom 24.11.2020

Nach aktuellem Stand zum Entscheidungszeitpunkt gibt es im ganzen Land 2.089.329 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus und 36.179 Todesfälle.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts und aus der Einsichtnahme in die Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), aus dem Strafregister der Republik Österreich, aus der Grundversorgung (GVS), aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und aus dem AJ-Web.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

2.3. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Identität der BF basieren auf dem vorgelegten Russischen Reisepass. Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen gründen sich auf den getätigten glaubhaften Angaben der BF im gegenständlichen Verfahren und dem Inhalt der Beschwerdeschrift.

2.4. Die Feststellung bezüglich des in der Russischen Föderation abgeschlossenen Humanmedizinstudiums seitens der BF ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid der medizinischen Universität XXXX vom 01.09.2016.

2.5. Die Feststellungen zum Verbleib der BF im Bundesgebiet nach der rechtskräftig negativen Entscheidung des Magistrats XXXX vom 30.08.2019, Zl. XXXX , bezüglich der beantragten Verlängerung ihres Aufenthaltstitels im österreichischen Staatsgebiet, ergeben sich aus den unzweifelhaften Akteninhalt.

2.6. Aus den unzweifelhaften Akteninhalt, sowie aus der von Amts wegen veranlassten Einsichtnahme in das zentrale Melderegister ergibt sich, dass die BF mit lediglich einer einmonatigen Unterbrechung seit dem 12.11.2012 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet ist.

2.7. Die Feststellung, dass die BF in nicht aufrechtem Kontakt mit ihrer Familie in der Russischen Föderation steht, ergibt sich aus ihrem Vorbringen in der Stellungnahme vom 12.08.2020.

2.8. Die Feststellung, dass die BF Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 vorweisen kann, ergibt aus den Angaben der BF in der Beschwerdeschrift auf Seite 3, wie auch aus dem vorgelegten Sprachdiplom der Universität XXXX vom 22.01.2015.

2.9. Die Feststellung, dass die BF während ihres Aufenthalts in Österreich teilweise geringfügig beschäftigt war, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Abfrage des Versicherungsdatenauszuges. Die Feststellung bezüglich der auf einem österreichischen Giro-Konto einliegenden Ersparnisse der BF basiert auf dem vorgelegten Kontoauszug der BF. Die Feststellung, dass die BF in einem Studentenwohnheim wohnhaft ist, ergibt sich aus dem vorgelegten Benützungsvertrag zwischen der BF und der XXXX vom 05.08.2020. Die Feststellung, dass die BF einen (in Englisch gehaltenen) Sonographiekurs belegen möchte und zu diesem Zweck einen Englisch-Intensivkurs gebucht hat, ergibt sich aus der vorgelegten Anmeldebestätigung der Universität XXXX vom 22.09.2020.

2.10. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich. Die Feststellung, dass die BF zu keinem Zeitpunkt Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung in Anspruch genommen hat, ergibt sich aus einem eingeholten GVS-Auszug.

2.11. Zu den Feststellungen in Zusammenhang mit der Rückkehr der BF in die Russische Föderation:

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der Aktenlage, sowie dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin, weder gegenüber der belangten Behörde, noch in der Beschwerde konkrete, durch entsprechende medizinische Unterlagen belegte Angaben tätigte, welche auf eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung oder auf eine Ermangelung ihrer grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit schließen lassen würden.

Die Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bilden dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

Die BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht hinreichend substantiiert entgegen. Aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich keine derartige Situation im Herkunftsland ableiten, wonach der BF allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage - ohne Hinzutreten individueller Faktoren - in der Russischen Föderation aktuell und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihr im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei der Russischen Föderation um einen Staat handelt, der zwar im Hinblick auf menschenrechtliche Standards Defizite aufweist, darüber hinaus aber nicht – etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien u.v.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheitslage auffällig wurde, sondern sich im Wesentlichen über die letzten Dekaden als relativ stabil erwiesen hat (vgl. dazu etwa VfGH vom 21.09.2017, Zl. E 1323/2017-24, VwGH vom 13.12.2016, Zl. 2016/20/0098).

Letztlich ist noch anzumerken, dass unter Zugrundelegung der vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zur Grundversorgung in der Russischen Föderation auch kein Grund erkannt werden kann, wonach die arbeitsfähige BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Situation geraten würde.

Was die Ausbreitung des Corona Virus in der Russischen Föderation betrifft, ist festzuhalten, dass keine Hinweise dafür vorliegen, dass die BF als Risikopatientin in Bezug auf Covid-19 einzustufen ist. Es liegen daher keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die BF persönlich bei einer Rückkehr eine Covid-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf erleiden würde. Die absoluten Zahlen in der Russischen Föderation erweisen sich mit 2.089.329 Erkrankten als so hoch, wie in kaum einem anderen Land. Dennoch erweisen sich die Todesfälle mit insgesamt 36.179 als verglichen mit anderen Ländern, verhältnismäßig gering. Sieht man die absolute Zahl der Erkrankten jedoch im Verhältnis zur Einwohnerzahl, zeigt sich die Zahl der Erkrankungen pro 100.000 Einwohner noch davon entfernt, ein für eine Schutzgewährung signifikantes Risiko aufzuzeigen, in der Russischen Föderation an einer Lungenkrankheit Covid-19 mit schweren Verlauf zu erkranken. Darüber hinaus gehört die BF, wie bereits erwähnt, nicht zur Risikogruppe an einem schwerwiegenden Verlauf zu erkranken.
3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Spruchteil A

3.5. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des Fremdenpolizeigesetzes zu verbinden, wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes das FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

„1.      wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.“

3.5.1. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die BF Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat die BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG substantiiert behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

3.5.2. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

3.6. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides:

3.6.1. Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ übertitelte § 55 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., lautet wie folgt:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne

des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.

der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9

Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt

eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche

Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

(ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

3.6.2. Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 IntG, BGBl. I Nr. 68/2017, idgF., erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

„1.

einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der

Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2.

einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung

der Integrationsprüfung vorlegt,

3.

über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne

des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss

einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4.

einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5.

als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a

NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz,
BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer

solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers

einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10 ) beinhaltet das Modul 1.“

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10 ) beinhaltet das Modul 1.“

Gemäß § 52 Abs. 1. Z 1 FPG hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA- Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018 (BFA-VG) auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

3.6.3. Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ übertitelte § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF, lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:       

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes, jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat-und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.9.2007, B 1150/07; 12.6.2007, B 2126/06; VwGH vom 26.6.2007, 2007/01/479; vom 26.1.2006, 2002/20/0423; vom 17.12.2007, vom 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl-und Fremdenrecht K15 ff zu § 9 BFA-VG).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR 27. 10. 1994, Kroon u.a. gg. die Niederlande, ÖJZ 1995, 296; siehe auch VfGH 28. 6. 2003, G 78/00).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK umfasst auch nicht formalisierte eheähnliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau; bei solchen ist normalerweise das Zusammenleben der beiden Partner in einem gemeinsamen Haushalt erforderlich, es können aber auch andere Faktoren, wie etwa die Dauer oder die Verbundenheit durch gemeinsame Kinder unter Beweis stellen, dass die Beziehung hinreichend konstant ist (EGMR vom 27.10.1994, 18535/91 Kroon und andere gg. die Niederlande, Z 30; EGMR vom 22.04.1997, 21.830/93, X,Y und Z gg. Vereinigtes Köngreich, Z 36).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8. 4. 2008, Nnyanzi gg. das Vereinigte Königreich, Appl. 21.878/06; 4. 10. 2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9. 10. 2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16. 6. 2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen stellen regelmäßig einen Eingriff in das Privatleben dar, weil sie die betroffene Person aus ihrem sozialen Umfeld herausreißen. Nach der Rechtsprechung des EGMR hängt es von den Umständen des jeweiligen Falles ab, ob es angebracht ist, sich eher auf den Gesichtspunkt des Familienlebens zu konzentrieren als auf den des Privatlebens (EGMR 23.04.2015, 38030/12, Khan, Rn. 38; 05.07.2005, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 59). Die Prüfung am Maßstab des Privatlebens ist jedoch weniger streng als jene am Maßstab des Familienlebens, weshalb letztere in der Praxis im Vordergrund steht (Ewald Wiederin, Schutz der Privatsphäre, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hg.], Handbuch der Grundrechte VII/1, 2. Aufl., § 10, Rn. 52).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

3.6.4. Die Beschwerdeführerin hält sich seit rechtskräftiger Entscheidung über den letzten Antrag der BF auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ ab 02.10.2019 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführerin verfügt im Bundesgebiet über keinen familiären Anknüpfungspunkt, weshalb ein schützenswertes Familienleben der BF, in welches durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in unzulässiger Weise eingegriffen werden könnte, nicht vorliegt.

Es ist also zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben der BF eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. vs. Lettland). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff, aber auch VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten, so im Ergebnis auch VfGH 12.06.2013, U485/2012). Die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, stellen keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale dar (Hinweis E 26. November 2009, 2008/18/0720). Auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 6 FrPolG 2005) vermag die persönlichen Interessen des Fremden nicht entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029). Vom Verwaltungsgerichtshof wurde im Ergebnis auch nicht beanstandet, dass in Sprachkenntnissen und einer Einstellungszusage keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhalts gesehen wurde, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 MRK erfordert hätte (vgl. VwGH 19.11.2014, Zl. 2012/22/0056; VwGH 19.11.2014, Zl. 2013/22/0017).

Private Interessen am Verbleib im Bundesgebiet können facettenreich sein. Tendenziell ist eine (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und vor allem die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit ein wichtiger Aspekt. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. 4. 2006, 2005/18/0560, dürfte mitentscheidend gewesen sein, dass der Beschwerdeführer seit fast fünf Jahren ununterbrochen, noch dazu beim selben Dienstgeber, legal beschäftigt war. Für die wirtschaftliche Integration ist nicht maßgeblich, ob es sich um eine qualifizierte Tätigkeit handelt. Hingegen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die Integration als stark gemindert, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl. VwGH vom 11. 10. 2005, 2002/21/0124; VwGH vom 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH vom 5. 7. 2005, 2004/21/0124 u.a.).

Als eine berufliche und soziale Verfestigung, die eine "gelungene Integration" erkennen lässt, wertete der Verwaltungsgerichtshof den Fall eines als Fliesenleger tätigen (ehemaligen) Asylwerbers, der über gute Deutsch-Kenntnisse, einen großen Freundes- und Kollegenkreis verfügte und mit einer Österreicherin im gemeinsamen Haushalt wohnte, wobei auch seine Schwester, eine österreichische Staatsbürgerin, mit ihrer Familie im Bundesgebiet lebte. Aspekte zugunsten des/der Fremden können daher neben Verwandten und Freunden im Inland auch Sprachkenntnisse, ausreichender Wohnraum und die Teilnahme am sozialen Leben sein. In Anbetracht der meistens nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des "abgeschwächten" Aufenthaltsrechts werden strafgerichtliche Verurteilungen die Interessenabwägung erheblich zuungunsten der privaten Interessen verschieben. Weitgehende Unbescholtenheit gilt hingegen als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl. VwGH vom 5. 7. 2005, 2004/21/0124 u.a.; sowie Marx, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Verwurzelung, ZAR, 2006, 261 ff).

3.6.5. Geht man nun im vorliegenden Fall von einem bestehenden Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich aus, fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu Gunsten der Beschwerdeführerin aus und würde die Rückkehrentscheidung jedenfalls einen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellen. Dies aus folgenden Gründen:

3.6.5.1. Die unbescholtene BF lebt seit ihrer Einreise ins Bundesgebiet im November 2012, sohin seit 8 Jahren im Bundesgebiet und ist seit dem 12.11.2012 praktisch durchgehend –abgesehen von einem Monat im Jänner 2013 - mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Zwar kommt ihrer Aufenthaltsdauer allein noch keine maßgebliche Bedeutung zu, doch hat sich die BF von Beginn an um eine umfassende Integration bemüht, weshalb die Interessensabwägung nichtsdestotrotz zu ihren Gunsten ausfällt: So verfügt die BF über hervorragende Deutschkenntnisse auf jedenfalls dem Niveau B2 und ist sprachlich damit bestens integriert. Die BF war von 09.11.2012 bis 19.12.2012, von 22.12.2014 bis 20.01.2017 sowie von 08.02.2017 bis 31.03.2018 in Österreich geringfügig beschäftigt und hat somit berufliche Kontakte in Österreich geknüpft. Die BF war zu den genannten Zeiten krankenversichert und ist weiters zu ihren Gunsten zu werten, dass sie während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt Leistungen der staatlichen Grundversorgung in Anspruch nehmen musste.

3.6.5.2. Da die BF nachweis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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