TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/3 95/08/0055

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Veröffentlicht am 03.06.1997
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
SHG Wr 1973 §26 Abs1 idF 1993/050;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch den Sachwalter Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12. Jänner 1995, Zl. MA 12 - 13987/93, betreffend Ersatz für Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1911 geborene Beschwerdeführerin befindet sich seit dem 14. Jänner 1988 in einem Pflegeheim der Stadt Wien. Wegen ihres 3/4 Anteils an einer Liegenschaft in Wien wurde ihr - vorerst zuhanden ihrer Schwester, der Eigentümerin des restlichen Viertels der Liegenschaft - von Anfang an der durch ihre Pension nicht gedeckte Teil des Pflegeentgelts mit der Begründung "aufgrund Ihres Vermögens" und dem Hinweis auf § 26 Abs. 1 Wiener Sozialhilfegesetz, LGBl. für Wien Nr. 11/1973 (WSHG), in Rechnung gestellt. Die Summe der darüber für die Zeit BIS JUNI 1990 ausgestellten Zahlungsvorschreibungen beträgt S 208.687,40. Diese Beträge wurden von der Schwester der Beschwerdeführerin gezahlt.

Bei einer Vorsprache im Februar 1991 erklärte die Schwester der Beschwerdeführerin, sie könne die Differenz auf die vollen Kosten nicht mehr bezahlen und die Beschwerdeführerin bedürfe eines Sachwalters. Mit Schreiben vom 10. Dezember 1991 teilte die zentrale Verrechnungsstelle für städtische Pflegeheime der einstweiligen Sachwalterin der Beschwerdeführerin mit, der unberichtigte Rückstand an Pflegeentgelten betrage

S 172.510,28. Für den Fall, daß die Differenz auf die Pflegekosten nicht beglichen werden könne, gebe es die Alternative der grundbücherlichen Sicherstellung. Die einstweilige Sachwalterin antwortete, Mittel zur Bezahlung seien nicht vorhanden und die Sicherstellung auf der Liegenschaft komme "nicht in Frage", weil die Liegenschaft dem dringenden Wohnbedürfnis der Schwester der Beschwerdeführerin diene. Schon in einem früheren Schreiben hatte die einstweilige Sachwalterin darauf hingewiesen, daß "eine Verwertung" der Liegenschaft aus dem genannten Grund nicht in Frage komme.

Mit Mandatsbescheid des Magistrats der Stadt Wien, MA 17, vom 30. April 1992 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, dem Sozialhilfeträger Wien die für den Aufenthalt in der Zeit BIS 31. MÄRZ 1992 aufgewendeten Kosten in der Höhe von S 203.759,08 zu ersetzen. Gegen diesen Bescheid, der sich auf § 26 Abs. 1 WSHG in der damals geltenden Fassung und in tatsächlicher Hinsicht darauf stützte, daß "nunmehr" das Liegenschaftsvermögen der Beschwerdeführerin "bekannt" geworden sei, wurde kein Rechtsmittel erhoben. Zur Hereinbringung des Betrages wurde auf dem bis dahin unbelasteten Liegenschaftsanteil der Beschwerdeführerin ein exekutives Pfandrecht einverleibt.

Die Aufforderung, über rückständige Pflegeentgelte für die Zeiträume vom 1. April 1992 bis 30. September 1992 und vom 1. Oktober 1992 bis 31. März 1993 Vergleiche "zwecks weiterer grundbücherlicher Sicherstellung" zu unterfertigen, beantwortete die einstweilige Sachwalterin der Beschwerdeführerin im Juli 1993 dahingehend, daß Mittel zur Bezahlung der Rückstände nicht vorhanden seien. Der Liegenschaftsanteil sei "nun bereits durch Pflegegebührenrückstände so weit belastet", daß sein Wert "erreicht sein dürfte", und es diene auch die Liegenschaft dem Wohnbedürfnis der "Familie" der Beschwerdeführerin, weshalb es nicht richtig erscheine, "der Familie die Wohnung durch die Pfandrechtsbegründung langfristig zu entwerten".

Mit Mandatsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, vom 13. August 1993 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, dem Sozialhilfeträger Wien die für den Aufenthalt in der Zeit VOM 1. APRIL 1992 BIS

30. JUNI 1993 aufgewendeten Kosten in der Höhe von S 196.758,80 zu ersetzen. Die einstweilige Sachwalterin der Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Vorstellung und gegen deren Abweisung Berufung. In der Berufung legte sie u.a. dar, dem nicht festgestellten Wert des Liegenschaftsanteiles stünden die einverleibte Belastung von S 203.759,08 zuzüglich Einverleibungskosten und eine Verbindlichkeit gegenüber der Schwester der Beschwerdeführerin in der Höhe von ca. S 200.000,-- gegenüber, zu deren Begleichung ebenfalls nur die Liegenschaft zur Verfügung stünde. Nur die Differenz zwischen dem Wert des Liegenschaftsanteiles und den Verbindlichkeiten von insgesamt ca. S 407.981,08 stelle das tatsächliche Vermögen der Beschwerdeführerin dar. Nach der Abweisung dieser Berufung mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. März 1994 wurde auch zur Hereinbringung der Forderung von S 196.758,80 samt Nebengebühren die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechtes auf dem Liegenschaftsanteil der Beschwerdeführerin bewilligt.

Mit Mandatsbescheid vom 31. März 1994 wurde der Beschwerdeführerin der Ersatz der für die Zeit VOM 1. JULI 1993 BIS 31. MÄRZ 1994 aufgewendeten Kosten in der Höhe von S 169.750,16 aufgetragen. Aufgrund dieses Bescheides, gegen den kein Rechtsmittel erhoben wurde, wurde zur Hereinbringung des genannten Betrages ein weiteres Pfandrecht auf dem Liegenschaftsanteil der Beschwerdeführerin einverleibt.

Die Aufforderung, über rückständiges Pflegeentgelt für die Zeit vom 1. April 1994 bis 30. September 1994 einen Vergleich "zwecks weiterer grundbücherlicher Sicherstellung" zu unterfertigen, beantwortete die einstweilige Sachwalterin der Beschwerdeführerin dahingehend, sie habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß sie eine weitere Belastung der Liegenschaftsanteile der Beschwerdeführerin nicht für vertretbar halte, und zwar einerseits, weil die Liegenschaft "bereits über ihren Wert belastet" sei, andererseits weil sie "dem dringenden Wohnbedürfnis von Familienangehörigen" diene.

Daraufhin trug der Magistrat der Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, der Beschwerdeführerin mit Mandatsbescheid vom 11. November 1994 auf, dem Sozialhilfeträger Wien die für ihren Aufenthalt in der Zeit VOM

1. APRIL 1994 bis 31. OKTOBER 1994 aufgewendeten Kosten in der Höhe von S 126.177,96 zu ersetzen. Die Begründung erschöpfte sich in bezug auf das Vermögen der Beschwerdeführerin in der Feststellung, diese habe zur Zeit der Hilfeleistung "über Liegenschaftsvermögen mit der Einlagezahl 2137 des Grundbuches der Katastralgemeinde Mauer im Gerichtsbezirk Liesing" verfügt.

Gegen diesen Bescheid erhob die (nach den Angaben im Vermögensbekenntnis mit Beschluß vom 21. Oktober 1994 definitiv bestellte) Sachwalterin der Beschwerdeführerin Vorstellung. Sie führte aus, es seien bereits Pfandrechte zugunsten des Magistrates eingetragen, die den anteilsmäßigen Wert der Liegenschaft bei weitem überstiegen. Der Beschwerdeführerin sei es vor allem nicht zumutbar, immer wieder die Kosten der Pfandrechtsbegründung zu tragen, die nicht mehr gedeckt seien und auch nicht durch eine Verwertung der Liegenschaft hereingebracht werden könnten. Darüber hinaus werde neuerdings vorgebracht, daß das Haus, aus dem das Vermögen der Beschwerdeführerin bestehe, "dringendem Wohnbedürfnis ihrer Schwester und des Neffen" diene.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 1994 wies der Magistrat der Stadt Wien die Vorstellung ab. Dem namens der Beschwerdeführerin erstatteten Vorbringen wurde in der Bescheidbegründung im wesentlichen folgendes entgegengehalten:

"Nach den Bestimmungen des § 26 WSHG darf der Ersatz nur dann nicht verlangt werden, wenn dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde, was gegenständlich jedoch nicht zutrifft.

Darüber hinaus stellt die Vorstellungswerberin lediglich die unbewiesene Behauptung auf, ihre 3/4 Anteile an der Liegenschaft mit der Einlagezahl 2137 des Grundbuches der Katastralgemeinde Mauer im Gerichtsbezirk Hietzing (richtig: Liesing) seien durch die verbücherten Pfandrechte bereits über ihren wahren Wert belastet.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, daß durch den im Bescheid vom 11. November 1994 festgestellten Rückersatzanspruch die Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Schwester und des Neffen (laut Meldeauskunft scheinen außer der Liegenschaftsmiteigentümerin und Schwester Erna B. zwei Frauen, nämlich Gertrud und Nicole D., aber kein Neffe, auf) gefährdet sein sollten."

In der Berufung gegen diesen Bescheid führte die Sachwalterin der Beschwerdeführerin u.a. aus:

"Das Vermögen der Betroffenen, Frau ..., besteht nun lediglich in den Liegenschaftsanteilen EZ. ..., diese sind aber nicht verwertbar. Einerseits sind sie gerade durch den Magistrat bereits so überbelastet, daß ein Verkauf nicht Frage kommen. Andererseits wohnen darin Familienangehörige und sei es auch nur die Schwester. Darüber hinaus besteht, wie die Behörde selbst festgestellt hat, ein Mietrecht zugunsten der Herrschaften Gertrud und Nicole D. Es ist daher außer Betracht, daß die Betroffene dieses Liegenschaftsvermögen für die Deckung ihrer Bedürfnisse heranziehen kann."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie stellte in der Begründung den Inhalt des Bescheides vom 13. Dezember 1994, der Berufung und des § 26 Abs. 1 WSHG in der (seit 23. September 1993) geltenden Fassung (der 5. Novelle zum WSHG, LGBl. für Wien Nr. 50/1993) dar und beschränkte sich im übrigen auf folgende Ausführungen:

"Wenn die Berufungswerberin in ihrem Rechtsmittel vorbringt, der Verkehrswert der Liegenschaft sei bereits unter dem Wert des Gesamtbetrages der darauf lastenden Hypotheken, so muß ihr jedoch entgegengehalten werden, daß die bloße Behauptung einer solchen Tatsache nicht ausreicht, um sie als erwiesen anzusehen. Vielmehr wäre die Berufungswerberin für eine solche Behauptung beweispflichtig gewesen.

Im übrigen widerlegt sich das Berufungsvorbringen insofern selbst, als zunächst, gestützt auf die bereits erwähnte Argumentation, das Fehlen von verwertbarem Vermögen behauptet wird, andererseits jedoch zugleich darauf verwiesen wird, daß bezüglich der Liegenschaft ein Mietrecht eingeräumt wurde, womit klar ist, daß die Berufungswerberin verwertbares Einkommen in Form von Mieteinnahmen lukriert. Neben dem Liegenschaftseigentum reicht schon allein diese Tatsache aus, die Berufungswerberin aufgrund von verwertbarem Vermögen zum Rückersatz von Sozialhilfeleistungen zu verpflichten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde war nach dem Gesetz verpflichtet, von Amts wegen den für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln (§§ 37, 39 Abs. 2 AVG). Die Partei hat zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts nach ständiger Rechtsprechung beizutragen, doch geht diese Mitwirkungspflicht nicht so weit, daß sich die Behörde die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens ersparen könnte (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, Seite 239 und 259 ff, wiedergegebene Rechtsprechung). Der Behörde steht es nicht frei, ihre Pflicht zur Feststellung des Sachverhaltes auf die Partei zu überwälzen (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 31. März 1949, Slg. Nr. 772/A, und vom 23. Mai 1978, Slg. Nr. 9565/A; zur behördlichen Ermittlungspflicht im Zusammenhang mit der Verwertbarkeit von Vermögensbestandteilen aus jüngerer Zeit die Erkenntnisse vom 25. Oktober 1994, Zl. 94/08/0077, und vom 26. September 1995, Zl. 94/08/0097 (beide zu § 10 WSHG); zum Ausmaß der Begründungspflicht bei der Ableitung des Ersatzanspruches aus dem Eigentum an einem Liegenschaftsanteil das Erkenntnis vom 22. November 1994, Zl. 93/08/0093 (zu § 43 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Salzburger Sozialhilfegesetz)).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde über die Richtigkeit der von der Partei wiederholt und mit Nachdruck erhobenen, entscheidungswesentlichen Behauptung, der Wert des Liegenschaftsanteils sei geringer als die ihm bereits gegenüberstehenden Belastungen, keine Ermittlungen gepflogen. Die wohl als negative Sachverhaltsfeststellung gemeinte Wendung, die "bloße Behauptung einer solchen Tatsache" reiche nicht aus, um sie "als erwiesen anzusehen", gründet sich daher nicht auf die Ergebnisse eines dem Gesetz entsprechenden Ermittlungsverfahrens. Die belangte Behörde hat ihre Pflicht zur Durchführung eines solchen Verfahrens nicht nur verkannt, sondern mit der Formulierung, die Beschwerdeführerin wäre "vielmehr" für die Richtigkeit ihrer Behauptung "beweispflichtig gewesen", ausdrücklich verneint und ihren Bescheid dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Nichts anderes gilt auch für das zweite Argument der belangten Behörde, das sich auf die - verfahrensrechtlich in dieser Form nicht zulässige - Annahme stützt, aufgrund der Erwähnung eines "Mietrechts" in der Berufung sei "klar", daß die Beschwerdeführerin "verwertbares Einkommen in Form von Mieteinnahmen lukriert". Die davon ausgehende Rechtsansicht der belangten Behörde, neben "dem Liegenschaftseigentum" reiche "schon allein diese Tatsache aus", um "aufgrund von verwertbarem Vermögen" die Ersatzpflicht der Beschwerdeführerin für weitere S 126.177,96 zu begründen, läßt nicht nur eine Unterscheidung zwischen Vermögen und Einkommen vermissen, sondern beruht insofern, als auf die Höhe des für den Liegenschaftsanteil erzielbaren Kaufpreises und der unterstellten Einkünfte einerseits und deren Verhältnis zu den schon bestehenden Verbindlichkeiten andererseits überhaupt nicht eingegangen wird, auf einer grundlegenden Verkennung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Ersatzanspruches. Ein solcher kommt nach dem klaren Wortlaut der von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmung nämlich nur insoweit in Frage, als das Einkommen oder Vermögen "hinreichend" ist.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Gründen, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeargumente bedurft hätte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995080055.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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