TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/9 L511 2234472-1

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


L511 2234472–1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle XXXX vom 16.06.2020, Zahl: OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.1.    Die Beschwerdeführerin stellte am 27.04.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, sowie für den Fall, dass die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen rechtfertige, die Aufnahme der entsprechenden Zusatzeintragungen in den Behindertenpass (AZ 2.6-2.14).

1.2.    Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des SMS vom 16.06.2020, Zahl: XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27.04.2020 gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen, da bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Vornahme einer Zusatzeintragung nicht vorlägen (AZ 2.21).

2.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 27.08.2020 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1-1.2, 2.1 -2.21, 3.1-2.23]).

2.1.    Mit Schreiben vom 29.09.2020 erklärte die Beschwerdeführerin, sie „möchte den kompletten Behindertenpass zurückziehen und wünsche keine weitere Bearbeitung durch das Sozialministeriumservice bzw. durch das Gericht“ (OZ 3).

II.      ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Am 27.04.2020 stellte die die Beschwerdeführerin ua einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

1.2.    Diesen Antrag zog die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29.09.2020 zurück.

1.3.    Eine Entscheidung in der Sache ist bis dato nicht ergangen.

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Der gesamte festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt und den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumenten und Unterlagen und ist zwischen den Parteien unstrittig.

3.       Rechtliche Beurteilung

3.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 19b Behinderteneinstellgesetz [BEinstG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die GKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

3.1.2.  Die Beschwerde gegen den Bescheid des SMS ist rechtzeitig und zulässig.

3.2.    Behebung des Bescheides

3.2.1.  Gemäß § 13 Abs. 7 AVG, der gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Die Zurückziehung eines Antrages ist so lange zulässig, als dieser noch unerledigt ist (VwGH 16.08.2017, Ro2017/22/0005 mwN). Dies bedeutet für jene Fälle, in denen der verfahrenseinleitende Antrag auf die Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall eines Rechtsmittels auch bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel möglich ist. Diese zum früheren Berufungsverfahren vor den Verwaltungsbehörden ergangene Rechtsprechung ist auf das seit 01.01.2014 bestehende Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu übertragen (VwGH 16.08.2017, Ro2017/22/0005 mwN und unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 13 Rz42).

3.2.2.  Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 29.09.2020 unmissverständlich erklärt, den verfahrenseinleitenden Antrag zurückzuziehen. Diese Erklärung weist keine Hinweise auf das Vorliegen von Willensmängeln auf (vgl. VwGH 17.10.2013, 2011/21/0140; 17.04.2009, 2007/03/0040; 31.05.2006, 2006/10/0075; 11.07.2003, 2000/06/0173). Zum Zeitpunkt der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Beschwerdeführerin befand sich das Verfahren noch im Stadium des Beschwerdeverfahrens, so dass der Antrag zulässigerweise zurückgezogen werden konnte.

3.3.    Die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags bewirkt den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit (vgl. dazu 31.01.2019, Ra2018/22/0086 mwN), weshalb der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben ist.

4.       Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Abs. 7 AVG. Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit der Zurückziehung eines Anbringens VwGH 16.08.2017, Ro2017/22/0005 sowie zu deren Wirkung VwGH 19.11.2014, Ra2014/22/0016 mwN. Zur Übertragbarkeit dieser Judikatur auf das Verwaltungsgerichtsverfahren VwGH 16.08.2017, Ro2017/22/0005 mwN. Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Antragszurückziehung ersatzlose Behebung Rechtswidrigkeit Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2234472.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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