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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über den Antrag des F in O, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur gehörigen Verbesserung der zur Zl. 97/06/0020 protokollierten Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. November 1994, Zl. IIb1-L-2109/2-1994, betreffend Aufträge nach dem Tiroler Straßengesetz, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem im hg. Verfahren Zl. 97/06/0020 angefochtenen Bescheid wies die Tiroler Landesregierung eine Vorstellung des Beschwerdeführers in einer Sache nach dem Tiroler Straßengesetz als unbegründet ab. (Dem Beschwerdeführer war von den Gemeindebehörden der Auftrag erteilt worden, eine bestimmte Verbotstafel zu entfernen.) Die Vorstellungsbehörde ging in diesem Zusammenhang davon aus, daß ein Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde vom 4. Dezember 1987 rechtlich als Verordnung anzusehen sei und es sich demnach beim fraglichen Weg um eine Gemeindestraße handle.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 28. Februar 1996, B 5/95-20, beschloß, die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung vom 4. Dezember 1987 von Amts wegen zu prüfen. Mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1996, V 51/96-11, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß diese Verordnung nicht als gesetzwidrig aufgehoben werde, wobei er davon ausging, daß es dieser Verordnung nicht an der gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 1/1951, erforderlichen Zustimmung des Grundeigentümers mangle. Demgemäß sprach der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom selben Tag, B 5/95-22, aus, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid vom 15. November 1994 weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei, wies die Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sei.
Mit Berichterverfügung vom 3. März 1997 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, diese (zur hg. Zl. 97/06/0020 protokollierte) Beschwerde in bestimmten Punkten zu ergänzen, wobei der ergänzende Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen sei.
Hierauf brachte der Beschwerdeführer einen ergänzenden Schriftsatz ein, aber lediglich in zweifacher Ausfertigung (in welchem er auch weiterhin die Auffassung vertrat, der Beschluß des Gemeinderates vom 4. Dezember 1987 sei keine Verordnung und es mangle an der erforderlichen Zustimmung des Grundeigentümers).
Mit hg. Beschluß vom 20. März 1997, Zl. 97/06/0020-5, wurde das Beschwerdeverfahren gemäß den §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG mangels vollständiger Erfüllung des Verbesserungsauftrages eingestellt, weil der ergänzende Schriftsatz nicht dreifach, wie zwecks Einbeziehung der mitbeteiligten Gemeinde aufgetragen, sondern lediglich zweifach eingebracht worden war. Dieser Beschluß wurde dem Beschwerdeführer (zu Handen seines Vertreters) am 18. April 1997 zugstellt.
Mit dem nun verfahrensgegenständlichen, am 2. Mai 1997 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur gehörigen Erfüllung des zuvor genannten Verbesserungsauftrages und bringt vor, sein mit der Bearbeitung dieser Sache befaßte Mitarbeiter (gemeint: des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers) habe bei seinem Diktat der Sekretärin unmißverständlich die Anweisung gegeben, diesen Schriftsatz dreifach auszufertigen, weil er von ihm (gemeint: vom Vertreter des Beschwerdeführers) darauf hingewiesen worden sei. Bei der Reinschrift des Diktates dieses Schriftsatzes sei "von der stets zuverlässigen Sekretärin (...) das bereits in der Computerdatei generierte Deckblatt verwendet" worden, wobei "standardmäßig eine zweifache Ausfertigung vorgeschlagen" werde. Es sei auch von ihr übersehen worden, daß der Schriftsatz dreifach einzubringen gewesen wäre, obwohl dies aufgetragen worden war. Der Mitarbeiter des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers habe generell die Aufgabe, sämtliche Schriftstücke vor Unterfertigung nach interner Erörterung zu überprüfen. Er habe sich bislang als verläßlich erwiesen und es habe nie einen Grund zur Beanstandung gegeben. Auch an dem Tag, an welchem der ergänzende Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof abgeschickt worden sei, habe dieser Mitarbeiter "neben vielen anderen Schriftstücken" diesen Schriftsatz überprüft und habe "in der Hektik" offensichtlich übersehen, daß dieser nur zweifach ausgefertigt worden war, "obwohl oder gerade weil er ausdrücklich die Sekretärin angewiesen hatte, diesen dreifach auszufertigen". Der Rechtsfreund des Beschwerdeführers, dem am Abend von diesem Mitarbeiter die Unterschriftenmappe zur Unterfertigung vorgelegt worden sei, habe sämtliche Schriftstücke im Vertrauen darauf unterfertigt, daß sein bislang verläßlicher Mitarbeiter auch den ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorbereitet habe, wobei er "in der Hektik und im Bewußtsein, daß es bislang keinen Grund zur Beanstandung gab, übersehen habe, daß lediglich eine zweifacher Ausfertigung vorliegt". Weder den genannten Mitarbeiter noch der genannten Sekretärin sei bislang ein derartiger Fehler unterlaufen. Es läge somit ein minderer Grad des Versehens vor. Erst durch Zustellung des Einstellungsbeschlusses vom 20. März 1997 sei der Fehler erkannt worden. "Da im gegenständlichen Fall tatsächlich nur ein geringer Fehler ohne Verschulden, und nur ein Formalfehler vorliegt," werde gemäß "§ 71 AVG" der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zugleich wurde die fehlende dritte Ausfertigung des ergänzenden Schriftsatzes vorgelegt.
Der Beschwerdeführer begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG. Diese Bestimmung ist aber vorliegendenfalls gemäß § 62 Abs. 1 VwGG unanwendbar, weil das VwGG in seinem § 46 eigene Bestimmungen hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorsieht. Der Verwaltungsgerichtshof geht aber davon aus, daß das Begehren des Beschwerdeführers dahin umzudeuten ist, daß er richtig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG begehrt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn diese durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Vorliegendenfalls liegt dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zufolge eine Abfolge von Fehlern vor, die aufzeigen, daß es in der Kanzlei des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers offensichtlich an einem wirksamen Kontrollsystem mangelt. Sicherlich kann nicht für alle denkbaren Eventualitäten vorgesorgt werden, ein Kontrollsystem muß aber so beschaffen sein, daß Fehler grundsätzlich auch "in der Hektik" entdeckt werden (zur Überprüfungs- und Kontrollpflicht des Rechtsanwaltes gegenüber seiner Kanzleiangestellten und zu den organisatorischen Vorsorge im Kanzleibetrieb siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 657 ff wiedergegebene hg. Judikatur). Nach der Lage des Falles teilt daher der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung des Antragstellers, es liege "nur geringer Fehler ohne Verschulden" vor bzw. es sei von einem minderen Grad des Versehens auszugehen; besondere Momente, die eine gegenteilige Beurteilung gebieten würden, liegen nicht vor.
Demnach war dem Antrag nicht stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997060106.X00Im RIS seit
20.11.2000