TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 W247 2229661-1

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Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W247 2229661-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer (BF) ist russischer Staatsangehöriger, der tschetschenischen Volksgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig.

I. Verfahrensgang:

1. Anträge der Eltern des BF und dessen zweier Schwestern auf internationalen Schutz:

1.1. Die Mutter und gesetzliche Vertreterin des BF reiste spätestens am 06.04.2015 gemeinsam mit ihren zwei minderjährigen Töchtern, den beiden Schwestern des BF, unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte für sich und ihre zwei Töchter am gleichen Tag Anträge auf internationalen Schutz. Der Vater des BF reiste am 15.10.2015 unrechtmäßig ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Das Bundesamt wies deren Anträge auf internationalen Schutz mit Bescheiden vom 25.09.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Eltern und Geschwister des BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde unter Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Eltern und Geschwister des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

1.3. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019, GZen XXXX nach Durchführung zweier öffentlicher mündlicher Verhandlungen als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wird darin ausgeführt, dass der Nachbar der Familie des BF in Dagestan im Jahr 2012 bei einem Schusswechsel mit der Polizei als Terrorismusverdächtiger erschossen und der Vater des BF seitens der dagestanischen Polizei unter dem Verdacht mit seinem Nachbarn zusammengearbeitet zu haben, Anfang 2013 zwei Mal angehalten, verhört und dabei brutal geschlagen worden sei. Seit März 2013 sei der Vater des BF von der Polizei seines Herkunftslandes nicht mehr verfolgt worden. Nicht festgestellt werden habe können, dass islamistische Extremisten versucht hätten, seinen Vater zu rekrutieren. Der Vater des BF habe sich bis Ende September 2015, etwa ein halbes Jahr, in Moskau aufgehalten, wo er über einen Bekanntenkreis verfüge, der ihn unterstützt habe, und er auch eine Wohnung gemietet habe. Nachdem der Vater des BF seit März 2013 keine Schwierigkeiten mehr mit der dagestanischen Polizei gehabt und im Oktober 2015 problemlos habe ausreisen können, sei nicht davon auszugehen, dass der Vater des BF immer noch von der dagestanischen Polizei behelligt werden würde. Insgesamt sei daher nicht von einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen und bestehe im Übrigen eine innerstaatliche Fluchtalternative. Ebenso wenig sei davon auszugehen, dass die Familie des BF bei einer Rückkehr in die Russische Föderation in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären. Die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 13.03.2019, Zl. XXXX abgelehnt und an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.05.2019, Ra XXXX wurde die ao. Revision in casu zurückgewiesen.

2. Antrag des BF auf internationalen Schutz:

2.1. Der BF wurde am XXXX im österreichischen Bundesgebiet nachgeboren und stellte seine Mutter für ihn, als seine gesetzliche Vertreterin, am 19.11.2019 schriftlich einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei für den BF keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden. Am 30.01.2020 wurde die Mutter des BF, als seine gesetzliche Vertreterin, vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX , im Beisein eines ihr einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH niederschriftlich einvernommen wurde.

2.2. Dabei brachte die Mutter des BF vor, dass ihr Sohn auch eigene Fluchtgründe habe. Nachdem ihr Bescheid negativ abgeschlossen worden sei, habe sie ihre Eltern in der Russischen Föderation gefragt, ob sie eine Unterkunft haben könnten. Ihr Mann müsste sich in Russland verstecken und könnten sie nicht gemeinsam in Russland leben. Daher habe sie ihre Eltern um Hilfe gebeten. Sie hätten gesagt, dass die Mutter des BF nach Hause zurückkehren könne, aber ohne Kinder. Diese müssten bei ihrem Mann bleiben, weil die Clantradition sage, dass Kinder beim Vater bleiben müssten. Ihre Eltern würden wollen, dass die Eltern des BF sich scheiden ließen. Würde sich die Mutter des BF aber scheiden lassen, würde sie ihre Kinder nicht mehr sehen. Die Eltern ihres Mannes würden ihre Kinder haben wollen, ihre Eltern würden sie gerne hergeben, weshalb sie zwischen den Fronten stünde. Ihr Sohn müsste ohne seine leibliche Mutter leben und sie wolle ihn nicht hergeben. Für den BF wäre das eine schlechte Zukunft. Die Volksgruppe eines Kindes, werde nach der Volksgruppe des Vaters zugeordnet, das sei Tradition. Ihrem Sohn gehe es gut und er sei gesund. Wenn sie in Österreich bleiben dürften, würde der BF Vater und Mutter haben und sie wären eine ganz normale Familie. Sie habe noch zwei Töchter, aber ihr Sohn würde ihr weggenommen werden, wenn sie nach Hause gehe. Sie habe sonst nichts und könne nirgends hin. Sie wolle um eine Chance bitten hier bleiben zu können, damit ihr Sohn nicht unter diesen Traditionen leben müsse. Dort müsse er sich so verhalten, wie es die Tradition vorgeben, hier könne er sich frei entfalten.

2.3. Für den Beschwerdeführer wurden erstinstanzlich folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:

?        Geburtsurkunde vom XXXX ;

?        Meldebestätigung vom 19.11.2019;

2.4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (BFA) vom 10.02.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III., IV., V). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

2.5. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zur Lage in seinem Herkunftsstaat und führte rechtlich aus, dass sich das Bundesverwaltungsgerichts bereits mit Erkenntnissen vom 08.02.2019 mit dem vorgebrachten Fluchtvorbringen betreffend die Eltern und die Geschwister des BF auseinandergesetzt hätte, wobei diese keine Asylrelevanz hätten. Auch hinsichtlich der für den BF am 31.01.2020 vorgebrachten eigenen Fluchtgründe würde könne keine asylrelevante Verfolgung iSd Gründe der GFK festgestellt werden. Auch stünde eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

2.6. Beweiswürdigend führte das BFA im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, dass im Verfahren seiner Erziehungsberechtigten und Geschwistern keine objektiv nachvollziehbaren Gründe für eine Wahrscheinlichkeit dargetan werden konnte, dass seine Familienangehörigen außerhalb Dagestans in der Russischen Föderation verfolgt bzw. gefunden werden könnten. Dies sei bereits in den Erkenntnissen des BVwG vom 08.02.2019 ausgeführt worden. Aufgrund der zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Fluchtalternative, erübrige sich auch ein Eingehen auf die Situation von „Scheidungskindern“ in der Russischen Föderation, zumal aus den Länderberichten auch nicht hervorgehe, dass daraus eine unmittelbare persönliche Verfolgung abzuleiten wäre und auch nicht vorgebracht wurde, dass eine Scheidung unmittelbar bevorstehe.

2.7. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätte. Es ergebe sich auch keine Gefährdungslage nach § 8 AsylG und erscheint eine Rückkehr in die Russische Föderation zumutbar. Zudem stünde ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen Gebieten der Russischen Föderation offen.

2.8. Demnach – so die belangte Behörde – könnte der vom Beschwerdeführer behauptete Fluchtgrund nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus seinem Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle seiner Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Eine Rückkehrentscheidung sei zulässig.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 11.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

4. Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz vom 24.02.2020, bei der belangten Behörde am 09.03.2020 eingelangt, wurde für den BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 13.02.2020, in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhoben.

Begründend wurde beschwerdeseitig ausgeführt, dass die Eltern der Mutter des BF schon immer gegen die Heirat ihrer Tochter mit dem Vater des BF gewesen seien und sie auch den Vater des BF für die Probleme der Familie des BF verantwortlich machen würden, weshalb sie die Scheidung ihrer Tochter verlangt hätten. Im Falle einer Rückkehr, würden die Eltern der Mutter des BF die Familie überall suchen und trennen. Bei einer Scheidung werde es traditionell und rechtlich so gehandhabt, dass die Mädchen bei der Mutter und die Söhne beim Vater bleiben. Der BF sei das Jüngste von drei Kindern und die Mutter des BF leide an schweren depressiven Episoden. Sie würden weder in Dagestan, noch der restlichen Russischen Föderation Unterstützung durch die Familie erhalten und würden als Muslime des Nordkaukasus in der restlichen Russischen Föderation Diskriminierungen ausgesetzt. Die belangte Behörde sei ihren Ermittlungspflichten nicht im ausreichenden Maße nachgekommen. Sie stützte ihre Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat auf unvollständige Länderberichte und habe ihre eigenen Berichte nur unzureichend ausgewertet. Darin sei deutlich erkennbar, dass Justiz und Polizei in der Russischen Föderation korrupt seien und Menschenrechtsverletzungen begingen. Zudem stünden Personen aus Dagestan unter Generalverdacht und sei deren wirtschaftliche sowie soziale Situation katastrophal. Dazu werden Ausschnitte aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides und ergänzend zwei ACCORD Anfragebeantwortungen zitiert. Dabei wird vorgebracht, dass die Behörde zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, hätte sie diese Berichte ihrer Entscheidungsfindung zugrunde gelegt. Die Abweisung des Antrages der BF auf internationalen Schutz basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletzte § 60 AVG. Wenn die Behörde davon ausgehe, der Vater des BF müsse sich nicht verstecken, weil schon festgestellt und rechtskräftig entschieden worden sei, dass ihnen außerhalb Dagestans keine Verfolgung drohe und sie auch nicht gefunden würden, sei festzuhalten, dass die Mutter des BF die nunmehrige Problematik mit ihren Eltern vorgebracht hatte, die nach ihr suchen lassen würden, weil sie eine Trennung der Mutter des BF von dessen Vater verlangen würden. Wenn die belangte Behörde davon ausgehe, dass der BF und seine Familie durch Bekannte seines Vaters aus Moskau unterstützt würden, sei festzuhalten, dass die Bekanntschaften schon Jahre zurückliegen würden und auch keinerlei Kontakt mehr bestünde. Aufgrund der familiären Probleme bekäme die Familie keinerlei Unterstützung in der Russischen Föderation. Innerstaatliche Fluchtalternative stünde ihnen keine offen, weil die Mutter des BF aufgrund ihrer psychischen Probleme nicht voll arbeitsfähig sei und die Betreuung des BF, sowie dessen Schwestern gewährleistet werden müsse. In der Beschwerde wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) der Beschwerde stattgeben und dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen 2.) in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; 3.) in eventu feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und daher festzustellen sei, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG vorliegen und den BF daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel gemäß §55 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist; 4.) oder die angefochtenen Bescheide an die Erstbehörde zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverweisen; 3.) zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen.

Gemeinsam mit der Beschwerdeschrift wurden medizinische Unterlagen betreffend der BF2 vorgelegt.

10. Die Beschwerdevorlage vom 16.03.2020 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsbericht (BVwG) am 17.03.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 19.11.2019, der Einvernahme der Mutter des BF am 30.01.2020 vor dem BFA, der für den Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerde vom 09.03.2020 gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.02.2020, der vorgelegten Unterlagen und der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, der Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Fremden- und Grundversorgungsinformationssystems, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1. Zum bisherigen Verfahren der Familie des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Mutter des BF reiste gemeinsam mit ihren minderjährigen Töchtern, den beiden Schwestern des BF unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellten am 06.04.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Der Vater des BF reiste am 15.10.2015 unrechtmäßig ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt wies deren Anträge auf internationalen Schutz mit Bescheiden vom 25.09.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF1 bis BF4 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde unter Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF1 bis BF4 gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019, GZen XXXX nach Durchführung zweier öffentlicher mündlicher Verhandlungen als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.05.2019, Ra XXXX , zurückgewiesen, weshalb die Erkenntnisse mit 14.02.2019 in Rechtskraft erwuchsen.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Tschetschenen und dem muslimischen Glauben zugehörig. Seine Identität steht fest. Der BF wurde am XXXX im Bundesgebiet nachgeboren und stellte seine Mutter für ihn als seine gesetzliche Vertreterin am 19.11.2019 schriftlich Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Herkunftsland halten sich die Eltern, eine Schwester, sowie zahlreiche Onkeln und Tanten des Vaters des BF, sowie die Eltern, zwei Brüder, eine Schwester, sowie zahlreiche Onkeln und Tanten der Mutter des BF auf. Vor ihrer Einreise nach Österreich hielten sie sich die Eltern des BF mit seinen beiden Schwestern in Dagestan auf, wo sie auch aufwuchsen. Die Eltern des BF und dessen zwei Schwestern lebten vor Ausreise aus dem Herkunftsstaat mit den Großeltern väterlicherseits im gemeinsamen Haus der Großeltern väterlicherseits.

Der Vater des BF verfügt über Schulbildung auf Reifeprüfungsniveau, ist arbeitsfähig und war im Herkunftsland im Bereich Wohnungssanierungen und Innenausbau und als freiberuflicher Taxilenker erwerbstätig. Die Mutter des BF verfügt über Schulbildung auf Reifeprüfungsniveau, ist arbeitsfähig und war im Herkunftsland als Verkäuferin in einem Geschäft erwerbstätig. Über eine Berufsausbildung verfügen beide nicht. Der Vater des BF hat im Herkunftsland einen Kurs über Innenausbau und die Mutter des BF hat einen Kurs über Heimpflege besucht, der ihr ermöglicht Familienmitglieder zu betreuen.

Der Beschwerdeführer verfügt über seine Eltern und seine beiden Schwestern im Bundesgebiet, mit denen er zusammenwohnt. Er befindet sich in Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schwerwiegenden, noch einer lebensbedrohlichen Krankheit. Er ist gesund.

1.3. Zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers:

Das Vorbringen der Beschwerdeseite betreffend die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung wird den Feststellungen mangels Glaubhaftmachung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare, innerstaatliche Schutz- bzw. Fluchtalternative in anderen Teilen der Russischen Föderation, außerhalb Dagestans, zur Verfügung.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden, nach wie vor in den fallgegenständlich relevanten Teilen als aktuell anzusehenden, Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich anschließt und welche das Bundesverwaltungsgericht in casu seinem Erkenntnis zugrunde legt.

Coronavirus disease 2019 (COVID-19) weekly Epidemological Update - WHO (World Health Organization)

vom 12.10.2020

Nach aktuellem Stand zum Entscheidungszeitpunkt gibt es im ganzen Land 1.298.718 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus und 22.597 Todesfälle.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben ausgeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

2.3. Die Feststellungen zu Identität, Alter, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen auf den unbedenklichen Angaben seiner gesetzlichen Vertreterin vor dem BFA, sowie auf den in seiner Beschwerde gemachten Angaben und den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019 zu GZen XXXX Der Beschwerdeführer hat im Verfahren seine Geburtsurkunde vorgelegt, weshalb seine Identität feststeht.

2.4. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben seiner gesetzlichen Vertreterin vor dem BFA am 30.01.2020, wonach er gesund ist (S. 4 des BFA-Prot.).

2.5. Primär ist festzuhalten, dass das BFA ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Der Beschwerdeseite wurde ausreichend die Möglichkeit eingeräumt, die persönlichen Fluchtgründe des BF in Bezug auf seinen Herkunftsstaat geltend zu machen und es kann daher nicht der belangten Behörde angelastet werden, wenn die Beschwerdeseite davon nicht mit Erfolg Gebrauch gemacht hat.

2.6. Zu den Vorbringen im Zusammenhang mit den gegenständlichen Fluchtgründen:

2.6.1. Mit dem Vorbringen für den Beschwerdeführer zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat Russische Föderation vermochte die Beschwerdeseite eine asylrelevante Bedrohung nicht darzutun:

Die gesetzliche Vertreterin des BF gab im Rahmen des schriftlich gestellten Antrags auf internationalen Schutz an, dass ihr Sohn keine eigenen Fluchtgründe habe. Erst in ihrer Einvernahme vor dem BFA brachte sie für den BF erstmals eigene Fluchtgründe vor.

Die beschwerdeseitig vorgebrachte Gefährdungslage des Beschwerdeführers beruht auf der Behauptung, dass der Vater des BF, aufgrund des Todes seines Nachbarn als Terrorismusverdächtigen durch einen Schusswechsel mit der Polizei im Jahr 2012, seitens der dagestanischen Polizei unter dem Verdacht, mit seinem Nachbarn zusammengearbeitet zu haben, Anfang 2013 zwei Mal angehalten, verhört und dabei brutal geschlagen worden sei. Außerdem hätten islamistische Extremisten versucht seinen Vater zu rekrutieren. Die eigenen Fluchtgründe des BF beruhen zusammenfassend auf der Behauptung, dass der BF bei Rückkehr in den Herkunftsstaat ohne seine Mutter aufwachsen würde, da die Eltern seiner Mutter die Trennung seiner Mutter und seines Vaters verlangen würden und die Clantradition besage, dass ein Sohn bei seinem Vater aufwachsen solle.

2.6.1.1. Zunächst gilt es festzuhalten, dass über jene Fluchtgründe, die sich auf den Vater des BF beziehen, bereits im Verfahren der Eltern und der Schwestern des BF mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019, GZen XXXX , rechtskräftig negativ abgesprochen worden ist.

Demnach hätten die Aussagen der Mutter und des Vaters des BF in der Beschwerdeverhandlung hinsichtlich der Fluchtgründe kaum Abweichungen zu ihren Angaben beim Bundesamt erkennen lassen und seien auch sonst diesbezüglich keine erheblichen Widersprüche aufgetreten. Hinsichtlich der Probleme des Vaters des BFs mit der Polizei hätten dieser und die Mutter des BF auch unter Nachfragen zu Details vor dem Gericht die Vorfälle plausibel schildern können, ohne sich dabei wechselweise in signifikante Widersprüchlichkeiten zu verstricken, weshalb dieses Vorbringen vor dem Hintergrund der Länderberichte auch für glaubhaft erachtet wurde. Der Vater des BF habe jedoch seit März 2013 keine ernsthaften Schwierigkeiten mehr mit der Polizei in Dagestan gehabt, solche offenbar auch nicht mehr befürchtet und sei ebenfalls im Oktober 2015 problemlos legal mit einem Reisedokument ausgereist. Es erscheine kaum wahrscheinlich, dass die dagestanische Polizei den Vater des BF über viereinhalb Jahre danach wegen der damaligen Vorfälle mit seinem Nachbarn immer noch behelligen würde. Die vorgelegten polizeilichen Ladungen wurden für nicht relevant erachtet. Die Nachstellungen durch extremistische Aktivisten wurden jedoch aufgrund mehrerer Widersprüche für nicht glaubhaft befunden.

Insgesamt ist es bereits der Familie des BF, nach den oa. Erkenntnissen, nicht gelungen, individuelle Gründe für die Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, landesweiten asylrelevanten Verfolgung– sei es durch die Polizei oder islamistische Extremisten - glaubhaft darzutun. Mit dem Vorbringen dieser bereits rechtskräftig für nicht mehr als gegeben befundenen Gefährdungslage im Herkunftsstaat auch für den BF im gegenständlichen Fall vermag die Beschwerdeseite in casu nicht durchzudringen.

2.6.1.2. Hinsichtlich der vor dem BFA für BF vorgebrachten eigenen Fluchtgründe gilt es Folgendes festzuhalten: Wenn nun die Mutter des BF im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 30.01.2020 vorbringt, dass ihre Eltern bei Rückkehr der Familie des Beschwerdeführers eine Trennung der Eltern des BF erzwingen würden und im Rahmen der Beschwerdeschrift auf Seite 3 weiter zum Verhältnis des Vaters des BF zu dessen Schwiegereltern ausgeführt wird, dass diese schon immer gegen die Beziehung und die Heirat ihrer Tochter mit dem Vater des BF gewesen seien und diesem die Schuld für die Probleme im Herkunftsstaat geben würden, weshalb sie bei Rückkehr der Familie des BF deren Trennung verlangen würden, so ist dem entgegenzuhalten, dass dieser in casu behauptete Familienkonflikt, welcher offenbar schon vor der Heirat der Eltern des BF bestanden haben soll, nun erstmals beschwerdeseitig ins Treffen geführt wurde. So habe die Mutter des BF im Rahmen ihres eigenen Asylverfahrens zu keinem Zeitpunkt Probleme ihrer Eltern mit der Person ihres Ehemannes auch nur zu erwähnen vermocht, geschweige denn, den Umstand, dass die Mutter des BF aufgrund dieser Situation etwa selbst Probleme mit ihren Eltern aufgrund ihres Ehemannes haben würde. So gab sie vielmehr in der mündlichen Verhandlung am 13.07.2018 an, dass sie selbst regelmäßig Kontakt mit ihren Familienangehörigen in der Russischen Föderation habe, zuletzt habe sie mit ihrer Mutter vor 2 Tagen Kontakt gehabt (S. 6 des VH-Prot.). Von einem schwelenden Familienkonflikt mit ihren Eltern, welchen – wie gegenständliche behauptet - eine von ihren Eltern abgelehnte Eheschließung von deren Tochter mit einem ungewollten Schwiegersohn zweifelsfrei begründet hätte, wusste die Mutter der BF jedoch nicht zu berichten. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts hätte die Mutter des BF von der problematischen Beziehung ihrer Eltern zu ihrem Ehemann zumindest ansatzweise zu berichten gewusst, würde sich deren Beziehung tatsächlich über einen so langen Zeitraum derart problematisch darstellen. Das für den BF als eigenen Fluchtgrund ins Treffen geführte Vorbringen ist somit schwer mit Unglaubhaftigkeit belastet. Hinzu kommt der im Rahmen der Beschwerdeschrift zusätzlich vorgebrachte Aspekt, dass die Großeltern des BF mütterlicherseits den Vater des BF für die Probleme im Herkunftsstaat verantwortlich machen würden. Insofern handelt es sich bei diesem beschwerdeseitig behaupteten eigenen Fluchtgrund des BF – auf Grundlage des behaupteten Familienkonfliktes - nicht nur um eine inhaltliche Steigerung zum bisherigen Fluchtvorbringen im Familienkontext, sondern vielmehr auch um ein Vorbringen, welches von der Rechtskraft des abgeschlossenen Asylverfahrens der Eltern des BF bereits umfasst ist, da dieser behauptete Konflikt offenbar bereits vor Heirat der Eltern des BF begonnen und mit den behaupteten Problemen der Familie des BF im Herkunftsstaat offenbar bereits eine weitere Verschärfung gefunden haben soll.

Es geht auch der VwGH davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

Wenn beschwerdeseitig vorgebracht wird, dass Kinder im Falle einer Scheidung im Nordkaukasus, immer in der Familie des Vaters blieben, so stimmt das zwar mit den Länderberichten überein, doch steht, wie bereits zutreffend von der Behörde ausgeführt, eine Scheidung der Eltern des BF weder unmittelbar bevor, noch wurde das Vorbringen in Zusammenhang mit den Problemen der Großeltern des BF mütterlicherseits mit seinem Vater für glaubhaft erachtet. Im Übrigen darf darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei keinesfalls um einen neu hervorgekommenen Umstand handeln kann, der erst aufgetreten ist, seitdem sich die Familie des BF im Bundesgebiet befindet, zumal die Eltern des BF bereits im Herkunftsstaat verheiratet waren. Dort konnten sie bis zur Ausreise schließlich auch ungestört leben, ohne von den Großeltern des BF mütterlicherseits bedrängt zu werden, sich scheiden zu lassen. Gegensätzliches wurde beschwerdeseitig weder im Verfahren der Eltern des BF, noch im Gegenständlichen vorgebracht. Insoferne ist nicht erkennbar, warum sich diese Umstände bei Rückkehr der Familie des BF in den Herkunftsstaat plötzlich geändert haben sollen. Letztlich bleibt, selbst bei Wahrunterstellung, wie behördenseitig schon ausgeführt, festzuhalten, dass auch eine Scheidung der Eltern des BF im Herkunftsstaat für diesen keine unmittelbare persönliche asylrelevante Verfolgung in der Russischen Föderation zur Folge hätte.

In einer Gesamtschau sind die von Beschwerdeseite zum gegenständlichen eigenen Fluchtgrund des BF vorgebrachten Angaben in sich unplausibel und in der inhaltlich gesteigerten Darstellung des behaupteten Geschehens unglaubhaft. Darüber hinaus sind die nun behauptete Familienstreitigkeiten – so diese tatsächlich gegeben sind - in einem Zeitraum entstanden bzw. eskaliert, welcher von der Rechtskraft der Erkenntnisse des BVwG vom 08.02.2019 abgedeckt ist. Es ist dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in seinem Herkunftsstaat Russische Föderation in ausreichendem Maße substantiiert vorzubringen und glaubhaft zu machen.

2.6.2. Unabhängig von der Glaubhaftigkeitsbeurteilung des Vorbringens, könnte der BF, wie behördenseitig und vom BVwG bereits im Erkenntnis vom 08.02.2019 betreffend die Familie des BF ausgeführt, vor einer Bedrohung der behaupteten Art durch eine Niederlassung in anderen Teilen der Russischen Föderation, wie beispielsweise in den außerhalb der Kaukasusregion legenden Städten wie Moskau, St. Petersburg, Rostow, Saratow, Wolgograd oder Tjumen, Sicherheit erlangen:

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass die Bewegungsfreiheit innerhalb der Russischen Föderation gewährleistet ist. Dagestanern steht - genauso wie allen russischen Staatsbürgern - das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes, sowie des Aufenthalts zu und können sie grundsätzlich problemlos in andere Teile der Russischen Föderation flüchten und leben. Für die Registrierung der freien Wohnsitzwahl ist lediglich die Vorlage eines Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum erforderlich. Zutreffend ist jedoch nach den Länderberichten, wie beschwerdeseitig vorgebracht, dass sie dort immer noch auf anti-kaukasische Einstellungen treffen, daraus ergibt sich jedoch noch keine allgemeine, systematische Verfolgung von aus dem Kaukasus stammenden russischen Staatsangehörigen. Wird jemand offiziell von der Polizei gesucht, so ist es für die Behörden möglich, diesen aufzufinden und zurück in den Nordkaukasus zu bringen. Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, hat der Vater des BF jedoch keine Probleme mehr mit der Polizei. Der Beschwerdeführer würde daher zusammen mit seiner Familie die Möglichkeit haben, wie bereits zutreffend von der belangten Behörde ausgeführt, vor einer behaupteten Verfolgung durch die Niederlassung in einem Landesteil seines Herkunftslandes außerhalb seiner Herkunftsregion Sicherheit zu finden. Das erscheint für den Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der Rückkehr mit seiner gesamten Kernfamilie auch zumutbar. Der Vater des BF hat vor seiner Ausreise einige Zeit in Moskau gelebt, konnte sich dort auch Wohnraum verschaffen und verfügt dort über Freunde. Beim Vater des BF wurde zwar, wie aus dem Erkenntnis vom 08.02.2019 hervorgeht, eine depressive Reaktion diagnostiziert, doch ist er dennoch arbeitsfähig und verfügt über ausreichend Berufserfahrung im Bereich Wohnungssanierungen und Innenausbau und als freiberuflicher Taxilenker. Auch die Mutter des BF war im Herkunftsstaat als Verkäuferin in einem Geschäft tätig und verfügen beide über Schulbildung auf Reifeprüfungsniveau. Warum es ihnen nicht wieder möglich sein sollte in der Russischen Föderation Arbeit zu finden und den Lebensunterhalt ihrer Familie zu bestreiten, wurde beschwerdeseitig nicht substantiiert dargetan. Das beschwerdeseitige Vorbringen, wonach auf die allgemeine prekäre Situation in Dagestan verwiesen wird und die Eltern des BF nicht in der Lage wären Arbeit zu finden, ist in ihrer Allgemeinheit nicht hinreichend substantiiert.

Im Übrigen ergibt sich aus dem Verhandlungsprotokoll des vorangegangen Verfahrens der Familie des BF (S. 7f VH-Prot. vom 29.06.2018), dass die Großeltern des BF väterlicherseits ein Haus samt Grundstück besitzt, indem die Eltern und Schwestern des BF auch vor ihrer Ausreise gemeinsam mit seinen Großeltern väterlicherseits gewohnt haben. Warum die Großeltern des BF väterlicherseits, zumindest in der Anfangsphase, seine Familie nicht wieder bei sich aufnehmen sollte, wurde beschwerdeseitig weder substantiiert dargetan, noch vorgebracht. Insofern wäre die Familie des BF anfänglich jedenfalls vor Obdachlosigkeit bewahrt.

Wenn nun beschwerdeseitig vorgebracht wird, dass auch die Mutter des BF psychische Probleme habe und nicht arbeitsfähig sei, so ist auf die zahlreichen familiären Anknüpfungspunkte der Familie des BF in der Russischen Föderation hinzuweisen. Nicht nur, wären sie aufgrund der zumindest anfänglichen Möglichkeit der Unterkunftnahme bei den Eltern des Vaters des BF vor Obdachlosigkeit bewahrt, sondern verfügen sie auch über eine Vielzahl an Onkeln und Tanten in der Russischen Föderation sowie über die Eltern der Mutter des BF. Dass das Verhältnis zu ihnen, wie beschwerdeseitig vorgebracht, problematisch sei, wurde wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, vom erkennenden Gericht für nicht glaubhaft erachtet. Insgesamt kann auch bei Annahme der fehlenden Arbeitsfähigkeit der Mutter des BF vor dem Hintergrund der Arbeitsfähigkeit und Berufserfahrung seines Vaters, sowie dem sehr umfangreichen Unterstützungsnetzwerk im Herkunftsstaat, nicht davon ausgegangen werden, dass seine Familie bei einer Rückkehr in die Russische Föderation in eine aussichtslose Lage geraten würde.

Aufgrund der obigen Überlegungen und dem Umstand, dass die Familie des BF im Herkunftsstaat über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte und Freunde verfügt, wird es der Familie des BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit möglich sein, mit Unterstützung ihrer Familie – vor allem in der Anfangsphase – im Herkunftsstaat wieder Fuß zu fassen, sich bald ein ausreichendes Einkommen zu sichern und in keine aussichtslose Lage geraten.

Insgesamt konnte die Mutter des BF eine Gefährdungssituation nicht hinreichend substantiieren, welcher der BF im Falle der Rückkehr in exponierter Weise ausgesetzt wäre. Unter Beachtung der zur Verfügung stehenden Berichtslage, sowie der sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (wie z.B. familiäre Anknüpfungspunkte, berufliche Tätigkeit der Eltern, usw.) ergibt sich, dass eine Rückkehr des BF in die Russische Föderation möglich ist.

2.7. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für die Russische Föderation vom 03.12.2019 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen, sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde ergänzende ACCORD-Anfragebeantwortungen zur Sicherheitslage in Dagestan und der Korruption bei der Polizei vorlegt, sind diese Themen in den aktuellen Feststellungen bereits allesamt berücksichtigt und finden sich deren Inhalte auch in dem im Erkenntnis zugrunde gelegten Länderinformationsblatt, welches eine höhere Aktualität als die von den Beschwerdeführern zitierten ergänzenden Länderberichte aufweist, wieder.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht hinreichend substantiiert entgegen. Aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich keine derartige Situation im Herkunftsland ableiten, wonach dem BF allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in der Russischen Föderation aktuell und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die Situation im Herkunftsland hat sich auch seit dem Zeitpunkt der Einvernahme vom 30.01.2020 vor dem BFA in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert. Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei der Russischen Föderation um einen Staat handelt, der zwar im Hinblick auf menschenrechtliche Standards Defizite aufweist, darüber hinaus aber nicht – etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien u.v.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheitslage auffällig wurde, sondern sich im Wesentlichen über die letzten Dekaden als relativ stabil erwiesen hat (vgl. dazu etwa VfGH vom 21.09.2017, Zl. E 1323/2017-24, VwGH vom 13.12.2016, Zl. 2016/20/0098).

Letztlich ist noch anzumerken, dass unter Zugrundelegung der vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zur Grundversorgung in der Russischen Föderation auch kein Grund erkannt werden kann, wonach der BF, der naturgemäß aufgrund seines Alters in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Eltern steht, die sich und ihre beiden Töchter bis zu ihrer Ausreise, selbst erhalten konnten, sowie über ausreichend Arbeitserfahrung und eine Ausbildung auf Reifeprüfungsniveau verfügen, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Situation geraten würde. Außerdem verfügt die Familie des Beschwerdeführers über ein großes familiäres Netz in der Russischen Föderation, welches in der Lage ist, sie bei ihrer Rückkehr zu unterstützten.

Es wird nicht verkannt, dass der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunden gelegten Länderinformation vom 03.12.2019 inzwischen am 27.03.2020 ein neues Länderinformationsblatt gefolgt ist und am 21.07.2020 eine Kurzinformation eingefügt wurde. Diese betreffen insbesondere den Volksentscheid am 01.07.2020, der zu Gunsten des amtierenden Präsidenten ausgegangen ist, über die Verfassungsänderungen betreffend die Erweiterung der Machtbefugnisse des Präsidenten und die Ermöglichung seiner Wiederwahl, sohin politische Aspekte, welche zum gegenständlichen Fall aber keinen erkennbaren inhaltlichen Bezug haben.

Was die Ausbreitung des Corona Virus in der Russischen Föderation betrifft, ist festzuhalten, dass der BF an keinen schwerwiegenden Krankheiten leidet, sondern gesund ist. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF persönlich bei einer Rückkehr eine Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf erleiden würde, weil er nicht zur Risikogruppe zählt. Die absoluten Zahlen in der Russischen Föderation erweisen sich mit 1.298.718 Erkrankten als so hoch, wie in kaum einem anderen Land. Dennoch erweisen sich die Todesfälle, mit insgesamt 22.597 Toten als, verglichen mit anderen Ländern, verhältnismäßig gering. Sieht man die absolute Zahl der Erkrankten jedoch im Verhältnis zur Einwohnerzahl, zeigt sich die Zahl der Erkrankungen pro 100.000 Einwohner noch davon entfernt, ein für eine Schutzgewährung signifikantes Risiko aufzuzeigen, in der Russischen Föderation an einer Lungenkrankheit Covid-19 mit schweren Verlauf zu erkranken. Darüber hinaus gehört der BF, wie bereits erwähnt, nicht zur Risikogruppe an einem schwerwiegenden Verlauf zu erkranken.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.5. Zum Spruchteil A

3.5.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht. (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397). Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten.

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (VwGH vom 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH vom 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende „Gruppenverfolgung“, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH vom 27.05.1998, 97/13/0051).

3.5.1.1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten damit, dass für den Beschwerdeführer keine Bedrohung oder Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht werden konnte.

3.5.1.2. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht.

3.5.1.3. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die begründete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft.

3.5.1.4. Die Verfolgung aus dem Grund der (unterstellten) politischen Gesinnung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK liegt in jenen Fällen vor, in denen der ungerechtfertigte Eingriff an die (wenn auch nur vermutete) politische Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung der betroffenen Person anknüpft.

3.5.1.5. Wie in der Beweiswürdigung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses dargetan, ist es der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers insgesamt nicht gelungen eine konkret und gezielt gegen die Person des BF gerichtete aktuelle Verfolgung im Herkunftsstaat von maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, substantiiert vorzubringen und glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation, sowie der Unglaubhaftigkeit der für den BF vorgebrachten eigenen Fluchtgründe, sowie der ausführlichen Beweiswürdigung in den Erkenntnissen des BVwG vom 08.02.2019 zu den Fluchtgründen der Eltern und Schwestern der BF kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

3.5.1.6. Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Es kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der der Volksgruppe der Tschetschenen angehört und muslimischen Glaubens ist, im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante, gegen den BF gerichtete, Bedrohung sind nicht hervorgekommen und wurden solche für ihn auch gar nicht behauptet.

3.5.1.7. Da für den Beschwerdeführer sohin keine Verfolgungshandlungen in Bezug auf die Russische Föderation glaubhaft gemacht worden sind, liegen die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht vor und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides deshalb gemäß § 28 Abs. 2 iVm 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.5.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.04.1999, 98/20/0561; 20.05.1999, 98/20/0300).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören – der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 08.06.2000, 99/20/0586; 21.09.2000, 99/20/0373; 25.01.2001, 2000/20/0367; 25.01.2001, 2000/20/0438; 25.01.2001, 2000/20/0480; 21.06.2001, 99/20/0460; 16.04.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun z.T. durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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