TE Bvwg Beschluss 2020/10/30 W173 2229762-2

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Veröffentlicht am 30.10.2020
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Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §29b
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7

Spruch


W173 2229762-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vom 31.1.2020 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.1.2020 betreffend Ausstellung eines Parkausweises beschlossen:

A)

Die Beschwerde vom 31.1.2020 wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Am 30.8.2019 beantragte Frau XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) die Ausstellung eines Behindertenpasses, die Gewährung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ sowie die Ausstellung eines Ausweises gemäß 29b StVO (Parkausweis). Dazu wurden medizinische Unterlagen vorgelegt.

2. Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Im mit 27.1.2020 vidierten Gutachten wurde von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin und Chirurgie, auf Basis einer persönlichen Untersuchung der BF ein Gesamtgrad der Behinderung von 70% ermittelt. Zur beantragten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ wurde im genannten Gutachten Nachfolgendes ausgeführt:

„…………………….

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

keine - es ist ausreichend Kraft und Beweglichkeit in den unteren und der oberen Extremität rechts sowie ein flüssiges Gangbild zu verzeichnen, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein-und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

………………………………..“

3. Im an die BF adressierten Schreiben vom 27.1.2020, dem das Gutachten von Dr. XXXX angeschlossen war, führte die belangte Behörde Nachfolgendes aus:

„ …………………………….

OB: XXXX

………………………………..

Betrifft: Parteiengehör gem. § 45 des Allgemeinen Verfahrensgesetzes, Ausstellung eines Behindertenpasses

St.Pölten, 27.Jänner 2020

Sehr geehrte Frau XXXX !

Das Sozialministeriumservice bringt Ihnen hiermit das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis:

Gemäß ärztlichem Sachverständigengutachten wurde der Grad der Behinderung mit 50% festgestellt. Ein Behindertenpass wird daher ausgestellt. Betreffend die beantragte Eintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘ wird mitgeteilt, dass gem. Gutachten die Voraussetzungen NICHT vorliegen. Dieser Antrag wäre daher abzuweisen. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises liegen nicht vor.

Es besteht die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen, sofern Sie Einwendungen zum Ergebnis haben. Dies muss begründet sein und es sind, wenn möglich, auch entsprechende neue Beweismittel beizulegen.

Sollte Ihre Stellungnahme bis zum angeführten Zeitpunkt nicht eingelangt sein, wird auf Grund des bisherigen Ermittlungsverfahrens entschieden werden. Falls Sie mit dem Ergebnis einverstanden sind, kann eine Stellungnahme unterbleiben.

Nach Ablauf der Frist erhalten Sie den entsprechenden Bescheid.

……………………………..“

4. Die BF brachte mit Schreiben von 31.1.2020, in dem sie den Betreffe mit „Widerspruch gegen den Bescheid ‚Voraussetzung für die Ausstellung eines Parkausweises liegt nicht vor‘ vom 27.1.2020, OB: XXXX “ betitelte, vor, gegen den im Betreff genannten Bescheid Widerspruch zu erheben. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen am 13.1.2020 seien keine Fragen gestellt und einige Punkte nicht angesprochen worden. Ein Bandscheibenvorfall bei L4/5 sei bereits 2005 festgestellt worden. Es bestehe eine Last- und Dranginkontinenz durch Nervenschäden und durch die Bestrahlung. Hinzu kämen Taubheit im Intimbereich und in der rechten Ferse. Die dauerhaften Schmerzen im Bestrahlungsbereich und die Unbeweglichkeit verbunden mit der fehlenden Möglichkeit, sich zu bücken, würden ihren Alltag und die Psyche beeinträchtigen. Sie könne weder lange gehen, noch sitzen oder liegen. Die Schmerzen würden zunehmen. Aufstehen sei mit Schwierigkeiten verbunden, sodass sie mittlerweile Aufstehhilfen im Schlafzimmer und in den Sanitärräumen habe. Hausarbeiten und kleine Erledigungen seien nur mit Pausen möglich. Heben und sportliche Betätigungen wie Radfahren seien ausgeschlossen. Ihre im zweiten Stock ohne Lift gelegene Wohnung erschwere ihre Situation. Sie sei auf einen Parkausweis angewiesen, um Einkäufe und anderen Erledigungen nachkommen zu können. Wegen ruckartigen Bewegungen und Bremsvorgängen, die bei ihr zu schmerzhaften heftigen Stichen führen würden, könne sie nicht öffentliche Verkehrsmittel benützen. Der Weg zum öffentlichen Verkehrsmittel sei bei ihr mit der Zunahme von unnötigen Schmerzen verbunden. Seit 1.1.2020 beziehe sie eine Berufsunfähigkeitspension, da bei ihr keine Besserung zu erwarten sei. Warum ein Grad der Behinderung von 70% bei einer Zusammenfassung 50% betrage, bedürfe einer Erklärung. Dem Schreiben lagen medizinische Unterlagen bei. Diese gegenständliche Beschwerde der BF wurde beim Bundesverwaltungsgericht unter der Aktenzahl W173 2229762-2 protokolliert.

5.Die belangte Behörde holte eine ergänzende Stellungnahme vom beauftragten Sachverständigen Dr. XXXX ein. Das darauf folgende mit „Bescheid“ betitelte Schreiben der belangten Behörde vom 18.2.2020, OB XXXX , führte folgenden Betreff: „Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung‘ in den Behindertenpass“. Es enthielt folgenden Spruch: „Ihr am 30.8.2019 eingelangter Antrag auf Vornahme nachstehender Zusatzeintragung in den Behindertenpass wird abgewiesen: Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“. Die belangte Behörde stützte sich nach Wiedergabe der maßgebenden rechtlichen Bestimmungen auf das noch ergänzend eingeholte Gutachten, woraus sich ergebe, dass die BF nicht die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung erfülle.

6.In einem weiteren mit 10.3.2020 datierten Schreiben, das den Betreff „Widerspruch gegen den Bescheid: Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung‘ in den Behindertenpass vom 18.Februar 2020“ führte, brachte die BF vor, einen Behindertenausweis (70% Behinderung) ohne Zusatzeintragung erhalten zu haben. Im bereits von ihr erhobenen Widerspruch vom 31.1.2020 habe sie sämtliche körperliche Einschränkungen sowie alltägliche Belastungen dargelegt. Wiederum führte die BF begründend aus, bei der Untersuchung durch den Sachverständigen am 13.1.2020 seien keine Fragen gestellt und einige Punkte nicht angesprochen worden. Das weitere Vorbringen deckt sich im jenen oben wiedergegebenen Ausführungen, die die BF bereits mit Schreiben vom 31.1.2020 dargelegt hat. Dem Schreiben lagen medizinische Unterlagen bei. Diese Beschwerde der BF wurde beim Bundesverwaltungsgericht unter der Aktenzahl W173 2229762-1 protokolliert. Nach Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens durch das Bundesverwaltungsgericht wurde mit dem ebenfalls heute ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W173 2229762-1/12E, über die unter dieser Aktenzahl protokollierte Beschwerde der BF vom 10.3.2020 abgesprochen, indem der angefochtene Bescheid vom 18.2.2020 behoben und die Erfüllung der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ durch die BF bestätigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Schilderung des Verfahrensgangs und ist unbestritten. Er basiert auf dem vorliegenden Verwaltungsakt und Gerichtsakt.

2.Rechtliche Beurteilung:

2.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 29b Abs. 1 StVO in der Fassung BGBl I Nr. 39/2013 ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.

Gemäß § 29b Abs. 1a leg.cit. (Verfassungsbestimmung) kann die Ausfolgung und Einziehung eines Ausweises gemäß Abs. 1 unmittelbar durch Bundesbehörden besorgt werden.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist gemäß den Bestimmungen der StVO zum Parkausweis keine Senatszuständigkeit vorgesehen, sodass bei Beschwerden in Zusammenhang mit einem Parkausweis Einzelrichterzuständigkeit vorliegt (vgl VwGH 21.9.2018, Ro 2017/02/0019; 27.11.2018, Ra 2018/02/0030).

Gemäß § 58 AVG (Inhalt und Form der Bescheide) ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Darüber hinaus gelten die Bestimmungen des § 18 Abs. 4 AVG.

Gemäß § 7 VwGVG ist gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden. Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

2.2. Beschwerde vom 31.1.2020

Die BF erhob in ihrem Schreiben vom 31.1.2020 ausdrücklich gegen den „Bescheid vom 27.1.2020“ Beschwerde und erstattete dazu ein Vorbringen. Soweit sich die BF gegen das Schreiben der belangten Behörde vom 27.1.2020, das die BF als Bescheid bezeichnete, wendet, verkennt sie, dass es darin an einem Abspruch über ihren Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises fehlt. Ein Spruch eines Bescheides gibt den Inhalt der mit dem Bescheid erlassenen Norm wieder und ist der wichtigste Bestandteil des Bescheides. Nur der Spruch erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit). Nur er kann daher allenfalls rechtsverletzend sein (VwGH 11.9.2008, 2007/08/0157; 9.8.2013, 2013/08/0137). Fehlt es an einem Abspruch über einen Parteienantrag, liegt kein Bescheid vor, der vom Adressaten – damit von der BF – mit Beschwerde gemäß § 7 VwGVG bekämpft werden könnte (VwGH 15.12.1993, 93/12/0221, 21.2.2001, 2000/08/0158).

Abgesehen davon, dass es dem Schreiben der belangten Behörde vom 27.1.2020 an einem einen wesentlichen Bestandteil eines Bescheides bildenden Abspruch über den Antrag der BF vom 30.8.2019 auf Ausstellung eines Parkausweises fehlt, hat die belangte Behörde schon im Betreff ausdrücklich auf die Bestimmung des § 45 AVG hingewiesen, die die Verpflichtung zur Einräumung des Parteiengehörs regelt (vgl VwGH 18.10.2001, 2000/07/0054).

Da das von der BF unzutreffend als „Bescheid“ qualifiziert Schreiben der belangten Behörde vom 27.1.2020 schon mangels Abspruch die rechtlichen Voraussetzungen eines Bescheides nicht erfüllt, konnte dieses auch nicht mit einem Rechtmittel in Form einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht bekämpft werden. Gemäß § 7 VwGVG kann nur die die Sache erledigenden Bescheid mit Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht bekämpft werden. An einem solchen fehlt es jedoch im gegenständlichen Verfahren. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass anders als im Schreiben der belangten Behörde vom 27.1.2020, OB: XXXX , der Bescheid der belangten Behörde vom 18.2.2020, OB XXXX , einen Abspruch in Form einer Abweisung des am 30.8.2019 eingelangten Antrags der BF auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass umfasste. Die dagegen eingebrachte Beschwerde der BF vom 10.3.2020, wurde beim Bundesverwaltungsgericht unter der Aktenzahl W173 2229762-1 protokolliert. In dieser Beschwerdesache wurde ebenfalls mit heute ergangenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts W173 2229762-1/12E abgesprochen, indem der angefochtene Bescheid vom 18.2.2020 behoben und die Erfüllung der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ durch die BF bestätigt wurde. Damit liegen auch die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises gemäß §29b StVO für die BF vor.

2.2.Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Parkausweis Sache des Verfahrens Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W173.2229762.2.00

Im RIS seit

11.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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