TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/12 L514 2236672-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs6
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch


L514 2236672-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Tunesien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2020, Zl. 1270467903/201066363 RD Salzburg, und die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 und § 76 Abs. 6 FPG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit 29.10.2020 für rechtmäßig erklärt.

II.      Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

III.    Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von 426,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV.      Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG als unzulässig abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

1.       Der Beschwerdeführer wurde am XXXX, nach Anbot durch die deutschen Behörden, zumal beim Beschwerdeführer ein Zugticket der ÖBB für die Strecke Wien-Bremen gefunden wurde, von den österreichischen Behörden rückübernommen. Der Beschwerdeführer stellte in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, wurde festgenommen und ins PAZ XXXX gebracht. Am selben Tag fand eine Befragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

Im Rahmen dieser Befragung wurde auf Nachfrage seitens des Beschwerdeführers ausgeführt, dass er XXXX heiße und am XXXX 2004 in Tunis geboren worden sei. Des Weiteren führte er auf Nachfrage aus, dass es sich bei der Antragstellung auf internationalen Schutz um einen Irrtum gehandelt habe, da er in Österreich kein Asyl wolle bzw sei ihm nicht bewusst gewesen, was das Wort „Asyl“ bedeuten würde. Darüber hinaus gab er an, dass er sich bereits zwei Wochen lang im Bundesgebiet aufgehalten habe und nach Frankreich weiterreisen wolle, um dort Fußball zu spielen und weil auch seine Schwester dort aufhältig sei. In Österreich habe der Beschwerdeführer keinerlei Familienangehörige oder soziale Anknüpfungspunkte. Im Falle seiner Freilassung würde der Beschwerdeführer zurück nach Frankreich reisen.

Im Zuge der Erhebungen konnte durch die Abfrage der Visa Datenbank festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nicht im Jahr 2004, sondern im Jahr 2001 geboren worden ist, weshalb in weiterer Folge kein Jugendwohlfahrtsträger mehr benötigt wurde.

2.       Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 29.10.2020, Zl. 1270467903/201066363 RD Salzburg, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde Folgendes ausgeführt:

„Entsprechend Ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Auf Sie trifft Punkt 9 zu.

Für das – sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftverhängung in gleicher Weise determinierende - Sicherungsbedürfnis waren wie folgt zu berücksichtigen:

- unrechtmäßiger Aufenthalt

- keine soziale oder berufliche Integration

- fehlender Rückkehrwille in den Herkunftsstaat

- kein Wohnsitz in Österreich

- kein Reisedokument

- falsche Personenangaben

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie verfügen in Österreich weder über soziale noch berufliche Bindungen. Sie reisen illegal quer durch die Mitgliedsstaaten und versuchen in Anonymität zu verweilen, um einer Abschiebung nach Tunesien zu entgehen.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht. Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden. Dagegen spricht vor allem der Umstand, dass in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens besteht.

Sie sind im Bundesgebiet nicht gemeldet und besitzen kein Reisedokument. Ein HRZ-Verfahren mit Tunesien wird eingeleitet.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind. Dem Bundesamt liegen keine ärztlichen Befunde vor, welche einer Schubhaft hinderlich entgegenstehen würden.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.“

Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 29.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Der Mandatsbescheid und die Verfahrensanordnung wurden dem Beschwerdeführer samt einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich einer beabsichtigten Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot persönlich in der Schubhaft am selben Tag ausgefolgt.

3.       Am XXXX 2020 versuchte der Beschwerdeführer sich mit Schnürsenkel, welche am Fenster angebunden waren, zu erhängen, da er nicht in ein Asylquartier überstellt worden sei. Nach Beiziehung des amtsärztlichen Dienstes konnte festgestellt werden, dass keine weitere Suizidalität bestehen würde und der Beschwerdeführer lediglich versucht habe, sich aus der Schubhaft freizupressen. In der Folge wurde die Verlegung in eine Monitorzelle zu Überwachung angeordnet.

4.       Am 31.10.2020 wurde der Beschwerdeführer, nach neuerlicher Antragstellung auf internationalen Schutz am XXXX 2020, von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Im Zuge dieser Einvernahme führte der Beschwerdeführer aus, dass er als Zielland Deutschland gehabt habe, da er dort Fußball spielen wollte. Als Grund für seine Ausreise nannte der Beschwerdeführer den Umstand, dass er homosexuell und Christ sei und aus diesem Grund jeden Tag von seinem Vater geschlagen worden sei. Im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland habe er keinen Platz mehr zum Wohnen und müsse auf der Straße schlafen.

In weiterer Folge fertigte das BFA am 31.10.2020 einen Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft an, welcher dem Beschwerdeführer am selben Tag zugestellt wurde. Begründend wurde wie Folgt ausgeführt:

„Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann eine Schubhaft aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt und Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.

Der Fremde stellte am XXXX 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich bereits in Schubhaft. Aus folgenden Gründen ist davon auszugehen, dass der Antrag mit Verzögerungsabsicht gestellt wurde:

-        Die VP reiste erstmals zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Schengenraum und folglich, vermutlich von Ungarn kommend, unter Umgehung von Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein.

-        Am XXXX 2020 versuchte die VP von Österreich kommend nach Deutschland einzureisen. Es wurde die Einreise seitens der deutschen Polizei verweigert, da die VP kein Reisedokument, kein Visum und keinen Aufenthaltstitel mitführte.

-        Bei den deutschen Behörden gab die VP unter anderem an, dass Sie XXXX heiße, aus Tunesien stamme und am XXXX 2004 geboren wurde. Die VP wurde von der deutschen Polizei an die österreichische Polizei übergeben und aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes festgenommen.

-        Am XXXX 2020 gab die VP im Zuge der fremdenrechtlichen Befragung an, dass Sie in Österreich keinen Asylantrag stellen wolle. Die VP möchte weiter nach Frankreich reisen, um dort Fußballspielen zu können und seine Schwester zu besuchen, Im Falle einer Haftentlassung bekräftigte die VP erneut die Absicht nach Frankreich reisen zu wollen.

-        Eine ED-Behandlung ergab, dass die VP von Tunesien aus vier VISA-Anträge, unter anderem für die Einreise nach Portugal, Frankreich, Deutschland und Spanien stellte, welche allesamt abgewiesen wurden. Durch die VISA-Treffer konnte auch festgestellt werden, dass die VP versuchte Ihre wahre Identität zu verschleiern. Die VP heißt nämlich XXXX und wurde am XXXX 2001 in Tunis geboren. Es konnten auch die aktuellen Reisepassdaten erhoben werden. Zuletzt wurde am XXXX 2018 ein Reisepass mit der Nummer XXXX mit einer Gültigkeit bis XXXX 2023 ausgestellt.

Unter der GZ. 1270467903/201066363 wurde am 29.10.2020 vom BFA RD Salzburg die Schubhaft erlassen. Der Mandatsbescheid wurde der VP nachweislich zugestellt.

Unter der GZ. 1270467903/201066223 wurde am 29.10.2020 vom BFA RD Salzburg ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet. Diesbezüglich wurde der VP nachweislich eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und der beabsichtigten Vorgehensweise der ho. Behörde zugestellt. Damit steht eindeutig fest, dass die VP über die Einleitung und der damit verbundenen Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Kenntnis langte.

Am XXXX 2020 stellte die VP im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am XXXX 2020 um ca. 19:30 Uhr wurde im PAZ der Alarm auf Zelle „22" getätigt. Bei Antreffen der Insassen in der Zelle konnte die VP angetroffen werden. Die VP wollte sich augenscheinlich mittels Schnürsenkel, welche am Fenster angebunden waren, erhängen, da dieser nicht in ein Asylquartier überstellt wurde. Aufgrund der Umstände schien der Versuch untauglich. Nach Beiziehung des amtsärztlichen Dienstes, Dr. XXXX , konnte eruiert werden, die VP lediglich in ein Camp wolle. Für den amtsärztlichen Dienst bestand keine akute Suizidalität, lediglich der Versuch sich aus der Schubhaft frei zu pressen.

Im Zuge der asylrechtlichen Erstbefragung am 31.10.2020 gab die VP zum Reisepass befragt an, dass Sie diesen nach Ankunft in Serbien nach Tunesien zurückgeschickt hatte. Auch gab die VP an, dass das ursprüngliche Reiseziel Deutschland gewesen sei. Dies widerspricht sich jedoch mit den Angaben vom 29.10.2020, wo als Reiseziel ganz klar und mehrmals Frankreich deklariert wurde. Mittlerweile gibt die VP an in Österreich bleiben zu wollen. Die ho. Behörde jedoch nach wie vor davon aus, dass die VP Österreich als reines Transitland ansieht und weiter nach Frankreich bzw. Deutschland reisen möchte.

Zum Fluchtgrund befragt gab die VP an, dass Sie homosexuell und Christ sei. Vom Vater würde die VP deswegen geschlagen werden. Auch hier gibt es Widersprüche zur ersten Befragung, da die VP am 31.10.2020 angab Araber und dem Islam zugehörig zu sein. Ein etwaiges Schlagen des Vaters sind allenfalls private, jedoch keine asylrelevanten Gründe.

Auch stellt sich die Frage, weshalb die VP nicht schon in Serbien bzw, Ungarn einen Asylantrag stellte, zumal die VP angab, dass Sie einen normalen Aufenthalt in Ungarn hatte.

-        Bei Tunesien handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat. Es ist daher die Durchführung eines beschleunigten Asylverfahrens beabsichtigt, zumal auch, wie bereits erwähnt, die Reisepassdaten bekannt sind und eine HRZ-Ausstellung im Anschluss des Asylverfahrens mehr als wahrscheinlich ist. Zwischen Tunesien und Österreich besteht ein Rückübernahmeabkommen.

-        Zum Antragsvorbringen selbst wird festgehalten, dass die VP keine relevanten Fluchtgründe bekanntgab und ist auch nicht von einem erfolgreichen Antragsverfahren auszugehen.

-        All diese Umstände, insbesondere die Umgehung von Grenzkontrollen, die Verschleierung der wahren Identität, die widersprüchlichen Angaben während der Einvernahmen sowie das Zurückschicken des Reisepasses, werfen ein besonders schlechtes Licht auf die Seriosität und Gesinnung der VP gegenüber europäischen Gesetzen und Vorschriften. Sie belegt damit eindeutig Ihr Desinteresse bezüglich der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen und würde im Falle einer Haftentlassung zu einer hohen Wahrscheinlichkeit gegen Ihre Mitwirkungspflichten verstoßen und sich dem Verfahren in Österreich entziehen. Auch das Verhalten während der Schubhaft lässt die begründete Annahme zu, dass sich die VP lediglich durch Stellung des Asylantrages aus der Schubhaft freipressen wollte.

-        Aufgrund des o.a. Sachverhalts geht die Behörde davon aus, dass der Asylantrag zur Verzögerung der Vollstreckung, wenn nicht sogar zur Vereitelung, einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.“

5.       Am 04.11.2020 wurde dem BFA seitens des Vertreters ein ausgefülltes Antragsformular für die unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe übermittelt. Das BFA sagt mit Schreiben vom 06.11.2020 die Übernahme der Kosten zu.

6.       Gegen den Mandatsbescheid des BFA vom 29.10.2020 wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 06.11.2020 fristgerecht Beschwerde erhob.

Zur Begründung der Beschwerde wurde ausgeführt, dass es nicht Zweck der Prüfung im Sinne des § 76 Abs. 6 FPG sei, die Beweiswürdigung im Asylverfahren vorwegzunehmen, sondern sei vielmehr zu prüfen, ob die Annahme der Fluchtgefahr vor dem Hintergrund des laufenden Asylverfahrens und dem damit im Zusammenhang stehenden Anspruch auf Grundversorgung aufrechterhalten werden könne. Dies sei im Falle des Beschwerdeführers nicht anzunehmen, dass er untertauchen werde, zumal er im Zuge der Rückkehrberatung seine Ausreisewilligkeit geäußert habe. Der Beschwerdeführer sein kooperativ und bereit, an den notwendigen Verfahrenshandlungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates und an einer freiwilligen Rückkehr mitzuwirken. Aus diesem Grund liegt die behauptete fehlende Rückkehrwilligkeit nicht mehr vor.

Selbst bei Vorliegen einer etwaigen Fluchtgefahr wäre das BFA verpflichtet gewesen, das gelindere Mittel zu verhängen, da dies für den Sicherungszweck ausreichend sei.

Letztlich wurde ausgeführt, dass die Schubhaft dem Beschwerdeführer psychisch schwer zusetzen würde, auch wenn keine akute Suizidalität bestehen würde. Aufgrund des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers und seiner Unbescholtenheit sei die Aufrechterhaltung der Schubhaft keinesfalls verhältnismäßig.

Überdies wurde angemerkt, dass die tatsächliche Vollstreckung der freiwilligen Rückkehr aufgrund des Fehlens eines Reisedokumentes und der COVID 19 Situation für einen längeren Zeitraum ausscheide.

Zum Abschluss wurde festgehalten, dass ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, insbesondere zur Klärung des psychischen Zustandes des Beschwerdeführers sowie zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung des gelinderen Mittels, und der Ersatz der Aufwendungen beantragt werde.

7.       Gegenständlicher Akt wurde der Abteilung L514 am 06.11.2020 zugewiesen.

8.       Das BFA erstattete am 09.11.2020 folgende Stellungnahme:

„Zum Sachverhalt wird seitens des BFA EAST-West nun wie folgt Stellung bezogen bzw. folgende Gegenschrift zur gegenständlichen Schubhaftbeschwerde erstattet:

Eingangs sowie im Besonderen wird auf den im Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl.: 1270467903/ 201066363 vom 29.10.2020 umfassend dokumentierten Sachverhalt verwiesen.

Zum vorliegenden Sachverhalt wird weiters festgehalten, dass der Beschwerdeführer (BF) am XXXX 2020 um 10:30h im Stande der Schubhaft einen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz (Asyl) in Österreich stellte und wurde diesbezüglich am 31.10.2020 um 09:10h von Beamten der PI XXXX -Fremdenpolizei im Polizeilichen Anhaltezentrum XXXX niederschriftlich erstbefragt. Das Protokoll zu dieser Erstbefragung ist dem in Vorlage gebrachten Verwaltungsakt angeschlossen.

Weiters wird zur besseren Nachvollziehbarkeit der Ablauf-Chronologie sowie der Motivlage, der Reisebewegungen und des Verhaltens des BF wie folgt zusammengefasst:

?        Am XXXX 2020 wurde Hrn. H. als Insasse eines von Österreich kommenden internationalen Reisezuges, von Beamten d. Grenzpolizei d. Bundesrepublik Deutschland (DE) die Einreise verweigert – der BF befand sich nachweislich am Weg Richtung Bremen (Anm.: gültiges Zugticket von Wien nach Bremen wurde vom BF mitgeführt). Bereits bei der Befragung durch die deutsche Polizei gab Hr. H. an, dass er am XXXX 2004 geboren wäre. Er täuschte somit eine Minderjährigkeit bereits gegenüber den deutschen Behörden vor!

?        Der BF wurde an der österr./deutschen Grenze zurückgewiesen und am gleichen Tag an die österreichischen Polizeibeamten übergeben. Gegenüber den einschreitenden österr. Polizeibeamten führte der BF zu seinen Personalien befragt neuerlich an, dass er am XXXX 2004 geboren sei. Der BF täuschte somit auch gegenüber der österr. Polizei zunächst eine Minderjährigkeit vor! Im Zuge dieser polizeilichen Amtshandlung artikulierte der BF sodann auch das Wort „Asyl“.

?        Im Zuge einer erkennungsdienstlichen Behandlung des BF konnten letztlich mehrere Treffer in der VIS-Datenbank zu Herrn H. in Erfahrung gebracht werden.

Das Trefferbild gestaltet sich dabei wie folgt:

o ESP/241TN8F50709375811193 - Spanien v. XXXX 2017

o DEU/501900/20171201/000228907 - Deutschland v. XXXX 2017

o FRATUN2018009388300 - Frankreich v. XXXX 2018

o PRT21122001000007 - Portugal v. XXXX .2020

An dieser Stelle gilt es festzuhalten, dass infolge dem Ergebnis aus dieser Datenbank festgestellt werden konnte, dass der BF seine behauptete Minderjährigkeit lediglich vortäuschte und sein Geburtsdatum tatsächlich XXXX .2001 (anstelle: XXXX 2004) lautet. Alle Anträge auf Ausstellung von Visa „C“ (Touristenvisa) wurden von den jeweiligen zuständigen Vertretungsbehörden dieser EU-Mitgliedstaaten abgelehnt. Die entsprechenden Auszüge, darin ersichtlich sind auch die Reisepassdaten des BF, sind dem in Vorlage gebrachten Verwaltungsakt angeschlossen.

?        Im Zuge der am 29.10.2020 von Beamten der PI XXXX -Fremdenpolizei durchgeführten niederschriftlichen Erstbefragung gab Hr. H. an, dass er die Bedeutung des Wortes „Asyl“ nicht kenne und sein gestellter Asylantrag auf einem sprachlichen Missverständnis beruhen würde. (Siehe Aktenvermerk v. 29.10.2020)

?        Am XXXX 2020, um 10:30 Uhr, stellte der BF letztlich im Stande der Schubhaft im PAZ XXXX einen Asylantrag, ehe er noch am gleichen Tag, gegen 19:30 Uhr, einen letztlich völlig untauglichen Suizidversuch im PAZ Salzburg vortäuschte, offenbar um einer weiteren Anhaltung im Stande der Schubhaft zu entgehen.

?        Nach erfolgter niederschriftlicher Erstbefragung des BF durch Beamte der PI XXXX -Fremdenpolizei am 31.10.2020 wurde von Seiten des BFA über die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Sinne von § 76 Abs. 6 FPG entschieden

o siehe hierzu die umfassenden Ausführungen im AV v. 31.10.2020, welcher dem BF nachweislich zugestellt wurde.

?        Am 02.11.2020 wurde von dem BF, nach erfolgter Schubhaft- und Rückkehrberatung durch Vertreter des Vereines Menschenrechte Österreich, der Antrag auf eine freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat Tunesien, unter Gewährung von Rückkehrhilfe, gestellt. Gleich gehend damit wurde vom BF eine Fotokopie seines tunesischen Nationalreisepasses in Vorlage gebracht und dessen Beschaffung in Aussicht gestellt.

?        Mit verfahrensgegenständlicher Schubhaftbeschwerde vom 06.11.2020 wird nun – im völligen Widerspruch zu der am 02.11.2020 beantragten freiwilligen Rückkehr in den HKS Tunesien – nunmehr vom BF dargelegt, dass eine baldige Rückkehr ausgeschlossen werde, da einerseits kein Reisepass verfügbar wäre und andererseits wg. COVID-19 eine Rückkehr nach Tunesien unmöglich wäre.

Der in der gegenständlichen Beschwerdeschrift beinhalteten Vorhaltung, es würde keine Fluchtgefahr bestehen bzw. Gelindere Mittel zur Verfahrenssicherung wären vielmehr ausreichend, wird von Seiten der belangten Behörde entschieden entgegengetreten nachdem diese Vorhaltung in Anbetracht des vorliegenden Gesamtsachverhaltes nach Ansicht der belangten Behörde vollständig ins Leere geht.

Der BF hat zu keinem Zeitpunkt einen Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich in Erwägung gezogen. Weder versuchte er – anders als in den EU-MS Portugal, Deutschland, Frankreich und Spanien – nicht auf legalen Weg nach Österreich einzureisen und sich hier aufzuhalten und beantragte somit auch nicht bei einer österr. Auslandsvertretungsbehörde im Vorfeld ein Visa „C“. Andererseits signalisierte er unmittelbar nach seiner irregulären Einreise ins österr. Bundesgebiet durch den in Wien erfolgten Ankauf einer Bahnfahrkarte nach Bremen/DE deutlich, dass kein Interesse an einem weiteren Aufenthalt in Österreich und/oder an einem Kontakt mit den österr. Behörden besteht.

Es ist für die Behörde offensichtlich, dass Hr. H. zur Gänze nicht vertrauenswürdig ist und der BF letztlich den Asylantrag in Schubhaft missbräuchlich und in Verzögerungsabsicht stellte, weil:

?        Hr. H. bereits seit 2017 mehrmals die Ausreiseabsicht im Zuge der oa. Visaanträge - aus gesichertem Umfeld - äußerte und auf legalem Wege die Einreise verweigert wurde und Hr. H. daher dennoch bewusst unrechtmäßig in den Schengenraum eingereist ist. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass er anlässlich seiner letztlich irregulären Reisebewegung in Richtung der Mitgliedstaaten der EU bereits nach seiner Ankunft in Serbien seinen Reisepass in sein Herkunftsland Tunesien zurückgeschickt hat (sh. Ausführungen in der Erstbefragung v. 31.10.2020).

?        Für Hr. H. die Möglichkeit der Asylantragstellung bereits in Serbien u. Ungarn bestanden hätte, diese Möglichkeiten jedoch ungenutzt ließ.

?        Hr. H. vorerst offenbar zur Abwehr einer etwaigen Inschubhaftnahme eine Minderjährigkeit vortäuschte und das Wort „Asyl“ artikulierte, ohne die Bedeutung des Wortes „Asyl“ zu kennen.

?        Der BF letztlich aus dem Stande der Schubhaft einen Asylantrag stellte, um einer weiteren Anhaltung im Stande der Schubhaft zu entgehen.

?        Hr. H. in weiterer Folge durch einen untauglichen Suizidversuch versuchte sich aus dem Stande der Schubhaft freizupressen.

?        Hr. H. seine Minderjährigkeit vortäuschte,

o um möglichst seinem Wunsch in der EU verbleiben zu können und

o um einer Grundversorgungsstelle zugeführt zu werden.

Anmerkung: Diese Motivlage wird auch durch den vom Polizeiarzt als festgestellten Suizidgrund untermauert.

?        Der BF trotz der ihm seitens des BFA eingeräumten Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nun im Zuge seiner Schubhaftbeschwerde angibt, eine Rückkehr in den Heimatstaat wäre für „einen längeren Zeitraum“ ausgeschlossen. Als Begründung wurde das Fehlen eines Reisedokumentes und die CoVid 19-Situation angegeben. Dennoch wurde für den Antrag auf freiwillige Ausreise die Kopie seines gültigen Reisepasses vorgelegt und im Zuge der Erstbefragung die Möglichkeit der Beschaffung seines Reisepasses eingeräumt.

Anmerkung: In Bewertung dieser durch die Äußerungen des BF in der gegenständlichen Schubhaftbeschwerde geänderten Situation zur tatsächlichen Absicht des BF (Anmerkung: längerfristiger Aufenthalt in den EU-MS) wird sich das BFA auch vorbehalten, die bereits erteilte Zustimmung für eine freiwillige Ausreise nach Tunesien zu gegebener Zeit neu zu bewerten bzw. dieses allenfalls auch zu widerrufen.

Festgehalten wird an dieser Stelle, dass trotz der COVID-19 – Pandemie Flugverbindungen zwischen Österreich und Tunesien gegenwärtig existent sind. Demzufolge wäre sowohl die Möglichkeit einer Abschiebung des BF als auch die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr des BF in dessen Herkunftsstaat Tunesien grundsätzlich möglich.

Hr. H. hat sich im Laufe seines Verfahrens nachhaltig als nicht vertrauenswürdig erwiesen und es ist für die belangte Behörde offenkundig, dass Hr. H. alle ihm bietenden Möglichkeiten in Kauf nimmt, um eine Entlassung aus der Schubhaft zu bewirken und um seine Abschiebung in den HKS Tunesien zu verhindern.

Auch gab Hr. H. an, nach FR weiterreisen zu wollen, obwohl auch von Frankreich gem. Visaantrag die Einreise verweigert wurde.

Die Aussagen zur Motivlage seiner Reisebewegung in die EU-MS bzw. innerhalb von diesen Mitgliedstaaten widersprechen sich zudem. Der BF führte im Zuge seiner polizeilichen Befragung an, zu seiner Schwester nach Frankreich reisen zu wollen. Diese Absicht steht jedoch nicht im Einklang mit der vom BF in Wien erworbenen Bahnfahrkarte nach Norddeutschland (Bremen).

Zusammengefasst ergeben sich daher eine Vielzahl von widersprüchlichen Aussagen bzw. Unwahrheiten.

In dieser individuell vorliegenden Sachkonstellation ist nach Ansicht der Behörde klar ersichtlich, dass der vom BF letztlich doch geäußerte Asylantrag lediglich in Verzögerungsabsicht bzw. mit der Absicht eine Abschiebung zumindest temporär hinten anzuhalten, gestellt wurde.

Aus Sicht der belangten Behörde liegt nicht ansatzweise eine Paktfähigkeit des BF gegenüber den österreichischen Behörden vor.

Demzufolge ist auch die vom BFA mit der gegenständlichen Anordnung einer Schubhaft getroffene Prognose, nämlich dass der BF – mit an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit – einem Abtauchen in der Anonymität in Österreich und/oder einer irregulären Reisebewegung von Österreich in einen weiteren Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorzug geben wird gegenüber einem den Behörden bekannten Aufenthalt in Österreich bis zu seiner geplanten Abschiebung nach Tunesien, zutreffend.

Über die Gründe für die Nicht-Anwendung des Gelinderen Mittels gem. § 77 FPG wurde zudem im bekämpften Schubhaftbescheid bereits umfassend abgesprochen.

Hinsichtlich der in der Beschwerde angesprochenen medizinischen Gründe und des psychischen Zustandes des BF wird klar festgehalten, dass bei jeder Inhaftierung von Seiten des polizeiärztlichen Dienstes in einem Polizeianhaltezentrum die Haftfähigkeit geprüft wird und in diesem konkreten Fall die Haftfähigkeit gegeben ist. Eine laufende medizinische Betreuung ist sichergestellt und wird auch akribisch in den behördlichen Unterlagen des Polizeiärztlichen Dienstes im Polizeianhaltezentrum dokumentiert.

Demzufolge liegt, in Anbetracht der Gesamtheit der individuellen Kriterien in diesem Einzelfall, mit welchen sich das BFA bereits im bekämpften Schubhaftbescheid auseinandergesetzt hat und welche einer entsprechend umfassenden Gesamtbeurteilung zugeführt worden sind, gepaart mit dem nachfolgenden Asylgesuch des BF – nach Ansicht der belangten Behörde – jedenfalls und mit gesteigertem Ausmaß weiterhin eine Notwendigkeit und im Hinblick auf die erst relativ kurze Zeit der Anhaltung in Schubhaft – auch eine Verhältnismäßigkeit zur Sicherung der Abschiebung vor.

Seitens des BFA wird beantragt die gegenständliche Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen und gem. § 35 VwGVG iVm § 1 Z 3 bis 5 VwG-Aufwandersatzverordnung folgende Kosten zuzusprechen:

1.       Ersatz des Vorlageaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 57,40

2.       Ersatz des Schriftsatzaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 368,80

3.       Sowie gegebenenfalls Ersatz des Verhandlungsaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 461,00“

Mit Schreiben vom 11.11.2020 wurde nach Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes vom BFA hinsichtlich der Beschaffung von Ersatzdokumenten noch Folgendes festgehalten:

„Das anhängige Asylverfahren ist bereits fortgeschritten, am kommenden Freitag den 13.11.2020 findet eine Einvernahme beim BFA statt. Mit einer nachfolgenden Bescheiderstellung ist zeitnah zu rechnen. Dementsprechend folgend wird das HRZ-Verfahren von ho. Behörde unverzüglich eingeleitet.

Darüber hinaus darf von Seiten der ho. Behörde mitgeteilt werden, dass die Erlangung/Beschaffung eines Heimreisezertifikates für Tunesien faktisch rasch vollzogen wird, wenn Identitätsdokumente in Fotokopie vorhanden sind und es sich hier um keine Fälschung handelt. Für den oa. asylwerbenden Fremden liegt eine Fotokopie seines tunesischen Reisepasses bei der ho. Behörde auf. Wie bereits in der ho. Gegenschrift zur Schubhaft-Beschwerde angegeben, wurde diese Reisepass-Fotokopie dem Antrag auf freiwillige Rückkehr am 02.11.2020 beigelegt. Darüber hinaus stelle der oa. asylwerbende Fremde in Aussicht, den originalen Reisepass den Behörden nachzureichen.

Demzufolge liegt, in Anbetracht der Gesamtheit der individuellen Kriterien in diesem Einzelfall, mit welchen sich das BFA bereits im bekämpften Schubhaftbescheid und der Gegenschrift zur Schubhaftbeschwerde auseinandergesetzt hat und welche einer entsprechend umfassenden Gesamtbeurteilung zugeführt worden sind, gepaart mit dem nachfolgenden Asylgesuch des BF – nach Ansicht der belangten Behörde – jedenfalls und mit gesteigertem Ausmaß weiterhin eine Notwendigkeit sowie eine Verhältnismäßigkeit zur Sicherung der Abschiebung vor.“

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Sachverhalt:

1.1.    Der Beschwerdeführer, ein tunesischer Staatsbürger, heißt XXXX und wurde am XXXX geboren. Er wurde am XXXX 2020 aus Deutschland rückübernommen, zumal sich bei ihm ein Zugticket der ÖBB für die Strecke Wien-Bremen befand.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 29.10.2020, 17:20 Uhr, auf Grund des gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheides durchgehend in Schubhaft. Diese wird derzeit im PAZ XXXX vollzogen. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Familie und kein soziales Netz in Österreich. Er ist mittellos und in Österreich nicht integriert. Weiters verfügt er im Bundesgebiet über keine offizielle Meldeadresse.

Der Beschwerdeführer hat bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Schritte gesetzt, um sich aus eigenem ein Reisedokument zu beschaffen.

Der Beschwerdeführer ist nicht Rückkehrwillig.

Die Erlangung/Beschaffung eines Heimreisezertifikates für Tunesien wird faktisch rasch vollzogen, wenn Identitätsdokumente in Fotokopie vorhanden sind und es sich hier um keine Fälschung handelt. Für den Beschwerdeführer liegt eine Fotokopie seines tunesischen Reisepasses beim BFA auf.

1.2.    Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2020 aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Für 13.11.2020 ist eine diesbezügliche Einvernahme vor dem BFA anberaumt.

Mit Antrag vom 02.11.2020 beantragte der Beschwerdeführer die unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe. Das BFA sagt mit Schreiben vom 06.11.2020 die Übernahme der Kosten zu.

2.       Beweiswürdigung:

2.1.    Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf einer Reisepasskopie, der in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellung zur Rückübernahme aus Deutschland ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Anhaltung und zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt und entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung). In der Beschwerde wurde in diesem Zusammenhang am Rande, nämlich im Rahmen der beantragten Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, erwähnt, dass der Beschwerdeführer sodann zu seinem gesundheitlichen Zustand befragt werden möchte. Medizinische Unterlagen oder weitere, detailliertere Angaben hiezu fehlen jedoch. Auch gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Befragungen in den vorausgegangenen Verfahren an, gesund zu sein und kamen auch im Zuge der bisherigen Anhaltung in Schubhaft keine Hinweise auf eine Erkrankung hervor, weshalb davon auszugehen ist, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht geändert hat bzw, dass keine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt.

Der in der Schubhaft erfolgte Suizidversuch am XXXX 2020 wurde vom amtsärztlichen Dienst als untauglicher Versuch gewertet, sich aus der Haft freizupressen. Der Beschwerdeführer wird laut Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung regelmäßig einem Arzt vorgeführt. Letztmalig am 09.11.2020, und ist es bis zum Entscheidungszeitpunkt zu keinen weiteren Vorfällen in der Haft gekommen.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur fehlenden privaten, familiären und sozialen Verankerung, zum Fehlen hinreichender finanzieller Mittel sowie zum Fehlen einer steten Unterkunft, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers, auf den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie auf der Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR).

Die Feststellungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates im Falle des Beschwerdeführers beruhen auf den schlüssigen Ausführungen des BFA.

Die fehlende Rückkehrwilligkeit beruht zum einen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme zur Inschubhaftnahme, in welcher er mehrmals ausführte, dass er im Falle seiner Entlassung nach Frankreich zu seiner Schwester reisen wolle und nicht nach Tunesien zurückkehren werde. Zwar hat der Beschwerdeführer am 02.11.2020 einen Antrag für eine unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe gestellt, jedoch steht dem das nach wie vor offene Asylverfahren gegenüber. Somit kann diesfalls nicht von einer Rückkehrwilligkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung im Asylverfahren vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angegeben hat, dass seine Mutter verstorben sei, in seinem Antrag für unterstützte freiwillige Rückkehr wird hingegen die Mutter samt Telefonnummer als Kontaktperson angegeben. In der Beschwerde wird nicht der Versuch unternommen, diese Unplausibilitäten aufzulösen.

2.3.    Der Beschwerdeführer ist in der Beschwerde den im angefochtenen Bescheid diesbezüglich getroffenen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1.    Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

3.2.    Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

3.3.    Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

3.4.    Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle -Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

I.       Zu Spruchpunkt I. (Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die bisherige Anhaltung in Schubhaft):

1.       Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer wurde zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung eine Schubhaft verhängt.

2.1.    Die belangte Behörde führte im Mandatsbescheid vom 29.10.2020 zur Frage der Fluchtgefahr Folgendes aus:

„Entsprechend Ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Auf Sie trifft Punkt 9 zu.

Für das – sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftverhängung in gleicher Weise determinierende - Sicherungsbedürfnis waren wie folgt zu berücksichtigen:

- unrechtmäßiger Aufenthalt

- keine soziale oder berufliche Integration

- fehlender Rückkehrwille in den Herkunftsstaat

- kein Wohnsitz in Österreich

- kein Reisedokument

- falsche Personenangaben

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie verfügen in Österreich weder über soziale noch berufliche Bindungen. Sie reisen illegal quer durch die Mitgliedsstaaten und versuchen in Anonymität zu verweilen, um einer Abschiebung nach Tunesien zu entgehen.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.“

In Weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am XXXX .2020 einen Antrag auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft. Das BFA führte in seinem Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft wie folgt aus:

„Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann eine Schubhaft aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt und Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.

Der Fremde stellte am XXXX 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich bereits in Schubhaft. Aus folgenden Gründen ist davon auszugehen, dass der Antrag mit Verzögerungsabsicht gestellt wurde:

-        Die VP reiste erstmals zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Schengenraum und folglich, vermutlich von Ungarn kommend, unter Umgehung von Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein.

-        Am XXXX 2020 versuchte die VP von Österreich kommend nach Deutschland einzureisen. Es wurde die Einreise seitens der deutschen Polizei verweigert, da die VP kein Reisedokument, kein Visum und keinen Aufenthaltstitel mitführte.

-        Bei den deutschen Behörden gab die VP unter anderem an, dass Sie XXXX heiße, aus Tunesien stamme und am XXXX 2004 geboren wurde. Die VP wurde von der deutschen Polizei an die österreichische Polizei übergeben und aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes festgenommen.

-  &

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten