TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/25 L503 2235760-1

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Entscheidungsdatum

25.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L503 2235760-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Maga JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR PHILIPP über die Beschwerde von XXXX gegen den gemäß § 45 Abs 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 14.05.2020, zu Recht erkannt:

A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: „BF“) beantragte am 26.3.2020 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: „SMS“) die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Daraufhin holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde am 12.5.2020 durch Dr. M. M., einer Ärztin für Allgemeinmedizin, ein Aktengutachten erstellt.

Zusammengefasst wurde darin als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Ductales carcinoma in situ der rechten Brust / Brustkrebs;

Z.n. Quadrantektomie und Reduktionsplastik 8/2019, adjuvanten Radiotherapie - innerhalb der Heilungsbewährung mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit;

13.01.03

50 vH

02

Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen mittleren Grades bei Mb. Bechterew;

Therapieresistenes Cervikalsyndrom bei Discusprotrusionen C5-C7, rez. Dorsalgie bei Hyperkyphose, Lumboischialgie bei Discusprotrusion L3 - L5, Osteochondrose mit Facettenarthrose, ohne Hinweis auf Therapieoptionen;

02.01.02

30 vH

03

Arterielle Hypertonie;

Medikamentös therapiert;

05.01.01

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, führend sei das Leiden Nummer 1 mit 50 %. Das Leiden Nummer 2 steigere, da es das Gesamtbild verschlechtere, um eine Stufe. Das Leiden Nummer 3 steigere aufgrund von Geringfügigkeit nicht weiter. Somit ergebe sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 %.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen: Verschiedenste Allergien (Gräser, Pollen, Tierhaar usw.) ohne Dauertherapie, eine Allergenkarenz sei ausreichend.

3. Mit Schreiben des SMS vom 12.5.2020 wurde die BF darüber in Kenntnis gesetzt, dass bei ihr laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60% vorliege. Beigelegt wurde diesem Schreiben das Gutachten von Dr. M. M. vom 12.5.2020.

4. Mit Schreiben des SMS vom 14.5.2020 wurde der BF der Behindertenpass übermittelt.

5. Mit E-Mail vom 8.6.2020 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Behindertenpass. Darin verwies sie auf verschiedene Allergien und diesbezüglich benötigte Medikamente, insbesondere bei Pollenflug. Zudem sei sie Prothesenträgerin (Teilbrustprothese), leide an einem Lymphödem am rechten Arm und habe sich ein Verdacht auf Hämochromatose bestätigt.

6. Im Gefolge der Beschwerde holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten ein und wurde die BF am 5.8.2020 von Dr. W. K., Facharzt für Innere Medizin, untersucht.

In dem in weiterer Folge von Dr. W. K. am 1.9.2020 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wurde eingangs zu den derzeitigen Beschwerden der BF wie folgt ausgeführt:

„Bezüglich des Aktengutachtens wird von Frau G. eingewendet, dass bezüglich der verschiedensten Allergien (Gräser, Pollen, Tierhaar usw.) im Aktengutachten angeführt ist, dass keine Dauertherapie erfolge, sondern eine Allergenkarenz ausreichend sei. Es wird aber (eine Bestätigung des Hausarztes liegt vor) eine mehrfache saisonale antiallergische Therapie durchgeführt mit täglicher Applikation von Flutiform Spray und zusätzlichem Sultanol bei Bedarf. Weiters habe sich zwischenzeitig der Hämochromatoseverdacht bestätigt (homozygote Hämochromatosemutation vorliegend), zusätzlich trage sie eine "Brustprothese" rechts, was im Aktengutachten nicht angegeben sei.

Bezüglich der Alltagsbelastbarkeit liegen keine wesentlichen Einschränkungen vor. 2 Stockwerke können ohne Auftreten von Kurzatmigkeit oder Brustkorbenge bewältigt werden und auch die Gehstrecke in der Ebene ist im subjektiv gewählten Tempo über 500 m gelegen. Sie werde derzeit 3-monatig von ihrer Gynäkologin nachkontrolliert, 1 x jährliche Kontrollen sind im KUK/Onkologie geplant. Von Seiten der Eisenüberladung (der ursprüngliche Ferritin-Wert wird mit ca. 800 ng/ml angegeben) werden monatlichen Aderlasstherapien durchgeführt und aktuell liege der Wert um 600 ng/ml.“

Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Brustkrebs rechts (ductales Carzinoma in situ) mit Quadrantektomie und Reduktionsplastik 8/2019 und adjuvanter Radiotherapie.

Einschätzung innerhalb der Heilbewährung mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit.

13.01.03

50 vH

02

Postentzündliche Wirbelsäulenveränderungen bei Mb. Bechterew.

Unverändert zum Vorgutachten. Es bestehen Funktionseinschränkungen mittleren Grades.

02.01.02

30 vH

03

Hochdruckleiden.

Blutdruckeinstellung mit einer Monotherapie.

05.01.01

10 vH

04

Allergisches Asthma bei Polyallergie.

Saisonale Beeinträchtigung. Keine Dokumentation einer eingeschränkten Lungenfunktion.

06.05.01

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, Lfd. Nr. 1 sei die führende Position. Durch Lfd. Nr. 2 komme es zu einer additiven funktionellen Beeinträchtigung, da das Gesamtbild verschlechtert werde, und zu einer Anhebung im Gesamt-GdB um eine Stufe. Lfd. Nr. 3 und 4 würden wegen Geringfügigkeit nicht weiter steigern.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen: Eisenüberladung (homozygote Hämochromatose): Absenkung des Eisenspiegels durch Aderlasstherapien - keine funktionelle Beeinträchtigung vorliegend.

Als Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurde ausgeführt, im Vergleich zum Vorgutachten werde die saisonale Asthmamedikation (Flutiform Spray) bei multiplen Allergien in die Einschätzung mit aufgenommen. Eine Allergenkarenz alleinig sei als Behandlung nicht ausreichend. Weiters sei zwischenzeitig die Hämochromatose gentechnologisch als homozygote Form bestätigt worden.

Die Voraussetzung für die Zusatzeintragung „ist Prothesenträgerin“ liege im Übrigen vor, da die BF Trägerin einer Brustprothese rechts nach Mammakarzinom sei.

7. Mit Schreiben des SMS zur Wahrung des Parteiengehörs vom 1.9.2020 wurde der BF das Gutachten von Dr. W. K. vom 1.9.2020 übermittelt und ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.

Eine Stellungnahme ist nicht aktenkundig.

8. Am 6.10.2020 legte das SMS den Akt dem BVwG vor und wies darauf hin, dass die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgelaufen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Bei der BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen und daraus resultierend folgender Gesamtgrad der Behinderung:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Brustkrebs rechts (ductales Carzinoma in situ) mit Quadrantektomie und Reduktionsplastik 8/2019 und adjuvanter Radiotherapie.

Einschätzung innerhalb der Heilbewährung mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit.

13.01.03

50 vH

02

Postentzündliche Wirbelsäulenveränderungen bei Mb. Bechterew.

Unverändert zum Vorgutachten. Es bestehen Funktionseinschränkungen mittleren Grades.

02.01.02

30 vH

03

Hochdruckleiden.

Blutdruckeinstellung mit einer Monotherapie.

05.01.01

10 vH

04

Allergisches Asthma bei Polyallergie.

Saisonale Beeinträchtigung. Keine Dokumentation einer eingeschränkten Lungenfunktion.

06.05.01

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

 

Lfd. Nr. 1 ist die führende Position. Durch Lfd. Nr. 2 kommt es zu einer additiven funktionellen Beeinträchtigung, da das Gesamtbild verschlechtert wird, und zu einer Anhebung im Gesamt-GdB um eine Stufe. Lfd. Nr. 3 und 4 steigern wegen Geringfügigkeit nicht weiter. Folgende Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Eisenüberladung (homozygote Hämochromatose): Absenkung des Eisenspiegels durch Aderlasstherapien - keine funktionelle Beeinträchtigung vorliegend.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zu den bei der BF bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom SMS – aufgrund der Einwände der BF in ihrer Beschwerde gegen das Vorgutachten - eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. W. K. vom 1.9.2020.

Dazu ist zunächst zu betonen, dass dieses Sachverständigengutachten ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar ist und keine Widersprüche aufweist. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung am 5.8.2020 erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Dem Einwand der BF in ihrer Beschwerde folgend wurde in diesem Gutachten die Allergie der BF erstmals eingeschätzt und nachvollziehbar nach Pos. 06.05.01 mit 10 vH – nicht weiter stufenerhöhend – bewertet. Nachvollziehbar wurde im Letztgutachten vom 1.9.2020 zudem – auf das Beschwerdevorbringen der BF Bezug nehmend - ausgeführt, dass die Eisenüberladung (homozygote Hämochromatose) keine funktionelle Beeinträchtigung bewirke und somit keinen Grad der Behinderung darstelle. Schließlich wurde im Letztgutachten – dem Einwand der BF in ihrer Beschwerde folgend - richtiggestellt, dass diese Prothesenträgerin (Brustprothese rechts nach Mammakarzinom) ist, allerdings ändert dies nichts am Gesamtgrad der Behinderung, da dieser Umstand (auch bereits im Erstgutachten) Berücksichtigung unter Pos. Nr. 1 (Brustkrebs rechts [ductales Carzinoma in situ] mit Quadrantektomie und Reduktionsplastik 8/2019 und adjuvanter Radiotherapie) findet.

Zu alldem kommt noch hinzu, dass die BF trotz Gelegenheit keine Stellungnahme zum Letztgutachten vom 1.9.2020 abgab, sodass auch insofern davon auszugehen ist, dass sie diesem Gutachten nichts entgegen zu setzen vermag.

Zusammengefasst ist das SMS – aufgrund des zuletzt erstatteten Gutachtens von Dr. W. K. vom 1.9.2020 - zutreffend davon ausgegangen, dass bei der BF ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 60 v. H. besteht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG (bzw. EStG) lauten:

§ 1. […] (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

[…]

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen […]

§ 45. […]

(2) […] Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

[…]

§ 35 EStG lautet auszugsweise:

§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

– durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

[…]

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

[…]

– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

[…]

3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Das vom SMS zuletzt eingeholte Sachverständigengutachten vom 1.9.2020 ist - wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig. Die aktuellen Funktionseinschränkungen der BF wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft, es ist bei der BF sohin von einem Grad der Behinderung von 60 vH auszugehen. Somit hat das SMS der BF zutreffend einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 vH ausgestellt.

Folglich ist die Beschwerde der BF, mit der diese (implizit) die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung begehrt, spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage betreffend Verfahren und Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. betreffend Feststellung des Grades der Behinderung stützen.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2235760.1.00

Im RIS seit

11.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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