TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/9 W265 2235342-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W265 2235342-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 17.08.2020 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 23.01.2020 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) bzw. Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass, mittels dem entsprechend von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular. Dem Antrag legte sie einen Bescheid bei.

Mit Schreiben vom 27.01.2020 ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin um Nachreichung aktueller Befunde.

Mit E-Mail vom 20.02.2020 legte die Beschwerdeführerin medizinische Befunde vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In diesem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 29.06.2020 basierenden Gutachten vom 20.07.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:
Vorgutachten vom 28.1.2019.

Intercurrent Anlage einer Colostomie, Struma nodosa, depressives Syndrom, chronischobstruktive Atemwegserkrankung bei Nikotinkonsum, Carotissklerose.

Derzeitige Beschwerden:

"Ich habe Probleme mit den Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln, mir ist das beim Darm schon 3x aufgegangen deswegen. Beim selbstständigen Einkaufen ist es mit

Menschen auch schwierig. Mein Mann hatte einen Herzinfarkt und ich muß ihn immer zum Arzt führen. Aus diesen Gründen kann ich öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen. Ich habe auch die Befürchtung, dass mir das Sackerl aufgeht. Wegen meiner psychischen

Belastung bin ich alle 6 Monate zur Kontrolle beim niedergelassenen Facharzt für Neurologie, an einer Fachabteilung stationär war ich noch nie aufgenommen."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Aubagio, Daflon, Escitalopram.

Sozialanamnese:

Frühpension, davor Lagerarbeiterin.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

17.2.2020 Dr. Schreiber: depressive Episode/Angst und Belastungsstörung, schubförmige

Enc. diss., n. recti.

27.12.2019 Labors.at: Laborbefund.

Befundnachreichung:

3.6.2020 Dr. Prager: normale LVF, n. recti operat./Colostomie, Stenocardien, MS, struma multinodosa, Carotissklerose.

30.4.2020 Dr. Junker: Nikotinabusus, COPD I, MS, Colon-Ca. Therapie: Nikotinkarenz.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Normal.

Ernährungszustand:

Normal.

Größe: 165,00 cm Gewicht: 67,00 kg Blutdruck: 130/70

Klinischer Status – Fachstatus:

KOPF, HALS:

Keine Stauungszeichen, keine Atemnot, weder in Ruhe, noch bei Bewegung im Zimmer, keine Lippencyanose, Pupillen unauffällig, Lidschluß komplett, kein Nystagmus. Sprache gut verständlich, kein inspiratorischer oder exspiratorischer Stridor.

THORAX / LUNGE / HERZ:

Sonorer Klopfschall, Vesiculäratmen, normale Atemfrequenz. Reine, rhythmische Herztöne, normofrequent.

ABDOMEN:

Weich, kein Druckschmerz, Peristaltik gut auskultierbar, Colostomie.

WIRBELSÄULE:

Keine relevanten Funktionseinbußen.

EXTREMITÄTEN:

Kreuz / Nacken / Pinzetten / Spitzgriff beidseits regelrecht und vollständig durchführbar, vollständiger Faustschluß beidseits, keine Muskelatrophien. Greiffunktion beidseits erhalten.

Hüftgelenke frei beweglich, Kniegelenke beidseits aktiv im Sitzen 0-0-130°, Sprunggelenke frei beweglich. Stehen und Gehen im Untersuchungszimmer ohne Hilfsmittel möglich. Keine Ödeme, Fußpulse tastbar.

GROB NEUROLOGISCH:

Keine relevanten motorischen Defizite, Sensibilitätsstörungen im Oberschenkelbereich rechts seitlich und vorne angegeben, grobe Kraft seitengleich, gute und kräftige Vorfußhebung beidseits, kein Rigor, beim Armevorhalten moderater Tremor der Hände, Feinmotorik regelrecht. FNV bds. gut möglich, PSR lebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Unauffällig, sicher und selbstständig, angedeutet ataktisch, keine Hilfsmittel, Setzen/Erheben unbehindert möglich.

Status Psychicus:

Voll orientiert, Ductus kohärent, Antrieb und Grundstimmung ausgeglichen, kognitive Funktionen erhalten, keine Hinweis auf Suicidalität oder psychotische Störung.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Invasives tubulopapilläres Adenocarcinom des Rectums

2

Encephalomyelitis disseminata

3

Colostomie

4

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung /COPD I bei Nikotinkonsum

5

Depressives Syndrom mit Angst - und Belastungsstörung

 

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Neuaufnahme der Leiden 3-5. Eine inzwischen befundmäßig beschriebene Struma nodosa sowie eine Carotissklerose erreichen ohne Hinweis auf relevante funktionelle Einschränkung keinen GdB.
[x] Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung festgestellten Defizite, insbesonders einer intervenierten, bösartigen Darmerkrankung mit Anlage einer Colostomie (ohne Hinweis auf Dysfunktion), bei normalem Allgemein- und Ernährungszustand, ohne wesentliche Einschränkung der kardiorespiratorischen Leistungsbreite und ohne Erfordernis einer permanenten Sauerstoff-Therapie, einer MS mit ausreichender Gelenksbeweglichkeit, selbstständig erhaltener Gehfähigkeit und erhaltenen kognitiven Funktionen, sind weder Mobilität noch Belastbarkeit maßgeblich eingeschränkt, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, Ein/Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert ist

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.“

Mit Schreiben vom 20.07.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin erstattete innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme.

Mit angefochtenem Bescheid vom 17.08.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden, demzufolge die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme eingelangt, habe von diesem nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grund gelegt worden. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das Gutachten übermittelt.

Mit E-Mail vom 20.09.2020 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, sie sei über die Ablehnung verwundert gewesen, da der sachverständige Arzt geäußert habe, er würde eine positive Erledigung begrüßen. Bei ihr liege eine erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten vor, da ein künstlicher Darmausgang als Dauerzustand bestehe, der bei lautem Abgang nicht kontrollierbar sei, was für Frauen besonders peinlich sei. Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestünden insofern, als sie ihren Gatten beim Einkauf benötige. Zudem leide sie an einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems, nämlich multipler Sklerose. Ihr Gatte und sie würden auch zu der durch Covid-19 gefährdeten Gruppe gehören.

Mit Schreiben vom 23.09.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses.

Sie stellte am 23.01.2020 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) bzw. Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        Invasives tubulopapilläres Adenocarcinom des Rectums

-        Encephalomyelitis disseminata

-        Colostomie

-        Chronisch obstruktive Lungenerkrankung /COPD I bei Nikotinkonsum

-        Depressives Syndrom mit Angst- und Belastungsstörung

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin trotz dieser Funktionseinschränkungen möglich und zumutbar. Die Leidenszustände der Beschwerdeführerin stellen zweifellos eine Beeinträchtigung ihres Alltagslebens dar, schränken jedoch den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich ein.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und insbesondere der Auswirkungen der Funktionseinschränkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 20.07.2020 zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.07.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 29.06.2020. Dabei berücksichtigte der Sachverständige die von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel.

Trotz der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen die Einschränkungen kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde. Der Sachverständige stellte aufgrund der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Wesentlichen fest, dass unter Berücksichtigung der ihr vorliegenden Defizite weder Mobilität noch Belastbarkeit maßgeblich eingeschränkt sind, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert sind.

Dem entgegnete die Beschwerdeführerin in der Beschwerde im Wesentlichen, dass bei ihr eine erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten vorliege, da ein künstlicher Darmausgang als Dauerzustand bestehe, der bei lautem Abgang nicht kontrollierbar sei. Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestünden insofern, als sie ihren Gatten beim Einkauf benötige. Zudem leide sie an einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems, nämlich multipler Sklerose.

All diese Einschränkungen und Leiden wurden im Sachverständigengutachten jedoch bereits berücksichtigt. Auch wenn nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführerin der künstliche Darmausgang gelegentlich unangenehm sein mag, handelt es sich bei diesem, soweit er bestimmungsgemäß funktioniert, nicht um eine erhebliche, einer Unzumutbarkeit gleichzuhaltende Einschränkung, schon gar nicht um eine solche der unteren Extremitäten. Dies ergibt sich bereits aus den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 der Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 (siehe noch in der rechtlichen Beurteilung), wonach gut versorgte Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss, sofern es weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen kommt, keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darstellen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar. Derartiges wurde jedoch im vorliegenden Fall nicht vorgebracht.

Ebenso ist die nicht näher ausgeführte Behauptung der Beschwerdeführerin, erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestünden, weil sie ihren Gatten beim Einkauf benötige, nicht geeignet, die auf Grundlage der Untersuchung getroffene gegenteilige Einschätzung des Sachverständigen zu entkräften. Auch, dass die Beschwerdeführerin an multipler Sklerose leidet, wurde im Sachverständigengutachten berücksichtigt. Der Sachverständige führte diesbezüglich jedoch aus, dass in ihrem Fall eine ausreichende Gelenksbeweglichkeit, eine selbständig erhaltene Gehfähigkeit und erhaltene kognitive Funktionen gegeben sind, weshalb sich keine Auswirkung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergebe. Aus den bereits zitierten Erläuterungen geht hervor, dass nur solche schweren anhaltenden Immunerkrankungen zu einer Unzumutbarkeit führen sollen, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränken. Schließlich ist das Vorbringen, ihr Gatte und sie würden der COVID-19-Risikogruppe angehören, schon dem Grunde nach nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit zu begründen, da diese auf einer dauerhaften (bereits bestehenden) Mobilitätseinschränkung beruhen muss. Sonstige Einschränkungen, die zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen könnten, brachte die Beschwerdeführerin nicht vor.

Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Befunde und in der Beschwerde erhobenen Einwendungen wurden vom Sachverständigen im Gutachten berücksichtigt und flossen in die Beurteilung ein, waren jedoch nicht geeignet, eine andere Einschätzung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel herbeizuführen. Mit der Beschwerde legte die Beschwerdeführerin keine neuen medizinischen Beweismittel vor.

Damit ist die Beschwerdeführerin dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 20.07.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

„§ 1 ….

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. …….

2. ……

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-         erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-         erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-         erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder
-         eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-         eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)……“

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall relevant – Folgendes ausgeführt:

„Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-        vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-        laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-        Kleinwuchs,

-        gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

-        bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“

…“

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300–400 Metern ausgeht. (vgl. u. a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014)

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen –, wurde im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.07.2020 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin – trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsschädigungen – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin liegen ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vor.

Auch unter Berücksichtigung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden dauerhaften Einschränkungen und der damit verbundenen Beeinträchtigungen im Alltag vermag die Beschwerdeführerin noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun. Die dazu seitens des Gesetzgebers festgehaltenen Erläuterungen wurden im gegenständlichen Fall berücksichtigt und bestärken diese die Einschätzung, dass der Beschwerdeführerin die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel trotz ihrer zweifelsohne vorhandenen und festgestellten Gesundheitsschädigungen zumutbar ist.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde wie in der Beweiswürdigung bereits ausgeführt keine Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung ihres Zustandes zu belegen.

Die für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass erforderliche Voraussetzung einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sind somit nicht erfüllt. Für das Vorliegen weiterer Tatbestände des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen haben sich im gegenständlichen Fall keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben. Auch erreichen die übrigen Einschränkungen der Beschwerdeführerin kein Ausmaß, welches die Benützung der Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lässt.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3.       wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde iSd § 24 Abs. 1 VwGVG weder beantragt, noch hält Bundesverwaltungsgericht eine solche für erforderlich.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2235342.1.00

Im RIS seit

11.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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