Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde 1. des AR und 2. der RR, beide in H, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. Februar 1997, Zl. 1/02-26.529/59-1997, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der dieser Beschwerde angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Zur Vorgeschichte des verfahrensgegenständlichen Bauverfahrens wird auf das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 92/06/0101, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 1. April 1992 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Gegenstand des verfahrensgegenständlichen Bauverfahrens ist ein Wohnhaus-Anbau an der Westseite des bestehenden Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 1904/9 KG H im Ausmaß von 7,8 x 4,3 m und eine Dachstuhlerneuerung. Nach der in dem angeführten Erkenntnis wiedergegebenen Umschreibung des Projekts in der Verhandlungsschrift vom 26. Juli 1984 sei bedingt dadurch, daß das Objekt von der südlichen Grundgrenze nur ca. 3,20 m entfernt sei (dies gelte nicht für den geplanten Anbau, welcher 4,03 m von der Grundgrenze entfernt gelegen sei), für die Erhöhung des Dachstuhles (Firstbereich ca. 85 cm, Traufenbereich ca. 1,10 m) eine Ausnahme nach § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz erforderlich.
Nach mehreren Rechtsgängen wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung vom 20. Dezember 1991 einerseits die Ausnahmegenehmigung gemäß § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz und andererseits die baubehördliche Bewilligung für das angeführte Projekt erteilt.
Die dagegen erhobene Vorstellung der Nachbarn wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. April 1992 als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit dem angeführten Erkenntnis den zuletzt genannten Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß im Beschwerdefall die Baumaßnahmen "zur Erhaltung oder zeitgemäßen Wahrung" der Funktion des bestehenden Hauses gemäß § 25 Abs. 8 lit. a leg. cit. dringend erforderlich seien. Es sei offensichtlich, daß durch die Baumaßnahmen nicht die bestehende Funktion als Wohnhaus in der Größe von 135 m2 erhalten oder zeitgemäß gewahrt werden, sondern eine zusätzliche Funktion, nämlich die Bewohnbarkeit des bestehenden Baues durch eine weitere Familie, dadurch herbeigeführt werden solle, daß die Wohnfläche auf ca. 192 m2 erhöht werde. Demgegenüber stelle die Errichtung einer Zentralheizung ohne weiteres eine Maßnahme zur Erhaltung bzw. zeitgemäßen Wahrung der Funktion des bestehenden Baues dar. Es liege aber auch nicht der weitere in § 25 Abs. 8 lit. a Bebauungsgrundlagengesetz beispielsweise genannte Härtefall, nämlich der Ausschluß der baulichen Ausnutzbarkeit der Grundfläche oder ihre wesentliche Beeinträchtigung, vor. Nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 11. April 1991, Zl. 91/06/0039) werde für ein Objekt, das mit einer verbauten Fläche von 70 m2 errichtet werden könne, ein Härtefall dieser Art verneint. Der Verwaltungsgerichtshof merkte im Zusammenhang mit der Ausnahmebewilligung nach § 61 Bautechnikgesetz an, daß wegen der von der Gemeindevertretung in ihrem Bescheid vom 20. Dezember 1991 vorgenommenen Neuformulierung des Spruches des Bescheides des Bürgermeisters vom 19. Juni 1985 die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nach § 61 leg. cit. beseitigt worden sei und ein Abspruch im Rahmen des § 61 leg. cit. durch die Gemeindevertretung unterblieben sei, obwohl sich die Gemeindevertretung in der Begründung ihres Bescheides vom 20. Dezember 1991 auch mit der Erteilung der Ausnahmegenehmigung gemäß § 61 Bautechnikgesetz durch den Bürgermeister auseinandergesetzt habe. Aber selbst wenn man von der Erteilung einer Ausnahmebewilligung ausgehe, sei ein derartiger Spruch deshalb rechtswidrig, weil er nicht den Voraussetzungen des § 61 Abs. 4 Bautechnikgesetz entspreche, wonach die Erteilung der Ausnahme nur über begründeten Antrag und unter Anführung ihres Grundes gemäß § 61 Abs. 1 oder 2 Bautechnikgesetz sowie unter genauer Anführung der Bestimmung dieses Gesetzes erfolgen dürfe.
In der Folge wurde in Entsprechung des angeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. März 1996 die abweisende Berufungsentscheidung der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei vom 20. Dezember 1991 aufgehoben.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei vom 5. August 1996 wurde der die Baubewilligung erteilende Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 19. Juni 1985 ersatzlos aufgehoben und die baubehördliche Bewilligung versagt. In der Begründung ist fast wortgleich die Begründung des Vorstellungsbescheides vom 11. März 1996 wiedergegeben und in rechtlicher Hinsicht unter Zugrundelegung des Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisses nur ausgeführt, daß das Ansuchen um Bewilligung für das Bauvorhaben zu versagen gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet, daß bereits in dem im Dezember 1995 zugestellten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1995 auf das Fehlen eines Ausnahmeantrages gemäß § 61 Bautechnikgesetz verwiesen worden sei, sodaß den Beschwerdeführern bis zur Entscheidung der Berufungsbehörde ausreichend Zeit verblieben wäre, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG habe die Behörde dem Einschreiter die Behebung von Formgebrechen aufzutragen. Das gänzliche Fehlen eines Antrages könne aber nicht als mit einem Verbesserungsauftrag behebbares Formgebrechen angesehen werden. § 61 Abs. 4 Bautechnikgesetz verlange einen begründeten Antrag für eine Ausnahme. Eine Trennbarkeit eines Bauvorhabens sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine Teilbewilligung nur durch eine - der Baubehörde verwehrte - Einflußnahme auf die Gestaltung des Bauwillens möglich sei. Der Verwaltungsgerichtshof sei bei der Beurteilung der Zulässigkeit des geplanten Vorhabens - auch in einer die Vorstellungsbehörde bindenden Weise - offensichtlich von einem untrennbaren Ganzen ausgegangen, da keine Differenzierung in der Beurteilung der Zulässigkeit der Unterschreitung des Nachbarabstandes hinsichtlich des Anbaues im gesamten und einzelner Bauteile (wie Balkon, Dachvorsprung, etc.) vorgenommen worden sei. Vom Verwaltungsgerichtshof sei die Zulässigkeit einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz und damit des gesamten Anbaues aufgrund des Nichtvorliegens der Ausnahmevoraussetzung des lit. a leg. cit. verneint worden. Es werde daher von einem untrennbaren Ganzen ausgegangen und wäre mangels Vorliegens eines entsprechenden Antrages gemäß § 61 Bautechnikgesetz einerseits und in Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes andererseits die gesamte Bewilligung zu versagen gewesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, die belangte Behörde habe die behördlichen Pflichten gemäß §§ 13 und 13a AVG unrichtig beurteilt und sei der angefochtene Bescheid deshalb inhaltlich rechtswidrig. Die Vorstellungsbehörde habe durch ihre Entscheidungen niemals anklingen lassen, daß irgendein Antrag auf Ausnahmegenehmigung für das geplante Projekt fehle. Die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführer rechtlich beraten müssen und sie zur Nachbesserung ihrer Anträge auffordern müssen.
Diesem Vorbringen der Beschwerdeführer ist - wie dies auch die belangte Behörde getan hat - entgegenzuhalten, daß ein Formgebrechen und eine Aufforderung zur Verbesserung immer nur bei Vorliegen eines Antrages überhaupt gegeben sein kann. Es wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten, daß ein Ausnahmeantrag gemäß § 61 Bautechnikgesetz nie gestellt wurde. Der Umstand, daß die Baubehörden bis zur angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom Vorliegen eines solchen Ausnahmeantrages ausgegangen sind, kann das Vorliegen eines solchen Antrages nicht begründen. Die belangte Behörde hat auch nicht gegen die Rechtsbelehrungsverpflichtung gemäß § 13a AVG verstoßen. Aus dem hg. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ergab sich für die Beschwerdeführer zweifelsfrei, daß ein Antrag auf Ausnahme gemäß § 61 Bautechnikgesetz im Verwaltungsakt nicht vorhanden sei. Zutreffend verweist die belangte Behörde darauf, daß von den Beschwerdeführern unmittelbar nach Zugehen dieses Erkenntnisses (im Dezember 1995) ein solcher Ausnahmeantrag hätte gestellt werden können.
Des weiteren führen die Beschwerdeführer den konkreten Verfahrensverlauf an und machen geltend, alle zuständigen Baubehörden hätten gewußt, daß das Bauprojekt einer Ausnahmegenehmigung nach § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz und § 61 Bautechnikgesetz bedürfe, da die Mindestabstände zu den Nachbarn D. unterschritten würden. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem hg. Erkenntnis
Zl. 92/06/0101 habe das von den Baubehörden gezeichnete Bild vollkommen verändert. In der Folge seien die aufhebenden Entscheidungen der Behörden sehr rasch erfolgt. Die Beschwerdeführer seien in all den Jahren rechtlich nicht beraten gewesen und hätten daher die Auswirkungen der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde überhaupt nicht absehen können. Die Beschwerdeführer seien über die rechtlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes in keiner Weise belehrt worden. Die Baubehörden hätten plötzlich nach zwölfeinhalb Jahren, ohne die Beschwerdeführer darüber im geringsten aufzuklären, eine andere Auffassung vertreten. Die Beschwerdeführer seien in der Zeit ab Aufhebung des Bewilligungsbescheides und der Ausnahmegenehmigung durch die Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 11. März 1996 bis zur Berufungsentscheidung der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei vom 5. August 1996 nicht rechtsfreundlich vertreten gewesen. Sie hätten darauf vertraut, daß die zuständigen Baubehörden rechtmäßig entschieden. Nach der Berufungsentscheidung vom 5. August 1996 hätten sie eine rechtsfreundliche Vertretung aufgesucht. Die Beschwerdeführer hätten nun mit Schriftsatz vom 11. September 1996 den - plötzlich nach zwölfeinhalb Jahren - fehlenden Antrag - gemäß § 61 Bautechnikgesetz - eingebracht und Vorstellung erhoben. Die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde sei in der Vorstellung auf all diese Verfahrensmängel hingewiesen worden. Die Salzburger Landesregierung - über die schwierigen Rechtsfragen hinsichtlich der Ausnahmegenehmigungen informiert - habe die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde hätte die geltend gemachten Verfahrensmängel einer umfangreichen Überprüfung unterziehen müssen. Die belangte Behörde habe weder "die Ermessensentscheidung gemäß § 25 Abs. 8 BGG und § 62 BTG" überprüft, noch habe sie die Beschwerdeführer über die vorliegenden Mängel des gesamten Bauansuchens belehrt.
Auch mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. In dem hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 92/06/0101, ist eingehend begründet worden, daß die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 lit. a Bebauungsgrundlagengesetz - entgegen den Annahmen der bis dahin befaßten Baubehörden - für das verfahrensgegenständliche Projekt nicht gegeben seien. In diesem Erkenntnis wurde auch festgestellt, daß ein Antrag auf eine Ausnahme gemäß § 61 Bautechnikgesetz im Verwaltungsakt nicht aufzufinden sei. Dies wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Sie berufen sich vielmehr auf das von den Baubehörden zwölfeinhalb Jahre angenommene Vorliegen eines derarigen Ausnahmeantrages. Das Nichtvorliegen eines solchen Ausnahmeantrages wurde vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt. Es ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich, warum dieser Annahme ein wesentlicher Verfahrensmangel zugrundeliegen sollte. Von den Beschwerdeführern selbst wird nicht behauptet, zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit einen solchen begründeten Antrag bei der Behörde eingebracht zu haben. Es ergibt sich auch aus den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens, inbesondere aus § 13a AVG, nicht, daß die Verwaltungsbehörde im Hinblick auf ein gegenüber einer Partei ergangenes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsbelehrung vorzunehmen hat. Auch in dieser Hinsicht kann kein Verfahrensmangel festgestellt werden. Warum die bekämpfte Ermessensentscheidung gemäß § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz, die sich - wie von den Beschwerdeführern nicht bestritten - an die Begründung des Verwaltungsgerichtshofserkenntnisses hält, nicht im Sinne des Gesetzes getroffen worden sein sollte, wird von den Beschwerdeführern nicht näher ausgeführt und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich.
Da der Inhalt der Beschwerde bereits erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Es erübrigte sich daher eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997060081.X00Im RIS seit
20.11.2000