RS Vfgh 2020/11/28 G299/2020

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Veröffentlicht am 28.11.2020
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Index

23/04 Exekutionsordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
EMRK Art6 Abs1
EMRK Art13
ZPO §568
EO §37, §42, §44
VfGG §7 Abs1, §62a Abs1 Z9

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren betreffend den Widerspruch Dritter bei der Exszindierungsklage nach der Exekutionsordnung auf Grund mehrerer Rechtsschutzmöglichkeiten und insbesondere der Möglichkeit der Aufschiebung der Exekution zugunsten eines Unterbestandnehmers durch Leistung einer Sicherheit

Rechtssatz

Abweisung eines Antrags auf Aufhebung des §37 EO idF BGBl 343/1989. Im Übrigen: Zurückweisung des Parteiantrags auf Aufhebung des §568 ZPO sowie der §§38, 39, 41, 42, 44, 206, 375, 376, 432, 439 Abs3 EO. Bei der Exszindierungsklage nach - der vom Erstgericht angewendeten präjudiziellen Bestimmung des - §37 EO handelt es sich nicht um ein Exekutionsverfahren iSd §62a Abs1 Z9 VfGG, sodass der Antrag insofern zulässig ist. Im vorliegenden Verfahren nach §37 EO bringt der Antragsteller im Lichte des §568 ZPO nicht vor, dass er lediglich ein Unterbestandnehmer ist, sondern dass er gegenüber dem Vermieter eine eigene Rechtsposition hat, die er mit der Exszindierungsklage durchsetzen möchte. Eine Anwendung des §568 ZPO in dem Verfahren nach §37 EO ist somit denkunmöglich, weswegen der Antrag hinsichtlich §568 ZPO jedenfalls mangels Präjudizialität zurückzuweisen ist. Die Präjudizialität der übrigen angefochtenen Bestimmungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht erkennbar und besteht auch kein untrennbarer Zusammenhang mit der Bestimmung des §37 EO. Darüber hinaus hat der Antragsteller keine eigenständigen (zuordenbaren) Bedenken gegen diese Bestimmungen dargelegt, sodass der Antrag insofern als unzulässig zurückzuweisen ist.

Der Dritte, soweit er (auch) Unterbestandnehmer ist, ist im Titelprozess gegen den Hauptbestandnehmer keinesfalls schutzlos. Der Hauptmieter ist nämlich gemäß §2 Abs2 zweiter Satz MRG verpflichtet, den Untermieter unverzüglich von einer Auflösung des Hauptmietvertrages zu verständigen, damit dieser seine Rechte wahrnehmen kann. Insbesondere kann der Unterbestandnehmer im Prozess gegen den Hauptbestandnehmer als Nebenintervenient beitreten. Dem Antragsteller wäre offen gestanden, in einem eigenständigen zivilgerichtlichen Verfahren, ein Nutzungsrecht gegenüber dem Vermieter geltend zu machen.

Hinsichtlich der Bedenken des Antragstellers, das Rechtsschutzinteresse des Exszindierungsklägers ende nach der Rsp des OGH mit der Einstellung oder Beendigung der Exekution und §37EO widerspreche dem Art6 EMRK, weil ab diesem Zeitpunkt kein Rechtsschutz mehr bestehe, kennt die EO Schutzmechanismen, die verhindern sollen, dass der Dritte durch die faktische Durchführung der Exekution vor vollendete Tatsachen gestellt wird. So sehen die §§42 ff EO die Möglichkeit einer Aufschiebung der Exekution vor. Insbesondere kann nach §42 Abs1 Z5 EO die Aufschiebung (Hemmung) der Exekution angeordnet werden, wenn eine Klage nach §37 EO erhoben wird. Gemäß §44 Abs2 EO kann die Aufschiebung der Exekution von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden, nämlich wenn die Tatsachen, auf die sich die Einwendungen gegen den Anspruch oder gegen die Exekutionsbewilligung stützen, nicht durch unbedenkliche Urkunden dargetan sind, wenn ein naher Angehöriger des Verpflichteten oder eine mit ihm in Hausgemeinschaft lebende Person später als 14 Tage nach dem Exekutionsvollzug eine Exszindierungsklage erhebt und der Kläger nicht bescheinigt, dass er von dem Vollzug erst kurz vor oder nach Ablauf dieses Zeitraumes Kenntnis erlangen konnte und dass er die Klage ohne unnötigen Aufschub eingebracht hat oder wenn die Aufschiebung der Exekution geeignet ist, die Befriedigung des betreibenden Gläubigers zu gefährden. Im vorliegenden Verfahren wurde laut dem Urteil des Bezirksgerichtes zunächst eine Aufschiebung der Exekution gegen Leistung einer Sicherheit bewilligt; der vom Gericht festgesetzte Betrag wurde jedoch nicht bezahlt, weswegen die Exekution letztlich fortgesetzt wurde.

Zusammengefasst bestehen für den Dritten mehrere Rechtsschutzmöglichkeiten, die insgesamt den Anforderungen des Art6 EMRK entsprechen. So kann der Dritte entweder im Prozess gegen den Hauptbestandnehmer als Nebenintervenient beitreten oder eigenständige Rechte gegen den Vermieter in einem davon getrennten Zivilprozess geltend machen. Sobald eine gerichtliche Räumungsentscheidung vorliegt, kann der Dritte mit einer Klage nach §37 EO allfällige Rechte gegenüber dem Vermieter geltend machen. Darüber hinaus sehen die §§42 ff EO die Möglichkeit vor, die Aufschiebung der Exekution - allenfalls gegen Leistung einer Sicherheit - zu erwirken.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Exekutionsrecht, Exekution, Mietenrecht, Sicherheitsleistung, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Präjudizialität, Rechtsschutz, fair trial

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:G299.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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