TE Vwgh Beschluss 2020/12/22 Ra 2020/06/0199

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
14/01 Verwaltungsorganisation
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

B-VG Art133 Abs4
UVPG 2000 §2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/06/0200
Ra 2020/06/0201
Ra 2020/06/0202
Ra 2020/06/0203
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Ra 2020/06/0236
Ra 2020/06/0237
Ra 2020/06/0238
Ra 2020/06/0239

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache der revisionswerbenden Parteien 1. Bürgerinitiative H, diese vertreten durch Ing. W S, 2. Bürgerinitiative N, diese vertreten durch Ing. H M, 3. Bürgerinitiative L, diese vertreten durch Ing. DI R S, 4. Verein P, dieser vertreten durch den Vereinsvorsitzenden W R in W, 5. Bürgerinitiative „R“, diese vertreten durch J M, 6. Ing. P B, 7. B B, 8. A B, 9. J B, 10. I B, 11. Ing. H M, 12. Mag. A M, 13. M M, 14. F M, 15. R K, 16. N K, 17. Mag. G H, 18. M H, 19. G F, 20. A W, 21. J V, 22. J V, 23. Ing. W S, 24. R S, 25. M G, 26. S G, 27. Mag. G S, 28. E S, 29. G W, 30. B W, 31. P G, 32. B G, 33. P G, 34. Ing. Mag. (FH) A B, 35. M B, 36. K B, 37. Dr. M A, 38. S O, 39. Mag. B M, 40. H G und 41. S B, alle in W, alle vertreten durch Mag. Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hafengasse 16/4-5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. August 2020, W248 2205132-1/163E, betreffend Einwendungen gegen die Genehmigung der „Spange Seestadt Aspern“ nach dem UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie; mitbeteiligte Parteien: 1. ASFINAG Bau Management GmbH, vertreten durch die Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2.OG; 2. Stadt Wien, Magistratsabteilung 28 (Straßenverwaltung und Straßenbau), 1170 Wien, Lienfeldergasse 96), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2014 beantragte die ASFINAG Bau Management GmbH (im Folgenden: Erstkonsenswerberin) im Namen der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft beim (damaligen) Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie; im Folgenden: Behörde) die Genehmigung im teilkonzentrierten Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) für das Vorhaben „Neubau des Bundesstraßenabschnittes S1 Wiener Außenring Schnellstraße Knoten bei Raasdorf - Wien/Donaustadt (am Heidjöchl, Höhe Johann Kutschera-Gasse) - Spange Seestadt Aspern km 0,0+00.000 - 4,4+95.990“ (im Folgenden kurz „Spange Seestadt Aspern“).

5        Mit Schreiben vom 22. April 2016 erweiterte die Erstkonsenswerberin im Auftrag der Stadt Wien ihren Antrag um weitere Vorhabensteile bei der Anschlussstelle Telephonweg (S1 km 1,9 + 48,000); die Stadt Wien trat hinsichtlich dieser näher spezifizierten Vorhabensteile dem Verfahren als Zweitkonsenswerberin bei.

6        Mit Bescheid vom 6. Juli 2018 erteilte die Behörde die beantragte Bewilligung nach dem UVP-G 2000, der Bestimmung des Straßenverlaufes gemäß Bundesstraßengesetz 1971, dem Forstgesetz 1975 und dem Wasserrechtsgesetz 1959.

7        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag der Bürgerinitiative „H“ auf Gewährung von Verfahrenshilfe zur Rechtsvertretung und zur Einholung von Gegengutachten zurück (Spruchpunkt I.), gab den Beschwerden teilweise dahingehend statt, dass einige Nebenbestimmungen (Spruchpunkt II.1.) geändert und neue Auflagen in die Genehmigung aufgenommen wurden (Spruchpunkt II.2.), und wies im Übrigen die Beschwerden ab (Spruchpunkt III.). Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

In seiner Begründung setzte sich das BVwG ausführlich mit dem Beschwerdevorbringen auseinander. Zur Frage der behaupteten Unvollständigkeit und Mangelhaftigkeit der Einreichunterlagen insofern, als das gegenständliche Vorhaben nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien mit dem Projekt „Stadtstraße Aspern“ und der „Anschlussstelle Seestadt Ost“, die beide von der Wiener Landesregierung gemäß § 17 iVm Anhang 1 Z 9 lit. d UVP-G 2000 genehmigt worden seien, in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehe und daher als einheitliches Vorhaben zu beurteilen sei, verwies das BVwG in seiner rechtlichen Beurteilung zunächst darauf, dass der fallbezogen anzuwendende § 23a UVP-G 2000 betreffend den Anwendungsbereich für Bundesstraßen keine Zuständigkeitsadhäsion vorsehe wie etwa § 23b Abs. 3 UVP-G 2000 für Hochleistungsstrecken. Aus verfassungsrechtlicher Sicht (Pkt. 3.6.6, Seite 212 ff) begrenze die Zuständigkeit verschiedener Behörden die „Möglichkeit der Genehmigung verschiedener Projekte als ‚einheitliches Vorhaben‘“. Während die verfahrensgegenständliche „Spange Seestadt Aspern“ eine Bundesstraße darstelle, die gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG iVm § 24 Abs. 1 UVP-G 2000 vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) zu beurteilen sei, seien die „Stadtstraße Aspern“ und die „Anschlussstelle Seestadt Ost“ Landesstraßen, für die gemäß Art. 11 Abs. 1 Z 7 B-VG iVm § 39 Abs. 1 UVP-G 2000 die Wiener Landesregierung zuständig sei. Es sei nicht möglich, in einem UVP-Verfahren nach dem 3. Abschnitt UVP-G 2000 (Bundeszuständigkeit) Vorhaben oder Vorhabensteile, die nach dem 2. Abschnitt UVP-G 2000 (Landeszuständigkeit) abzuhandeln seien, mitzugenehmigen (Hinweis auf Baumgartner in Ennöckl/N. Raschauer [Hrsg], Rechtsfragen des UVP-Verfahrens vor dem Umweltsenat [2008], 218 ff.). Die Behörde habe daher nicht die rechtliche Möglichkeit gehabt, die Genehmigungszuständigkeit der Wiener Landesregierung selbst in Anspruch zu nehmen bzw. an sich zu ziehen; damit hätte sie eine Zuständigkeit wahrgenommen, die ihr nicht zugekommen wäre, sodass der Bescheid ersatzlos zu beheben gewesen wäre (Hinweis auf VwGH 18.10.2001, 2001/07/0047).

Die funktionelle Anbindung an die „Spange Seestadt Aspern“ sei Teil der gegenständlichen Genehmigung. Die Anbindung an das Gemeindestraßennetz (Zubringer) und die Überführungsbauwerke zwischen den Gemeindestraßen seien hingegen als Gemeindestraßen zu klassifizieren und entsprechend zu genehmigen. Der Telephonweg sei zwar ebenfalls eine Gemeindestraße, er werde aber durch das gegenständliche Vorhaben unterbrochen. Gemäß § 12 Abs. 1 Bundesstraßengesetz 1971 (BStG 1971) müsse der Projektwerber Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung der Verkehrsbeziehungen in diesem Bereich treffen. Aufgrund dieser Verpflichtung sei im gegenständlichen Projekt eine Umgestaltung des Telephonweges enthalten. Eine Mitgenehmigung sei aufgrund des weiten Vorhabensbegriffes in § 2 UVP-G 2000 möglich und auch geboten, weil die Umgestaltung des Telephonweges für sich genommen nicht UVP-pflichtig sei und in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit der „Spange Seestadt Aspern“ stehe.

Zwischen der „Spange Seestadt Aspern“ und der „Stadtstraße Aspern“ bestehe zwar ein räumlicher Zusammenhang, weil eine Überlagerung der Wirkungsebenen beider Eingriffe im Sinn von kumulativen und additiven Effekten zu erwarten sei. Es bestehe aber kein sachlicher Zusammenhang, weil kein zusammenhängender Zweck verfolgt werde (Hinweis auf VwGH 29.3.2017, Ro 2015/05/0022; 17.8.2010, 2009/06/0019, mwN). Während die „Spange Seestadt Aspern“ als Bundesstraße dem Durchzugsverkehr diene, habe die „Stadtstraße Aspern“ den Zweck der Verkehrsberuhigung der umliegenden Siedlungsgebiete. Die „Spange Seestadt Aspern“ sei auch ohne die „Stadtstraße Aspern“ benützbar, sie verfüge an der Schnittstelle zur „S1 Lobau“ und mit der Anschlussstelle Telephonweg über Möglichkeiten zur Auf- und Abfahrt.

Selbst wenn - so das BVwG weiter - die „Spange Seestadt Aspern“ und die „Stadtstraße Aspern“ als einheitliches Vorhaben zu beurteilen sein sollten, sei es zu keinem Defizit für die durch das UVP-G 2000 geschützten Interessen gekommen, weil in den Überlappungsbereichen eine zweimalige Prüfung der Umweltauswirkungen erfolge. Den Parteien seien im gegenständlichen Verfahren vor der Behörde auch die Einreichunterlagen der „Stadtstraße Aspern“ zur Verfügung gestanden, sodass kein Mangel der Projektunterlagen in dem Sinn vorgelegen sei, dass sich die Parteien nicht über Art und Umfang des Vorhabens oder die Einflussnahme auf ihre Rechte informieren hätten können.

8        In der Zulässigkeitsbegründung bringen die revisionswerbenden Parteien zunächst vor, die „Anschlussstelle Seestadt Ost“ sei aus dem parallel geführten Verfahren „Seestadt Aspern“ (gemeint wohl: „Stadtstraße Aspern“) „herausgelöst“ worden. Dies hätte dazu führen müssen, dass die „Anschlussstelle Seestadt Aspern“ im Zuge des Genehmigungsverfahrens der „Spange Seestadt Aspern“ hätte mitbehandelt werden müssen, weil diese beiden Projekte in einem sachlichen und räumlichen Zusammenhang stünden. Die „Anschlussstelle Seestadt Aspern“ sei ohne Verwirklichung der „Spange Seestadt Aspern“ nicht funktionsfähig; die Stadt Wien hätte - wie bei der Anschlussstelle Telephonweg - dem Verfahren als Mitantragstellerin beitreten müssen. Zu einer solchen Verfahrenskonstellation (Herauslösung aus einem Verfahren ohne Hinzuziehung in ein anderes, parallel geführtes Verfahren) liege keine hg. Judikatur vor.

9        Vorab ist festzuhalten, dass einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen kann, wenn sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. aus der hg. ständigen Rechtsprechung zum Ganzen VwGH 24.2.2015, Ro 2014/05/0097, mwN). Die Abgrenzung eines Vorhabens im Sinne des § 2 UVP-G 2000 ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Die Zulässigkeit der Revision könnte sich daher nur ergeben, wenn in der Zulässigkeitsbegründung substantiiert aufgezeigt wird, dass die diesbezügliche Beurteilung des BVwG grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/05/0117, Rn. 9, mwN, zur Auslegung des Tatbestandes des Städtebauvorhabens gemäß Anhang 1 Z 18 lit. b UVP-G 2000). Bei Rechtsfragen des Verfahrensrechtes muss außerdem die Relevanz des Verfahrensmangels für das Verfahrensergebnis dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 27.3.2018, Ra 2017/06/0232, Rn. 7, mwN). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vermag der Verweis auf das Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde die erforderliche gesonderte Darlegung der Zulässigkeit der Revision nicht zu ersetzen (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2016/06/0150, Rn. 13, mwN).

10       Diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht. Die Zulässigkeitsbegründung geht weder auf die Ausführungen des BVwG zu der - im Vergleich zu § 23b Abs. 3 UVP-G 2000 - fehlenden Rechtsgrundlage in § 23a leg. cit. betreffend die Zuständigkeit der Behörde für eine in Anhang 1 UVP-G 2000 angeführte Begleitmaßnahme noch auf die Argumente aus verfassungsrechtlicher Sicht einschließlich der dazu zitierten hg. Judikatur sowie die Literaturmeinungen ein und setzt sich auch nicht mit der Argumentation des BVwG auseinander, warum der Telephonweg anders zu behandeln sei als die „Anschlussstelle Seestadt Ost“. Soweit auf die Stellungnahme der einschreitenden Bürgerinitiativen vom 6. März 2019 betreffend das Vorliegen eines einheitlichen Vorhabens verwiesen wird, kann damit aufgrund der oben dargestellten hg. Rechtsprechung die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nicht begründet werden.

Die revisionswerbenden Parteien treten den Feststellungen des BVwG, wonach sowohl die „Anschlussstelle Seestadt Ost“ als auch die „Stadtstraße Aspern“ jeweils nach den Bestimmungen des UVP-G 2000 geprüft worden seien, nicht entgegen. Dem angefochtenen Erkenntnis ist weiter zu entnehmen, dass der Untersuchungsraum Verkehr für die verfahrensgegenständliche „Spange Seestadt Aspern“ und die „Stadtstraße Aspern“ ident sei, die kumulierenden Auswirkungen der „Spange Seestadt Aspern“ mit der „Stadtstraße Aspern“, der „S1 Lobau“, der S8 und der „Seestadt Nord“ geprüft und die jeweiligen Vorhabensauswirkungen wechselseitig berücksichtigt und beurteilt worden seien. Ein die Rechtssicherheit beeinträchtigendes, unvertretbares Ergebnis insofern, als kumulierende Umweltauswirkungen oder Wechselwirkungen zwischen den Vorhaben gar nicht geprüft worden wären oder die revisionswerbenden Parteien durch die Vorgangsweise des BVwG in ihren Rechten beeinträchtigt würden, wird nicht vorgebracht.

11       Mit dem Hinweis auf ein Erkenntnis des BVwG kann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt werden, weil eine solche gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur vorliegt, wenn die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der Hinweis auf das in dieser Entscheidung des BVwG zitierte hg. Erkenntnis VwGH 29.11.2018, Ro 2016/06/0024, ist auch nicht geeignet, ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung aufzuzeigen. In diesem Verfahren war unstrittig, dass die Rodungen mit dem Straßenbauvorhaben in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang standen; fraglich war, ob das Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 für das gesamte Vorhaben vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie durchzuführen war oder hinsichtlich des Rodungstatbestandes von der Landesregierung. Daraus lassen sich aber keine Rückschlüsse ziehen, ob im gegenständlichen Verfahren mehrere Projekte als einheitliches Vorhaben im Sinn des § 2 UVP-G 2000 zu beurteilen sind.

12       Den revisionswerbenden Parteien gelingt es somit nicht, aufzuzeigen, dass die einzelfallbezogene Beurteilung betreffend die Abgrenzung des Vorhabens im Sinn des § 2 UVP-G 2000 nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

13       Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revision weiter vor, es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vor, ob während des Verfahrens ein neuer Antragsteller hinzutreten könne bzw. ob eine Vorhabensänderung „nach UVP-G als verfahrensrechtliche Sonderbestimmung“ zulässig sei.

14       Das BVwG stützte seine Begründung betreffend die Zulässigkeit der Vorhabensänderung (Einbeziehung der Umgestaltung des Telephonweges) auf § 13 Abs. 8 AVG und die dazu ergangene hg. Judikatur sowie Literatur. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Antragserweiterung argumentierte das BVwG mit dem weiten Vorhabensbegriff des § 2 UVP-G 2000 und wies darauf hin, dass es auf eine Personenidentität der Projektwerber nicht ankomme (Hinweis auf VwGH 18.10.2001, 2001/07/0047; 7.9.2004, 2003/05/0218). Die hinzukommenden Vorhabensteile im Bereich der Anschlussstelle Telephonweg dienten der Aufrechterhaltung der Verkehrsbeziehungen gemäß § 12 Abs. 1 BStG 1971. Durch das Hinzutreten der Stadt Wien als Zweitantragstellerin hätten die revisionswerbenden Parteien keinen Nachteil hinsichtlich der Verfolgung ihrer subjektiv öffentlichen Rechte. Es wäre sogar ein Wechsel des Antragstellers zulässig (Hinweis auf BVwG 29.9.2017, W104 2120271-1, betreffend die A5 Nord/Weinviertelautobahn, Abschnitt Poysbrunn - Staatsgrenze).

15       Auf diese Ausführungen geht die Revision in der Zulässigkeitsbegründung überhaupt nicht ein. Sie lässt auch offen, welche „verfahrensrechtlichen Sonderregelungen“ des UVP-G 2000 hinsichtlich der Zulässigkeit von Vorhabensänderungen das BVwG hätte anwenden müssen und inwiefern dies zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Die Relevanz des Vorbringens wurde jedenfalls nicht dargelegt.

16       Im weiteren Vorbringen zur Zulässigkeit einer ediktalen Bekanntmachung einer Vorhabensänderung ohne Hinweis auf andere Betroffene, betreffend die Frage der Nachsorge und die „Mindeststandard-Judikatur“ sowie die amtswegige Ermittlungspflicht wird nicht ausgeführt, welche konkrete Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof beantworten sollte und inwiefern dies für das gegenständliche Verfahren relevant sein könnte (vgl. etwa VwGH 12.6.2019, Ra 2017/06/0030, Rn. 15; 26.2.2019, Ra 2016/06/0115, Rn. 15, jeweils mwN). Zum behaupteten Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der höchstgerichtlichen Judikatur im Bereich der „Mindeststandard-Judikatur“ und zur amtswegigen Ermittlungspflicht legt die Revision nicht konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes dar, von welcher hg. Rechtsprechung ihrer Ansicht nach das BVwG in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 18.9.2020, Ra 2018/06/0244, Rn. 11, mwN). Dieses Vorbringen stellt somit keine rechtmäßige Ausführung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.

17       Die Revision legt auch nicht dar, inwiefern im vorliegenden Fall § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidungsrelevant sein könnte. Das BVwG führte zu dieser Frage mit Hinweis auf das Urteil des EuGH 15.10.2015, C-137/14, ausdrücklich aus, dass sämtliche in den Beschwerden enthaltenen, für das gegenständliche Vorhaben relevanten Vorbringen, die von der jeweiligen Beschwerdelegitimation gedeckt gewesen seien, berücksichtigt und einer umfassenden fachlichen Beurteilung unterzogen worden seien. Daher ist die in der Revision formulierte Vorlagefrage nicht entscheidungsrelevant, sodass für den Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung besteht, dem EuGH diesbezüglich eine unionsrechtliche Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen und die Revision aus diesem Grund zuzulassen (vgl. dazu etwa VwGH 8.10.2020, Ra 2020/06/0177, Rn. 8, mwN).

18       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher - ohne auf die Frage der Revisionslegitimation der 37.- bis 41.-revisionswerbenden Parteien einzugehen - zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020060199.L00

Im RIS seit

15.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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