TE Vwgh Beschluss 2021/1/4 Ra 2020/18/0438

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Veröffentlicht am 04.01.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M A, vertreten durch Mag. Thomas Stöger, Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl am See, Ludwig-Boltzmann-Straße 2, Technologiezentrum Sky 1 - Süd, 2. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2020, W276 2148982-1/11E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Ghazni, stellte am 17. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte dazu im Laufe des Verwaltungsverfahrens zusammengefasst vor, ihm drohe Verfolgung seitens der Familie seiner Freundin, die mit der Beziehung nicht einverstanden sei. Zudem sei er zum Christentum konvertiert.

2        Mit Bescheid vom 13. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend stellte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - fest, der Revisionswerber habe zwar einen evangelischen Glaubenskurs besucht und kürzlich die Taufe empfangen, was - abgesehen von den Eltern des Revisionswerbers - niemandem im Herkunftsstaat bekannt sei, er habe den christlichen Glauben jedoch nicht verinnerlicht und würde seinem Interesse für das Christentum in Afghanistan nicht weiter nachkommen und dieses auch nicht nach außen zur Schau tragen. Aufgrund der empfangenen Taufe beziehungsweise seinem behaupteten Interesse am Christentum wäre der Revisionswerber in Afghanistan weder von staatlicher noch von privater Seite psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt.

5        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer inneren Konversion zum Christentum sowie zur Frage, inwieweit eine Konversion verschwiegen werden müsse, um eine ungefährdete Rückkehr gewährleisten zu können.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 21.8.2020, Ra 2020/18/0091, mwN).

11       Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung ins Treffen führt, dass keine Rechtsprechung dazu existiere, inwiefern eine Konversion nach außen gezeigt werden müsse und welches Ausmaß eine Konversion haben müsse, um als glaubhaft verinnerlicht zu gelten, wird darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440, mwN) in ausführlicher Weise Leitlinien für die Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und einer daraus resultierenden Verfolgungsgefahr sowie für die Prüfung einer Scheinkonversion aufgestellt hat.

12       Im vorliegenden Fall führte das BVwG eine mündliche Verhandlung durch, während derer es sowohl den Revisionswerber, als auch eine Zeugin (eine evangelische Geistliche) zum vorgebrachten Glaubenswechsel befragte. Das BVwG gelangte zur Feststellung, dass der Revisionswerber den christlichen Glauben nicht verinnerlicht habe und diesen daher im Falle einer Rückkehr auch nicht weiter ausüben würde, und argumentierte beweiswürdigend etwa damit, dass der Revisionswerber auch nach mehrfachem Nachfragen nicht sagen habe können, welcher konkreten Kirche er beigetreten sei, dass er insgesamt kaum Wissen zur christlichen Glaubenslehre erworben habe, dass er unklare Angaben zur Dauer des Taufvorbereitungskurses gemacht habe und dass die als Zeugin einvernommene evangelische Geistliche, die den Kurs abgehalten habe, dessen Inhalte und Dauer völlig anders als der Revisionswerber beschrieben habe.

13       Dass das BVwG bei der Beurteilung der Verfolgungsgefahr wegen der behaupteten Konversion des Revisionswerbers von den hg. Leitlinien abgewichen wäre oder die zugrundeliegende Beweiswürdigung nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes unvertretbar wäre, ist nicht ersichtlich (vgl. dazu etwa VwGH 25.6.2020, Ra 2019/18/0237, mwN).

14       Sofern die Revision die Frage aufwirft, inwieweit eine Konversion entgegen der Überzeugung eines Asylwerbers verschwiegen werden müsse, um eine Rückkehr als unbedenklich erscheinen zu lassen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach der christliche Glaube kein wesentlicher Bestandteil der Identität des Revisionswerbers geworden sei und dieser deshalb seinen derzeitigen religiösen Interessen in Afghanistan nicht weiter nachkommen und sie nicht nach außen zur Schau tragen würde.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180438.L00

Im RIS seit

15.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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