TE Vwgh Beschluss 2021/1/7 Ra 2020/18/0370

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2021
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §2 Abs3
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art139
B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art140
B-VG Art140 Abs1 Z1
B-VG Art144
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter, die Hofrätin Dr.in Sembacher und den Hofrat Mag. Tolar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision 1. der M A und 2. des G A, beide in L, beide vertreten durch Mag. Dieter Schnetzinger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Volksfeststraße 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2020, 1. W187 2191561-1/16E und 2. W187 2191559-1/16E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des Zweitrevisionswerbers. Beide sind Staatsangehörige von Afghanistan und stellten am 7. Juni 2016 gemeinsam mit der zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Tochter der Erstrevisionswerberin und Schwester des Zweitrevisionswerbers jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 24. Jänner 2017 wurde die Erstrevisionswerberin wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

3        Mit Bescheiden jeweils vom 2. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung sowohl des Status der Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte die Zulässigkeit der Abschiebungen nach Afghanistan fest. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte es mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen fest.

4        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 11. April 2019 wurde der Tochter beziehungsweise der Schwester der revisionswerbenden Parteien, der Status der Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

5        Die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. Juli 2020 hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten als unbegründet ab. Den revisionswerbenden Parteien wurde jedoch jeweils gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Die Revision erklärt das BVwG für nicht zulässig.

6        Begründend führte das BVwG - soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren von Interesse - aus, es sei den revisionswerbenden Parteien aus näher dargestellten Gründen nicht gelungen, eine drohende asylrelevante Verfolgung ihrer Person glaubhaft darzulegen. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung der Erstrevisionswerberin sei den revisionswerbenden Parteien gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten auch im Familienverfahren nicht zuzuerkennen.

7        Gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zusammengefasst vorbringt, die §§ 2 Abs. 3 Z 1, 13 Abs. 2 Z 1 und 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 würden den in der Genfer Flüchtlingskonvention normierten Anspruch auf Erlangung der Flüchtlingseigenschaft in verfassungswidriger Weise beschränken. Dass jede Verurteilung durch ein Landesgericht, und sei sie auch noch so gering, einen „Asylausschließungsgrund“ darstelle, während eine Verurteilung durch ein Bezirksgericht nicht mit derselben Rechtsfolge verbunden sei, würde eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Fremden untereinander darstellen. Die revisionswerbenden Parteien stellten daher den Antrag auf Unterbrechung des gegenständlichen Revisionsverfahrens zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens und „zur Prüfung der Verfassungskonformität der Bestimmungen des §(3) Z.1 AsylG 2005 idgF (und in weiterer Folge des § 13 (2) Z. 1 und § 34 (2) Z.1 AsylG idgF“. Sollten sich die genannten Bestimmungen jedoch als verfassungskonform erweisen, seien sie einer verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, um auch dem eigentlichen Willen des Gesetzgebers nachzukommen. Da der Gesetzgeber Strafdrohungen von bis zu einem Jahr, sofern diese durch ein Bezirksgericht ausgesprochen würden, explizit nicht als „Asylausschließungsgrund“ nenne, könne § 2 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 nur so verstanden werden, dass strafgerichtliche Verurteilungen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe eben nicht als „Asylausschließungsgrund“ verstanden werden könnten.

8        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Soweit die revisionswerbenden Parteien die Stellung eines Normprüfungsantrages durch den Verwaltungsgerichtshof anregen, ist auszuführen, dass die Entscheidung der Frage der Rechtmäßigkeit von generellen Rechtsvorschriften in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fällt (Art. 139 ff B-VG), zu ihrer Lösung in der Sache ist der Verwaltungsgerichtshof also nicht zuständig. Zwar kann der Verwaltungsgerichtshof dann, wenn ihm bei Behandlung einer Revision Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit genereller Rechtsnormen erwachsen, einen Normprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen (vgl. Art. 140 Abs. 1 Z 1 B-VG). Die Zulässigkeit einer Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG kann mit einer solchen Frage jedoch nicht begründet werden, weil sie selbst als Rechtsfrage eben nicht vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache „zu lösen“ ist. Im Hinblick auf die Möglichkeit der revisionswerbenden Partei, gemäß Art. 144 B-VG den Verfassungsgerichtshof direkt mit dieser Rechtsfrage zu befassen, bedeutet dies im Übrigen auch keine Beschneidung der revisionswerbenden Partei in ihren Rechten (vgl. VwGH 3.2.2019, Ra 2019/02/0254, Rn. 17, mwN). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

13       Die revisionswerbenden Parteien argumentieren zudem, die in § 2 Abs. 3 AsylG 2005 normierte Definition der Straffälligkeit sei dem Willen des Gesetzgebers entsprechend derart auszulegen, dass nur Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr oder mehr davon erfasst werden sollten.

14       Nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylG 2005 ist ein Fremder straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt (Z 1), oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, rechtskräftig verurteilt worden ist.

15       In den Materialien zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122, wird zu § 2 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes ausgeführt (RV 330 BlgNR XXIV. GP 8):

„Im Hinblick darauf, dass mit vorliegendem Entwurf der Begriff der Straffälligkeit mit dem gleichen Bedeutungsgehalt an mehreren Stellen des Asylgesetzes eingeführt wird, soll auch eine entsprechende Definition dieses Begriffs aufgenommen werden. Es handelt sich dabei um vorsätzlich begangene gerichtlich strafbare Handlungen, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben, wobei bereits eine einmalige Verurteilung ausreicht, wenn die begangene Tat in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt. Ansonsten, also bei Zuständigkeit des Bezirksgerichtes, müssen mindestens zwei Verurteilungen vorliegen. In diesen Fällen sollen nur strafbare Handlungen relevant sein, die von Amts wegen zu verfolgen sind. Damit sind vom Begriff der Straffälligkeit nur jene Delikte umfasst, an denen auch ein ausreichendes öffentliches Verfolgungs- und Strafinteresse besteht. Strafbare Handlungen gegen die Ehre gemäß §§ 111 ff. StGB, BGBl. Nr. 60/1974, sowie manche Delikte bei Begehung im Familienkreis (§ 166 StGB) fallen daher nicht unter diese Norm.“

16       Einer einschränkenden Auslegung im Sinn des Vorbringens der revisionswerbenden Parteien steht somit schon der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Hinweis darauf, dass eine einschränkende Interpretation dem Willen des Gesetzgebers entsprechen würde.

17       Im Übrigen übersieht die Revision, dass im vorliegenden Fall kein Asylausschlussgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und des § 6 AsylG 2005 in Rede steht, weil die revisionswerbenden Parteien die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten in eigener Person unbestritten nicht erfüllen. Im gegenständlichen Fall war vielmehr zu beurteilen, ob die revisionswerbenden Parteien einen Anspruch auf abgeleitetes Asyl im Sinne des Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 geltend machen können. Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung der Erstrevisionswerberin kamen weder ihr noch dem Zweitrevisionswerber (der Asyl nur von der Erstrevisionswerberin ableiten hätte können) diese im österreichischen Asylverfahren vorgesehenen Begünstigungen zugute. Auf sie besteht - entgegen der Behauptung der Revision - weder nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch nach der Statusrichtlinie ein Rechtsanspruch.

18       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 7. Jänner 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180370.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten