TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/3 95/08/0044

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Veröffentlicht am 03.06.1997
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Index

L92055 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Salzburg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
SHG Slbg 1975 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der W in S, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 30. September 1994, Zl. 3/01-23.238/30-1994, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1948 geborene Beschwerdeführerin war - nach der unbestrittenen Feststellung darüber im angefochtenen Bescheid - im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides seit etwa fünf Jahren in keinem aufrechten Beschäftigungsverhältnis und wurde laufend aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 11. Mai 1994 wurde der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 1. Mai 1994 bis 31. Mai 1994 Sozialhilfe auf der Basis des auf die Hälfte reduzierten Richtsatzes (S 2.272,50 statt S 4.545,--) gewährt.

Im Spruch des Bescheides wurde dazu ausgeführt:

"Gemäß § 9 SSHG und § 12 Abs. 4 SSHG erfolgt eine Richtsatzunterschreitung von 50 %, da Frau W bereits seit mehreren Jahren keine Beschäftigung angenommen hat. Angekündigte Arbeitsaufnahmen erfolgten nicht; zuletzt am 15.4.1994 bei der Firma ..."

Die Begründung enthielt folgende Ausführungen zu diesem Thema:

"In der Niederschrift vom 28.4.1994 kündigten Sie an, Ihre Arbeitssuche binnen 14 Tagen anhand von geeigneten Unterlagen nachzuweisen. Eine Nachreichung der Unterlagen erfolgte erst am 10.5.1994. Laut amtsärztlichem Gutachten vom 17.12.1994 (richtig: 1993) sind Sie als arbeitsfähig anzusehen. Diverse sonstige ärztliche Gutachten über Krankheiten rechtfertigen keine dauernde Arbeitsverweigerung. Laut Mitteilung vom Arbeitsamt vom 22.2.1994 scheinen Sie auf der Liste arbeitsfähiger/arbeitsunwilliger Klienten auf. Die von Ihnen als Nachweis der Arbeitssuche vorgelegte Liste ist kein brauchbarer Beleg als Nachweis der Arbeitssuche, weil in der Liste nur Firmen und Chiffreanzeigen aufgezählt werden, jedoch Datum, Ansprechpartner und Telefonnummern fehlen. Weiters geht nicht hervor, wann und wo Sie sich für welche Stelle beworben haben."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens, in dem die Beschwerdeführerin zur Vorlage schriftlicher Belege für ihre Arbeitssuche aufgefordert wurde - der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge.

Abgesehen von dem schon wiedergegebenen Hinweis darauf, daß die Beschwerdeführerin seit etwa fünf Jahren in keinem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stehe und laufend aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt werde, traf die belangte Behörde folgende Feststellungen zum Sachverhalt:

"Die Berufungswerberin war während des Zeitraumes 1.3.1994 bis 27.4.1994 nicht bereit, ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise zur Beschaffung ihres Lebensbedarfes einzusetzen. Während des genannten Zeitraumes war die Berufungswerberin arbeitsfähig."

Diese Feststellungen begründete die belangte Behörde mit Ausführungen zur Beweiswürdigung, die im Anschluß an eine längere Darstellung von Akteninhalten seit einer amtsärztlichen Untersuchung am 17. Dezember 1993, bei der die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin festgestellt worden war, in folgende Überlegungen mündeten:

"Bei Erlassung des berufungsgegenständlichen Bescheides für den Zeitraum 1.5. bis 31.5.1994 war von der erstinstanzlichen Behörde der Beurteilungszeitraum März und April 1994 heranzuziehen. Frau W konnte ihre Arbeitsunfähigkeit ab 27.4.1994 in entsprechender Weise belegen. Für den betrachtungsrelevanten Zeitraum wurden durch Frau W zielführende Bemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nicht nachgewiesen, da den vorgelegten Unterlagen insbesondere nicht zu entnehmen ist, ob mit den angegebenen Firmen bzw. potentiellen Arbeitgebern tatsächlich Kontakt aufgenommen wurde. Demzufolge war für den beurteilungsrelevanten Zeitraum März bis April davon auszugehen, daß die Berufungswerberin nicht bereit war, ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise zur Beschaffung ihres Lebensbedarfes einzusetzen."

In rechtlicher Hinsicht würdigte die belangte Behörde den Sachverhalt nach einer Darstellung der Inhalte des § 6 Abs. 1 und des § 9 Abs. 1 Salzburger Sozialhilfegesetz wie folgt:

"Aufgrund des dargelegten Umstandes, daß die Berufungswerberin nicht bereit war, ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise zur Beschaffung ihres Lebensbedarfes einzusetzen, war im gegenständlichen Fall gemäß § 9 Abs. 1 Salzburger Sozialhilfegesetz eine Richtsatzkürzung vorzunehmen. Das Ausmaß der Richtsatzkürzung in Höhe von 50 % ist in Anbetracht der dargelegten Umstände angemessen. Auch ist im gegenständlichen Fall insbesondere auf die Mitwirkungspflicht der Berufungswerberin bei der Beibringung entsprechender Nachweise für eine zielführende Arbeitsplatzsuche bzw. den Nachweis einer allenfalls bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzuweisen."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit den Argumenten, die von der belangten Behörde angenommene Arbeitsunwilligkeit der Beschwerdeführerin sei nicht erwiesen und die Beschwerdeführerin habe alle vorhandenen und ihr zumutbaren Belege für ihre zahlreichen Bewerbungen zur Verfügung gestellt. Der Bescheid sei aber auch rechtswidrig, weil die belangte Behörde bei ihren Anforderungen an den Einsatz der eigenen Kräfte der Beschwerdeführerin deren Lebensalter außer acht gelassen habe.

Die belangte Behörde hat den Berufungsakt und Auszüge aus den erstinstanzlichen Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Darin wird "ergänzend" auf einen am 12. April 1995 und somit nach Einleitung des Vorverfahrens angelegten Aktenvermerk über eine telefonische Auskunft der Arbeitsmarktverwaltung Salzburg über die Kontakte zwischen der Beschwerdeführerin und dem Arbeitsamt hingewiesen, den Beschwerdeargumenten inhaltlich entgegengetreten und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, weil er die Richtsatzunterschreitung für den Zeitraum vom 1. Mai 1994 bis zum 31. Mai 1994 auf eine Feststellung über die mangelnde Arbeitsbereitschaft der Beschwerdeführerin gründet, die nicht etwa nur beweismäßig aus einem in der Vergangenheit liegenden Verhalten der Beschwerdeführerin abgeleitet ist, sondern ihrem Inhalt nach nicht über den 27. April 1994 hinausreicht. Nur bis zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde zwar arbeitsfähig, aber "nicht bereit, ihre Arbeitskraft ... einzusetzen". Für die Zeit ab dem 27. April 1994 ging die belangte Behörde von der Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin aus.

In Zeiten der Arbeitsunfähigkeit kommt ein Einsatz der Arbeitskraft schon unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit nicht in Betracht. Ein Gesundheitszustand, der den Einsatz der Arbeitskraft zumutbar macht, ist nach dem klaren Zweck des § 9 Abs. 1 Salzburger Sozialhilfegesetz, im besonderen auch bei Berücksichtigung des zweiten Satzes dieser Bestimmung, wonach u. a. auf den körperlichen und geistig-seelischen Zustand des Hilfesuchenden Bedacht zu nehmen ist, keine Voraussetzung der Hilfegewährung, sondern eine Voraussetzung dafür, Art und Ausmaß der Hilfe vom Einsatz der Arbeitskraft abhängig zu machen.

Während des Zeitraumes, über den mit dem angefochtenen Bescheid entschieden wurde, war diese Voraussetzung nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde nicht erfüllt. Bei der Beurteilung der Grundlagen für die Entscheidung über Art und Ausmaß der Hilfe war auf diesen Zeitraum abzustellen (vgl. dazu als Beispiel für viele das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 93/08/0019). Konnte ein Einsatz der Arbeitskraft von der Beschwerdeführerin im Mai 1994 aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht verlangt werden, so ließ sich die Richtsatzunterschreitung für diesen Zeitraum daher auch nicht damit begründen, daß ein Einsatz der Arbeitskraft vom 1. März 1994 bis zum 27. April 1994 wegen der mangelnden Arbeitsbereitschaft der Beschwerdeführerin unterblieben sei.

Aus diesem von Amts wegen wahrzunehmenden Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die in der Beschwerde vorgetragenen Argumente und die darauf bezogenen Ausführungen in der Gegenschrift bedurft hätte. Auf den Inhalt des in der Gegenschrift erwähnten, erst während des Beschwerdeverfahrens angelegten Aktenvermerkes war schon gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nicht einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995080044.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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