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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des A K, vertreten durch MMag.a Marion Battisti, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. April 2020, W265 2191796-1/36E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 5. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe Afghanistan aus Furcht vor den Taliban und einer möglichen Zwangsrekrutierung verlassen bzw. er sei wegen seiner Verwandtschaft mit Mitarbeitern des Präsidenten und wegen seines unkooperativen Verhaltens gegenüber den Taliban bedroht worden.
2 Mit Bescheid vom 6. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG - soweit hier maßgeblich - hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, dem Revisionswerber drohe bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Kabul die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK. Ihm stehe jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat offen.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe gegen seine amtswegigen Ermittlungspflichten verstoßen, weil es die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Zugang zu grundlegender Versorgung und Unterkunft in den ins Auge gefassten Neuansiedlungsgebieten nicht berücksichtigt habe. Die vom BVwG herangezogenen Länderinformationen seien vor dem Hintergrund des Ausbruches der Pandemie nicht aktuell. Dadurch habe das BVwG auch gegen seine amtswegigen Ermittlungspflichten verstoßen.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2018/19/0606, mwN).
10 Dies gelingt der Revision im vorliegenden Fall nicht. Das BVwG traf unter Bezugnahme auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 fallbezogen hinreichend aktuelle Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan und im Besonderen in den als innerstaatliche Fluchtalternativen herangezogenen Städten. Ebenso traf es Feststellungen zur Ausbreitung des Corona-Virus in Afghanistan zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des angefochtenen Erkenntnisses. Vor diesem Hintergrund erscheint die Einschätzung des BVwG, dem Revisionswerber, welcher keiner Risikogruppe angehöre und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leide, drohe auf Grund der Covid-19-Pandemie in Mazar-e Sharif oder Herat kein „real risk“ einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK, nicht unvertretbar.
11 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht nämlich eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (vgl. etwa VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0192, mit näheren Ausführungen zu den Voraussetzungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative).
12 Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen zu der durch die Covid-19-Pandemie bewirkten schwierigeren wirtschaftlichen Lage nicht auf, dass die Beurteilung des BVwG unvertretbar wäre, dass dem jungen und arbeitsfähigen Revisionswerber, der über Berufserfahrung und eine Schulausbildung verfüge und der von seiner in Afghanistan befindlichen Familie zumindest anfänglich unterstützt werden könne, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative jedenfalls in Mazar-e Sharif zumutbar ist (vgl. VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188; 2.7.2020, Ra 2020/20/0212; 6.7.2020, Ra 2020/01/0176; 20.8.2020, Ra 2020/19/0239; jeweils unter Bezugnahme auf den in der Revision zitierten Bericht von Friederike Stahlmann vom 27. März 2020).
13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190200.L00Im RIS seit
15.02.2021Zuletzt aktualisiert am
15.02.2021