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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A N in W, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. August 2020, Zl. W216 2169574-1/16E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache ein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.
2 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 7. Oktober 2020, E 3264/2020-5, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat mit Beschluss vom 3. November 2020, E 3264/2020-7, diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN).
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 19.10.2020, Ra 2020/01/0362, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat - unter Berücksichtigung der vom Revisionswerber vorgelegten ärztlichen Befunde - festgestellt, dass der Revisionswerber Symptome näher bezeichneter psychischer Krankheiten aufweist. Ausgehend davon hat es sich mit seinem Vorbringen auseinander gesetzt und ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beweiswürdigend zu dem Schluss gekommen, dem Fluchtvorbringen keinen Glauben zu schenken.
8 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang vorbringt, dass sich das BVwG nicht mit der Herkunft seiner Narben auseinandergesetzt und die Bestellung des beantragten medizinischen Sachverständigen abgelehnt habe, ist er darauf zu verweisen, dass deren Existenz allein nicht geeignet ist, die Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens zu belegen (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/01/0344, mwN).
9 Ausgehend von der dargestellten Rechtsprechung zeigt die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen eine krasse, die Rechtssicherheit beeinträchtigende Fehlbeurteilung durch das BVwG nicht auf.
10 Die Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative (IFA) stellt eine - von der Asylbehörde bzw. dem Verwaltungsgericht zu treffende - Entscheidung im Einzelfall dar. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nur vor, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. für viele VwGH 27.5.2020, Ra 2020/01/0140, mwN). Entgegen dem Revisionsvorbringen begegnet die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber finde nach den Umständen des Einzelfalls in Mazar-e Sharif und Herat-Stadt eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, im Ergebnis keinen Bedenken, zumal das sich BVwG mit dem psychischen Zustand des Revisionswerbers und seiner Situation im Falle einer Neuansiedlung in den als IFA ins Auge gefassten Gebieten auseinandersetzte und im Rahmen einer nicht unvertretbaren Beweiswürdigung zu dem Schluss kam, dass der Revisionswerber nicht an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert sei (vgl. zu ähnlich gelagerten Sachverhalten VwGH 13.2.2020, Ra 2019/01/0438; 27.4.2020, Ra 2019/20/0242, jeweils mwN).
11 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2021
Schlagworte
Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020010482.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021