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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des P S in W, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. September 2020, VGW-151/079/7266/2018-22, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde des (bereits seit dem Jahr 1999 zu Studienzwecken in Österreich aufhältigen) Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28. Februar 2018, mit dem sein Antrag vom 10. November 2017 auf (neuerliche) Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ gemäß § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen fehlenden Studienerfolgs abgewiesen worden war, mit der Maßgabe keine Folge, dass der Zweck der beantragten Aufenthaltsbewilligung nunmehr „Student“ und die Rechtsgrundlage § 64 Abs. 2 NAG (in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018) laute.
2.2. Das Verwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus:
Der Revisionswerber habe den für die Verlängerung des Aufenthaltstitels erforderlichen Studienerfolg nicht nachgewiesen. Im Masterstudium Soziologie habe er zwar im zuletzt abgeschlossenen Studienjahr 2018/2019 vier Lehrveranstaltungen mit zusammen 16 ECTS-Punkten bzw. acht Semesterwochenstunden positiv absolviert, was grundsätzlich dem Mindesterfordernis entspreche. Davon seien jedoch zwei Veranstaltungen nicht zu berücksichtigen, weil diese nach dem Curriculum nicht (mehr) hätten abgelegt werden müssen und daher zum erfolgreichen Abschluss des Studiums nicht beitragen könnten. Im (parallel inskribierten) Bachelorstudium Politikwissenschaft habe der Revisionswerber zuletzt im Jahr 2012 eine Prüfung positiv absolviert; es bestünden keinerlei Anhaltspunkte, dass er jenes andere Studium weiter betreibe.
Der Revisionswerber habe auch keinen beachtlichen Hinderungsgrund im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG geltend gemacht. Der zunächst im behördlichen Verfahren hinsichtlich des Studienjahrs 2016/2017 relevierte Hinderungsgrund (psychische Belastung infolge einer Krebsdiagnose seiner Mutter) habe sich nach dem Vorbringen nicht auch auf die folgenden Studienjahre bezogen und sei schon deshalb obsolet.
Im Übrigen sei - aus näher erörterten Erwägungen - auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG nicht erfüllt. Eine Titelerteilung komme selbst nach Interessenabwägung im Sinn des § 11 Abs. 3 NAG nicht in Betracht.
2.3. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen ausgeführt wird:
Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage, ob positiv absolvierte Lehrveranstaltungen, die nach dem Curriculum nicht erforderlich seien, nicht doch für ein Zweitstudium herangezogen werden könnten. Das Verwaltungsgericht habe den Studienerfolg nur in Bezug auf das Masterstudium Soziologie, nicht jedoch in Bezug auf das Bachelorstudium Politikwissenschaft geprüft und die Anrechnung der Lehrveranstaltungen für dieses Zweitstudium unterlassen.
Das Verwaltungsgericht sei zudem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es das Vorliegen eines Hinderungsgrunds gemäß § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG verneint habe, obwohl der Revisionswerber Konzentrationsschwächen auf Grund einer Krebsdiagnose seiner Mutter vorgebracht habe. Auch eine solche jahrelange psychische Belastung könne zu krankheitswertigen Beeinträchtigungen führen und daher einen beachtlichen Hinderungsgrund darstellen.
4.1. Der Revisionswerber wendet sich in seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision ausschließlich gegen die Verneinung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel. Das Verwaltungsgericht hat jedoch - wie aus der obigen Wiedergabe der wesentlichen Entscheidungsgründe hervorgeht - das angefochtene Erkenntnis alternativ auch auf die Nichterfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gegründet.
4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass eine Revision nicht zulässig ist, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und dieser Begründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zugrunde liegt (vgl. etwa VwGH 16.9.2015, Ra 2015/22/0067; 11.5.2017, Ra 2016/04/0032).
4.3. Von einer solchen Konstellation ist hier auszugehen, legte doch das Verwaltungsgericht der angefochtenen Entscheidung tragfähige alternative Begründungen zugrunde, wobei sich das Zulässigkeitsvorbringen nur gegen eine dieser Alternativen (Fehlen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen) wendet, wohingegen hinsichtlich der anderen Alternative (Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen) keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht wird (siehe zu einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 21.2.2017, Ra 2017/22/0005).
4.4. Die Revision ist daher schon deshalb zurückzuweisen, weil die Entscheidung von der Lösung der als grundsätzlich geltend gemachten Rechtsfrage nicht abhängt.
4.5. Im Übrigen ließe auch das oben aufgezeigte Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG erkennen (die Obliegenheit zum initiativen Nachweis, inwieweit und in Bezug auf welches Studium der erforderliche Studienerfolg erzielt wurde, trifft jedenfalls den Drittstaatsangehörigen; der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon wiederholt festgehalten, dass von einem beachtlichen Hinderungsgrund nur die Rede sein kann, wenn dieser nicht dauerhaft ist, wovon aber bei länger dauernden - im Allgemeinen die Dauer eines Jahres überschreitenden - Erkrankungen auszugehen ist [VwGH 31.1.2020, Ra 2017/22/0108]).
5. In der Zulässigkeitsbegründung (vgl. zu deren Maßgeblichkeit etwa VwGH 21.3.2017, Ra 2017/22/0008) wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 26. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020220265.L00Im RIS seit
23.03.2021Zuletzt aktualisiert am
23.03.2021