TE OGH 2020/12/9 7Nc24/20v

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Höllwerth und die Hofrätin Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin G***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Wiese Murr Rechtsanwälte OG in Pöchlarn, gegen die Antragsgegnerin Demokratische Volksrepublik A*****, wegen 119.150,04 EUR sA über den Ordinationsantrag der Antragstellerin den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestimmt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Antragstellerin mit Sitz in Österreich begehrt von der Antragsgegnerin, einem ausländischen Staat, die Zahlung eines noch offenen Werklohns von 119.150,04 EUR. Sie beantragt unter Anschluss eines Entwurfs der Klage, ein zur Verhandlung und Entscheidung örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Rechtsverfolgung in A***** sei unzumutbar.

1. Der aus der Durchführung von Elektrotechnikarbeiten im Rahmen der Sanierung des Botschaftsgebäudes in Wien abgeleitete Anspruch der Antragstellerin unterliegt der österreichischen inländischen Gerichtsbarkeit im engeren Sinn. Dies ist generell der Fall, wenn Bauarbeiten in einem Gesandschaftsgebäude, ein Architektenvertrag wegen derartiger Arbeiten, Reparaturarbeiten an Heizungsanlagen in einem Botschaftsgebäude sowie Planungsarbeiten für den Umbau des Botschaftsgebäudes Gegenstand der Klage bilden (vgl 6 Nc 32/19m mwN).

2.1 Der allgemeine Gerichtsstand der Antragsgegnerin befindet sich in der Demokratischen Republik A*****. Einer Lokalisierung des allgemeinen Gerichtsstands der Antragsgegnerin (auch in Österreich) steht die Judikatur entgegen, wonach ein allgemeiner Gerichtsstand am Sitz der diplomatischen und konsularischen Vertretung des ausländischen Staats dem österreichischen Recht fremd ist (6 Nc 32/19m mwN).

2.2 Der Missionssitz einer ausländischen Vertretung bildet auch keinen Anknüpfungspunkt für den Vermögensgerichtsstand nach § 99 JN. Der Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN wirkt für ausländische Staaten nicht zuständigkeitsbegründend (RS0124242). Ebenso liegt mangels ausdrücklicher und urkundlicher Vereinbarung des Erfüllungsorts kein Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 88 Abs 1 JN vor.

3.1 § 28 Abs 1 Z 2 JN soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (8 Nc 16/19y, 6 Nc 32/19m mwN).

3.2 Die Antragstellerin erfüllt die erste der beiden von § 28 Abs 1 Z 2 JN aufgestellte Voraussetzungen mit ihrem Sitz im Inland.

3.3 Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in der Rechtsprechung und Lehre insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland wenigstens eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder im Ausland äußerst kostspielig wäre (RS0046148).

3.4 Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird auch im Fall der Klage gegen einen fremden Staat im Rahmen seiner als privatrechtlich einzustufenden Tätigkeit im Inland angenommen und zwar vor allem dann, wenn eine – allenfalls in jenem Staat zu erwirkende – Entscheidung mangels Vollstreckungsvertrag im Inland, wo die Antragsgegnerin akquirierbares Vermögen besitzt, nicht möglich ist (8 Nc 16/19y, 6 Nc 32/19m).

3.5 Mangels Vorliegens eines entsprechenden Staatsvertrags wären Entscheidungen a***** Gerichte in Österreich nicht vollstreckbar (vgl § 406 EO). Schon deshalb wäre im konkreten Fall die Rechtsverfolgung im Ausland unzumutbar.

3.6 Zudem besteht eine partielle Reisewarnung der Sicherheitsstufe 5 für die Grenzgebiete zu L*****, N*****, M*****, M*****, T*****, M***** (Grenze geschlossen, teilweise Minenfelder) und zur W***** sowie eine Reisewarnung der Sicherheitsstufe 4 für das gesamte Staatsgebiet im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus (Covid-19).

4. Dem Ordinationsantrag war daher stattzugeben. Unter Bedachtnahme auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie Zweckmäßigkeit (RS0106680 [T13]), hat eine Zuweisung an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu erfolgen, in dessen Sprengel die der Forderung der Antragstellerin zugrunde liegenden Elektrotechnikarbeiten ausgeführt wurden.

Textnummer

E130455

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0070NC00024.20V.1209.000

Im RIS seit

10.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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