Entscheidungsdatum
11.11.2020Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
EpidemieG 1950 §7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Beschwerde der A. GmbH & Co KG gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, vom 15.07.2020, Zl. MA 40-..., betreffend Epidemiegesetz (EpidemieG),
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben. Der mit der Beschwerde eingebrachte neue Antrag wird der Behörde zur Entscheidung rückgemittelt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Antrag der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 wurde unter Anschluss der erforderlichen Belege für den Arbeitnehmer, Herrn B. C. um Überweisung eines Betrages von insgesamt Euro 927,63 als den vom Bund zu ersetzenden Vergütungsbetrag ersucht.
Dieser Antrag stützt sich auf die Absonderung des genannten Arbeitnehmers gemäß § 7 Epidemiegesetz vom 08.05.2020 bis 22.05.2020 durch die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid der belangten Behörde wurde diesem Antrag vollinhaltlich stattgegeben und gemäß § 58 Abs. 2 AVG von einer Begründung abgesehen.
In einer dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wird geltend gemacht, die Beschwerdeführerin habe einen Rechenvorgang gewählt, der sich nicht mit dem Erlass des Sozialministeriums decke, wodurch im Bescheiden ein geringerer als der der Beschwerdeführerin laut Epidemiegesetz zustehende Vergütungsbetrag ergeben habe. Da das Dienstverhältnis am 29.5.2020 geendet habe sei darüber hinaus durch 29 statt durch 30 Tage zu dividieren. Der richtige Vergütungsbetrag betrage daher Euro 3.282,51 statt Euro 927,63, woraus sich eine offene Differenz von Euro 2.354,88 ergäbe.
Über Ersuchen des Verwaltungsgerichtes Wien teilte die belangte Behörde mit, dass dem Verwaltungsgericht Wien 4 Beschwerden der Beschwerdeführerin zur Entscheidung vorgelegt worden seien, da für die Behörde grundlegend die Frage zu klären sei, ob ein Antragsteller - obwohl seinem Antrag von der Behörde vollinhaltlich stattgegeben worden sei - beschwert sei, wenn dieser sich in seinem Beschwerdevorbringen ausschließlich darauf berufe, dass er sich bei seinem Antrag zu seinem eigenen Nachteil verrechnet habe. Da dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers sohin keine Rechtswidrigkeit des erlassenen Bescheides zugrunde liege, stelle sich die Frage, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid überhaupt in seinen Rechten verletzt werde. Weiters wurde angemerkt, dass die Behörde bei Verfahren auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz antragsgebunden sei. Es könnten somit keine rechnerisch zu niedrig beantragten Vergütungen amtswegig korrigiert werden, indem bescheidmäßig eine höhere Summe als beantragt zuerkannt werde. Diese Rechtsfrage sei aufgrund immenser Anzahl an Vergütungsanträgen für die belangte Behörde jedenfalls über den gegenständlichen Fall hinaus von Bedeutung.
1. Zur örtlichen Zuständigkeit
Gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören, in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 und 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, nach § 3 Z 1, 2 und 3 mit Ausnahme des letzten Halbsatzes des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG
Gemäß § 3 AVG richtet sich, soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, diese
1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen: nach der Lage des Gutes;
2. in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlaß zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig.
Gegenständlich hat die Beschwerdeführerin ihren Sitz in D., … in der Steiermark. Die Beschwerdeführerin hat einen Standort in Wien, E.-Straße. Die Beschäftigung gegenständlichen Arbeitnehmers, der seinen Wohnsitz in Wien hat, erfolgte im Bereich Wien.
Die Beurteilung, ob sich eine Sache auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit bezieht, richtet sich nach der den jeweiligen Gegenstand des Verfahrens bildenden Verwaltungsangelegenheit (VwGH 23.03.2017, Ro2017/11/0002 mit Hinweis auf Erkenntnisse vom 18. März 1994, Zl. 90/12/0113, und vom 26. Februar 2016, Zl. Ko 2015/03/0004). Nach VwGH vom 23. Juni 1998, 95/08/0115, weist zwar die Geltendmachung eines behaupteten Anspruchs auf Karenzurlaubsgeld keinen Bezug zum "Betrieb einer Unternehmung" auf, leite sich aber aus einem Arbeitsverhältnis ab und könne im weitesten Sinn noch als Angelegenheit verstanden werden, die sich auf das Beschäftigungsverhältnis des Anspruchwerbers und damit auf seine "dauernde Tätigkeit" beziehe.
In Sinne dieser Rechtsprechung war auch gegenständlich unter Berücksichtigung der Verfahrensumstände (weiterer Standort in Wien, Wohn- und Beschäftigungsort und Einsatzgebiet des Arbeitnehmers) gemäß § 3 Abs. 2 AVG von der örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien auszugehen. Der Verfahrensgegenstand bezieht sich auf die Entgeltszahlung im Rahmen des Betriebes und steht in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, somit einer „dauernden Tätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung.
2. In der Sache
Gemäß § 32 1 Z 1 Epidemiegesetz ist natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind.
Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung ist die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
Gemäß § 49 Epidemiegesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 62/2020, In Kraft getreten am 08.07.2020 ist abweichend von § 33 der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen.
Nach Abs. 2 dieser Norm beginnen bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmung laufende und abgelaufene Fristen mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 neu zu laufen.
Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.
„Es ist nach § 13 Abs. 8 AVG daher zulässig, dass ein verfahrenseinleitender Antrag in jedem Stadium des Verfahrens geändert werden kann, sofern diese Änderung nicht wesentlich ist. Liegt hingegen eine wesentliche Änderung vor, ist dies als Zurückziehung des ursprünglichen Anbringens und Stellung eines neuen Anbringens zu qualifizieren. Wo die Grenze zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen verläuft, ist letztlich eine Wertungsfrage;
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall stützt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, 95/04/0247, mwN), ist eine wesentliche Antragsänderung (die also das "Wesen" der Sache betrifft) als Stellung eines neuen Antrages unter konkludenter Zurückziehung des ursprünglichen Antrages zu werten. Erfolgt eine solche Änderung während des Rechtsmittelverfahrens, bewirkt die (konkludente) Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht ist somit angehalten, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (VwGH 12.09.2016, Ra 2014/04/0037 mit Hinweis auf Erkenntnis vom 19. November 2014, Ra 2014/22/0016, mwN).
„Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine wesentliche Antragsänderung (die also das "Wesen" der Sache betrifft) als Stellung eines neuen Antrages unter konkludenter Zurückziehung des ursprünglichen Antrages zu werten. Erfolgt eine solche Änderung während des Rechtsmittelverfahrens, bewirkt die (konkludente) Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht ist in einem solchen Fall somit angehalten, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 19.11.2014, Ra 2014/22/0016, mwN). Voraussetzung für diese Schlussfolgerung ist allerdings, dass der zweite Antrag eine Änderung des ursprünglichen Antrages darstellt. Nur dann kann von einer konkludenten Zurückziehung des ersten Antrages ausgegangen werden (VwGH 25.10.2017, Ra 2017/07/0073 mit Hinweis auf Erkenntnis vom 12.9.2016, Ra 2014/04/0037).
Ausgehend von dieser Rechtsprechung stellt sich gegenständliches Vorbringen in der Beschwerde als Antragsänderung im Rechtsmittelverfahren dar, weil Antragsinhalt und Antragsgegenstand (Vergütung für die Zahlung eines dem Arbeitnehmer gemäß Epidemiegesetz zustehenden Entgelts an einen gemäß § 7 Epidemiegesetz abgesonderten Arbeitnehmer ohne Änderung der Person des Arbeitnehmers oder des Zeitraumes der Absonderung) gleichbleiben. Abgeändert wird der geforderte Betrag, erweitert wird die Begründung dafür.
Wie die Behörde in ihrer Stellungnahme hervorhebt, hat sie dem bei ihr eingebrachten Antrag vollinhaltlich stattgegeben. Damit ist in der Entscheidung selbst keine Rechtswidrigkeit zu erkennen. Der mit Antrag festgelegte Verfahrensgegenstand wurde im behördlichen Verfahren zur Gänze erledigt. Erst die – wie vom Verwaltungsgerichtshof ausgeführt – zulässige Abänderung des Antrages im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht bewirkt, geht man im Sinne der Rechtsprechung (Erkenntnis des VwGH vom 12.09.2016, Ra 2014/04/0037 und vom 19. November 2014, Ra 2014/22/0016) von einer gleichzeitigen Zurückziehung des ursprünglichen Antrages aus, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, die zu dessen Aufhebung und zu einer Neubeurteilung des Antrages in seiner nunmehr abgeänderten Form führt und stellt sich somit als wesentliche Änderung bei gleichzeitiger Rückziehung des ursprünglichen Antrages dar, weshalb der Beschwerde insoweit stattzugeben, der angefochtene Bescheid zu beheben und der – gemäß § 49 Epidemiegesetz fristgerechte - , in der Beschwerde vorgebrachte abgeänderte Antrag der Behörde zur Entscheidung abzutreten war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zu klären war, ob es sich bei der Antragsänderung um eine wesentliche Änderung mit konkludenter Zurückziehung des Antrages handelt. Dabei konnte auf gesicherte Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Absonderung; Arbeitnehmer; Vergütung; Bescheid; Begründung; verfahrenseinleitender Antrag; Änderung; ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.101.020.12111.2020Zuletzt aktualisiert am
09.02.2021