TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 L506 2232365-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2232365-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde und den Vorlageantrag des XXXX , geb. XXXX , StA. Israel, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle St. Pölten, vom 13.03.2020 und nach Beschwerdevorentscheidung vom 05.06.2020, Zl. XXXX zu Recht:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I.-V. gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

2. In einem wird die Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 – 3 FPG 2005 idgF mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Erkenntnisses festgelegt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:


I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein israelischer Staatsangehöriger, stellte am 11.11.2019 einen Antrag auf Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am selben Tag gab der BF zu seinen Daten an, dass er in der UDSSR geboren und bis 1991 russischer Staatsbürger gewesen sei. Er habe in der Ukraine 10 Jahre die Gesamtschule besucht. 1991 sei er nach Israel emigriert und habe aufgrund seiner jüdischen Zugehörigkeit gleich die israelische Staatsbürgerschaft bekommen. Am XXXX sei er zum Christentum konvertiert. In der Folge sei er an seiner Arbeitsstelle Diskriminierungen ausgesetzt gewesen. Von staatlicher Seite drohe ihm nichts. Über die Ausreise habe er lange nachgedacht, den Entschluss zur Ausreise habe er am Vortag gefasst. Im Jahr 2011 habe er in XXXX einen Asylantrag gestellt, habe aber die Entscheidung nicht abgewartet, sondern sei nach zwei Wochen freiwillig nach Israel zurückgekehrt.

3. Am 18.02.2020 erfolgte eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Dort erklärte der BF, dass er in XXXX geboren und aufgewachsen und 1991 nach Israel emigriert sei. Er habe die letzten 20 Jahre in XXXX in einem gemieteten Zimmer gewohnt und als Hilfsarbeiter bzw. Nachtportier gearbeitet. Er sei gesund, geschieden, spreche Russisch als Muttersprache, Hebro (nur in Wort), Englisch und etwas Deutsch. Sein Vater und seine Schwester seien in Deutschland aufhältig, seine Mutter sei verstorben. In Israel habe er keine Verwandten. Seine Exfrau, seine Tochter und sein Enkelsohn seien in XXXX aufhältig. Er sei geborenen Jude, sei zuvor Atheist gewesen und habe im Jahr 2010 den griechisch-orthodoxen Glauben angenommen. Der Kontakt mit dem griechisch-orthodoxen Glauben sei im Zuge eines Spaziergangs bei einem Herren-Kloster entstanden und er habe in der Folge dort regelmäßig die Messe besucht. Diese Kirche sei 10 km von seinem Wohnort entfernt gewesen und er habe diese Wegstrecke wöchentlich zu Fuß zurückgelegt. Den Entschluss zur Ausreise habe er im Oktober 2019 gefasst. Es habe zwar keinen fluchtauslösenden Vorfall gegeben, er sei aber seit 8 Jahren wegen seiner Religionszugehörigkeit und weil er um den Hals ein Kreuz trage sowohl am Arbeitsplatz als auch bei Straßenkontrollen diskriminiert worden.

Im Jahr 2011 habe er in XXXX einen Asylantrag gestellt. Der dort angegebene Asylgrund, dass ein Brandanschlag auf sein Cafe verübt worden wäre, hätte mit ihm nichts zu tun, sondern er habe diesen Vorfall im Fernsehen gesehen. Dieser Asylantrag sei negativ beschieden worden. Auch sei er nicht, wie in der Erstbefragung angegeben, direkt von Israel nach Österreich gereist, sondern sei über Polen und Deutschland nach Österreich gekommen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Israel abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Israel gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Nach Wiederholung des Vorbringens des BF stellte das BFA fest, dass die Identität des BF zweifelsfrei feststehe.

Das BFA führte beweiswürdigend aus, dass das Vorbringen des BF, aufgrund seines griechisch-orthodoxen Glaubens seit dem Jahr 2010 Verfolgung und Bedrohung im Herkunftsstaat erfahren zu haben, aufgrund massiver Widersprüche nicht als schlüssig, plausibel und glaubhaft bewertet werden kann.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu den Spruchpunkten III.-VI. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG aberkannt werde.

5. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 13.03.2020 wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt und der BF gemäß § 52 a Abs. 2 BFA-VG zur Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgesprächs verpflichtet.

6. Am 17.03.2020 stellte der BF einen Antrag für eine unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe, dem vom BFA am 19.03.2020 zugestimmt wurde. Am 07.05.2020 wurde das BFA vom Widerruf des freiwilligen Rückkehrverfahrens verständigt.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 29.05.2020 innerhalb offener Frist – diese wurde gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren unterbrochen und begann mit 01.05.2020 neu zu laufen - vollumfängliche Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Es wurden die Anträge gestellt,

-) eine mündliche Verhandlung durchzuführen

-) die Rechtsmittelbehörde möge dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen

-) in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilen

-) in eventu feststellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei

-) in eventu den Bescheid zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen.

Gleichzeitig wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.

Nach kurzer Darlegung des bisherigen Sachverhaltes monierte der BF, die Behörde habe es verabsäumt, Länderinformationen zum Vorbringen des BF einzuholen und habe zu Unrecht aus Widersprüchen zum Fluchtweg auf die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens geschlossen.

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 05.06.2020 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Spruchpunkte lauteten unverändert, dass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) werde. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Israel abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Israel gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA führte aus, dass der BF keine den Tatsachen entsprechende Angaben im Verfahren vorgebracht habe und dass keine wie immer geartete sonstige besondere Gefährdung des BF bei einer Rückkehr nach Israel festgestellt werden könne.

Beweiswürdigend wurde auf die widersprüchlichen Angaben des BF insbesondere in Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Konversion und den Angaben des BF im norwegischen Asylverfahren verwiesen. Die Beschwerdeausführungen zur Fluchtroute würden einen neuen Sachverhalt darstellen und seien zudem unschlüssig. Mit den Beschwerdeausführungen sei der BF insgesamt den im Bescheid aufgezeigten Widersprüchen zum norwegischen Asylverfahren weder argumentativ noch inhaltlich entgegengetreten, eine Konversion des BF und die daraus resultierenden Schikanen seien nicht glaubhaft vorgelegen.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei. Auch die aktuelle COVDIC-19 Pandemie erfordere nicht die Zuerkennung von subsidiärem Schutz, da es sich um eine weltweite Pandemie handle und der BF zudem kein erhöhtes individuelles Risiko habe, an SARS-CoV-2 schwer oder gar tödlich zu erkranken.

Zu den Spruchpunkten III.-VI. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG aberkannt werde.

9. Mit Vorlageantrag vom 22.06.2020 beantragte der BF die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG); der Verwaltungsakt wurde mit Beschwerdevorlage vom 24.06.2020, eingelangt am 26.06.2020, dem BVwG vorgelegt.

10. Mit Beschluss vom 03.07.2020, GZ L506 2232365-1/3Z, wurde der Beschwerde und dem Vorlageantrag hinsichtlich Spruchpunkt VI. stattgegeben und wurde dieser gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukomme.

11. Mit hg. Schreiben vom 14.07.2020 und vom 11.08.2020 wurden den Verfahrensparteien die aktuellen hg. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht und diesen die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Frist von 2 Wochen bzw. einer Woche dazu eine Stellungahme abzugeben; Am 20.08.2020 langte hg. eine Stellungnahme der Vertretung des BF ein, in der im wesentlichen das Vorbringen des BF wiederholt wurde.

12. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

13. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes und der Beschwerdevorentscheidung sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und des Vorlageantrages. Einsicht genommen wurde zudem in die vom BFA in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF, die dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist israelischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Juden und der griechisch-orthodoxen Religionsgemeinschaft an. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer ist in XXXX in der UdSSR geboren. Er besuchte dort 10 Jahre die Gesamtschule und hat als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er emigrierte 1991 nach Israel und bekam die israelische Staatsbürgerschaft.

Der Beschwerdeführer beantragte am 20.09.2011 in XXXX Asyl, welches negativ beschieden wurde.

Der Beschwerdeführer reiste legal mit einem israelischen Reisepass aus seinem Heimatland aus und in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist geschieden, er hat eine in XXXX lebende erwachsene Tochter. In Israel hat der BF keine Verwandten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Israel wegen seiner Religionszugehörigkeit einer individuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung ausgesetzt war bzw. im Falle seiner Rückkehr dorthin einer sonstigen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt sein wird. Auch kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur griechisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft pro futuro einen – eine asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil in seinem Herkunftsstaat Israel zu erwarten haben wird.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Israel einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Israel in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf unbestimmten Niveau, er hat bislang keine Deutschprüfung abgelegt. Er ist kein Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation. Er verfügt über zwei Unterstützungsschreiben.

Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des Beschwerdeführers auf und ist er unbescholten.

Es liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:
1.         Politische Lage

1.1.    Definition des Staatsgebiets – israelische Eigendefinition versus internationaler Standpunkt

Die israelische Regierung unterscheidet zwischen den Gebieten, die unter israelische Hoheitsgewalt fallen (Golan und Ost-Jerusalem, die nach israelischem Recht durch Annexion integraler Bestandteil Israels sind und unter dessen volle Souveränität fallen), und den nicht-annektierten Gebieten (Westjordanland und Gaza) (AA 5.11.2019a).

Die Europäische Union (EU) erkennt hingegen Israels Souveränität über die besetzten Golanhöhen nicht an. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten betrachten israelische Siedlungen als völkerrechtswidrig, sehen sie als Hindernis für den Frieden und als Gefahr für die Umsetzbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten werden keine Änderungen des Grenzverlaufs von vor 1967, einschließlich Ost-Jerusalems, anerkennen, solange diese Änderungen nicht von den Konfliktparteien vereinbart werden. Das Westjordanland und Ost-Jerusalem, der Gaza-Streifen sowie die Golan-Höhen sind Gebiete, die seit 1967 von Israel besetzt gehalten werden. Darüber hinaus sind die israelischen Siedlungen gemäß Völkerrecht auf besetztem Gebiet errichtet und werden nicht als legitime Teile des israelischen Staatsgebiets anerkannt. Desgleichen sollte möglichen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte Rechnung getragen werden (ÖB o.D.; vgl. HB 27.3.2019).

Israel beansprucht ganz Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt. Die Palästinenser sehen in Ost-Jerusalem ihre künftige Hauptstadt eines möglichen Palästinenserstaates. International wurde jedoch kein Teil der Stadt als Hauptstadt Israels anerkannt (IN 28.6.2019; vgl. LPB o.D). Nur die USA haben Jerusalem als Hauptstadt Israels und die Golanhöhen als Teil Israels anerkannt (USDOS 11.3.2020).

Der palästinensische Bevölkerungsanteil von ganz Jerusalem wurde mit Stand 2018 als 38 Prozent angegeben, aber wird bei Einbeziehung der PalästinenserInnen jenseits Trennbarriere mit 40 Prozent angegeben (Haaretz 13.5.2018).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019a): Naher und Mittlerer Osten, Maghreb – Besetzte Gebiete, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/regionaleschwerpunkte/nahermittlererosten/besetzte-gebiete/2263564, Zugriff 22.4.2020

-        Haaretz (13.5.2018): Palestinians Now Make Up Some 40 Percent of Jerusalem's Population, https://www.haaretz.com/israel-news/palestinians-now-make-up-some-40-percent-of-jerusalem-s-population-1.6077642, Zugriff 11.5.2020

-        HB – Handelsblatt (27.3.2019): EU erkennt Golanhöhen nicht als Staatsgebiet Israels an, https://www.handelsblatt.com/politik/international/nahost-eu-erkennt-golanhoehen-nicht-als-staatsgebiet-israels-an/24150860.html, Zugriff 22.4.2020

-        IN – Israel Netz (28.6.2019): Jerusalem ist nicht Israels Hauptstadt, https://www.israelnetz.com/politik-wirtschaft/politik/2019/06/28/jerusalem-ist-nicht-israels-hauptstadt/, Zugriff 22.4.2020

-        LPB – Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Würtenberg (o.D.): Der Nahostkonftlikt, https://www.lpb-bw.de/nahostkonflikt, Zugriff 22.4.2020

-        ÖB – Österreichische Botschaft in Israel (o.D.): Wirtschaft, https://www.bmeia.gv.at/oeb-tel-aviv/oesterreich-in-israel/wirtschaft/, Zugriff 22.4.2020

1.2.    Staatsaufbau

Am 14. Mai 1948 erklärte Israel seine Unabhängigkeit (AA 5.11.2019b). Israel ist eine parlamentarische Demokratie mit gesetzgebender, ausführender und rechtsprechender Gewalt nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung, wodurch Kontrolle und Gleichgewicht innerhalb des Systems gewährleistet sind. Der Präsident, dessen Pflichten in weitem Umfang formeller Art sind, symbolisiert die Einheit des Staates. Er wird von der Knesset (Israels Parlament) für eine einmalige Amtszeit von sieben Jahren gewählt. Staatspräsident ist seit dem 24. Juli 2014 Reuven Rivlin (IBÖ o.D.; vgl. AA 5.11.2019c).

Die Knesset, Israels gesetzgebendes Organ, ist ein Einkammer-Parlament mit 120 Mitgliedern, deren Arbeit in Plenarsitzungen und in 15 ständigen Ausschüssen erfolgt. Debatten und Abstimmungen über Politik und Aufgaben der Regierung sowie über Gesetzesvorlagen der Regierung oder eines Parlamentsmitglieds finden in Plenarsitzungen statt. Um Gesetzeskraft zu erlangen, muss ein Gesetzentwurf drei Lesungen in der Knesset durchlaufen. […] Die Debatten in der Knesset finden in Hebräisch statt, arabische und druzische Mitglieder können vor dem Parlament in Arabisch sprechen. Simultanübersetzungen in beiden Sprachen stehen zur Verfügung. Die Knessetabgeordneten, die ein breites Spektrum politischer Parteien repräsentieren, werden für eine Legislaturperiode von vier Jahren in landesweiten Wahlen gewählt; das gesamte Land gilt dabei als ein Wahlbezirk. Die Anzahl der Sitze, die jeder Partei in der Knesset zufallen, richtet sich proportional nach dem Stimmenanteil, den die jeweilige Partei am Gesamtwahlergebnis auf sich vereinigen konnte. Jeder Staatsbürger erhält mit Vollendung des 18. Lebensjahres das aktive, mit Vollendung des 21. Lebensjahres das passive Wahlrecht (IBÖ o.D.; vgl. AA 5.11.2019b). Mit der Verabschiedung des Nationalstaatsgesetzes im Juli 2018 verlor die arabische Sprache den Status einer Amtssprache und dem wird lediglich ein nicht näher definierter Sonderstatus zugeschrieben (FH 4.3.2020; vgl. HSS 23.10.2018; DZ 4.8.2018).

Die Regierung (Exekutive) ist der Knesset gegenüber verantwortlich und unterliegt ihrem Vertrauen. Die politische Machtbefugnis der Regierung ist umfassend und bezieht sich auf alle wesentlichen Lebensaspekte in Israel. [...] Alle israelischen Regierungen seit 1948 sind aufgrund eines Koalitionsvertrages zwischen mehreren Parteien gebildet worden, da bisher keine der Parteien mehr als die Hälfte der Knessetsitze auf sich vereinigen konnte. Die Amtszeit der Regierung beträgt vier Jahre, sie kann jedoch durch Rücktritt oder Tod des Ministerpräsidenten oder durch ein Misstrauensvotum in der Knesset früher beendet werden (IBÖ o.D.).

Der Oberste Gerichtshof hat nicht die Autorität eines Verfassungsgerichts, denn Israel besitzt keine Verfassung, sondern nur Grundgesetze mit verfassungsmäßigem Rang. Als höchste juristische Instanz muss der Gerichtshof deshalb die Handlungsspielräume der Regierung immer wieder neu abstecken – und dabei seine Unabhängigkeit beweisen (DZ 3.5.2020).

Dem Regierungschef Netanjahu war es nach den beiden Parlamentswahlen im April und September 2019 nicht gelungen, eine neue Regierungsmehrheit zu bilden. Netanjahus wichtigster Rivale Benny Gantz von der Mitte-rechts-Liste Blau-Weiß hatte nach der Wahl im September 2019 die Bildung einer Einheitsregierung wegen der Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu abgelehnt. Nach dem Scheitern von Koalitionsverhandlungen stimmte die Knesset Anfang Dezember 2019 für ihre Auflösung und eine Neuwahl am 2. März 2020. Netanjahu ist der erste amtierende Regierungschef in der Geschichte Israels, der unter Anklage steht. Ihm werden Betrug, Bestechlichkeit und Untreue vorgeworfen. Gemäß israelischem Recht muss der Ministerpräsident nur im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zurücktreten (DZ 18.2.2020; vgl. DP 12.12.2019; DS 9.12.2019).

Aus der dritten Parlamentswahl in Israel innerhalb eines Jahres geht der „Likud" von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als stärkste Fraktion hervor: Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kommt der „Likud" künftig auf 36 Sitze (September 2019: 32 Sitze). Die Partei „Kachol Lavan" von Herausforderer Benny Gantz erhält voraussichtlich 33 Sitze in der Knesset (September 2019: 33 Sitze). An dritter Stelle folgt mit 15 Sitzen erneut die „Vereinte Liste", einem Bündnis aus den vier hauptsächlich arabischen Parteien „Ta'al", „Chadasch", „Balad" und „Ra'am" (September 2019: 13 Sitze). Fünf weitere Parteien ziehen in das israelische Parlament ein: Im konservativen und religiösen Lager die Partei „Schas" (9 Sitze) sowie die Bündnisse „Vereinigtes Thora-Judentum" (7 Sitze) und „Jamina" (6 Sitze); im progressiven Spektrum das Bündnis „Awoda-Gescher-Meretz" (7 Sitze). Die nationalistische Partei „Jisra’el Beitenu" erhält 7 Sitze. Die Wahlbeteiligung lag bei 71 Prozent und damit etwas höher als bei den vergangenen zwei Parlamentswahlen im April und September 2019 (BPB 4.3.2020).

Nach mehreren vergeblichen Versuchen bekam Israel Ende April 2020 eine neue Regierung. Eine „nationale Notstandsregierung" soll künftig Israel regieren. Darauf haben sich der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein wichtigster politischer Rivale, der Oppositionspolitiker Benny Gantz, geeinigt. Zuvor waren mehrere Versuche, eine Regierung zu bilden, gescheitert. Ein zentraler Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen war laut Medienberichten die Forderung von Netanjahus Likud-Partei nach einem Vetorecht bei der Besetzung von Richtern. Netanjahu wollte sich demnach außerdem absichern, falls das höchste Gericht entscheidet, dass er wegen der Korruptionsanklage nicht als Ministerpräsident oder Vizeministerpräsident amtieren kann. Mit der Entscheidung vom Ende April ist das Ende einer Pattsituation in Sicht, die seit mehr als einem Jahr andauerte. So lange war es keinem der beiden Lager gelungen, eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden. Die durch das Coronavirus ausgelöste Krise mache eine große Koalition nötig, erklärten beide Seiten. (DZ 20.4.2020).

Nach Medienberichten wollen sich Netanjahu und Gantz an der Spitze des Landes abwechseln: In den ersten 18 Monaten der vorgesehenen dreijährigen Amtszeit wird Netanjahu weiterhin die Regierungsgeschäfte leiten. Dann soll im Rahmen einer Rotation Gantz übernehmen. Bis dahin wird der frühere Armeechef Verteidigungsminister sein, der wohl wichtigste Posten in der künftigen Regierung. Mit 32 Ministern und einem Dutzend stellvertretenden Ministern handelt es sich um die größte Regierung in der Geschichte Israels. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, soll das Kabinett um vier Posten auf 36 erweitert werden. Die Zahl der Ministerposten wird zwischen den beiden Parteienblöcken gleich verteilt. Der Blau-Weiß-Block erhält das Außenamt für die halbe Zeit und zudem die Ministerien für Justiz, Einwanderung, Eingliederung, Kultur, Sport, Wirtschaft, Wohlfahrt, Kommunikation, Landwirtschaft, strategische Angelegenheiten, Tourismus, soziale Gleichheit und Diaspora. Dem Likud-Block verbleibt das Außenministerium für die halbe Zeit, außerdem das Ministerium für Finanzen, Öffentliche Sicherheit, Verkehr, Wohnungsbau, Erziehung, Bildung, Umwelt, Energie, Jerusalem und weitere weniger wichtige Posten. Dafür stellt die Likud-Partei den zukünftigen Knessetsprecher; für den Posten ist der derzeitige Tourismusminister Jariv Levin vorgesehen. Übergangsweise hat Gantz das Amt derzeit inne (IN 21.4.2020).

Die neue Regierung, seit dem 17. Mai 2020 im Amt, hat die Teilannexion des Westjordanlandes erstmals in ihrem Koalitionsvertrag schriftlich fixiert. Laut der Koalitionsvereinbarung, die Benjamin Netanjahu mit seinem Rivalen Benny Gantz geschlossen hat, könnte Premier Netanjahu ab dem 1. Juli 2020 Schritte zur "Ausweitung der Souveränität" - die in Israel gebräuchliche Bezeichnung für Annexion - einleiten. Eine israelische Annexion von Gebieten im Westjordanland wäre hoch umstritten und würde international vielfach missbilligt werden (SZ 20.5.2020; vgl. SZ 17.5.2020; DS 20.4.2020, Details zu den Annexionsplänen siehe Abschnitt 2.3).

Eine der Hauptsorgen Netanjahus ist die Möglichkeit einer Verurteilung wegen Bestechung und Korruption. Deshalb behält er sich das Vetorecht zur Ernennung des nächsten Generalstaatsanwaltes und Staatsanklägers vor. Beide spielen eine entscheidende Rolle bei der Anklage gegen ihn. Derzeit ist Dan Eldad übergangsweise Staatsankläger, die Amtszeit von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit läuft noch bis 2022. Während der sechsmonatigen Periode einer Notstandsregierung soll es keine Ernennungen derartiger Schlüsselposten geben. Der Beginn des Prozesses gegen Netanjahu ist für den 24. Mai 2020 angesetzt (DS 20.4.2020).

Gantz' Parteienbündnis Blau-Weiß hatte im Wahlkampf stets betont, man werde alles daransetzen, einen Regierungschef Netanjahu zu verhindern. Dass er dieses Versprechen nach der Wahl brach, hat ihn sein Wahlbündnis gekostet. Empörte Fraktionskollegen kehrten ihm den Rücken. Nun hat Gantz nicht einmal halb so viele Abgeordnete im Parlament auf seiner Seite (DS 20.4.2020).


Am 19. April 2020 fanden sich mehrere Tausend Demonstranten am Tel Aviver Rabin-Platz ein, um unter Einhaltung des gebotenen Zwei-Meter-Abstands für den Erhalt der Demokratie zu protestieren. Wiederkehrende Demonstrationen (siehe auch DZ 3.5.2020, TI 29.6.2020) richten sich gegen Netanjahus Übergangskabinett, Attacken auf die Justiz und Überwachung sowie gegen Premierminister Netanjahu selbst wegen des Korruptionsprozesses (TI 29.6.2020) demonstriert. Netanjahus Kabinett hatte die Corona-Krise genutzt, um den Geheimdienst mit umfassenden Überwachungsbefugnissen auszustatten. (DS 20.4.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019b): Israel – Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/israel-node/politisches-portrait/203848, Zugriff 22.4.2020

-        AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019c): Israel – Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/israel-node/steckbrief/203560, Zugriff 22.4.2020

-        BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (4.3.2020): Israel: Netanjahu gewinnt Wahl, https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/306164/israel-netanjahu-gewinnt-wahl, Zugriff 22.4.2020

-        DP – Die Presse (12.12.2019): Parlament aufgelöst – Israel wählt ein Drittes Mal, https://www.diepresse.com/5737239/parlament-aufgelost-israel-wahlt-ein-drittes-mal, Zugriff 22.4.2020

-        DS – Der Standard (20.4.2020): Israel bekommt seine Corona-Regierung, https://www.derstandard.at/story/2000116998058/israel-bekommt-seine-corona-regierung, Zugriff 22.4.2020

-        DS – Der Standard (9.12.2019): Israels Pareien einigen sich auf dritte Neuwahl innerhalb eines Jahres, https://www.derstandard.at/story/2000112042416/parteien-in-israel-einigen-sich-auf-neuwahlen-am-2-maerz, Zugriff 22.4.2020

-        DZ – Die Zeit (20.4.2020): Gantz und Netanjahu einigen sich auf große Koalition, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-04/israel-gantz-und-netanjahu-einigen-sich-auf-grosse-koalition, Zugriff 22.4.2020

-        DZ – Die Zeit (3.5.2020): "Wir sind die Demokratie", https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/israel-demonstrationen-benjamin-netanjahu-demokratie, Zugriff 14.5.2020

-        DZ – Die Zeit (18.2.2020): Prozess gegen Benjamin Netanjahu beginnt im März, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-02/israel-benjamin-netanjahu-prozessbeginn-korruption, Zugriff 22.4.2020

-        DZ – Die Zeit (4.8.2018): Israelis demonstrieren gegen „Nationalgesetz“, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-08/tel-aviv-israel-nationalitaetsgesetz-drusen-netanjahu, Zugriff 8.6.2020

-        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020

-        HSS – Hanns Seidel Stiftung (23.10.2018): Interview zum israelischen Nationalgesetz – Demokratie unter Beschluss, https://www.hss.de/news/detail/demokratie-unter-beschuss-news3759/, Zugriff 22.4.2020

-        IBÖ – Israelische Botschaft in Österreich (o.D.): Das politische System, https://embassies.gov.il/vienna/AboutIsrael/Pages/Politisches%20System.aspx, Zugriff 22.4.2020

-        SZ – Süddeutsche Zeitung (20.5.2020): Palästinenser kündigen alle Abkommen mit Israel und USA auf, https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-palaestinenser-westjordanland-annexionsplaene-1.4913404, Zugriff 28.5.2020

-        SZ – Süddeutsche Zeitung (17.5.2020): Politischer Stillstand in Israel beendet, https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-regierung-benjamin-netanjahu-1.4910388, Zugriff 28.5.2020

-        TI – Times of Israel (29.6.2020): A quiet Israeli ex-general emerges as new hero for anti-Netanyahu camp, https://www.timesofisrael.com/a-quiet-israeli-ex-general-emerges-as-new-hero-for-anti-netanyahu-camp/, Zugriff 1.7.2020

1.3.    Der israelisch-palästinensische Konflikt als Faktor der israelischen Politik und Sicherheitslage

Die Beziehungen zu den Palästinensern stellen einen wichtigen Faktor in der Außen- und Sicherheitspolitik Israels dar. Die PalästinenserInnen in der Westbank und Ostjerusalem leben seit 1967 unter israelischer Besatzung. Die von Israel gebauten Siedlungen mit beinahe 500 000 Menschen gelten nach internationalem Recht als illegal, was von Israel bestritten wird. Die israelischen Siedler in Gaza wurden von Israel sowie auch seine Truppen im Jahr 2005 abgezogen. Israel kontrolliert weiterhin den Luftraum und die Küste von Gaza, weshalb der Gaza-Streifen weiterhin international als besetztes Gebiet betrachtet wird (BBC Israel Country Profile 27.4.2020)

Gewalt zwischen beiden Bevölkerungsgruppen bleibt Realität. Ein Durchbruch zu einer Lösung des Konflikts unter der Formel „Zwei Staaten für zwei Völker“ schien in den 1990er Jahren möglich. Im Jahr 2018 gab es in Israel weiterhin eine Mehrheit, die diese Formel unterstützte. Gleichzeitig glaubte aber auch eine Mehrheit nicht mehr daran, dass die Palästinenser ein Partner im Friedensprozess sein können und sprach sich daher dafür aus, im Interesse der Sicherheit die Besatzungssituation aufrechtzuerhalten (Lintl 3.2018).

Mit scheiternden Friedensgesprächen gewannen militärische Maßnahmen die Oberhand und veränderten die israelische Politik: Das linke „Friedenslager“ entfernt sich immer stärker von der Forderung nach Endstatusverhandlungen, während das rechte Lager einen palästinensischen Staat ausschließt und inzwischen zunehmend offensiv Teilannexionen des Westjordanlands fordert (Lintl 3.2018).

Unilaterale Maßnahmen ohne Einbindung der palästinensischen Seite prägen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern - vor allem der Rückzug [nur am Boden] aus dem Gaza-Streifen im Jahr 2005 sowie die Errichtung der Sperranlage um die großen Siedlungen in der Westbank. Das gab jenen Stimmen auf palästinensischer Seite Auftrieb, die meinen, dass Israel nur durch Einsatz von Gewalt die besetzten Gebiete verlassen würde. Lintl sieht eine Entwicklung in Israel wie auch in den palästinensischen Gebieten, wonach moderate Ansätze sukzessive marginalisiert werden (Lintl 3.2018).

Die neue Regierung plant, im Juli die Annexion von Siedlungen und des Jordantals zu diskutieren.

Palästinensische Politiker warnen davor, dass eine de facto-Annektierung die beschränkte Kooperation [Anm.: zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde] gefährden könnte (TWP 13.5.2020). Die Palästinenser verurteilten eine mögliche Annexion von Teilen des Westjordanlands als "Ende der Zweistaatenlösung". Die Arabische Liga sprach von einem "neuen Kriegsverbrechen" gegen die Palästinenser (DS 13.5.2020). Gegner der Annexion warnen vor einer neue Welle von israelisch-palästinensischer Gewalt (NYT 12.5.2020).

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PNA – Palestinian National Authority) Mahmoud Abbas erklärte in Reaktion auf die Annexionspläne den Rücktritt der PNA von den Friedens- und Sicherheitsabkommen mit Israel und den USA - inklusive des Oslo-Abkommens von 1993. Wie sich dies auf die Sicherheitskooperation vor Ort auswirken würde, blieb vorerst unklar (TWP 20.5.2020). Das Aussetzen der Sicherheitsvereinbarung durch Abbas wurde mittlerweile von israelischer Seite bestätigt (DS 21.5.2020).

Die USA sind bisher das einzige Land weltweit, das eine Annexion von Teilen des Westjordanlandes durch Israel offiziell unterstützt (DS 13.5.2020). Das Koalitionsabkommen der neuen israelischen Regierung sieht eine Abstimmung über die Annexion von bis zu 30 Prozent des Westjordanslands nach dem 1. Juli vor, vorausgesetzt die USA stimmen dem zu (TWP 20.5.2020).

2017 anerkannte die US-Regierung von Präsident Donald Trump Jerusalem als israelischer Hauptstadt. Die Entscheidung stellte einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar (AI 22.2.2018).

Inmitten steigender Spannungen wegen der Annexion wurden ein Soldat und ein fünfzehnjähriger Palästinenser im Westjordanland am 12., bzw. 13. Mai getötet (WP 13.5.2020).

Benjamin Natanjahu soll zwar die „regionale Stabilität, den Schutz der bestehenden Friedensabkommen sowie die Streben nach weiteren Abkommen“ berücksichtigen, aber mit der Unterstützung von Präsident Trump wird Netanyahu laut Council on Foreign Relations sein Erbe durch Erreichen dieses weit zurück reichenden Ziels festigen wollen. Die Folgen für Israel und für „seine Fähigkeit, ein demokratischer, jüdischer Staat, nach Innen stabil und in Frieden mit seinen Nachbarn, zu bleiben,“ werden tiefgreifend sein (CFR 21.4.2020).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Israel and the Occupied Palestinian Territories,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1444230.html, Zugriff 22.4.2020

-        BBC News (26.4.2020): Israel country profile, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-14628835, Zugriff 14.5.2020, Zugriff 14.5.2020

-        CFR – Council on Foreign Relations (21.4.2020): Israel’s Unusual Crisis Coalition: What to Expect, https://www.cfr.org/in-brief/israels-unusual-crisis-coalition-what-expect, Zugriff 14.5.2020

-        DS – Der Standard (21.5.2020): Debatte über Kritik an Westbank-Annexion sorgt auch in Wien für Zwist, https://www.derstandard.at/story/2000117622417/debatte-um-kritik-an-westbank-annexion-sorgt-auch-in-wien, Zugriff 22.5.2020

-        DS – Der Standard (20.5.2020): Abbas erklärt Ende aller Vereinbarungen mit Israel und USA, https://www.derstandard.at/story/2000117596111/abbas-erklaert-ende-aller-vereinbarungen-mit-israel-und-usa, Zugriff 20.5.2020

-        DS – Der Standard (13.5.2020): Trumps Nahostplan im Koalitionsvertrag von Israels neuer Regierung, https://www.derstandard.at/story/2000117460015/trumps-nahost-plan-im-koalitionsvertrag-von-israels-neuer-regierung, Zugriff 14.5.2020

-        Lintl, Peter (2.3.2018): Auswirkungen des ungelösten Konflikts auf israelische Machtkonstellationen und Akteursperspektiven. In: Lintl, Peter (Hrg.): Akteure des israelisch-palästinensischen Konflikts - Interessen, Narrative und die Wechselwirkungen der Besatzung, SWP-Studie 2018/S, S. 9-30, https://www.swp-berlin.org/publikation/akteure-des-israelischpalaestinensischen-konflikts/, Zugriff 22.4.2020

-        NYT – The New York Times (12.5.2020): Israeli Soldier Is Killed in West Bank as Tensions Rise Over Annexation Push, https://www.nytimes.com/2020/05/12/world/middleeast/israel-soldier-killed-west-bank.html, Zugriff 14.5.2020

-        TWP – The Washington Post (20.5.2020): Palestinian leader says he’s pulling out of peace agreements over annexation, https://www.washingtonpost.com/world/palestinian-leader-says-hes-pulling-out-of-peace-agreements-over-annexation/2020/05/19/fb7558a2-9a17-11ea-ad79-eef7cd734641_story.html, Zugriff 20.5.2020

-        TWP – The Washington Post (13.5.2020): Clashes kill two in separate West Bank incidents, https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/clashes-kill-two-in-separate-west-bank-incidents/2020/05/13/9e2b0fcc-94fc-11ea-87a3-22d324235636_story.html, Zugriff 14.5.2020

1.4.    Nationalstaatsgesetz

Das deutsche Auswärtige Amt beschreibt Israel als Demokratie, deren Innenpolitik zu einem großen Teil von der Heterogenität ihrer Bevölkerung bestimmt ist. Religiöse und säkulare Juden, israelische Araber, Drusen, Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion und andere Gruppen prägen das Land (AA 5.11.2019b).

Am 19. Juli 2018 wurde von der Knesset das Nationalstaatsgesetz beschlossen. Es ist innerhalb wie außerhalb des Landes umstritten, auch wenn nur ein Teil der Vorschriften neu ist. Diese werden nun jedoch de facto in den Verfassungsrang erhoben. Während die einen darin eine Darstellung der Wirklichkeit sehen, monieren Gegner, dass das Gesetz Minderheiten diskriminiere und demokratische Werte untergrabe. Es spiegelt auch Regierungsbemühungen zur Umgestaltung des israelischen Regierungssystems, hin zu einer „majoritären Demokratie“ wider, und trifft besonders den Obersten Gerichtshof als „Verteidiger liberaler Prinzipien“. Der Protest dagegen erstreckte sich von Knesset-Abgeordneten bis hin ins Ausland: arabische und jüdischen Oppositionsparteien, viele NGOs sowie Staatspräsident Reuven Rivlin kritisierten das Gesetz als diskriminierend, unnötig und fehlerhaft. Aus dem Ausland kam Kritik von der Europäischen Union bis hin zum amerikanischen Reformjudentum. Israel wird in dem Gesetz in Paragraph 1 als „historisches Heimatland des jüdischen Volkes“ definiert, was in einem Großteil der arabischen Bevölkerung Ablehnung hervorruft, da sie in der weiteren Verrechtlichung des jüdischen Charakters des Staates eine diskriminierende Komponente und Zementierung der Trennung zwischen arabischen und jüdischen Bürgern sehen. So wird etwa in israelischen Geburtsurkunden zwischen jüdischen und arabischen Staatsbürgern differenziert. Dadurch wird der Charakter des Staates von der nationalen Mehrheit bestimmt, was den nichtjüdischen Minderheiten automatisch einen sekundären Status gibt, zumindest in grundlegenden Identitätsfragen des Staates (SWP 9.2018).

In Paragraf 4 wird Arabisch vom Rang einer offiziellen Sprache Israels herabgestuft. In keinem israelischen Grundgesetz wurde bisher das Gleichheitsprinzip aufgenommen. Arabische Politiker fordern eine Definition Israels als „Staat für alle Bürger“, was jedoch von zahlreichen jüdischen Israelis als Negierung des Existenzrechts Israels ausgelegt wird (SWP 9.2018).

Das Gesetz sieht zudem eine Bevorzugung der jüdischen Bevölkerung bei der Wohnraumplanung des Landes vor. Kerngedanke ist, dass es keine Region in Israel geben soll, die über eine arabische Mehrheit verfügt. Dies betrifft vor allem Gebiete mit einem niedrigeren jüdischen Bevölkerungsanteil wie Galiläa oder den Negev. Der verabschiedete Passus schließt aber auch die weitere Besiedlung des Westjordanlands nicht aus. Überhaupt fordert eine große Zahl der Parlamentarier, die das Nationalstaatsgesetz billigten, auch eine Annexion oder Teilannexion des Westjordanlands (SWP 9.2018).

Das Nationalstaatsgesetz steht außerdem im Widerspruch zum Grundgesetz „Menschenwürde und Freiheit“ von 1992. Klagen gegen das Gesetz wurden bereits eingereicht. (SWP 9.2018). Eine Gruppe druzischer Israelis hat Klage beim Obersten Gerichtshof eingereicht. Daneben ersuchten auch Anführer der arabischen Bevölkerung inklusive der Beduinen, Bürgerrechtsgruppen, Akademiker und Oppositionsparteien ebenfalls das Gericht, das Gesetz aufzuheben (TI 16.8.2019). Die nächste Anhörung beim Obersten Gerichtshof zu Klagen gegen das Gesetz wurde im November 2019 für Juni 2020 festgesetzt (TJP 19.11.2019).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019b): Israel – Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/israel-node/politisches-portrait/203848, Zugriff 22.4.2020

-        SWP – (Lintl, Peter, Wolfrum, Stefan) (9.2018): Israels Nationalstaatsgesetz - Die Regierung Netanyahu schafft Grundlagen für ein majoritäres System, SWP-Aktuell Nr. 50, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2018A50_ltl_wlf.pdf, Zugriff 22.4.2020

-        TJP – The Jerusalem Post (19.11.2019): High Court drops the ball on Jewish Nation-State Law – analysis, https://www.jpost.com/israel-news/high-court-drops-the-ball-on-jewish-nation-state-law-analysis-608296, Zugriff

-        TI – Times of Israel (16.8.2019): Nation-state law to be included in Israeli high school curriculum – report, https://www.timesofisrael.com/nation-state-law-to-be-included-in-israeli-high-school-curriculum-report/, Zugriff 14.5.2020
2.         Sicherheitslage

Das deutsche Auswärtige Amt warnt bei Reisen nach Israel vor Menschenansammlungen, mahnt zu erhöhter Vorsicht bei Bushaltestellen und Bahnhöfen, weil weiterhin Terroranschläge im öffentlichen Raum im Bereich des Möglichen liegen, auch wenn deren Zahl in den letzten Jahren zurückging. Israel gilt weiterhin als Angriffsziel islamistischer Terrorgruppen (AA 17.4.2020). Ähnlich warnt auch das österreichische Außenministerium (BMEIA) vor den Risiken von Anschlägen an Orten mit vielen Menschen wie z.B. religiöse Stätten, öffentliche Verkehrsmittel sowie Lokalen, Märkten etc. Das BMEIA geht davon aus, dass weiter mit „vereinzelten Anschlägen“ unter Verwendung von Messern oder Autos zu rechnen ist (BMEIA 1.7.2020). Freedom House geht von einem anhaltenden Risiko für israelische Sicherheitskräfte und ZivilistInnen bzgl. Terrorangriffen kleinen Maßstabs aus, wie etwa Messerangriffe und Niederfahren mit einem Fahrzeug (FH 4.3.2020).

Von 1. Jänner 2015 um 17. September 2019 wurden der Datenbank des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) zufolge fünfzehn Israelis in Israel, davon 10 Siedler, getötet (OCHA o.D.a). 183 Israelis in Israel wurden im Zeitraum von 1. Jänner 2015 bis 22.4.2020 verletzt (OCHA o.D.b).

Das BMEIA bewertet die derzeitige Sicherheitslage im Staat Israel im Zusammenhang mit der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) und damit einhergehenden massiven Einschränkungen im Reiseverkehr als „hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4)“ (BMEIA 14.4.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (17.4.2020): Israel: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung Palästinensische Gebiete – Gaza-Streifen), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/israelsicherheit/203814#content_0, Zugriff 22.4.2020

-        BMEIA – Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (1.7.2020): Israel Stand 01.07.2020 (Unverändert gültig seit: 08.06.2020), https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/israel/, Zugriff 1.7.2020

-        OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (o.D.a): Data on caualties – Israeli fatalities, https://www.ochaopt.org/data/casualties, Zugriff 14.5.2020

-        OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (o.D.b): Data on casualties – Israeli injuries, https://www.ochaopt.org/data/casualties, Zugriff 14.5.2020

2.1.    Grundsätzliches zur Lage in den Grenzgebieten

Es wird vom deutschen Auswärtigen Amt geraten, die Grenzgebieten zu Libanon, Syrien, Gazastreifen und Ägypten aus Sicherheitsgründen zu meiden (AA 17.4.2020). Die Kenntnis der Lage der Luftschutzkeller und über das Verhalten bei Raketenangriffen wird empfohlen – ebenso wie Anweisungen der Zivilschutzbehörden nachzukommen (BMEIA 1.7.2020).

Israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens:

Trotz des Waffenstillstandsabkommens vom 26. August 2014, sind die Spannungen in diesen Gebieten hoch. Zeitweise finden dort militärische Operationen statt. Es kommt regelmäßig vor, dass Dörfer und Städte in der Nähe des Gazastreifens mit Raketen und Mörsern beschossen werden. Im gefährdeten Gebiet liegen u.a. Sderot, Ashqelon, Netivot, Qiryad Gat und Ofakim. Vereinzelt werden Raketen mit einer Reichweite von mehr als 100 km eingesetzt. Die Spannungen nehmen periodisch zu und führen zu einer Zunahme von Raketenbeschüssen auf israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens, wie beispielsweise im November 2018 und März 2019. Auch im November und Mai 2019 sind israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens mit zahlreichen Raketen beschossen worden, wie z.B. die städtischen Zentren von Ashqelon und Be’er Sheva (EDA 19.3.2020). Im Zuge von Raketenbeschuss aus Gaza auf israelische Bevölkerungszentren wurden im Mai 2019 vier israelische Zivilisten und zwei Palästinenser getötet und mehr als 123 Israelis verletzt. (HRW 14.1.2020).

Israelische Gebiete entlang des Westjordanlands:

In unmittelbarer Nähe der Sperranlage zwischen Israel und dem Westjordanland kommt es immer wieder zu Demonstrationen. Wegen der angespannten Situation wird in Jerusalem zu besonderer Vorsicht geraten (EDA 19.3.2020). Anlässlich der angekündigten Annexion von Teilen der Westbank können Zusammenstöße in den palästinensischen Gebieten und Jerusalem nicht ausgeschlossen werden (BmeiA 1.7.2020).

Grenzgebiet zu Libanon und Syrien:

Im libanesischen und im syrischen Grenzgebiet kann es immer wieder zu Zwischenfällen kommen (BmeiA 1.7.2020). Seit August 2006 gilt ein Waffenstillstand. Trotzdem sind die Spannungen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet weiterhin sehr hoch. Grenzzwischenfälle und Raketenangriffe aus dem Südlibanon sind jederzeit möglich (EDA 19.3.2020).

Grenzgebiet zum Sinai (Ägypten):

Die Stadt Eilat und deren nähere Umgebung waren in den letzten Jahren mehrere Male Ziele von Raketenangriffen. Weitere Ereignisse dieser Art können nicht ausgeschlossen werden (EDA 19.3.2020).

Minenfelder in den Grenzregionen sind von Absperrungen umgeben und durch Schilder gekennzeichnet (EDA 19.3.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (17.4.2020): Israel: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung Palästinensische Gebiete – Gaza-Streifen), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/israelsicherheit/203814#content_0, Zugriff 22.4.2020

-        BMEIA – Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (1.7.2020): Israel Stand 01.07.2020 (Unverändert gültig seit: 08.06.2020),https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/israel/, Zugriff 1.7.2020

-        EDA – Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten (19.3.2020): Reisehinweise für Israel, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/israel/reisehinweise-israel.html, Zugriff 22.4.2020

2.2.    Zwischenstaatliche Faktoren für die israelische Sicherheitslage

Die israelischen Streitkräfte flogen auch Luftschläge auf Stellungen der iranischen Streitkräfte und der Hisbollah in Syrien, dem Libanon und dem Irak (AI 18.2.2020).

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss laut Schweizer Außenministerium stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage in Israel auswirken (EDA 1.7.2020).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Nahen Osten und in Nordafrika: 2019; Israel und besetzte Palästinensische Gebiete,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2026067.html, Zugriff 22.4.2020

-        EDA – Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten (1.7.2020): Reisehinweise für Israel - Gültig am: 01.07.2020,
Publiziert am: 19.03.2020, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/israel/reisehinweise-israel.html, Zugriff 22.4.2020
3.         Rechtsschutz / Justizwesen

Die israelische Justiz wird als unabhängig beschrieben (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020), die regelmäßig gegen die Regierung entscheidet. Sie trifft auch Gerichtsbeschlüsse in Widerspruch gegen die Regierung. Der Oberste Gerichtshof hat über die Jahre eine zunehmend zentrale Rolle beim Schutz von Minderheiten und bei der Aufhebung von Regierungs- und Parlamentsbeschlüssen eingenommen, wenn diese sich gegen Menschenrechte richteten. Eingaben können sowohl von israelischen BürgerInnen wie auch von der palästinensischen Bevölkerung der Westbank und des Gazastreifens eingebracht werden. Der Staat hält sich gewöhnlich an die Gerichtsbeschlüsse (FH 4.3.2020).

Das Nationalstaatsgesetz [siehe auch Abschnitt „Politik“] zieht auch Änderungen beim Obersten Gerichtshof nach sich. Ergänzend gingen vier von sechs in der Legislaturperiode zu besetzende Richterposten an deklariert konservative Bewerber. Die Knesset kann nun auch durch eine sogenannte „Überstimmungsklausel“ Urteile des Obersten Gerichtshofs aufheben (SWP 9.2018).

Das Gesetz verbietet willkürliche Verhaftungen und sieht die Möglichkeit des Einspruchs gegen Festnahmen vor. Im Allgemeinen wird dies eingehalten (USDOS 11.3.2020).

Für illegal eingereiste MigrantInnen, unter anderem Asylsuchende [Anm. nicht aus den besetzten Gebieten], gelten eigene gesetzliche Bestimmungen für die Haftdauer auf Basis eines Gesetzes zur Verhinderung illegaler Einreisen („Infiltration Israels“) etc. (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 4.3.2020; USDOS 11.3.2020).

[Zu den Personenstandsgesetzgebung und Rechtspraxis der anerkannten Religionsgemeinschaften und allgemeinen Regelungen siehe Kapitel „Religionsfreiheit“.]

Quellen:

-        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020

-        SWP – (Lintl, Peter, Wolfrum, Stefan) (9.2018): Israels Nationalstaatsgesetz - Die Regierung Netanyahu schafft Grundlagen für ein majoritäres System, SWP-Aktuell Nr. 50, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2018A50_ltl_wlf.pdf, Zugriff 22.4.2020

-        USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020

-        USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430355.html, Zugriff 22.4.2020

3.1.    Justizielle Zuständigkeiten für die Bevölkerung der besetzten Gebiete

Für BewohnerInnen der Golan-Höhen, die nicht israelische StaatsbürgerInnen sind, gelten dieselben gesetzlichen Bestimmungen wie für israelische StaatsbürgerInnen (USDOS 20.4.2018). Die israelischen Behörden wandten auf alle Einwohner Jerusalems unabhängig von ihrem israelischen Staatsangehörigkeitsstatus dieselben Gesetze an. PalästinenserInnen aus Gaza und der West Bank, die wegen Sicherheitsdelikten verhaftet werden, fallen unter die Militärgerichtsbarkeit wie sie von Israel für die palästinensischen BewohnerInnen der Westbank und Gaza angewendet wird, selbst wenn die Personen im Staat Israel festgenommen werden (USDOS 11.3.2020).

Während für normale Gerichtsverfahren faire Prozesse großteils garantiert sind, gelten für Vergehen im Sicherheitsbereich Sonderregelungen, nach denen Personen ohne Prozess

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten