Entscheidungsdatum
09.09.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L508 2168827-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2017, XXXX , beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 07.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der Erstbefragung am 09.06.2015 gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er an der Grenze zu Afghanistan gelebt habe und dort immer Krieg herrsche. Es gäbe in Parachinar viele Taliban und er habe Angst um sein Leben. Es gäbe dort keine Möglichkeit auf ein ruhiges Leben. Weiters sei sein Cousin von den Taliban getötet worden. Deshalb wolle er nach Österreich.
3. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 30.11.2016 legte der BF dar, dass er 2013 in Pakistan Probleme bekommen habe, aber auch schon vorher Probleme gehabt hätte. Dort wo er lebte, an der Grenze zu Afghanistan, seien die Taliban sehr mächtig. Sie würden ihnen das Leben schwer machen. Auch einen Cousin von ihm hätten sie getötet. Er sei der einzige Sohn seiner Eltern. Weil seine Eltern Angst um sein Leben gehabt hätten, hätten sie ihn gebeten Pakistan zu verlassen um nicht getötet zu werden. Der BF habe jedoch weder nach Islamabad noch nach Quetta oder Peshawar gehen können, weil die Schiiten dort überall verfolgt werden würden. Im Jahr 2012 habe eine Rakete sein Haus getroffen und seinen Cousin und seine Tante getötet. Darüber hinaus habe ein reicher und mächtiger Mann zwei seiner Cousins getötet und ihm und seinem Vater mit dem Tod gedroht, weil dieser das Grundstück der Familie haben wollte. Der BF habe sich zwar an die Polizei gewandt und Anzeige erstattet, diese würden ihm jedoch nicht helfen, weil er Schiit sei und Schiiten in Pakistan verfolgt werden würden.
Im Zuge der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen vor, darunter viele Fotos und auch einige fremdsprachige Dokumente.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Dies im Wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens.
5. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das BVwG. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524) verwiesen.
6. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A)
1. Verfahrensbestimmungen
1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt
Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
2. Zur Entscheidungsbegründung:
2.1. Obwohl gem. § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gem. § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
? Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
? Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
? Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. hierzu auch VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018).
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).
Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Absatz 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
In seiner Entscheidung vom 03.04.2018, Ra 2017/01/0433 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.
2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichtes ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhaltes dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.
2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat respektive erweist sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
2.2.1.1. Vom Beschwerdeführer wurden zu Beweiszwecken bzw. zur Untermauerung seines Vorbringens neben Fotos auch mehrere Dokumente, teils in Englisch, teils in Urdu, in Vorlage gebracht. Diese vom BF in Vorlage gebrachten Dokumente wurden jedoch von der belangten Behörde bei der Verfassung des Bescheides nicht herangezogen und haben im bisherigen Verfahren keinerlei Berücksichtigung gefunden (AS 149).
Zunächst ist festzuhalten, dass es letztlich unklar bleibt, um welche Dokumente es sich bei den im Verwaltungsakt befindlichen Dokumenten handelt, zumal diese fremdsprachigen Unterlagen keiner Übersetzung zugeführt wurden.
Ohne eine Übersetzung der Dokumente oder Schreiben in die deutsche Sprache zu veranlassen und sich im Ermittlungsverfahren mit diesen in Vorlage gebrachten Beweismitteln auseinanderzusetzen bzw. im Rahmen einer Einvernahme dem Beschwerdeführer eine Möglichkeit einzuräumen, sich zu den in Vorlage gebrachten Beweismitteln umfassend zu äußern, traf die belangte Behörde sogleich eine Sachentscheidung.
Obwohl die belangte Behörde die Übersetzung der vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Beweismittel in die deutsche Sprache nicht veranlasst hat, kam sie im Verfahren offenbar zum Ergebnis, dass die in Vorlage gebrachten Urkunden nicht zum Beweis einer tatsächlichen Bedrohung des Beschwerdeführers gereichen.
Da es die belangte Behörde unterlassen hat, die in fremder Sprache in Vorlage gebrachten und für die Beurteilung der Rechtssache relevanten Bescheinigungsmittel in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen, war ihr jedoch jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen unmöglich, sodass der Beweiswürdigung der belangten Behörde auch insoweit die Grundlage entzogen ist.
Indem die belangte Behörde nähere Nachforschungen zum Inhalt der vorgelegten Bescheinigungsmittel und überhaupt deren Übersetzung in die deutsche Sprache unterlassen hat, wurden im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch nicht, dass es sich bei einer Mehrzahl von Asylwerbern vorgebrachten fremdsprachigen Dokumenten aus Pakistan um Fälschungen oder nicht relevante Zeitungsberichte handeln kann, aber dennoch erweist sich das Ermittlungsverfahren der Behörde als grob mangelhaft, wenn sie sich mit den vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar ausreichend auseinandersetzt. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte Dokumentationsmaterial wurde als Beweismittel gänzlich ignoriert bzw. unberücksichtigt gelassen.
Die vorgelegten Dokumente sind nun im fortgesetzten Verfahren zweifelsfrei zu kennzeichnen, sodass nachvollziehbar ist, um welche Dokumente es sich konkret handelt. Soweit die Dokumente, was im gegenständlichen Fall anzunehmen ist, für die Beurteilung des vorliegenden Antrages auf internationalen Schutz entscheidungsrelevant sind, sind sie auch zu übersetzen. In der entsprechenden Erörterung der Unterlagen ist jedenfalls anzuführen, worum es sich bei den fremdsprachigen Schriftstücken handelt und warum den damit verbundenen Inhalten Beweiskraft hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers zukommt oder nicht. Es wird auch zu ermitteln sein, ob es sich bei einem der Dokumente um das vom BF erwähnte Drohschreiben handle.
Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln sowohl in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität als auch in Bezug auf die Frage des Vorliegens einer realen Gefahr, inwiefern eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Pakistan für den Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Pakistan für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten oder der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.
Bereits diese grobe Mangelhaftigkeit im Ermittlungsverfahren reicht aus, den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
2.2.1.2. Ergänzend ist noch festzuhalten, dass sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt darüber hinaus aus folgenden zusätzlichen Gründen als mangelhaft erweist:
2.2.1.2.1. Der Beschwerdeführer brachte als seinen fluchtauslösenden Grund einerseits die Sicherheitslage in Pakistan und einen Raketeneinschlag auf sein Haus vor, andererseits eine Bedrohung durch einen mächtigen, reichen Mann, welcher bereits zwei seiner Cousins getötet und ihn sowie seinen Vater bedroht habe, da dieser das Grundstück der Familie haben wolle. Der BF habe zwar eine Anzeige bei der Polizei erstattet, diese helfe ihm aber nicht, weil er Schiite sei und Schiiten in Pakistan verfolgt werden würden.
Die belangte Behörde erachtete nun im Rahmen der getroffenen Feststellungen die vom BF dargelegten Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates als nicht glaubhaft. Dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche Verfolgung zukünftig im Falle einer Rückkehr nach Pakistan zu befürchten hätte, habe demnach nicht festgestellt werden können.
Dem BFA ist zwar zuzugestehen, dass es durchaus berechtigte Zweifel geben mag, dass sich diese persönlichen Erlebnisse, wie vom BF geschildert, tatsächlich so ereignet haben, jedoch kann dem bekämpften Bescheid dennoch nicht in ausreichend schlüssiger Weise entnommen werden, weshalb sich das Vorbringen als unglaubwürdig darstellt und warum dem Fluchtvorbringen kein Glauben geschenkt wird. Dies vor allem auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass einerseits das Vorbringen zum Ausreisgrund des BF durch die vom BFA herangezogenen Länderdokumentationsunterlagen teilweise Bestätigung findet und andererseits eine Asylrelevanz des Vorbringens nicht vorweg auszuschließen ist.
Die belangte Behörde bezieht sich im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich auf die Widersprüche bei den angegebenen Jahreszahlen sowie den Umstand, dass sich der BF nicht an die Polizei gewandt habe. Eine genauere, inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers erfolgte nicht und ist die übrige Beweiswürdigung zu den Gründen für das Verlassen von Pakistan lediglich eine Zusammenfassung der Aussagen des BF bei der Einvernahme (AS 215 ff). Sich im Rahmen der Beweiswürdigung vor allem darauf zu beziehen, dass der BF differierende Angaben zu den Jahreszahlen gemacht habe, reicht im gegenständlichen Fall jedoch nicht aus. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers bzgl. des reichen und mächtigen Mannes hat sich das BFA inhaltlich nicht auseinandergesetzt und argumentiert, dass dieses unglaubhaft sei, zumal sich der BF nicht an die Polizei gewandt habe. Diese beweiswürdigenden Argumente der belangten Behörde erweisen sich jedoch als nicht haltbar respektive aktenwidrig (BS 77). So wird in nachvollziehbarer Weise moniert, dass der BF „sich nicht um Hilfe bittend an die Polizei gewandt“ habe. Tatsächlich brachte der BF in der Einvernahme vor der belangten Behörde jedoch klar zum Ausdruck, dass er sich sehr wohl an die Polizei gewandt habe und eine Anzeige erstattet habe, diese ihm jedoch nicht helfen habe wollen (AS 50). Im Bescheid selbst wird in der Beweiswürdigung an anderer Stelle wiederum den zuvor getroffenen Ausführungen widersprochen und ausgeführt, weshalb das Argument der BF habe sich nicht an die Polizei gewandt nicht nachvollziehbar sei und daher auch nicht geeignet sei, dem Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Auch das Argument der belangten Behörde, dass der BF einmal angab es sei ein Cousin gestorben und ein anderes Mal angab es seien zwei Cousins gestorben und es sich hierbei um widersprechende Angaben handle, ist nicht nachvollziehbar. Eine solche Argumentation des BFA fände nur dann Deckung mit den Aussagen des BF in der Einvernahme, wenn man unterstellte, dass der Raketeneinschlag auf den unbekannten reichen Mann zurückzuführen sei. Dabei handelt es sich jedoch um reine Mutmaßungen, welche einer Schlüssigkeitsprüfung nicht Stand halten. Es handelt sich dabei um bloße Spekulationen, die demnach nicht geeignet sind, die Unglaubwürdigkeit des (gesamten) Vorbringens des Beschwerdeführers tragfähig zu begründen. Es geht aus den Aussagen des BF nicht klar hervor, ob es sich bei den Tötungen durch den unbekannten Bedroher und dem Raketeneinschlag um verschiedene Vorfälle handle oder um ein und denselben. Es hätte seitens der belangten Behörde jedenfalls weitere Ermittlungen dazu erfordert, zumal sich weder im bekämpften Bescheid noch im Verwaltungsakt ausreichende Belege dafür finden. Das BFA wird daher im weiteren Verfahren weitere Ermittlungen zur behaupteten Bedrohung durch den reichen Mann sowie – soweit möglich – zu dessen Identität und zu dem behaupteten Raketeneinschlag zu führen haben, sowie zu der Frage, ob ein diesbzgl. Konnex zu den angeblichen Bedrohungen bzw. Angriffen des unbekannten Mannes besteht.
Das Bundesamt hat den Beschwerdeführer lediglich sehr oberflächlich zu der Bedrohung durch den unbekannten Mann befragt und insbesondere keine nähere Erörterung um wen es sich dabei handle vorgenommen. Dass die Bedrohung durch diesen Mann nicht glaubhaft sei, hat das Beweisverfahren des Bundesamtes nicht schlüssig ergeben. Der Beschwerdeführer wurde weder zu den näheren Umständen des Todes seiner Verwandten im Detail befragt, noch über die Bedrohung des BF selbst.
Das BFA wäre auch in diesem Punkt verpflichtet gewesen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers näher auseinanderzusetzen. Insoweit ist zu konstatieren, dass sich die erfolgte Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers angesichts der notorischerweise komplexen Lage in Pakistan als unschlüssig erweist.
Die schlichte Unglaubwürdigkeitsbegründung vermag jedenfalls eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung nicht zu ersetzen. Woraus sich der Schluss ergibt, dass das Fluchtvorbringen nicht der Wahrheit entspricht, ist dem Bescheid letztlich nicht schlüssig zu entnehmen, sodass das Bundesverwaltungsgericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgehen kann, dass es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers um ein wahrheitswidriges Konstrukt handeln würde; dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers schon vorweg nicht gänzlich die Asylrelevanz abzusprechen ist.
Das BFA übersah auch, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176). Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des zitierten VfGH Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, „wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen“.
§ 60 AVG wird durch die Feststellung allein, das Vorbringen einer Partei sei unglaubwürdig, nicht Rechnung getragen, sondern nur dann, wenn die Behörde mit tragfähigen Argumenten aufzeigt, warum sie diese Auffassung vertritt (VwGH 30.09.2004, Zl. 2002/20/0599). Schließlich genügt es nicht, dass die Behörde ihre Beweiswürdigung auf isolierte Überlegungen stützt, die zumindest zum Teil nicht ungeeignet erscheinen, zur Lösung beizutragen, die aber für sich allein und ohne Bedachtnahme auf den Gesamtkontext des Vorbringens, ohne Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit der Partei und ohne Auseinandersetzung mit der aktuellen Berichtslage betreffend Vorfälle der behaupteten Art nicht ausreichen, um die Entscheidung nachvollziehbar zu begründen (VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).
Insgesamt wird daher im gegenständlichen Fall den Anforderungen an eine Bescheidbegründung im Sinne der § 58 und § 60 AVG nicht entsprochen.
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde folglich nicht ausreichend ermittelt und ist dem BVwG, ohne derartige Ermittlungsergebnisse, eine sachgerechte Beurteilung des Antrages des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der damit verbundenen Beschwerde nicht möglich. Diese grobe Mangelhaftigkeit im Ermittlungsverfahren reicht aus, den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
2.2.2. Insofern ist dem Bundesamt vorzuwerfen, dass es sich im vorliegenden Fall mit den in Vorlage gebrachten Beweismitteln nicht auseinandergesetzt hat und diese weder eine Übersetzung noch einer näheren Erörterung mit dem BF (allenfalls einer Überprüfung) unterzogen hat, ferner keine ausreichenden Ermittlungen in Hinblick auf das fluchtrelevante Vorbringen des Beschwerdeführers getätigt hat und sich auch die getroffene Beweiswürdigung als nicht haltbar erweist. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesamt mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinreichend auseinanderzusetzen haben und werden sämtliche vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Beweismittel entsprechend zu würdigen sein. Das BFA wird jedenfalls eingehende Ermittlungen zum Fluchtvorbringen des BF sowie den in Vorlage gebrachten Unterlagen – gegebenenfalls auch durch Erhebungen vor Ort - zu tätigen haben. Des Weiteren wird nach ergänzender Einvernahme des Beschwerdeführers und nach Heranziehung entsprechender aktueller und individueller Herkunftslandquellen, die Glaubwürdigkeit des BF bzw. die Glaubhaftigkeit des fluchtrelevanten Vorbringens des Beschwerdeführers zu beurteilen und anschließend auf dieser Basis einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen sein.
Insofern bedarf es jedenfalls detaillierter Erhebungen der die Person des Beschwerdeführers treffenden Sachlage, um zu einer haltbaren Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und zu einer tragbaren Entscheidung überhaupt im Verfahren gelangen zu können.
Zur Frage der Glaubwürdigkeit und auch zur Erörterung der Ländersituation wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren eine ergänzende Einvernahme des Antragstellers sowie ein ergänzendes Ermittlungsverfahren hinsichtlich der individuellen Situation des Beschwerdeführers aufgrund der behaupteten Bedrohung und Verfolgung durch den unbekannten, mächtigen Mann durchzuführen haben.
Anzumerken ist abschließend, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes nunmehr Teil des vom BFA zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die belangte Behörde mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen auseinanderzusetzen haben wird.
2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
2.4. Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ra 2014/03/0063 sowie VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005, VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018) ab. Durch die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.
Schlagworte
Begründungsmangel Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung ÜbersetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L508.2168827.1.00Im RIS seit
08.02.2021Zuletzt aktualisiert am
08.02.2021