TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/4 L501 2218559-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

AlVG §24
AlVG §25
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


L501 2218559-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Karl BRANDSTETTER und Dr. Andreas GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde (Einspruch) von Frau XXXX , geboren XXXX , gegen die 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ des Arbeitsmarktservice Hallein vom 18.03.2019 beschlossen:

A)

Die Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice Hallein vom 10.04.2019, GZ: LGS SBG/2/0566/2019, wird aufgehoben und die Beschwerde mangels Bescheidqualität der bekämpften 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ des Arbeitsmarktservice Hallein vom 18.03.2019 gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

I.1.    Mit - per eAMS übermittelten – Schreiben des Arbeitsmarktservice Hallein (im Folgenden "AMS") vom 20.12.2018 wurde die die beschwerdeführende Partei (im Folgenden "bP") von der Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger informiert. Es erfolgte keine Reaktion.

Mit sodann – per eAMS übermittelten - Bescheid des Arbeitsmarktservice Hallein vom 7.1.2019 wurde ausgesprochen, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum von 16.11.2018 bis 30.11.2018 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde und die beschwerdeführende Partei (im Folgenden "bP") gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 407,70 verpflichtet werde. Zur Begründung führte das AMS aus, dass die bP die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den genannten Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, da sie seit 16.11.2018 in einem vollversicherten Dienstverhältnis bei der Firma A. GmbH stehe.

Da die Forderung aus der Arbeitslosenversicherung in der Höhe von EUR 407,70 trotz der – per eAMS übermittelten - ersten Mahnung vom 18.02.2019 weiter aushaftete, wurde der bP vom Arbeitsmarktservice Hallein auf dem Postweg eine 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ datiert mit 18.03.2019 übermittelt.

Die bP erhob daraufhin mit Schreiben vom 25.3.2019 Beschwerde ("Einspruch") und brachte vor, dass sie bis zum 6.10.2018 bei der Firma A. Gastronomie beschäftigt gewesen sei, wo sie selbst gekündigt habe. Ab 9.10.2018 sei sie bei der Firma A.P. bis zur einvernehmlichen Auflösung am 13.11.2018 tätig gewesen, wo sie auf Grund ihres Urlaubsanspruches mit 15.11.2018 abgemeldet worden sei. Sie habe sich beim AMS am 14.11.2018 arbeitslos gemeldet. Vom AMS habe sie für den Zeitraum von 16.11.2018 bis 3.12.2018 einen Entgeltanspruch in der Höhe von EUR 407,70 am 5.12.2018 ausbezahlt bekommen. Am 3.12.2018 habe sie bei der Firma G. zu arbeiten begonnen, ohne dass das AMS etwas dazugetan habe. Nun fordere das AMS diese EUR 407,70 wieder zurück. Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld würde eindeutig bestehen. In einer Beilage übermittelte die bP die 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ des AMS Hallein vom 18.03.2019.

I.2.    Mit Bescheid vom 10.4.2019, GZ: LGS SBG/2/0566/2019, wies das AMS die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG als verspätet zurück. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens der Bescheid vom 7.1.2019 verfügt worden sei. Da die bP über ein aktives eAMS-Konto verfüge, sei der Bescheid vom Bundesrechenzentrum am 7.1.2019 an das eAMS-Konto der bP geschickt worden. Den Bescheid habe die bP in ihrem eAMS-Konto am 8.1.2019 empfangen. Das gehe aus dem Sendeprotokoll hervor. Die bP sei darüber gesondert mit einer Nachricht an ihre dem AMS bekanntgegebene E-Mail-Adresse informiert worden. Die gegen den Bescheid vom 7.1.2019 erhobene Beschwerde sei am 25.3.2019 (Eingangsdatum beim AMS) eingebracht worden.

Rechtlich führte das AMS aus, dass der Bescheid vom 7.1.2019 der bP über ihr eAMS-Konto, das sei das elektronische Kommunikationssystem des AMS, zugestellt worden sei. Die bP habe das Dokument am 8.1.2019 in ihrem eAMS-Konto empfangen. Gemäß § 37 Abs. 1 des Zustellgesetzes gelte der Bescheid vom 7.1.2019 mit dem Zeitpunkt des Einlangens, das sei der 8.1.2019, als zugestellt. Die Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem des AMS sei zulässig, da die Voraussetzungen für die Zustellung durch einen Zustelldienst nicht vorliegen würden. Das bedeute, dass die vierwöchige Rechtsmittelfrist mit dem 8.1.2019 beginne und am 5.2.2019 ende. Die Beschwerde vom 25.3.2019 sei daher außerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht worden und werde folglich als verspätet zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 23.4.2019 beantragte die bP fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Ergänzend brachte sie vor, dass der Bescheid am 9.1. auf eine elektronische Zustelladresse zugestellt worden sei, die Zugangsdaten für diese elektronische Zustelladresse seien aber erst am 2.4.2019 per RSa-Brief zugestellt worden. Also sei es nicht möglich gewesen, früher auf das Schreiben des AMS in der elektronischen Zustelladresse zu reagieren. Die Reaktion sei sofort nach Zustellung der Mahnung am 19.3.2019 erfolgt, welche per Post übermittelt worden sei. Der Einspruch vom 25.3.2019 sei fristgerecht innerhalb von zwei Wochen erstattet worden. Man könne nicht davon ausgehen, dass jeder mit E-Mail arbeite, schon gar nicht, wenn es nicht möglich sei, Unterlagen ohne Zugangsdaten einzusehen.

I.3.     Am 8.5.2019 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Im Vorlagebericht führte das AMS aus, dass die bP seit 7.12.2016 über ein aktives eAMS-Konto verfüge; dies gehe aus der eAMS-Kontoinformation hervor. Die bP habe mit dem Akzeptieren der Bedingungen für die Nutzung des eAMS-Kontos zugestimmt, dass das AMS auch über die Dauer einer Vormerkung beim AMS bzw. eines Leistungsbezuges hinaus das eAMS-Konto zur Übermittlung von Nachrichten verwende. Als derartige Nachrichten würden z.B. weitere Mitteilungen auf Grund rückwirkender Änderungen eines Leistungsbezuges und allfällige daraus resultierende Rückforderungsbescheide sowie Zahlungserinnerungen in Frage kommen. Wenn der Inhaber der Zugangskennung damit nicht einverstanden sei, verpflichte er sich, entweder die E-Mail-Adresse aus dem eAMS-Konto zu entfernen oder das Konto zur Gänze zu löschen. Die bP habe weder die E-Mail-Adresse aus dem eAMS-Konto entfernt noch das Konto zur Gänze gelöscht. Die Nutzungsbedingungen müssten beim ersten Einstieg in das eAMS-Konto als gelesen und akzeptiert abgehakt werden, ansonsten sei eine Benutzung des eAMS-Kontos nicht möglich.

I.4.    Auf telefonische Anfrage teilte das AMS dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 14.5.2019 mit, dass der Bescheid am 7.1.2019, 23:59 Uhr, gesendet und am 8.1.2019, 09:16 Uhr, im eAMS-Konto empfangen worden sei. Dies gehe aus dem Sendeprotokoll hervor. Bei Zustellungen durch das BRZ gebe es keine Eintragung bei "gelesen". Die bP habe am 2.12.2016 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Dabei habe sie sich für ein eAMS-Konto interessiert, weshalb ihr ebenfalls am 2.12.2016 ein verschlossenes Kuvert mit der Zugangskennung überreicht worden sei. Die bP habe den Erhalt der Zugangskennung am selben Tag mit ihrer Unterschrift bestätigt. Am 7.12.2016 habe sie das eAMS-Konto aktiviert. Die Zugangsdaten bestünden aus Benutzername und Passwort. Wenn der Kunde diese Daten nicht mehr wisse, könne er jederzeit neue Zugangsdaten anfordern. Am 2.4.2019 habe die bP beim AMS telefonisch neue Zugangsdaten für das eAMS-Konto angefordert. Die Zustellung des beschwerdegegenständlichen Bescheides habe die bP nie bestritten.

Der Stellungnahme des AMS beigelegt wurde eine von der bP unterfertigte Bestätigung über den Erhalt der Zugangskennung zur Nutzung des eAMS-Kontos vom 2.12.2016.

I.5.    Auf schriftliche Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.2.2020 gab das AMS mit Stellungnahme vom 26.2.2020 zum Ersuchen, eine Bestätigung über die Versendung jenes E-Mails vorzulegen, mit dem die bP darüber informiert worden sei, dass sie einen Bescheid in ihrem eAMS-Konto empfangen habe, bekannt, dass dieses E-Mail über IBM habe ausgehoben werden können. Zum weiteren Ersuchen, bekanntzugeben, auf welche Art und Weise das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zustellung durch einen Zustelldienst von Seiten des AMS überprüft worden sei (z.B. Erteilung eines Auftrags an den Ermittlungs- und Zustelldienst gemäß § 34 Abs. 1 ZustG) und Nachweise über die diesbezüglichen Erhebungen vorzulegen, teilte das AMS mit, dass das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zustellung durch den Zustelldienst von Seiten des AMS nicht gesondert überprüft worden sei, vielmehr sei das AMS davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen nicht zutreffen würden.

Aus dem der Stellungnahme des AMS vom 26.2.2020 beigelegten E-Mail des IBM Service-Desk-Teams im Auftrag der IT-Helpline des AMS vom 24.2.2020 ist ersichtlich, dass am 9.1.2019 um 08:29 Uhr eine E-Mail-Benachrichtigung über die Bereithaltung einer neuen Nachricht im eAMS-Konto an die E-Mail-Adresse der bP versendet worden war. Des Weiteren geht daraus hervor, dass der einzige protokollierte Login in das eAMS-Konto der bP am 7.12.2016 um 14:14:52 Uhr stattgefunden hat. Nach Übermittlung des verfahrensgegenständlichen Bescheides ist kein Login erfolgt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die bP stellte am 2.12.2016 einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Dabei bekundete sie Interesse an der Nutzung eines eAMS-Kontos und wurde ihr am selben Tag eine entsprechende Zugangskennung (Benutzername und Passwort) in einem verschlossenen Kuvert übergeben. Die bP bestätigte mit ihrer Unterschrift, dass der Berater der AMS-Geschäftsstelle sie über die Nutzungsbedingungen des eAMS-Kontos informiert hat und diese im eAMS-Konto nachzulesen sind. Am 7.12.2016 aktivierte die bP ihr eAMS-Konto. Bei diesem ersten – und einzigen – erfolgreichen Einstieg der bP in ihr eAMS-Konto musste sie die Nutzungsbedingungen als gelesen und akzeptiert bestätigen.

Die "Bedingungen für die Nutzung des eAMS Kontos für Personen (AMS Dienstleistungen auf elektronischem Weg)" lauteten in der im Jahr 2016 geltenden Fassung auszugsweise wie folgt:

"[…]

Verpflichtung zur Nutzung

Inhaberinnen und Inhaber einer Zugangskennung für ein eAMS-Konto verpflichten sich, in Zeiträumen, in denen sie arbeitslos vorgemerkt sind und/oder Leistungen bzw. Beihilfen vom AMS erhalten, zu einer regelmäßigen Nutzung des eAMS-Kontos. Dies bedeutet, dass insbesondere die Nachrichten des AMS, die im Nachrichteneingang des eAMS-Kontos einlangen, zu beachten und daraus resultierende Veranlassungen (zB Bewerbungen bei einem Dienstgeber auf Grund eines Vermittlungsvorschlages) zu treffen sind. Die Nutzerinnen und Nutzer des eAMS-Kontos erhalten als Unterstützung, damit sie dieser Verpflichtung jedenfalls auch nachkommen können, eine Erinnerung via E-Mail, wenn eine Nachricht im eAMS-Konto nicht schon am Tag des Einlangens im Konto aufgerufen wurde.

Die Inhaber und Inhaberinnen einer Zugangskennung stimmen darüber hinaus zu, dass das AMS auch über die Dauer einer Vormerkung beim AMS bzw. eines Leistungsbezuges hinaus das eAMS-Konto zur Übermittlung von Nachrichten verwendet. Als derartige Nachrichten kommen zB weitere Mitteilungen auf Grund rückwirkender Änderungen eines Leistungsbezuges und allfällige daraus resultierende Rückforderungsbescheide sowie Zahlungserinnerungen in Frage. Ist der Inhaber bzw. die Inhaberin der Zugangskennung damit nicht einverstanden, verpflichtet er/sie sich entweder die E-Mail Adresse aus dem eAMS-Konto zu entfernen oder das Konto zur Gänze zu löschen.

[…]"

Am 14.11.2018 stellte die bP einen neuerlichen Antrag auf Arbeitslosengeld und bezog jedenfalls im Zeitraum von 16.11.2018 bis 30.11.2018 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Mit - per eAMS übermittelten – Schreiben des Arbeitsmarktservice Hallein (im Folgenden "AMS") vom 20.12.2018 wurde die bP von der Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger informiert. Es erfolgte keine Reaktion.

Mit Bescheid vom 7.1.2019 sprach das AMS aus, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum von 16.11.2018 bis 30.11.2018 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde und die bP gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 407,70 verpflichtet werde.

Der Bescheid wurde am 7.1.2019 vom Bundesrechenzentrum an das eAMS-Konto der bP versandt und dort am 8.1.2019 empfangen. Am 9.1.2019 um 8:29 Uhr wurde eine Verständigung mit folgendem Inhalt an die dem AMS bekanntgegebene E-Mail-Adresse der bP versendet:

"Sehr geehrte Frau […], wir haben eine neue Nachricht für Sie. Bitte steigen Sie in Ihr eAMS-Konto ein und rufen Sie Ihre neue Nachricht ab. Hier kommen Sie zu Ihrem eAMS-Konto: […]"

Das AMS hat vor Zustellung des Bescheides vom 7.1.2019 über das eAMS-Konto der bP keinen Auftrag an den Ermittlungs- und Zustelldienst gemäß § 34 Abs. 1 ZustG erteilt. Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zustellung durch einen Zustelldienst wurde von Seiten des AMS nicht überprüft, vielmehr ist das AMS davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen nicht zutreffen würden.

Der einzige protokollierte erfolgreiche Login in das eAMS-Konto der bP fand am 7.12.2016 statt. Die bP loggte sich seither – auch nach dem Eingang des Bescheides vom 7.1.2019 auf dem eAMS-Konto am 8.1.2019 sowie dem Erhalt neuer Zugangsdaten am 15.4.2019 – nicht wieder in ihr eAMS-Konto ein. Auf den in ihrem eAMS-Konto bereitgehaltenen Bescheid vom 7.1.2019 hat sie nicht zugegriffen.

Da die Forderung aus der Arbeitslosenversicherung in der Höhe von EUR 407,70 trotz der – per eAMS übermittelten - ausgesandten ersten Mahnung vom 18.02.2019 weiter aushaftete, wurde der bP vom Arbeitsmarktservice Hallein auf dem Postweg eine 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ datiert mit 18.03.2019 übermittelt.

Nach Erhalt dieser postalisch übermittelten Mahnung am 19.3.2019 erhob die bP mit Schreiben vom 25.3.2019 (beim AMS am selben Tag eingelangt) Beschwerde ("Einspruch") gegen die 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ vom 18.03.2019.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt des AMS Hallein sowie die auf Anfrage des erkennenden Gerichtes übermittelten Stellungnahmen (samt Beilagen) vom 14.5.2019 und 26.2.2020. Die getroffenen Feststellungen gehen unmittelbar aus dem Akteninhalt hervor.

Dass die bP seit dem Jahr 2016 über ein eAMS-Konto verfügt und am 2.12.2016 die entsprechenden Zugangsdaten (Zugangskennung aus Benutzernamen und Passwort) erhalten hat, ergibt sich aus der seitens des AMS vorgelegten Bestätigung, die am 2.12.2016 von der bP unterfertigt worden war. Die Aktivierung des eAMS-Kontos am 7.12.2016 ist in der im Akt erliegenden eAMS-Kontoinformation dokumentiert und deckt sich dies mit den Ausführungen in dem vom AMS vorgelegten E-Mail des IBM Service-Desk-Teams im Auftrag der IT-Helpline des AMS; daraus geht hervor, dass der – einzige protokollierte erfolgreiche – Login in das eAMS-Konto der bP am Tag der Aktivierung (7.12.2016) stattgefunden hat. Es bestehen somit keine Zweifel daran, dass die bP über die Nutzungsbedingungen des eAMS-Kontos informiert wurde und diese, wie aus technische Gründen erforderlich, durch entsprechendes "Abhaken" beim ersten Einstieg in das Konto als gelesen und akzeptiert bestätigt hat. Der Inhalt dieser Nutzungsbedingungen, insbesondere die Bestimmungen über die Verpflichtung zur Nutzung des eAMS-Kontos, geht zweifelsfrei aus der im Akt erliegenden Fassung dieser Bedingungen aus dem Jahr 2016 hervor.

Dass der bP am 9.1.2019 eine Verständigung über die Bereithaltung einer Nachricht in ihrem eAMS-Konto übermittelt wurde, ergibt sich ebenso wie der Umstand, dass – abgesehen von dem Login am 7.12.2016 – kein weiterer erfolgreicher Login in das eAMS-Konto der bP mehr stattgefunden hat, aus dem E-Mail des IBM Service-Desk-Teams im Auftrag der IT-Helpline des AMS vom 24.2.2020. Ein Zugriff der bP auf den in ihrem eAMS-Konto bereitgehaltenen Bescheid vom 7.1.2019 kann daher nicht stattgefunden haben.

Dies stimmt schließlich auch mit dem Vorbringen der bP überein, die angibt, erst nach Erhalt der postalisch übermittelten Mahnung am 19.3.2019 Beschwerde ("Einspruch") gegen die Rückforderung des Arbeitslosengeldes erhoben zu haben. Der Umstand der Rückforderung und die Höhe des Rückforderungsbetrages ergibt sich unmissverständlich aus dieser Mahnung, ein Zugriff auf die zuvor per eAMS-Konto übermittelten Erledigungen war hierfür nicht erforderlich. Mangels Kenntnis der per eAMS-Konto übermittelten Erledigungen richtet sich die erhobene Beschwerde (Einspruch) zweifelsfrei gegen die postalisch übermittelte 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ vom 18.03.2019.

Der Umstand, dass – abgesehen von dem Login am 7.12.2016 – kein weiterer erfolgreicher Login in das eAMS-Konto stattgefunden hat, ergibt sich sohin nicht nur aus der diesbezüglichen Information des IBM Service-Desk-Teams, sondern auch aus dem Verhalten der bP. Während sie auf die per eAMS übermittelten Erledigungen nicht reagierte, erfolgte auf die einzige postalisch übermittelte Erledigung beinahe unverzüglich das – mit „Einspruch – Rückforderung Arbeitslosengeld – bezeichnete Antwortschreiben.

Die Feststellung, dass das AMS vor Übermittlung des Bescheides vom 7.1.2019 über das eAMS-Konto der bP keinen Auftrag an den Ermittlungs- und Zustelldienst gemäß § 34 Abs. 1 ZustG erteilt hat, sondern - ohne weitere Schritte zu setzen - von dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Zustellung durch einen Zustelldienst ausgegangen ist, ergibt sich unmittelbar aus der Stellungnahme des AMS vom 26.2.2020.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch einen Senat, anzuwendendes Verfahrensrecht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

II.3.2. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der zeitraumbezogen anwendbaren Fassung:

Artikel 130. Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

§ 2 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 40/2017 lautet auszugsweise:

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

[…]

5. „elektronische Zustelladresse“: eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse;

[…]

7. „Zustelldienst“: ein Universaldienstbetreiber (§ 3 Z 4 PMG) sowie ein Zustelldienst im Anwendungsbereich des 3. Abschnitts;

8. „Ermittlungs- und Zustelldienst“: der Zustelldienst, der die Leistungen gemäß § 29 Abs. 2 zu erbringen hat;

[…]

§ 34 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

Ermittlung des Zustelldienstes und Übermittlung des zuzustellenden Dokuments an diesen

§ 34. (1) Soll die Zustellung durch einen Zustelldienst erfolgen, so hat die Behörde den Ermittlungs- und Zustelldienst zu beauftragen, zu ermitteln, ob der Empfänger

1. bei einem Zustelldienst angemeldet ist und

2. die Zustellung nicht gemäß § 33 Abs. 2 zweiter Satz ausgeschlossen hat.

Liegen diese Voraussetzungen vor, so sind die Informationen gemäß § 33 Abs. 1 Z 6 und 7 sowie die Internetadresse des Zustelldienstes, bei dem der Empfänger angemeldet ist, der Behörde zu übermitteln; andernfalls ist der Behörde mitzuteilen, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Steht der Behörde ein vom Empfänger akzeptiertes Format zur Verfügung, so hat sie das zuzustellende Dokument in diesem Format sowie gegebenenfalls in verschlüsselter Form dem Zustelldienst zu übermitteln.

(2) Eine Abfrage zur Ermittlung der in Abs. 1 angeführten Daten darf nur auf Grund eines Auftrags einer Behörde nach Abs. 1 oder zum Zweck der nachweislichen Zusendung von Dokumenten im Auftrag von Privaten (§ 29 Abs. 3) vorgenommen werden. Als Suchkriterien dürfen nur die Daten gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 bis 5 verwendet werden.

(3) Bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Zustelldiensten ist jenen der Vorzug zu geben, gegenüber denen der Empfänger Angaben über die inhaltliche Verschlüsselung (§ 33 Abs. 1 Z 7) gemacht hat.

§ 37 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 40/2017 lautet:

Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde

§ 37. (1) Zustellungen ohne Zustellnachweis können auch an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde erfolgen. Das Dokument gilt mit dem Zeitpunkt des Einlangens bzw. nach dem erstmaligen Bereithalten des Dokuments beim bzw. für den Empfänger als zugestellt. Bestehen Zweifel darüber, ob bzw. wann das Dokument beim Empfänger eingelangt ist bzw. für ihn bereitgehalten wird, hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens bzw. der Bereithaltung von Amts wegen festzustellen.

(1a) Das elektronische Kommunikationssystem der Behörde hat den Empfänger unverzüglich davon zu verständigen, dass ein Dokument für ihn zur Abholung bereitliegt. Diese elektronische Verständigung ist an die dem Kommunikationssystem der Behörde bekanntgegebene elektronische Adresse des Empfängers zu versenden. Hat der Empfänger mehrere solcher Adressen bekanntgegeben, so ist die elektronische Verständigung an alle Adressen zu versenden.

(2) Bevor eine Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem erfolgt, hat die Behörde einen Auftrag gemäß § 34 Abs. 1 zu erteilen. Die Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem ist unzulässig, wenn sich ergibt, dass die Voraussetzungen für die Zustellung durch einen Zustelldienst vorliegen.

(3) Das elektronische Kommunikationssystem der Behörde hat die Weiterleitung der das Dokument beschreibenden Daten sowie die elektronische Information für die technische Möglichkeit der elektronischen identifizierten und authentifizierten Abholung des Dokuments dem Anzeigemodul (§ 37b) anzubieten.

§ 40 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 42/2020 lautet auszugsweise:

Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen

[…]

(12) § 28a samt Überschrift und § 37b Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2018 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. § 28 Abs. 2 bis 4, § 28b Abs. 1 bis 3 und 6, § 29 Abs. 1 und 3 bis 5, § 30 Abs. 1, 3 bis 5, § 31, § 34 samt Überschrift, § 35 Abs. 1 bis 5, § 36 samt Überschrift, § 37 Abs. 1a bis 5, § 37b Abs. 1, 2, 4, 6 und 8 sowie § 39 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2018 treten mit Beginn des siebenten auf den Tag der Kundmachung der Verfügbarkeit des Teilnehmerverzeichnisses gemäß § 28a Abs. 3 folgenden Monats in Kraft. Zugleich treten § 29 Abs. 2 und 6, § 32 samt Überschrift, § 33 samt Überschrift, § 35 Abs. 9 und § 40 Abs. 6 außer Kraft. Die Überschrift zu § 28b und § 28b Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2018 treten mit Beginn des zweiten auf den Tag der Kundmachung der Verfügbarkeit des Teilnehmerverzeichnisses gemäß § 28a Abs. 3 folgenden Monats in Kraft.

[…]

Die Verordnung des Bundesministers für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Verfügbarkeit des Teilnehmerverzeichnisses, BGBl. II Nr. 140/2019, kundgemacht am 28.5.2019, lautet:

Gemäß § 28a Abs. 3 Zustellgesetz – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2018, wird die Verfügbarkeit des Teilnehmerverzeichnisses gemäß § 28a ZustG kundgemacht.

II.3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

II.3.3.1. Fehlende Bescheidqualität der bekämpften Erledigung

Beschwerden können, wie aus Art. 130 B-VG hervorgeht, nur gegen Bescheide und sonstige bestimmte Rechtsakttypen erhoben werden, nicht jedoch gegen andere Verwaltungsakte. In Fortführung des bisherigen allgemeinen verfahrensrechtlichen Verständnisses ist daher eine Beschwerde, die gegen eine nicht bescheidmäßige Erledigung erhoben wurde, gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zu § 66 AVG, VwGH vom 19.02.1993, Zl. 92/09/0365) .

Das mit „Einspruch – Rückforderung Arbeitslosengeld“ betitelte Schreiben der bP vom 25.03.2019 richtet sich gegen die vom AMS Hallein auf dem Postweg übermittelte 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ vom 18.03.2019, welche zweifelsfrei keine Bescheidqualität besitzt und auch keinem der Rechtsakttypen des Art. 130 B-VG entspricht. Die „Beschwerde" (Einspruch) ist daher jedenfalls mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als unzulässig zurückzuweisen.

II.3.3.2. Zustellung des Bescheides des AMS vom 07.01.2019

Vollständigkeitshalber wird im Folgenden auf die Zustellung des Bescheides des AMS vom 07.01.2019 eingegangen. Seitens des AMS wurde die Beschwerde (Einspruch) der bP vom 25.3.2019 gegen die 2. Mahnung als Beschwerde gegen den Bescheid vom 7.1.2019 gewertet und diese folglich im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung als verspätet zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht ein mangelhafter und dementsprechend gesetzwidriger Zustellvorgang einer rechtswirksamen Zustellung entgegen und löst den Beginn der Rechtsmittelfrist nicht aus (VwGH vom 29.10.2015, 2013/07/0102; vom 7.3.2016, Ra 2015/02/0233; vom 2.9.2019, Ra 2019/02/0129). Wird ein Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt, ist dieser nicht erlassen und entfaltet somit auch keine Rechtswirkungen (vgl. VwGH vom 18.10.2000, 95/08/0330; vom 9.8.2013, 2013/08/0137; vom 24.6.2015, Ra 2014/04/0042).

Es war daher zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall eine rechtswirksame Zustellung der Erledigung vom 7.1.2019 vorliegt:

§ 46 Abs. 1 AlVG sieht seit BGBl. I Nr. 5/2010 vor, dass Personen, die über ein sicheres elektronisches Konto beim Arbeitsmarktservice (eAMS-Konto) verfügen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld – unter bestimmten Voraussetzungen – auf elektronischem Weg über dieses geltend machen können. Zweck der Gesetzesänderung durch BGBl. I Nr. 5/2010 war die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die elektronische Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld sowie die Erleichterung der neuerlichen Geltendmachung und Wiedermeldung nach Bezugsunterbrechungen (AB 543 BlgNR XXIV.GP 1). Zur näheren Ausgestaltung eines solchen eAMS-Kontos gibt es im AlVG keine Vorgaben des Gesetzgebers. Es wurde vom AMS derart umgesetzt, dass es einen gesicherten direkten Zugang für Personen zu beim AMS vorgemerkten Daten über das Internet bietet. Eine authentifizierte Person kann Einsicht in ihre Daten nehmen. Unter Verwendung der zur Verfügung gestellten eServices können Anbringen an das AMS eingebracht werden und seitens des AMS Erledigungen vorgenommen werden. Sowohl die Beantragung als auch die Nutzung eines eAMS-Kontos basieren ausschließlich auf Freiwilligkeit (vgl. Leitner/Urschler in Pfeil, Der AlVG-Komm, § 46 AlVG, Rz 20 f).

Eine Rechtsgrundlage für die Zustellung eines Bescheides über das eAMS-Konto besteht im AlVG bzw. in den Verfahrensgesetzen (vgl. § 28 Abs. 1 ZustG) allerdings nicht, sodass die im konkreten Fall vorgenommene Zustellung im Wege des eAMS-Kontos nach den allgemeinen Vorschriften über die elektronische Zustellung (§§ 28 ff ZustG) zu beurteilen ist. Nach § 37 ZustG in der anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 40/2017 (vgl. § 40 Abs. 12 ZustG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 140/2019, mit der am 28.5.2019 die Verfügbarkeit des Teilnehmerverzeichnisses gemäß § 28a Abs. 3 ZustG kundgemacht wurde) besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde.

Zustellungen ohne Zustellnachweis können gemäß § 37 Abs. 1 ZustG an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde erfolgen. Das Dokument gilt mit dem Zeitpunkt des Einlangens bzw. nach dem erstmaligen Bereithalten des Dokuments beim bzw. für den Empfänger als zugestellt. Mit BGBl. I Nr. 5/2008 (in Kraft getreten mit 1.1.2009) wurde § 37 ZustG um einen zweiten Absatz ergänzt, der nunmehr vorsieht, dass die Behörde, bevor eine Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem erfolgt, einen Auftrag gemäß § 34 Abs. 1 ZustG zu erteilen hat. Die Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem ist unzulässig, wenn sich ergibt, dass die Voraussetzungen für die Zustellung durch einen Zustelldienst vorliegen. Zweck der Einführung des Abs. 2 leg. cit. war, eine größere Akzeptanz der Zustellung durch Zustelldienste in der Bevölkerung zu erreichen. Dem Gesetzgeber war im Zeitpunkt der Gesetzwerdung bewusst, dass die neu eingeführte Bestimmung bei bestehenden elektronischen Kommunikationssystemen von Behörden technische Anpassungen erforderlich machen würde, weshalb eine Legisvakanz bis 1.1.2019 vorgesehen wurde (vgl. ErläutRV 294 BlgNR XXIII. GP 25).

Nach § 37 Abs. 2 erster Satz ZustG hat die Behörde daher, bevor sie eine Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem vornimmt, den Ermittlungs- und Zustelldienst zu beauftragen, zu ermitteln, ob der Empfänger bei einem Zustelldienst angemeldet ist (Z 1) und die Zustellung nicht gemäß § 33 Abs. 2 zweiter Satz ZustG ausgeschlossen hat (Z 2).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen zur Zustellung eines Bescheides des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer an einen Verfahrenshelfer im Wege der – ohne ersichtliche Rechtsgrundlage vorgenommenen – "Teilnehmer-Direktzustellung" ausgesprochen, dass auch § 37 ZustG als Rechtsgrundlage für einen solchen Zustellvorgang nicht in Betracht kommt, weil weder Anhaltspunkte für die Mitteilung einer "elektronischen Zustelladresse" durch den Verfahrenshelfer für das gegenständliche Verfahren (§ 2 Z 5 ZustG) noch für die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer vorgelegen sind; es liegt daher ein Zustellmangel vor (vgl. zuletzt VwGH vom 28.6.2018, Ro 2018/08/0004; sowie VwGH vom 3.5.2016, Ra 2015/18/0236; vom 5.10.2016, Ra 2016/19/0109; vom 9.11.2016, Ra 2016/19/0156; vom 14.12.2016, Ra 2016/19/0131; vom 23.2.2017, Ra 2016/20/0229; vom 23.3.2017 Ra 2016/20/0267; vom 13.6.2017, Ra 2016/01/0289).

Diese Rechtsprechung ist auf den gegenständlichen Fall übertragbar:

Wie bereits ausgeführt, besteht eine sondergesetzliche Rechtsgrundlage für eine Zustellung über das eAMS-Konto nicht. Auch § 37 ZustG kommt im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Rechtsgrundlage für den gegenständlichen Zustellvorgang nicht in Betracht. So bestehen zum einen keine Anhaltspunkte dafür, dass die bP der Behörde eine elektronische Zustelladresse im Sinne des § 2 Z 5 ZustG mitgeteilt hätte bzw. dafür, dass eine Zustellung der Erledigung vom 7.1.2019 an eine solche elektronische Zustelladresse vorgenommen worden sei. Der bP hat dem AMS zwar eine "elektronische Adresse" (E-Mail-Adresse) bekanntgegeben; nach den Nutzungsbedingungen für das eAMS-Konto (vgl. die Bestimmungen über die "Verpflichtung zur Nutzung") erhalten Nutzer eine Erinnerung via E-Mail, wenn eine Nachricht im eAMS-Konto nicht schon am Tag des Einlangens im Konto aufgerufen wurde. Dass die bP ihre elektronische Adresse dem AMS aber jemals im Sinne des § 2 Z 5 ZustG (als "elektronische Zustelladresse") für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegeben hätte, ist nicht ersichtlich. Eine Zustellung an eine elektronische Zustelladresse ist gegenständlich aber ohnedies schon deshalb zu verneinen, weil der bP am 9.1.2019 lediglich eine Verständigung über eine im eAMS-Konto bereitgehaltene Nachricht zugesendet wurde, nicht aber die Erledigung selbst. Zum anderen wurde in der Stellungnahme des AMS vom 26.2.2020 auch die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG vor der Zustellung über das eAMS-Konto – welches an sich zweifellos als elektronisches Kommunikationssystem der Behörde anzusehen wäre – ausdrücklich verneint. Nach der zitierten Rechtsprechung liegt daher ein Zustellmangel vor, der jedoch gemäß § 7 ZustG geheilt wird, wenn das zuzustellende Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Dabei kommt es im Fall der elektronischen Zustellung auf den Zeitpunkt des Zugriffs auf das am Bereithaltungsserver liegende Dokument an (vgl. nochmals VwGH vom 28.6.2018, Ro 2018/08/0004, mit Hinweis auf VwGH Ra 2016/19/0131; Ra 2016/20/0267; Ra 2016/01/0289, mwN). Eine Heilung des Zustellmangels durch tatsächliches Zukommen gemäß § 7 ZustG konnte im gegenständlichen Fall nicht eintreten, da sich die bP nach Empfang des Bescheides vom 7.1.2019 auf ihrem eAMS-Konto am 8.1.2019 nicht mehr in ihr eAMS-Konto eingeloggt hat und ein Zugriff auf das am Bereithaltungsserver liegende Dokument damit ausgeschlossen ist.

Nach der oben bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht ein mangelhafter und dementsprechend gesetzwidriger Zustellvorgang einer rechtswirksamen Zustellung entgegen und ist der Bescheid damit nicht erlassen.

Da die Zustellung des Bescheides des AMS vom 7.1.2019 zum Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.04.2019 nicht erfolgt war, erweist sich die Zurückweisung der Beschwerde (Einspruch) als verspätet jedenfalls als rechtswidrig.

II.3.3.3. Die Beschwerdevorentscheidung war sohin aufzuheben und die Beschwerde spruchgemäß mangels Bescheidqualität der bekämpften 2. Mahnung „Rückersatz von Leistungen“ des Arbeitsmarktservice Hallein vom 18.03.2019 als unzulässig zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die Zurückweisung mangels Bescheidqualität der bekämpften Erledigung dem bisherigen allgemeinen verfahrensrechtlichen Verständnisses bzw. der ständigen Rechtsprechung folgt.

Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Im Hinblick auf die Zurückweisung der Beschwerde konnte von der Durchführung einer Verhandlung im Sinne von § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden.

Schlagworte

Bescheidqualität Beschwerdevorentscheidung Mahnung Unzulässigkeit der Beschwerde Zurückweisung Zustellmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2218559.1.00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten