TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 W121 2127006-1

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

ArbVG §144
AVG §13 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W121 2127006-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika ENZLBERGER-HEIS als Einzelrichterin über die Beschwerde des Gemeinsamen Betriebsrats der Arbeiter und Angestellten der XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Schlichtungsstelle beim Arbeits- und Sozialgericht XXXX vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX ,

A)

I.) zu Recht erkannt:

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II.) beschlossen:

Das Verfahren wird eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Eingabe vom XXXX beantragte die ursprüngliche Antragstellerin, XXXX (im Folgenden: Mitbeteiligte), die Errichtung einer Schlichtungsstelle gemäß § 144 ArbVG und die Entscheidung der Schlichtungsstelle über den Erlass einer neuen Betriebsvereinbarung zur Abänderung der Betriebsvereinbarung zur kontinuierlichen Schichtarbeit im Produktionsbetrieb der Mitbeteiligten, mit welcher die bisherige Betriebsvereinbarung vom XXXX , abgeschlossen zwischen der Mitbeteiligten und dem Gemeinsamen Betriebsrat der Arbeiter und Angestellten der XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer), betreffend die kontinuierliche Schichtarbeit im Produktionsbetrieb, hinsichtlich der in der neuen Betriebsvereinbarung angeführten Punkte vollinhaltlich ersetzt wird.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid der Schlichtungsstelle des Arbeits- und Sozialgerichts XXXX wurde dem Antrag der Mitbeteiligten stattgegeben. Die bekämpfte Betriebsvereinbarung vom XXXX wurde durch den Bescheid der Schlichtungsstelle ersetzt. Die Betriebsvereinbarung wurde in dem von der Mitbeteiligten beantragten Umfang für abgeschlossen erklärt.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am XXXX fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

Am XXXX wurde eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht durchgeführt.

In weiterer Folge langten zahlreiche Stellungnahmen beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom XXXX zog die Mitbeteiligte (ursprüngliche Antragstellerin) den verfahrenseinleitenden Antrag vom XXXX zurück und begründete dies damit, dass sich die Parteien außergerichtlich auf eine neue Betriebsvereinbarung geeinigt haben.

Im hierzu gewährten Parteiengehör gab die Beschwerdeführerin keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid der Schlichtungsstelle des Arbeits- und Sozialgerichts XXXX wurde dem verfahrenseinleitenden Antrag der nunmehrigen Mitbeteiligten stattgegeben. Die bekämpfte Betriebsvereinbarung vom XXXX wurde durch den verfahrensgegenständlichen Bescheid der Schlichtungsstelle ersetzt. Die Betriebsvereinbarung wurde in dem von der Mitbeteiligten beantragten Umfang für abgeschlossen erklärt.

Mit Schreiben vom XXXX zog die Mitbeteiligte (ursprüngliche Antragstellerin) den verfahrenseinleitenden Antrag vom XXXX ausdrücklich zurück.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde samt den im Verfahren vorgelegten Unterlagen und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Eingabe vom XXXX ist eindeutig formuliert und lässt keinen Zweifel am Willen der Mitbeteiligten zu, ihren verfahrenseinleitenden Antrag vom XXXX zurückziehen zu wollen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 144 Abs 1 ArbVG ist zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Abschluss, die Änderung oder die Aufhebung von Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, in welchen das Gesetz die Entscheidung durch Schlichtungsstellen vorsieht, auf Antrag eines der Streitteile eine Schlichtungsstelle zu errichten. Die Schlichtungsstelle ist am Sitz des mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befassten Gerichtshofes, in dessen Sprengel der Betrieb liegt, zu errichten. Bei Streitigkeiten über den Abschluss, die Änderung oder Aufhebung von Betriebsvereinbarungen, deren Geltungsbereich Betriebe umfasst, die in zwei oder mehreren Sprengeln liegen, ist der Sitz des Unternehmens, dem die Betriebe angehören, maßgebend. Durch Vereinbarung der Streitteile kann die Schlichtungsstelle am Sitz eines anderen mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befassten Gerichtshofes errichtet werden. Ein Antrag auf Entscheidung einer Streitigkeit durch die Schlichtungsstelle ist an den Präsidenten des in Betracht kommenden Gerichtshofes zu richten.

Gemäß § 146 Abs 2 letzter Satz ArbVG kann gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Mangels materiengesetzlicher Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Daher wird der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren in der Beschwerde begrenzt. Die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützen kann, umfassen insbesondere Verfahrens-fehler, materielle Rechtswidrigkeit oder Unzuständigkeit der Behörde (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2013, § 27, K3).

Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften von Amts wegen aufgreifen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2013, § 27, K2).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Zu A.I.) Behebung des Bescheides:

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG kann ein Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Darunter sind gemäß § 13 Abs. 1 AVG alle Arten von Verfahrenshandlungen zu verstehen, mit denen Beteiligte an eine Behörde herantreten können (vgl. hierzu VwGH 16.8.2017, Ro 2017/22/0005).

Die Zurückziehung eines Antrages ist so lange möglich, als dieser noch unerledigt ist. Dies bedeutet für jene Fälle, in denen der verfahrenseinleitende Antrag auf die Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall einer Berufung, auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheides möglich ist. Diese zum früheren Berufungsverfahren vor den Verwaltungsbehörden ergangene Rechtsprechung ist auf das seit 01.01.2014 bestehende Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu übertragen (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2016/08/0041 mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom 23.01.2014, Zl. 2013/07/0235, ausgeführt hat, bewirkt – wenn der verfahrenseinleitende Antrag im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht eine wesentliche Änderung erfährt und der Antragsteller damit eindeutig zu erkennen gibt, dass er seinen ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrag nicht mehr aufrechterhält – die (konkludente) Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht ist somit gehalten, den bekämpften Bescheid (ersatzlos) zu beheben (vgl. VwGH E 19. 11. 2014, Ra 2014/22/0016; E 23.01.2014, 2013/07/0235).

Im vorliegenden Fall einer noch offenen Beschwerde hat die ursprüngliche Antragstellerin des verfahrensleitenden Antrags als nunmehrige Mitbeteiligte im Rahmen ihres Schriftsatzes vom XXXX ihren ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrag ausdrücklich zurückgezogen. Der vom Beschwerdeführer bekämpfte Bescheid war somit spruchgemäß in Erledigung der Beschwerde ersatzlos zu beheben.

Zu A.II.) Einstellung des Verfahrens:

Da die Mitbeteiligte den verfahrenseinleitenden Antrag zurückgezogen hat und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben wurde, ist der Beschwerdegegenstand vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr gegeben.

Nach der Rechtsprechung des VwGH geht aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG hervor, dass eine bloß formlose Beendigung eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH vom 29.04.2015, Fr 2014/20/0047). Daher war das Verfahren mit Beschluss einzustellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragszurückziehung Betriebsvereinbarung ersatzlose Behebung Schlichtungsstelle Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W121.2127006.1.00

Im RIS seit

09.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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