TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/27 W124 2218438-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


W124 2218438-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 sowie 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste am XXXX unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er an, er heiße XXXX , stamme aus XXXX Punjab, Indien, sei ledig, bekenne sich zum Hinduismus und gehöre der Volksgruppe der Hindu an. Er habe zwölf Jahre lang die Grundschule besucht und verfüge über keine Berufsausbildung; einen zuletzt ausgeübten Beruf gab er im Rahmen der Erstbefragung nicht an. Der BF spreche Punjabi.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, er habe in Indien mehrere Morddrohungen erhalten., Sein Land habe er verlassen, um sein noch junges Leben zu retten. Im Falle einer Rückkehr befürchte der BF, von den Sikhs getötet zu werden.

3. Am XXXX fand vor dem BFA eine niederschriftliche Einvernahme statt, in der der BF zunächst zu den Modalitäten seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat und der Reiseroute befragt wurde. Im Übrigen gab der BF an, seine Eltern würden noch in seinem Heimatdorf leben und auch diese hätten zum Zeitpunkt seiner Ausreise Probleme gehabt. Seitdem habe er jedoch keinen Kontakt mehr zu ihnen. Nachgefragt gab der BF an, weitere Verwandte in einem anderen Dorf zu haben, welche ebenfalls Hindu seien und dort in der Minderheit leben würden. Zu seinem Fluchtgrund gab er ferner an, wie er bereits erzählt habe, dass in seinem Wohnort XXXX Sikhs leben würden. Der BF sei ein Sympathisant der „Shivsena“, einer Gruppierung, welche Propaganda für den hinduistischen Glauben betreibe. Die Sikhs hätten ihm mit dem Tod gedroht. Sie hätten ihn und seine Familie zum Wegzug aus dem Dorf aufgefordert. Da sein Vater jedoch über Grundstücke im Ort verfüge, habe er nicht wegziehen können. Um sein Leben zu retten, hätten ihn seine Eltern ins Ausland geschickt. Auf Nachfrage des BFA, ob der BF weiterhin in seinem Heimatdorf leben könne, wenn er mit der Propaganda aufgehört hätte, gab er an, diese Gruppierung gehöre seiner Religion an und es sei schwierig gewesen, seine Überzeugung aufzugeben; deshalb hätten ihn seine Eltern ins Ausland geschickt – um sein Leben zu retten.

4. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am XXXX (siehe unten 5.) gab der BF folgende in Punjabi verfasste und vom Übersetzungsbüro XXXX ins Deutsche übersetzte Stellungnahme ab XXXX :

„Probleme in Punjab

In Punjab werden viele Aufstände angezettelt, auch in anderen Bundesländern werden Aufstände angezettelt. In dem Ort, in dem ich wohne, gibt es nur drei bis vier Häuser von Hindus, aber es gibt sehr viele Sikhs dort. Wir haben Propaganda für unsere Religion gemacht und deswegen haben mich die Sikhs nicht gemocht. Sie haben drei Mal versucht, mich umzubringen, aber ich bin immer davongekommen. In unserem Viertel gab es einen Mann, welcher von Sikhs erschossen wurde; der war auch Hindu, er gehörte zur Partei, genannt „Shivsena“. Der Täter, welcher XXXX umbrachte, hieß XXXX . Deshalb war mein Leben dort auch in Gefahr. Ich war auch Anhänger der Partei (Anm.: der Shivsena“). Die Sikhs haben viele Attentate begangen, sie haben mir drei Mal mit Erschießen gedroht. Nicht nur in Punjab, sondern in ganz Indien organisiert die Regierung Attentate, um sich selbst besser zu stellen.

Später wurden zwei unserer Parteianhänger von „Nahing“-Sikhs attackiert. Dann haben wir die „Nahing“-Sikhs an die Polizei ausgeliefert, diese haben sie freigelassen und haben uns nicht angehört.

Der Parteivorsitzende XXXX , welcher alles im Sinne der Partei getan hat und auch alles im Zwecke der Hindugemeinschaft, dieser wurde mit acht Kugeln erschossen. XXXX hatte auch schon zuvor Drohungen von der Sikh-Partei erhalten. Wir waren auch bei der Polizei, aber diese haben uns nicht angehört. Unser Parteivorsitzende wurde durch Unachtsamkeit der Regierung umgebracht, wir wurden überhaupt nicht angehört. Wenn man angehört werden möchte, muss man bestechen, das können sich arme Menschen nicht leisten. Außerhalb Punjabs, egal, wohin man geht, ist unser Leben in Gefahr. In Mumbai wurde der Shivsena MLA (Anm.: „Member Legislative Assembly“) Tukaram KATE attackiert.

Danach haben meine Eltern entschieden, mich wegzuschicken, denn sie befürchten, dass mich sonst die Sikhs auch umbringen würden. Deshalb bin ich ins Ausland gekommen, damit ich mein Leben retten kann. Drei Mal wurde versucht, mich umzubringen, aber mein Kismet war gut, dass ich überlebt habe. Gott behüte, mir wäre etwas passiert; die Regierung hätte trotzdem nichts gemacht.

Ich hatte eine Affäre mit einem Mädchen, sie war ein Sikh und ich bin ein Hindu, deshalb musste ich mein Dorf verlassen; sonst hätten sie mich umgebracht.

Politik

Ich bin ein Einwohner des Bundesstaates Punjab. Unser Landeshauptmann Captain Amrinder SINGH unterstützt nur Sikhs und Muslime, und nicht Hindus. Er sitzt nur in der Regierung, um Korruption, Betrug zu fördern, Geld zu machen und um die armen Bürger zu unterdrücken. Wenn die Zeit der Wahlen ist, werden große Versprechen gemacht, dass sie alles billiger machen werden und dass sie der armen Bevölkerung Unterstützung sowie Förderungen geben werden. Wenn eine Partei erst mal gewonnen hat, gibt es keine Hilfe. Keiner hilft den Bedürftigen. Wenn wir zur Polizei gehen, werden wir nicht angehört. Ohne Geld macht die Polizei nichts. Sie nehmen von armen Bürgern wie uns Bestechungsgelder. Das ganze System ist kaputt. Ohne gute Beziehungen wird man nicht gehört. Die Regierung sagt, dass die jungen Menschen staatliche Anstellungen bekommen, aber die Regierung will nur für sich selbst den größten Nutzen durch ihre Amtsperiode, keiner bekommt staatliche Anstellungen. Die Rate der Drogenabhängigen steigt im Punjab, viele junge Menschen sind drogenabhängig und haben sich bereits ihre Jugend ruiniert, weil sie keine Arbeit bekommen.

Die Arbeitslosigkeit ist im Punjab stark gestiegen. Sogar wenn wir zu Gericht gehen, dann werden wir auch nicht gehört. Man wird nur gehört, wenn man Beziehungen hat oder man muss bestechen, damit etwas passiert. Zuerst einmal muss man oftmals zu Gericht gehen und trotzdem muss man dann auch noch die mit der schwarzen Robe (Anm.: am indischen Gericht tragen sowohl Anwalt als auch Richter eine schwarze Robe) bestechen, denn sie machen nichts ohne Geld. Auch im Gericht herrscht die Regierung. Arme Menschen werden betrogen, man schiebt ihre Gerichtstermine immer wieder auf. Mit armen Bauer wird sehr schlecht umgegangen. In den Dörfern gibt es keinen Fortschritt durch die Regierung. Vor kurzem – es ist eine Nachricht aus XXXX – ist ein fünfjähriges Kind in den Kanal gefallen und gestorben, wegen der Nachlässigkeit der Behörden. Es wurde kein Kanaldeckel über dem Kanal angebracht, deshalb ist es in die Kanalisation gefallen und ertrunken.

Die Behörde nimmt gar nichts mehr ernst. Das Tehsil XXXX und die Beamten der Kanalisationsbehörde wurden nicht angezeigt. Die Familie des Kindes wurde dabei nicht angehört.

Im Namen unserer Religion werden nicht nur in Punjab, sondern in ganz Indien Aufstände angezettelt. In Punjab wird den Hindus kein Gehör geschenkt. Die Regierung gehört den Sikhs, deswegen hilft sie auch den Sikhs. Den Hindus widerfahren viele Ungereimtheiten.

Selbst wenn wir Punjab verlassen würden und zum Beispiel nach Kaschmir, Hyderabad, Jammu, Lakhnau, Delhi gehen, egal, wohin wir gehen werden, werden im Namen der Religion Aufstände angezettelt; in Delhi werden im Namen der Religion Aufstände angezettelt und in Kashmir, Mumbai werden auch im Namen der Religion Aufstände angezettelt. Der Staat macht das nur, um sich selbst besser zu stellen. In Hyderabad werden Aufstände – Hindus gegen Moslems – angezettelt. Die Regierungsvorsitzenden denken nur an sich selbst. In Indien gibt es die meisten Aufstände im Namen der Religion. Die Regierung lässt keine Chancen aus, die Leute wegen ihrer Religion gegeneinander aufzubringen. Wenn das so weitergeht, dann besteht höchste Nationalgefahr (Anm.: die Gefahr eines Bürgerkrieges).“

5. In der am XXXX durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF an, er sei in XXXX geboren worden und habe dort zehn Jahre lang die Schule besucht; später habe er seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Er hätte noch weiter zur Schule gehen wollen, was aber nicht mehr möglich gewesen sei, da ihn die Sikhs immer wieder aufgehalten hätten. Zu den Wohnbedingungen in seinem Herkunftsstaat befragt gab er an, sie hätten in Indien ein eigenes Haus, ebenerdig, mit Wohnzimmer, Küche, Badezimmer und zwei Schlafzimmern; in diesem Haus hätten zum Zeitpunkt der Ausreise nur er sowie seine Eltern gewohnt. In Indien würden außerdem noch sein Onkel mit seiner Gattin leben; zu ihnen habe der BF jedoch keinen Kontakt. Zur finanziellen Situation seiner Familie befragt gab er an, es habe gut gepasst; sein Vater habe gearbeitet, seine Mutter sei Hausfrau. Sie hätten eine Landwirtschaft gehabt, von der sie gut hätten leben können; sein Vater habe die Landwirtschaft zwecks Finanzierung der Ausreise des BF verkauft.

Zum Zeitpunkt der Befragung habe der BF leider keinen Kontakt zu seinen Eltern. Er glaube, sein Vater sei nun Tagelöhner. Zu seinem Onkel und seiner Tante in Indien habe er deshalb keinen Kontakt mehr, weil zwischen seinem Vater und seinem Onkel vor Jahren um das Grundstück gestritten worden sei; viel wisse er davon nicht.

In seinem Herkunftsstaat sei er weder mit dem Gesetz in Konflikt geraten bzw. strafrechtlich verurteilt worden noch sei er inhaftiert worden oder Probleme mit den Behörden gehabt. Er sei weder politisch aktiv noch Mitglied einer politischen Organisation oder Partei. Auch habe er in seinem Heimatland nie an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen. Allerdings habe er aufgrund seines Religionsbekenntnisses gröbere Probleme mit Privatpersonen gehabt.

Zu seinem Fluchtgrund gab der BF an, er habe in XXXX gelebt, wo nur etwa drei, vier hinduistische Familien leben würden. Wenn er hinausgegangen sei, um etwas zu erledigen, hätten ihn die Sikhs aufgehalten; es sei auch vorgekommen, dass sie ihn geschubst hätten, einmal sei er sogar mit dem Armreif eines Sikhs am Kopf verletzt worden, woraufhin er am Kopf habe genäht werden müssen (BF zeigte dem Einvernehmenden eine Kopfverletzung). Dies sei im Sommer XXXX geschehen. Es sei für ihn schwierig gewesen, das Haus zu verlassen. Es seien Morddrohungen gefolgt, worunter seine Eltern gelitten hätten. Zudem sei – ebenfalls im Sommer XXXX – in seinem Stadtteil ein junger Hindu erschossen worden; seiner Familie sei zuvor mit dem Tod gedroht worden. Nach diesem Vorfall hätten seine Eltern noch größere Angst um sein Leben gehabt.

Nach dem ersten Vorfall (Verletzung des BF) seien er und seine Eltern zur Polizei gegangen, welche jedoch keine Anzeige aufgenommen habe, da sie bestechlich sei. Erst, wenn man der Polizei viel Geld gebe, würde sie überhaupt etwas unternehmen.

Auch der Vorsitzende der Shivsena-Partei, welcher er angehöre, XXXX , sei bedroht und später mit acht Kugeln erschossen worden. Der BF gab an dieser Stelle die oben (unter 4.) wiedergegebene schriftliche Stellungnahme ab. Hierzu äußerte er, hier habe er die Vorfälle noch einmal zu Papier gebracht, damit er, vor lauter Aufregung, nichts vergesse; es stehe auch alles drinnen, drei Mal sei er verletzt und einmal sei auf ihn geschossen worden. Als alles zu viel geworden sei, hätten seine Eltern und auch er aus Angst um sein Leben entschieden, dass er fliehen müsse.

Nachgefragt, warum er von den Sikhs bedroht werde, gab der BF an, er sei ein Sympathisant der Shivsena-Partei und habe für seine Religion Propaganda betrieben; er sei sogar zum etwa XXXX km von seinem Heimatdorf entfernten „Goldenen Tempel“ in XXXX gefahren, wo er von den „Nahing“ verprügelt worden sei. Nahing seien Sikhs, welche blaues Gewand und ein Schwert bei sich tragen würden. Besagter Tempel sei ein Sikh-Tempel. Der BF habe den Tempel mit etwa 30 Angehörigen seiner Partei aufgesucht, um dort Propaganda zu betreiben: Sie seien im Bazar, außerhalb des Tempels gewesen, wo sie lautstark geschrien hätten, „Es lebe der Hinduismus!“, „Es lebe hoch Shivsena!“. Daraufhin seien mehrere Nahing auf sie zugekommen, die große Stöcke und Schwerter gehabt hätten. Die Nahing hätten auf sie eingeschlagen, es habe nur so gerasselt. Dann habe sich die Versammlung aufgelöst und alle seien davongelaufen. Zwei Leute aus seiner Partei seien schwer verletzt worden. Auch er sei davongelaufen. Später sei die Polizei gekommen.

Nachgefragt, welche Reaktion durch die Sikhs der BF auf die genannte Aktion erwartet habe, gab er an, zuvor seien die Nahing aus XXXX gewesen und hätten lautstark geschrien, „Sterben soll der Hindu-Glaube!“. Daraufhin hätten sie eine Anzeige bei der Polizei erstatten wollen; diese sei jedoch nicht angenommen worden. Als sie (der BF und die anderen Parteianhänger) in XXXX gewesen seien, hätten die Nahing am Bazar wieder mit der Propaganda „Der Hindu-Glaube soll sterben!“ begonnen zu provozieren. Erst später hätten der BF und seine Leute mit ihrer Propaganda begonnen. Am Bazar gebe es Hindus und Sikhs.

Auf neuerliche Nachfrage gab der BF an, sie hätten sich nichts dabei gedacht, denn zuvor hätten dessen Vorsitzende ihnen Vorträge über die Hindus gehalten und später seien die Nahing dazugekommen und hätten dann geschrien, „Sterben soll der Hindu-Glaube!“, woraufhin sie geschrien hätten, „Es lebe hoch der Hinduismus!“, „Es lebe hoch Shivsena!“.

Auf wiederholte Nachfrage gab der BF an, seine Parteifreunde hätten ihn mitgenommen. Nachgefragt, ob er also, obwohl er nicht gewusst habe, was passieren würde, dort hingegangen sei, gab der BF an, „Genau.“. Nachgefragt, warum im Besonderen er im Nachhinein bedroht worden sei, gab er an, weil er sei immer vorne dabei gewesen. Nachgefragt, wie es sein könne, dass er Propaganda für seine Religion mache, wobei er immer vorne dabei sei und sich in ein Mädchen verliebe, das eine Sikh sei, gab er an, es sei so, er sei sehr jung und unbedacht gewesen. Das Mädchen habe begonnen und er habe sie dann auch gerne gehabt.

Nachgefragt, warum der BF nicht in eine andere Stadt in Indien gezogen sei, gab er an, er habe niemanden in Indien.

Zu etwaigen weiteren Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er nur die bereits geschilderten und in der Stellungnahme niedergeschriebenen Probleme gehabt habe. Er habe sich ferner geniert, weil er eine Affäre mit einem jungen Mädchen namens XXXX gehabt habe; besagtes Mädchen sei eine Angehörige der Sikh und sei etwa 20 Jahre alt gewesen. Die Affäre habe XXXX begonnen und ein Jahr gedauert. Dies sei auch ein großes Problem gewesen, denn die Eltern des Mädchens hätten dies erfahren. Angehörige des Mädchens hätten versucht ihn zusammenzuschlagen, aber der BF habe immer wieder zu seinen Freunden flüchten können. Diese Gefahr sei auch eine sehr große für ihn gewesen, denn er sei Hindu und das Mädchen Sikh. Kennengelernt habe er sie in der Schule; nachgefragt gab er an, Hindus und Sikhs würden in dieselbe Schule gehen, da gebe es keinen Unterschied, die Lehrer seien sowohl Hindus als auch Sikhs gewesen.

Im Falle einer Rückkehr hätte er Angst vor den Personen, die ihn töten wollen würden.

Zu den vom BF eingangs genannten Problemen mit Privatpersonen befragt gab er an, dass er damit die Probleme mit den Angehörigen seiner Sikh-Freundin gemeint habe. Bereits zuvor hätten sie ihn nicht gemocht und jetzt würden sie ihn schon gar nicht mögen. Nachgefragt, ob er – hätte er die geschilderten Probleme nicht – in einer der größeren indischen Städte leben könnte, gab er an, er habe dort niemanden, er könne sagen, dass es im ganzen Land Probleme mit Hindus und Sikhs gebe.

Zu den letzten Tagen vor seiner Flucht befragt gab der BF an, er habe bei Freunden seines Vaters gewohnt, welche außerhalb seines Stadtteils leben würden. Sieben Tage vor seiner Ausreise sei er jedoch noch zuhause gewesen, wo es sich wie im Gefängnis angefühlt habe. Die Personen, die auf ihn geschossen hätten, hätten ihn zuhause aufgesucht; er habe dies erfahren und sei weggegangen, nämlich zu den Freunden seines Vaters. Dann sei sein Vater zu ihm gekommen und sie seien nach XXXX gefahren; sein Vater habe ihn zum Schlepper gebracht, wo er zehn bis fünfzehn Tage verbracht habe. Er sei in weiterer Folge mit dem Schlepper nach Delhi gereist, wo er zwei Tage verbrachte, dann sei es mit dem Flugzeug weitergegangen. Die Entscheidung, zu fliehen, habe er, da er ein Einzelkind sei, gemeinsam mit seinen Eltern getroffen.

Um seine Flucht zu finanzieren, habe sein Vater Ackerland für 2.000.000 Rupien verkauft und sich weitere 500.000 Rupien geborgt. Mit der Landwirtschaft habe sein Vater etwa 30.000 indische Rupien pro Monat verdient, als Tagelöhner verdiene er nun 300 indische Rupien pro Tag. Da der Vater zuckerkrank sei, könne er nicht so viel arbeiten; nachgefragt gab der BF an, sein Vater sei etwa 50 Jahre alt, denke er. Wer das Ackerland gekauft habe und ob das Haus nach seiner Ausreise auch verkauft worden sei, könne er nicht sagen.

Zu seiner Situation in Österreich gab der BF an, er erhalte keine Unterstützung und esse zusammen mit seinen indischen Freunden. Er habe am Anfang Kontakt zu diesen indischen Freunden gehabt. Derzeit bestehe jedoch kein Kontakt zu diesen. Seine Freizeit verbringe er im Sikhtempel, ansonsten tue er nichts. Auf die Frage, ob er sich integriert fühle, antwortete er, er respektiere die Gesetze und sei nie straffällig geworden, wolle die Sprache lernen, habe für einen Deutschkurs jedoch kein Geld. Kurse bzw. Ausbildungen habe der BF in Österreich nicht absolviert, in Vereinen oder sonstigen Organisationen habe er sich nicht betätigt; auch sonst habe er nicht am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teilgenommen.

Im Zuge der Einvernahme wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, in das vom BFA zur Beurteilung seines Falles herangezogene Länderinformationsblatt zu Indien samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls auch schriftlich Stellung zu nehmen. Der BF gab hierzu an, Einschlägiges habe er schon in seinem Schreiben vom XXXX angegeben; er möchte nur sagen, dass es in Indien keine Sicherheit gebe, die Politiker würden die Schaffung von Arbeitsplätzen versprechen, aber nichts tun.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt stellte fest, dass die Identität des BF nicht feststehe und er Staatsangehöriger von Indien sei. Er sei ledig, habe keine Kinder, sei gesund, handlungsfähig sowie im arbeitsfähigen Alter. Der BF verfüge über eine gewisse Schulbildung und habe im Herkunftsstaat bereits Berufserfahrung in der elterlichen Landwirtschaft gesammelt.

Die vom BF vorgebrachten Gründe würden der Entscheidung (dem Bescheid) mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt. In Österreich habe der BF weder familiäre noch sonstige soziale Anknüpfungspunkte. In Indien hingegen verfüge er über familiäre Anknüpfungspunkte, zumal der Großteil seiner Verwandten dort lebe. In Österreich verfüge der BF über keine Familienangehörigen iSd Art. 8 EMRK bzw. in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehende Personen. In Indien hingegen würden seine Eltern leben, welche dort über landwirtschaftlichen Grundbesitz verfügen würden. Eine maßgebliche integrative Bindung zu Österreich bestehe nicht.

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Fluchtvorbringen des BF sei nicht glaubhaft: Zusammenfassend habe er angegeben, für seine Partei „Shivsena“ in seinem Herkunftsbundesstaat Wahlwerbung gemacht zu haben und deshalb von Sikhs im Sommer XXXX verprügelt worden zu sein. Ihm sei auch mit dem Tod gedroht worden; in seinem Stadtteil sei ein junger Mann erschossen worden, nachdem seine Familie mit dem Umbringen des Sohnes bedroht hätte; auch der Vorsitzende seiner Partei sei im Sommer XXXX ermordet worden. Diesbezüglich habe er, im Zuge der Einvernahme, eine fünfseitige Stellungnahme (auf Punjabi) abgegeben, in welcher er lediglich zwei, drei Sätzen seine Probleme geschildert und angegeben habe, dass ihm sein Kismet das Überleben gesichert habe. Auf den restlichen viereinhalb Seiten habe er lediglich allgemeine Tatsachen, die mit ihm persönlich nichts zu tun haben würden, angegeben.

Dem Vorbringen werde kein Glauben geschenkt, da es dem Amtswissen widerspreche, in sich widersprüchlich sei und auch der allgemeinen Lebenserfahrung widerspriche. Der BF habe sein Vorbringen zu keinem Zeitpunkt glaubhaft machen können. Er stelle hier lediglich einen Sachverhalt in den Raum, ohne diesen auf konkrete Befragung hin plausibel darlegen zu können.

Auch schildere er einen Vorfall, in dem er mit seiner Gruppe als Aggressor aufgetreten sei. Dass er damit bei den Sikhs keine Freunde finden würde, sollte ihm klar gewesen sein.

Weiters werde ihm die Geschichte mit seiner Sikh-Freundin nicht geglaubt. Einerseits sei er Mitglied einer Partei, die gegen die Sikh vorgehe, andererseits verliebe er sich in ein Sikh-Mädchen. Würde er tatsächlich ein so eifriger Verfechter seines Glaubens sein, so würde er ein Sikh-Mädchen keines Blickes würdigen; auch sollte es schwierig sein, jemanden kennenzulernen, wenn man das Haus nicht verlassen könne, wie er es angegeben habe.

Der Vater des BF sei zuckerkrank und könne nicht so viel arbeiten; er habe in der Landwirtschaft sein Geld verdient. Für seine Flucht habe der Vater 2.500.000 Rupien aufgebracht, und dies in kurzer Zeit. Ein Grundstücksverkauf habe 2.000.000 Rupien gebracht, 500.000 Rupien habe er sich ausgeborgt. Die Behörde gehe davon aus, dass dies so nicht stimmen könne, denn der Vater bestreite seinen Lebensunterhalt mit besagtem Grundstück und nach einem Verkauf würde er kein Einkommen mehr beziehen.

Von den genannten Überlegungen abgesehen werde seinem Vorbringen auch deshalb kein Glauben geschenkt, da dieses vage und sehr oberflächlich gehalten sei; er habe sein Vorbringen viel zu „blass“ und wenig detailreich geschildert. Ein reales Erlebnis sei nach Ansicht der Behörde in der Regel in einen größeren Kontext eingebettet, es sei mit anderen Ereignissen bzw. bewiesenen Tatsachen verflochten und stehe in räumlich-zeitlichem Zusammenhang mit anderen, quasi externen Gegebenheiten, wie zum Beispiel Alltäglichkeiten. Bei Personen ohne wahren Erlebnishintergrund bleibe das berichtete Ereignis – wie im gegenständlichen Fall – eigenständig, d.h. ohne Vor- und Nachgeschichte.

Zudem würden sich seine Eltern nach wie vor in Indien aufhalten und seien laut seinen Ausführungen bedroht worden. Obwohl der BF angegeben habe keinen Kontakt zu seinen Eltern zu haben, habe er fragwürdiger Weise angegeben, dass seine Eltern bedroht seien. Auch habe er zu Protokoll gegeben, dass Verwandte von ihm in Gegenden von Indien wohnen würden, in welchen nur Hindus leben würden. Es wäre ein Leichtes für den BF gewesen, etwa nach Mumbai zu flüchten, wo er Arbeit, Unterkunft und auch die Möglichkeit gehabt hätte zu seinen Eltern Kontakt zu halten.

Die Behörde frage sich nun, warum er nicht in besagte Gegend gezogen sei. Das Argument, er habe dort niemanden, könne man getrost ignorieren, denn auch hier in Europa habe er niemanden und lebe in einer ihm fremden Kultur.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass er keine asylrelevanten Verfolgungsgründe glaubhaft habe dartun können. Aus dem Ermittlungsverfahren hätten sich auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine Verfolgung aus Konventionsgründen ergeben. Zu Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass sich – wie aus der Beweiswürdigung ersichtlich – keine begründeten Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der BF durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinen nach Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder dem Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werde. Die Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 würden nicht vorliegen (Spruchpunkt III). Zum Privat- und Familienleben des BF (Spruchpunkt IV.) wurde zusammengefasst ausgeführt, dass entscheidungserhebliche integrative Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet, welche zu einem Überwiegen seiner privaten Interessen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat geführt hätten, nicht hätten erkannt werden können. Anhaltspunkte, dass eine Abschiebung gemäß § 50 FPG unzulässig sei, hätten sich nicht ergeben (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise sei mit 14 Tagen festzusetzen gewesen, zumal keine berücksichtigungswürdigen Umstände hervorgekommen seien, welche eine längere Frist erforderlich gemacht hätten (Spruchpunkt VI.).

7. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der XXXX als Rechtsberater zur Seite gestellt, welcher ihn in weiterer Folge im Beschwerdeverfahren vertrat.

8. Mit der gegen diese Entscheidung fristgerecht erhobenen Beschwerde vom XXXX wurde der Bescheid vollinhaltlich wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Der BF führte nach Wiederholung des Verfahrensgangs sowie seines Vorbringens im Wesentlichen begründend aus, er habe seiner Meinung nach im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA ausführlich, ob in freier Erzählung oder auf Nachfrage, zu seinen Asylgründen Stellung genommen. Er habe stets die Wahrheit gesagt; falls asylrelevante Antworten ausgeblieben seien, wäre er gerne dazu bereit gewesen, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Wenn für die belangte Behörde Zweifel hinsichtlich der Asylrelevanz offengeblieben sind, hätte sie jedenfalls weitere, individuell auf sein Vorbringen abgestellte Ermittlungen treffen müssen. Die Behörde habe es verabsäumt, den vorgebrachten Hinweisen von Amts wegen weiter nachzugehen, obwohl er dazu auch ausdrücklich seine Zustimmung erteilt habe; die Behörde habe Ermittlungen vor Ort zur Gänze unterlassen.

Aufgrund der Verletzung der Ermittlungspflicht und unterbliebener Beweisaufnahme liege eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung vor. Der Großteil der Ausführungen der belangten Behörde stütze sich auf allgemein formulierte standardisierte Textbausteine; der Bescheid lasse eine nachvollziehbare Begründung für die Beurteilung der Asylrelevanz vermissen.

Angeführte Streitigkeiten zwischen den unterschiedlichen Religionsgruppen seien in Indien weit verbreitet und würden häufig auch gewaltsame Formen annehmen, nicht zuletzt auch aufgrund ethischer und politischer Spannungen. Wegen des schwachen Verwaltungs-, und Rechtswesens blieben Menschenrechtsverletzungen häufig ohne Sanktionen. Das Justizsystem funktioniere nur sehr eingeschränkt bzw. schleppend; von den Sicherheitsbehörden könne der BF keine Unterstützung erwarten. Erneut wolle er auf sein Vorbringen im Rahmen der Erstbefragung und der Einvernahmen verweisen. Der indische Staat sei nicht in der Lage und unter Umständen auch nicht gewillt, den BF entsprechend zu schützen. Aus den angeführten Gründen sei er gezwungen gewesen, das Land zu verlassen; im Falle einer Abschiebung nach Indien wäre sein Leben massiv in Gefahr, sodass eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK vorlägen.

9. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Am XXXX langte beim Bundesverwaltungsgericht ein vom BFA übermittelter (Verwaltungs-)Strafantrag samt Bericht der Finanzpolizei für das Finanzamt XXXX ein. Die Finanzpolizei stellte fest, dass der BF zumindest am XXXX von XXXX bis XXXX Uhr an einem Marktverkaufsstand für Textilien in XXXX bei Herrn XXXX , welcher über Gewerbeberechtigungen für das XXXX sowie das Gewerbe der XXXX verfügt, als Gehilfe tätig gewesen sei – dies sei der Polizei seitens Herrn XXXX auch bestätigt worden – und ersuchte die Bezirkshauptmannschaft XXXX um Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen Herrn XXXX nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BF

Der 23-jährige BF ist indischer Staatsangehöriger, stammt aus der Provinz Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Hindu an. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Er spricht Punjabi und ein wenig Englisch, jedoch kein Deutsch. In Indien besuchte er zehn Jahre lang die Grundschule, danach arbeitete er in der Landwirtschaft seines Vaters. In seinem Herkunftsort leben seine Eltern in einem Haus.

Am XXXX stellte er nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2 Zu seinen Fluchtgründen

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus einem der von ihm genannten Gründe – konkret wegen der Verfolgung durch Angehörige eines Mädchens, welche der Religion der Sikhs angehört hat, verfolgt wird. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass ihm anderweitig von Angehörigen der Sikhs im Falle einer Rückkehr nach Indien eine Gefahr oder Verfolgung drohen würden.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wird oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Nicht festgestellt werden kann ferner, dass sich die Sicherheitslage bzw. politische Lage in Indien seit Erlassung des angefochtenen Bescheides wesentlich und nachhaltig verändert hat.

Im Fall seiner Rückkehr nach Indien verfügt der BF zudem über die Möglichkeit, außerhalb seiner Heimatstadt zu leben und einer Beschäftigung nachzugehen.

1.3 Zum Privat- und Familienleben in Österreich

In Österreich ist der BF unbescholten. Er verfügt über keine Deutschkenntnisse und war bisher im Bundesgebiet nicht erwerbstätig. Leistungen aus der Grundversorgung bezieht er derzeit nicht. Er ist ferner nicht erwerbstätig und sohin nicht selbsterhaltungsfähig. Es können keine Anhaltspunkte für die Annahme einer außergewöhnlichen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat

1.       Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 6.3.2019, aktuelle Ereignisse im Kaschmir-Konflikt (relevant für Abschnitt 3.1./regionale Problemzone Jammu und Kaschmir).

Indien ist am 26.2.2019 zum ersten Mal seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum eingedrungen und flog als Vergeltung für den Selbstmordanschlag vom 14.2.2019 [Anm.: vgl. dazu KI im LIB Indien vom 20.2.2019] einen Angriff auf ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad außerhalb der Stadt Balakot (Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Pakistan). Dies liegt außerhalb der umkämpften Region Kaschmir (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019b, WP 26.2.2019). Indien ist überzeugt davon, dass der Selbstmordanschlag vom 14. Feber von Pakistan aus geplant und unterstützt wurde (NZZ 26.2.2019).

Über die Auswirkungen des Bombardementsgehen die Angaben auseinander: Während indische Behörden darüber berichten, dass fast 200 (CNN News 18 26.2.2019) Terroristen, Ausbilder, Kommandeure und Dschihadisten getötet und das Lager komplett zerstört wurden, bestätigt das pakistanische Militär zwar den Luftangriff (DW 26.2.2019), verlautbart jedoch, dass sich die indischen Flugzeuge ihrer Bombenlast nahe Balakot hastig im Notwurf entledigt hätten, um sofort aufgestiegenen pakistanischen Kampfjets zu entkommen. Nach pakistanischen Angaben gibt es weder eine große Anzahl an Opfern (Dawn 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019a), noch wäre Infrastruktur getroffen worden (DW 26.2.2019).

Beobachter zeigten sich skeptisch, dass bei diesem Militärschlag tatsächlich eine große Anzahl an Terroristen an einem Ort getroffen worden sein könnte. Anwohner des Ortes Balakot berichteten der Nachrichtenagentur Reuters, sie seien am frühen Morgen durch laute Explosionen aufgeschreckt worden. Sie sagten, dass nur ein Mensch verletzt und niemand getötet worden sei. Außerdem erklärten sie, dass es in der Vergangenheit tatsächlich ein Terrorlager in dem Gebiet gegeben habe. Dieses sei aber mittlerweile in eine Koranschule umgewandelt worden (FAZ 26.2.2019b).

Die pakistanischen Streitkräfte haben am 27.2.2019 eigenen Angaben zufolge zwei indische Kampfflugzeuge über Pakistan abgeschossen und bestätigten die Festnahme eines Piloten. Ein Sprecher der indische Regierung bestätige den Abschuss einer MiG-21 (Standard 27.2.2019). Der indische Pilot wurde den indischen Behörden am 1.3.2019 am Grenzübergang Wagah übergeben. Der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan bezeichnete die Freilassung als eine "Geste des Friedens" (Zeit 1.3.2019).

Pakistan hat am 27.2.2019 seinen Luftraum vollständig gesperrt (Flightradar24 27.2.2019) und am 1.3.2019 für Flüge von/nach Karatschi, Islamabad, Peschawar und Quetta (am 2.3. auch Lahore) wieder geöffnet (Flightradar24 27.2./1.3./2.3.2019; vgl. AAN 1.3.2019). Der komplette Luftraum wurde - mit Einschränkungen - am 4.3. freigegeben (Dawn 6.3.2019; vgl. Dawn 4.3.2019b).

Am 2.3.2019 wurde gemeldet, dass bei Feuergefechten im Grenzgebiet von Kaschmir mindestens sieben Menschen getötet und zehn weitere verletzt worden waren. Gemäß indischen Medienberichten seien im indischen Teil der Konfliktregion eine 24 Jahre alte Frau und ihre beiden Kinder durch Artilleriebeschuss ums Leben gekommen sowie acht weitere Personen verletzt worden. Nach Angaben der pakistanischen Sicherheitskräfte wurden im pakistanischen Teil Kaschmirs ein Bub und ein weiterer Zivilist sowie zwei Soldaten getötet und zwei weitere Menschen verletzt. Die Armeen der verfeindeten Nachbarn hatten seit 1.3.2019 immer wieder an verschiedenen Stellen über die de-facto-Grenze zwischen den von Pakistan und Indien kontrollierten Teilen Kaschmirs geschossen (Presse 2.3.2019). Am 3.3.2019 meldeten beide Seiten, dass die Lage entlang der „Line of Control“ wieder relativ ruhig sei (Reuters 3.3.2019)

Der pakistanische Informationsminister bestätige am 3.3.2019, dass eine entscheidende Aktion gegen die extremistischen und militanten Organisationen Jaish-e-Mohammad (JeM) sowie Jamaatud Dawa (JuD) mit ihrem Wohltätigkeitsflügel Falah-i-Insaniat Foundation (FIF) unmittelbar bevorstehe. Dieses Vorgehen würde in Übereinkunft mit dem National Action Plan (NAP) stehen. Der Beschluss dazu sei bereits lange vor dem Anschlag auf indische Sicherheitskräfte am 14.2. gefallen und erst jetzt veröffentlicht worden. Die Entscheidung sei nicht auf Druck Indiens getroffen worden (Dawn 4.3.2019a).

Quellen:

?        AAN – Austrian Aviation Network (1.3.2019): Pakistan öffnet den Luftraum wieder teilweise, http://www.austrianaviation.net/detail/pakistan-oeffnet-den-luftraum-wieder-teilweise/, Zugriff 4.3.2019

?        CNN News 18 (26.2.2019): Surgical Strikes 2.0: '200-300 Terrorist Dead', https://www.news18.com/videos/india/surgical-strikes-2-0-200-300-terrorist-dead-2048827.html, Zugriff 26.2.2019

?        Dawn (26.2.2019): Indian aircraft violate LoC, scramble back after PAF's timely response: ISPR, https://www.dawn.com/news/1466038, Zugriff 26.2.2019

?        Dawn (4.3.2019a): Govt plans decisive crackdown on militant outfits, https://www.dawn.com/news/1467524/govt-plans-decisive-crackdown-on-militant-outfits, Zugriff 4.3.2019

?        Dawn (4.3.2019b): Pakistan airspace fully reopened, says aviation authority, https://www.dawn.com/news/1467600, Zugriff 6.3.2019

?        Dawn (6.3.2019): Airlines avoiding Pakistan's eastern airspace, making flights longer, https://www.dawn.com/news/1467798/airlines-avoiding-pakistans-eastern-airspace-making-flights-longer, Zugriff 6.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (26.2.2019): Indische Jets fliegen Luftangriff in Pakistan, https://www.dw.com/de/indische-jets-fliegen-luftangriff-in-pakistan/a-47688997, Zugriff 26.2.2019

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019a): Indien fliegt Luftangriffe in Pakistan, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-fliegt-angriffe-gegen-mutmassliche-islamisten-in-pakistan-16060732.html, Zugriff 4.3.2019

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019b): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pakistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 4.3.2019

?        Flightradar24 (27.2.2019; Ergänzungen am 1.3.2019 und 2.3.2019): Tensions between India and Pakistan affect air traffic, https://www.flightradar24.com/blog/tensions-between-india-and-pakistan-affect-air-traffic/, Zugriff 4.3.2019

?        NZZ – Neue Züricher Zeitung (26.2.2019): Die Spirale der Eskalation dreht, https://www.nzz.ch/meinung/indien-bombardiert-pakistan-spirale-der-eskalation-dreht-ld.1462893, Zugriff 26.2.2019

?        Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019

?        Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

?        Reuters (4.3.2019): Pakistan adds flights, delays reopening of commercial airspace, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-airports/pakistan-adds-flights-delays-reopening-of-commercial-airspace-idUSKCN1QL0SH, Zugriff 5.3.2019

?        Standard, der (27.2.2019): Pakistan schießt indische Kampfjets ab, Premier warnt vor "großem Krieg", https://derstandard.at/2000098654825/Drei-Tote-bei-Absturz-von-indischem-Militaerflugzeug-in-Kaschmir, Zugriff 4.3.2019

?        SZ- Süddeutsche Zeitung (26.2.2019): Indien bombardiert pakistanischen Teil Kaschmirs, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509, Zugriff 26.2.2019

?        WP – The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-crossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709, Zugriff 26.2.2019

?        Zeit, die (1.3.2019): Pakistan lässt indischen Piloten frei, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer-pilot, Zugriff 4.3.2019

KI vom 20.2.2019, Selbstmordanschlag auf indische Sicherheitskräfte Awantipora/Distrikt Pulwama/Kaschmir am 14.2.2019, Feuergefecht in Pinglan/Distrikt Pulwama/Kaschmir am 18.2.2019 (relevant für Abschnitt 3.1./regionale Problemzone Jammu und Kaschmir).

Bei einem Selbstmordanschlag (TOI 15.2.2019) auf indische Sicherheitskräfte im Gebiet von Goripora bei Awantipora im Distrikt Pulwama in Kaschmir wurden am 14.2.2019 mindestens 44 Menschen getötet. Dutzende wurden verletzt (IT 15.2.2019).

Wie durch die Polizei mitgeteilt wurde, explodierte ein mit etwa 350 Kilogramm Sprengstoff beladener Geländewagen auf einer Autobahn im Distrikt Pulwama (DS 14.2.2019). Ziel des Anschlags war ein Konvoi von 78 Bussen der paramilitärischen Polizeitruppe Central Police Reserve Force (CRPF), der auf der streng bewachten Verbindungsstraße zwischen den Städten Jammu und der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Jammu und Kaschmir Srinagar, unterwegs war (DW 14.2.2019). Die aus Pakistan stammende Terrorgruppe Jaish-e-Mohammed (JeM) reklamierte den Anschlag für sich (ANI 14.2.2019).

Die Gruppe, welche in Pakistan entstanden ist, verfügt dort über Rückzugsgebiete und nutzt Kaschmir als Arena für ihre Gewalttaten. Indien geht davon aus, dass die Terroristen von Kreisen innerhalb des pakistanischen Militärs unterstützt werden (SZ 15.2.2019).

Lokalen Beamten zufolge stellt der erfolgte Bombenanschlag den schlimmsten Anschlag in der umkämpften Region seit drei Jahrzehnten dar (TNYT 14.2.2019).

Indiens Premierminister Narendra Modi sprach auf Twitter von einem „niederträchtigen Angriff“ und bezeichnete die Toten als „Märtyrer“ und kündigte des Weiteren an, dass „Die Opfer, die unsere mutigen Sicherheitskräfte gebracht haben, […] nicht vergeblich sein [werden]“ (DS 14.2.2019). Während Pakistan Vorwürfe hinter dem Selbstmordanschlag zu stehen zurückweist, fordert die indische Regierung von Pakistan gegen die Gruppe vorzugehen (DS 15.2.2019).

Bei einer mit dem Bombenanschlag im Zusammenhang stehenden Aktion der indischen Sicherheitskräfte wurden am 18.2.2019 bei einem Feuergefecht zwischen Militanten und der indischen Armee in Pinglan im Distrikt Pulwama fünf Angehörige der indischen Sicherheitskräfte, drei Militante und ein Zivilist getötet. Mindestens sieben Sicherheitskräfte wurden verletzt. Nach Angaben der Polizei waren die getöteten Militanten Mitglieder der JeM, welche am Anschlag des 14.2.2019 im nahe gelegenen Awantipora beteiligt waren (TIT 18.2.2019).

Auf die Ankündigung des pakistanischen Premierministers Imran Khan, die Behauptungen Indiens zu untersuchen, und auf dessen Warnung, Pakistan würde Vergeltungsmaßnahmen gegen jede indische Militäraktion ergreifen (TNYT 19.2.2019), reagierte Indien in heftiger Form, indem es Islamabad als „das Nervenzentrum des Terrorismus“ bezeichnete (TOI 19.2.2019). Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan haben sich intensiviert; beide Länder haben ihre Botschafter zu Konsultationen zurückgerufen (TNYT 19.2.2019).

Anmerkung:

Auf einen Angriff auf einen Militärstützpunkt in Kaschmir, bei welchem 19 indischen Soldaten getötet wurden, reagierte Indien im September 2016 eigenen Angaben zufolge mit einem „chirurgischen Schlag“ im pakistanischen Teil Kaschmirs. Auch damals machte Indien JeM für den Anschlag verantwortlich (DS 14.2.2019).

Kommentar:

Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert.

Quellen:

-        ANI – Asia News International (14.2.2019): 12 CRPF personnel killed in terror attack in Kashmir, https://www.aninews.in/news/national/general-news/12-crpf-personnel-killed-in-terror-attack-in-kashmir20190214170929/, Zugriff 14.2.2019

-        DS – Der Standard (15.2.2019): Pakistan weist Verantwortung für Terror in Indien von sich, https://derstandard.at/2000098045261/Pakistan-weist-Verantwortung-fuer-Terror-in-Indien-von-sich, Zugriff 15.2.2019

-        DS – Der Standard (14.2.2019): Dutzende Tote bei Anschlag auf indische Sicherheitskräfte in Kaschmir, https://derstandard.at/2000098009156/Zwoelf-Soldaten-in-Kaschmir-durch-Anschlag-getoetet, Zugriff 14.2.2019

-        DW .- Deutsche Welle (14.2.2019): Viele Tote bei Terroranschlag in Kaschmir, https://www.dw.com/de/viele-tote-bei-terroranschlag-in-kaschmir/a-47523658 Zugriff 14.2.2019

-        IT – India Today (15.2.2019): Kashmir terror attack: Pakistan says attack matter of concern, rejects India's charges | As it happened, https://www.indiatoday.in/india/story/pulwama-awantipora-jammu-and-kashmir-terror-attack-live-1456117-2019-02-14, Zugriff20.2.2019

-        SZ – Süddeutsche Zeitung (15.2.2019): Der andere Wahlkampf, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-und-pakistan-der-andere-wahlkampf-1.4331915, Zugriff 17.2.2019

-        TIO – Times of India (15.2.2109): Pulwama terror attack: What we know so far, https://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/67994287.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 18.1.2019

-        TIT – The Irish Times (18.2.2019): Four Indian soldiers among dead in Kashmir gun battle, https://www.irishtimes.com/news/world/asia-pacific/four-indian-soldiers-among-dead-in-kashmir-gun-battle-1.3797668, Zugriff 19.2.2019

-        TNYT – The New York Times (19.2.2019): Pakistan Offers to Investigate Deadly Suicide Bombing in Kashmir, https://www.nytimes.com/2019/02/19/world/asia/pakistan-imran-khan-india-kashmir.html?rref=collection%2Ftimestopic%2FKashmir&action=click&contentCollection=world&region=stream&module=stream_unit&version=latest&contentPlacement=1&pgtype=collection, Zugriff 19.2.2019

-        TNYT – The New York Times (14.2.2019): Kashmir Suffers From the Worst Attack There in 30 Years, https://www.nytimes.com/2019/02/14/world/asia/pulwama-attack-kashmir.html?rref=collection%2Ftimestopic%2FKashmir&action=click&contentCollection=world&region=stream&module=stream_unit&version=latest&contentPlacement=4&pgtype=collection, Zugriff 14.2.2019

-        TOI – Times of India (19.2.2019): “Pakistan is nerve centre of terrorism”: India rejects Imran Khan's statement on Pulwama terror attack, https://timesofindia.indiatimes.com/india/pakistan-is-nerve-centre-of-terrorism-india-rejects-imran-khans-claims-on-pulwama-terror-attack/articleshow/68066363.cms, Zugriff 19.2.2019

2.       Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.1.2019; vgl. AA 18.9.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.4.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.9.2018), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.9.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.9.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.4.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht („first-past-the-post“) alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.9.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP – Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.9.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis „National Democratic Alliance“ (NDA) mit der „Bharatiya Janata Party“ (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.9.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.5.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.9.2018).

In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wieder gewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 1.1.2019).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktive Außenpolitik. Der außenpolitische Kernansatz der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ ergänzt. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Gestaltungsmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (AA 11.2018b). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 3.2018a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (AA 11.2018b).

In den Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst. Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmir-Problem (AA 11.2018b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 3.2018a).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 3.2018a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-        AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206048, Zugriff 23.1.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019

-        CIA - Central Intelligence Agency (15.1.2019): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 23.1.2019

-        DS - Der Standard (1.1.2019): Was 2019 außenpolitisch bringt. Die US-Demokraten übernehmen die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Großbritannien plant den Brexit – und in Indien, der größten Demokratie der Welt, sind Wahlen, https://www.derstandard.de/story/2000094950433/was-2019-aussenpolitisch-bringt, Zugriff 28.1.2019

-        FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 11.10.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 23.1.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (3.2018b): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, https://www.liportal.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 23.1.2019

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

3.       Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der „Naxaliten“ in Frage gestellt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten