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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Dezember 1995, Zl. 4.137.671/2-III/13/95, betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist polnische Staatsangehörige. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. September 1978 wurde sie als Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, anerkannt.
Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 8. August 1995 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß hinsichtlich ihrer Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf den in der Genfer Flüchtlingskonvention unter Art. 1 Abschnitt C Z. 5 normierten Verlusttatbestand die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens beabsichtigt sei. Dabei wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß es die erkennende Behörde nach dem aktuellen Wissenstand für offenkundig halte, daß sich die politische Situation in Polen derart verändert habe, daß man nicht mehr von einem dort regierenden totalitären Regime sprechen könne, vor dem man aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung fliehen müsse. Die erkennende Behörde gehe vielmehr davon aus, daß Polen nunmehr als demokratischer Staat mit entsprechender Regierungsform anzusehen sei. Es sei allgemein bekannte Tatsache, daß das Heimatland der Beschwerdeführerin sich zu einem demokratischen Staat entwickelt habe und die in sogenannten westlichen Demokratien allgemein anerkannten rechtsstaatlichen Prinzipien auch tatsächlich einhalte. Es ergäben sich daher aus solcher Sicht keine Anhaltspunkte dafür, daß dieser Demokratisierungsprozeß nur ein vorübergehender sei. Die Beschwerdeführerin werde zur Stellungnahme hiezu aufgefordert.
Mit Eingabe vom 21. August 1995 nahm die Beschwerdeführerin diese Gelegenheit wahr und hielt der Annahme der belangten Behörde entgegen, durch drei Schicksalsschläge sei sie derzeit arbeitsunfähig, infolgedessen mittellos und lebe ausschließlich von der Wohlfahrtsfürsorge. In ihrem Heimatland besitze sie nichts mehr und habe auch keinerlei Kontakte. Alle diese Umstände führten dazu, daß die Chance für einen neuen Lebensanfang in ihrem Heimatland realistisch unmöglich sei. Der im Vorhalt der belangten Behörde erwähnte Schutz ihres Heimatlandes würde sich praktisch nur auf die Herausgabe neuer Personaldokumente beschränken. Sie würde "dort stehen ohne Unterkunft, mittellos und unerwünscht, als alter unproduktiver Mensch, wie viele andere in diesem Land", was unter diesen Umständen schlimmer sei als politische Verfolgung in einem totalitären System. Überdies sei die politische Lage im neuen sogenannten demokratischen Polen wie bekannt alles andere als stabil. Die Entscheidungen des demokratisch gewählten polnischen Parlamentes würden durch das Vetorecht des Senates behindert und beide Instanzen ihrerseits würden durch das Vetorecht des Präsidenten handlungsunfähig gemacht. Nebenbei sei die Äußerung des polnischen Präsidenten zu erwähnen, daß er im Falle einer Nichtwiederwahl zum Mittel der Diktatur greifen werde. In Anbetracht dieser Sachlage ersuche sie, ihr Asylrecht in Österreich nicht abzuerkennen. Damit würde ihr die Chance auf ein menschenwürdiges Leben genommen werden.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Oktober 1995 wurde gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991 festgestellt, daß im Falle der Beschwerdeführerin der in Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention normierte Tatbestand eingetreten sei. In der Begründung wiederholte die belangte Behörde ihre bereits in der schriftlichen Mitteilung an die Beschwerdeführerin dargelegte Rechtsansicht und ergänzte, das Vorbringen in der schriftlichen Stellungnahme der Beschwerdeführerin könne am Vorliegen des gegenständlichen Verlusttatbestandes und an der Verpflichtung der erkennenden Behörde zur Durchführung des Verfahrens nichts ändere. Aus diesem Vorbringen sei kein konkreter relevanter Sachverhalt zu erblicken gewesen, der einen Hinderungsgrund für das vorliegende Verfahren bedeutet hätte.
In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung hielt die Beschwerdeführerin diesen Ausführungen entgegen, es sei, seit die politischen Veränderungen in Polen eingetreten seien, noch zu wenig Zeit vergangen, um davon auszugehen, daß sich die politische Situation in Polen derart verändert habe, daß man nicht von einem dort regierenden Regime sprechen könne, vor dem man fliehen müsse. Es sei unbestreitbar, daß die Volksrepublik den Namen auf "Republik" Polen geändert habe und daß der Nationalrat in demokratischen Wahlen gewählt werde. Doch sei es bekannt, daß hinter diesen Veränderungen nicht die Interessen des Volkes stünden, sondern vielmehr der polnischen Kirche, die als neue Machthaberin im Lande agieren wolle und ein neues totalitäres System "in Form eines ökumenischen Staates" anstrebe. So befinde sich Polen in einer Kampfphase um die Macht. Weiters sei es Tatsache, daß die stalinistische Landesverfassung der Volksrepublik Polen von 1952 weiterhin in Kraft sei und das Bürgerliche Gesetzbuch und auch das Strafgesetz bis jetzt nicht verändert worden seien. Deshalb sei davon auszugehen, daß die um die Macht kämpfenden Kräfte sich die oben genannten Werkzeuge der kommunistischen Diktatur weiterhin zunutze machen wollten. Sie wolle auch noch einmal betonen, daß das demokratisch gewählte polnische Parlament durch das Vetorecht des polnischen Präsidenten in seiner Handlungsfähigkeit völlig behindert sei. Infolgedessen könne von einer Demokratie nicht die Rede sein. Tatsächlich habe sich in den letzten 50 Jahren nichts geändert, was insbesondere auch die Haltung westlicher Politiker gegenüber polnischen Diplomaten und Regierungsmitgliedern gezeigt habe. Auszugehen sei vielmehr davon, daß die Veränderungen in Polen noch nicht vollzogen seien und aus diesem Grunde nicht die Rede sein könne, daß "dieser Anfangsdemokratisierungsprozeß vollzogene Tatsache" sei.
Mit Bescheid vom 4. Dezember 1995 stellte die belangte Behörde in Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991 fest, daß hinsichtlich der Person der Beschwerdeführerin der in Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention) genannte Tatbestand eingetreten sei, und verwies nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der von ihr zur Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen darauf, daß das seinerzeitige Vorbringen der Beschwerdeführerin seine Qualität als asylbegründenden Sachverhalt insbesondere aus dem damals amtsbekannten Hintergrund des totalitären politischen Staatssystems abgeleitet habe, das - was unbestreitbar sei - in der Gegenwart nicht mehr existiere. Aus objektiver Sicht entfalle daher das Erfordernis der weiteren Asylgewährung. Das Vorliegen von subjektiv innewohnender Furcht vor Verfolgung habe die Beschwerdeführerin im Verfahren nicht konkret und substantiiert behauptet. Vielmehr stellten ihre Ausführungen in der Stellungnahme und auch in der Berufung keinerlei Bezug zu einer allenfalls ihr nach wie vor drohenden Gefahr her, aus einem der in der Genfer Konvention genannten Gründe im Falle ihrer Rückkehr nach Polen verfolgt zu werden, und hätten daher den Tatbestand ihrer Flüchtlingseigenschaft in der Gegenwart nicht zu indizieren vermocht. Auf ihre private Lebenssituation sei im gegenständlichen Verfahren nicht näher einzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltunsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin wendet sich erneut gegen die Annahme der belangten Behörde, die Republik Polen sei nunmehr eine stabile Demokratie. Allein aus der Tatsache, daß die Volksrepublik Polen nunmehr Republik Polen heiße und daß der Nationalrat gewählt werde, sei noch nicht ableitbar, daß die politischen Veränderungen seit dem Zeitpunkt ihrer Flucht aus Polen sich derart geändert hätten, daß man von einem demokratischen System sprechen könne. Die stalinistische Landesverfassung der Volksrepublik Polen von 1952 stehe weiterhin in Kraft und auch das Bürgerliche Gesetzbuch und das Strafgesetzbuch seien bis zum heutigen Tag nicht geändert worden. Es dürfe weiters als bekannt vorausgesetzt werden, daß hinter den bisherigen Veränderungen in Polen nicht die Interessen des polnischen Volkes stünden, sondern vielmehr die Interessen der polnischen Kirche, die als neuer Machthaber im Lande agieren wolle und ein neues totalitäres System "in Form eines ökumenischen Staates" anstrebe. Es dürfe auch nicht übersehen werden, daß wiederum ein Kandidat aus der ehemaligen kommunistischen Partei zum Staatspräsidenten gewählt worden sei, dem auf Grund der Verfassung das Recht zustehe, durch das Vetorecht das polnische Parlament in seiner Handlungsfähigkeit vollkommen zu behindern. Es sei daher in keiner Weise die Rede von einer Demokratie. Gerade dann aber, wenn wiederum kommunistische Herrschaft drohe, habe sie mit Verfolgung zu rechnen. Vor eben dieser kommunistischen Herrschaft sei sie 1975 geflohen.
Diesem Vorbringen kann der gewünschte Sacherfolg nicht beschieden sein.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn die Umstände, auf Grund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Beschwerdeführerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde Argumente geltend gemacht, die die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde als rechtswidrig oder die von ihr festgestellte Sachverhaltsgrundlage als unzureichend erscheinen ließen, fehlen doch - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - jegliche an konkrete Umstände geknüpfte Anhaltspunkte für eine die Beschwerdeführerin persönlich treffende negative Zukunftsprognose im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland. Wie auch im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention im Falle der Asylgewährung kommt es nicht auf die nur subjektiv empfundene Furcht des Betroffenen an, sondern setzt eine solche deren Begründetheit nach objektiven Maßstäben voraus. Die unsubstantiierte Vermutung der Beschwerdeführerin, die Verhältnisse in ihrem Heimatland hätten sich nicht grundlegend verändert und stabilisiert, genügen diesen Anforderungen ebensowenig wie der Verweis darauf, daß der derzeitige Staatspräsident aus den Reihen der ehemaligen kommunistischen Partei gewählt worden sei. Daß dieser oder eine andere demokratische Institution des Staates ihre durch die Verfassung eingeräumten Rechte mißbrauche, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Auch stellt sie selbst keinen Zusammenhang zwischen den von ihr ins Treffen geführten angeblichen Machtkämpfen zwischen Regierung und katholischer Kirche und ihrer eigenen Situation her, der auf die Gefahr von Verfolgung hindeuten würde.
Die Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010655.X00Im RIS seit
20.11.2000