TE Bvwg Beschluss 2020/12/1 W240 2236028-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.12.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W240 2236034-1/2E
W240 2236032-1/2E
W240 2236031-1/2E
W240 2236028-1/2E
W240 2236030-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , alle StA. Afghanistan, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 12.06.2020, Zl. Islamabad-ÖB/KONS/1921/2019, beschlossen:

A) Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs 3 VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Entscheidungen an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist ihren Angaben zufolge die Mutter und gesetzliche Vertreterin des volljährigen Zweitbeschwerdeführers, der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin, des minderjährigen Viertbeschwerdeführers und des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers. Alle sind afghanische Staatsangehörige. Sie stellten am 09.07.2019 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (künftig auch: ÖB Islamabad) jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Der Bezugsperson, dem als Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der übrigen Beschwerdeführer bezeichneten XXXX , einem afghanischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) vom 25.02.2016 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Dem Antrag wurden folgende Dokumente in Kopie beigelegt:

Die Erstbeschwerdeführerin betreffend:

-        relevante Seiten des Reisepasses

-        afghanische ID Card (englisch, arabisch), „Marital Status: Married“, ausgestellt am XXXX 2015

-        „Marriage Certificate“ mit dem Ehedatum: XXXX , ausgestellt am XXXX und Kopie des arabischen Dokuments

Den Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer betreffend:

-        Reisepasskopie

-        Afghanische ID card (englisch, arabisch)

Die Bezugsperson betreffend:

-        Karte für subsidiär Schutzberechtigte

-        afghanische ID Card (englisch, arabisch), „Marital Status: Married“, ausgestellt am 23.09.2006

-        Österreichischer Meldezettel

-        E-card

-        Bescheid des BFA vom 25.02.2016 über die Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung

-        Bescheid des BFA vom 20.12.2016 und vom 11.02.2019 mit dem jeweils die befristete Aufenthaltsberechtigung verlängert wurde.

-        Versicherungsdatenauszug vom 12.06.2019

-        Mietvertrag (71m2 Nutzfläche) inkl. Beiblatt vom 07.05.2019

-        Lohn- Gehaltsabrechnung Juni 2019

-        Dienstvertrag vom 29.06.2018

-        Bestätigung Auszug aus dem Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger vom 29.06.2018

-        Abrechnungsbeleg April – Juni 2019

2. Nach Weiterleitung der Anträge auf Einreiseerlaubnis an das BFA teilte dieses der ÖB Islamabad mit Schreiben vom 11.09.2019 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Beschwerdeführer nicht über einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen werde (§ 60 Abs. 2 Z 1 AsylG) verfügen und sie den Nachweis nicht erbracht hätten, dass ihr Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne (§ 60 Abs. 2 Z 3 AsylG). Des Weiteren erscheine die Einreise der Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten.

In der angeschlossenen Stellungnahme wird vom BFA hierzu näher ausgeführt, dass der Status des subsidiären Schutzberechtigten der angeführten Bezugsperson vor mindestens drei Jahren rechtskräftig zuerkannt worden sei. Die Gefährdungsvoraussetzungen im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG würden derzeit noch vorliegen. Durch Vorlage der Heiratsurkunde und den glaubhaften Angaben der Bezugsperson in der Einvernahme habe die Familienzugehörigkeit festgestellt werden können. Es handle sich bei der Bezugsperson um den Gatten bzw. Vater der Beschwerdeführer. Die Voraussetzungen gem.
§ 60 Abs. 2 Z 1- 3 AsylG seien von den Beschwerdeführern allerdings nicht erfüllt worden und eine Einreise iSd Art. 8 EMRK erscheine nicht geboten. Die gesetzlichen Standarderfüllungen, insbesondere im Hinblick auf eine bestehende ortsübliche Unterkunft, sowie ein ausreichendes Einkommen seien nicht gegeben und sei unter diesen Umständen eine Fortsetzung eines gemeinsamen Familienlebens keineswegs als erfüllt zu betrachten.

Die in Österreich lebende Bezugsperson gehe seit 02.07.2018 einer Vollzeitbeschäftigung als Arbeiter und seit 06.06.2019 zusätzlich einer geringfügigen Beschäftigung nach. Die Bezugsperson beziehe ein Gesamtbruttoeinkommen von 1.594,36 EUR. Dies sei aus dem vorgelegten Dienstvertrag vom 29.06.2018 sowie der vorgelegten Lohn-Gehaltsabrechnung vom Juni 2019 ersichtlich. Die Einkünfte seien ausreichend, wenn sie zumindest in der Höhe des jeweils maßgeblichen Ausgleichszulagenrichtsatzes zur Verfügung stehen. Grundsätzlich müssten diese Beträge nach Abzug der monatlichen regelmäßigen Kosten soweit diese in Summe 294,65 EUR überschreiten, zur Verfügung stehen. Aus dem vorgelegten Mietvertrag gehe hervor, dass die Miete monatlich 695,34 EUR betrage. Daraus lasse sich berechnen, dass die Bezugsperson in Österreich für sich, die Gattin (1.398,97 EUR), die vier Kinder (143,97 EUR x 4) und die Miete (695,34 EUR) monatlich insgesamt 2670,19 EUR netto aufbringen müsste. Nachdem keine weiteren Nachweise über etwaig anderwärtige Einkünfte vorliegen würden, seien im konkreten Fall die dahingehenden Voraussetzungen bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1.594,36 EUR sohin nicht erfüllt.

Der Nachweis einer ortsüblichen Unterkunft gem. § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG könne durch Vorlage von Mietverträgen, in bestimmten Konstellationen auch von Untermietverträgen, bestandrechtlichen Vorverträgen oder Kaufverträgen erbracht werden. Eine Unterkunft im Größenausmaß von zwei Zimmern und einem Kabinett in welcher zukünftig vier Kinder (im Alter zwischen elf und sechzehn Jahren) und zwei Erwachsene wohnen sollen, könne in keiner Weise als „ortsüblich“ gewertet werden. Besonders da sich zwei der Kinder bereits im Teenageralter befinden würden und keine getrennten Zimmer für die Teenager unterschiedlichen Geschlechts zur Verfügung stehen würden. Unter diesen Voraussetzungen sei ein gemeinsames Familienleben, nach erfolgter Einreise der Beschwerdeführer und dem Gatten/Vater nicht möglich. Wenngleich im vorliegenden Fall ein Familienleben nach Art. 8 EMRK zu bejahen wäre und die fehlenden Einkommensvoraussetzungen aufgrund des zu geringen Verdienstes der Bezugsperson, um sechs Menschen zu erhalten, ein gewisses Maß an Berücksichtigung finde, so könne jedoch unter Zusammenschau aller vorhandenen Umstände, insbesondere der fehlenden adäquaten Unterkunft, ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht als gegenwärtig betrachtet werden. Sohin stehe für das BFA zweifelsfrei fest, dass ein Familienleben der Beschwerdeführer mit der in Österreich aufenthaltsberechtigten Bezugsperson derzeit tatsächlich nicht entfaltet sein könne.

3. Die ÖB Islamabad räumte den Parteien mit Schreiben vom 16.09.2019 die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ein.

Mit Stellungnahme vom 23.09.2019 wurde ausgeführt, die Beschwerdeführer seien die Frau bzw. die Kinder der Bezugsperson. Nach Ablauf der dreijährigen Wartefrist hätten sie einen Antrag gem. § 35 AsylG eingebracht, um ihr Familienleben mit der Bezugsperson in Österreich fortsetzen zu können. Die Bezugsperson gehe einer Vollzeiterwerbstätigkeit und zusätzlich einer geringfügigen Beschäftigung nach. Sie sei damit arbeitszeittechnisch voll ausgelastet. Das durchschnittliche Monatsnettoeinkommen betrage bei der Vollzeittätigkeit 1.316,38 EUR was unter Berücksichtigung des 13. und 14. Monatsgehalts rund 1.535,78 EUR ergebe. Hinzu komme das durchschnittliche Gehalt der zweiten Beschäftigung in der Höhe von 397,36 EUR, womit sich ein monatlicher durchschnittlicher Nettobetrag von
1.933,14 EUR errechnen lasse. Hiervon abzuziehen wäre noch die monatliche Mietbelastung, welche 455 EUR betrage. Reduziert um den Wert der freien Station ergebe dies einen Betrag in der Höhe von 160, 35 EUR, um welchen sich das Einkommen reduziere. Den Beschwerdeführern stehe somit ein monatlicher Nettobetrag in der Höhe von 1.772,79 EUR zur Verfügung. Der zu erreichende Richtwert betrage 1.974,85 UER. Die Beschwerdeführer wurden diesen somit lediglich um 200 EUR monatlich unterschreiten.

Es werde darauf hingewiesen, dass die Familie im Zeitpunkt der Gründung des Familienlebens davon ausgehen habe können, das Familienleben fortsetzen zu können und daher das Familienleben nach den entsprechenden fremdenrechtlichen Vorschriften und der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur als schützenswert anzusehen sei. Es kämen im konkreten Fall die Nachsichtgründe des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zur Anwendung, um eine Grundrechtsverletzung hintanzuhalten. Bei der Beurteilung im Lichte des Art. 8 EMRK habe insbesondere auch das Kindeswohl Berücksichtigung zu finden. Die Trennung der Familie sei ein Resultat der Fluchtgründe der Bezugsperson. Die Trennung habe somit keineswegs freiwillig stattgefunden, vielmehr seien die Familienmitglieder durch die fluchtauslösenden Ereignisse und die Gefahren am Weg dazu gezwungen gewesen vorübergehend diese örtliche Trennung vorzunehmen. Die längere Trennung beruhe darüber hinaus auf der Verfahrensdauer im Inland sowie der einzuhaltenden dreijährigen Wartefrist für subsidiär Schutzberechtigte. Im konkreten Fall seien nicht nur die Ehegatten voneinander getrennt, sondern auch die minderjährigen Kinder von ihrem Vater. Im Lichte der Judikatur und des in der Kinderrechtskonvention festgeschriebenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Kontakt zu beiden Elternteilen erscheine das Unterbleiben der Anwendung der Nachsichtsgründe im konkreten Verfahren, insbesondere aufgrund der Vollzeit- Erwerbstätigkeit der Bezugsperson als eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte.

Der Stellungnahme wurden folgende Dokumente in Kopie beigelegt:

Die Bezugsperson betreffend:

-        Lohn - Gehaltsabrechnung Juni – August 2019

-        Abrechnungsbeleg Juni- August 2019

-        Arbeitsvertrag vom 31.05.2019 (Anm.: ohne Unterschrift des Arbeitgebers)

-        Mietvertrag vom 07.05.2019 (bereits vorgelegt)

4. Mit Schreiben vom 22.05.2020 teilte das BFA der ÖB Islamabad mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde. Vermerkt wurde, dass Überstunden nicht zum monatlichen Fixeinkommen dazugerechnet werden dürfen.

5. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 12.06.2020 verweigerte die ÖB Islamabad den Beschwerdeführern jeweils die Erteilung eines Einreisetitels gem. gemäß § 26 FPG iVm §°35 AsylG mit der Begründung, das BFA habe nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass in dem Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels zugrunde liegenden Fall die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei.

6. Gegen diese Bescheide richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 08.07.2020. In dieser wird ausgeführt, dass die Stellungnahme vom 20.04.2020 überhaupt nicht berücksichtigt worden sei. Aus diesem gehe hervor, dass die Bezugsperson nunmehr umgezogen sei und die Unterkunft über vier Zimmer sowie Küche, Bad, WC und zwei Abstellräume verfüge. Sohin handle es sich bei dieser Wohnung um eine ortsübliche Unterkunft, die Miete betrage 350 EUR. Weiters seien in der Stellungnahme die Lohnzettel von März 2019 bis Feber 2020 vorgelegt worden. Inkl. 13. und 14. Gehalt würde das monatliche Durschnitts-Nettoeinkommen 1.565,05 EUR betragen. Es seien auch weitere Lohnzettel vorgelegt worden, aus welchen ersichtlich sei, dass die Bezugsperson zudem auch noch geringfügig beschäftigt sei. Mit dem 13. und 14. Gehalt komme ein Betrag von 517,13 EUR zustande. Das ergebe ein Einkommen von insgesamt 2.082,18 EUR. Die Bezugsperson sei daher über der vom BFA errechneten Summe. Festzuhalten sei zudem, dass die Bezugsperson hier in Österreich schon seit längerer Zeit berufstätig ist und über Rücklagen in der Höhe von ca. 6.000 EUR verfüge.

Der Beschwerde beigelegt waren:

-        Wohnraumietvertrag

-        Meldezettel der Bezugsperson

-        Lohnzettel Mai, Juni 2020

-        Abrechnungsbelege März - Juni 2020

-        Abrechnungsbelege Überstunden März – Juni 2020

7. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 13.10.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 14.10.2020, wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerden und Zurückverweisung:

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 9 Abs. 3 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

2. Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

„§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“

§ 35 AsylG 2005:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

„§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG)

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

„§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.“

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 FPG lautet:

„§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“


§ 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:

„Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.“

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

3. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12.11.2014, Zl. Ra 2014/20/0029 (unter Verweis auf sein Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) zur Anwendung des
§ 28 Abs. 3 VwGVG ausgeführt:

„Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dort mit dieser Frage auseinandergesetzt und dargelegt, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt ist. Die nach § 28 VwGVG von der meritorischen Entscheidungspflicht verbleibenden Ausnahmen sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Ekenntnis insbesondere ausgeführt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden kann. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.“

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassens des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel: „Verwaltungsverfahren Band I2“, E 84 zu § 39 AVG).

Im vorliegenden Fall erweist sich die bekämpfte Entscheidung in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die Beschwerdeführer nannten in ihrem auf § 35 AsylG gestützten Einreiseantrag als Bezugsperson den Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin bzw. wurde als Bezugsperson der Vater der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen, ledigen Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer genannt. Der Bezugsperson wurde - nach dem insofern unbestrittenen Sachverhalt – mit Bescheid des BFA vom 25.02.2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Österreich zuerkannt. Die Erstbeschwerdeführerin legte eine Heiratsurkunde vor, in welcher der XXXX als Datum der Eheschließung und der XXXX als Ausstellungsdatum vermerkt ist. Die Erstbeschwerdeführerin ist unstrittig die Ehefrau der Bezugsperson.

Im Zusammenhang mit der behaupteten Vaterschaft der Bezugsperson zu den Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführern – und folglich auch der Mutterschaft der Erstbeschwerdeführerin zu den Kindern - ist in Bezug auf die behördlichen Ermittlungspflichten insbesondere mit Blick auf die Vorgaben des § 13 Abs. 4 BFA-VG auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Beispielsweise wurde zu diesem Themenkreis in VwGH 26.03.2018, Ra 2017/18/0112ua, unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur Folgendes ausgeführt:

„10 Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. Februar 2018, Ra 2017/18/0131 bis 0133, erkannt hat, ist zu den inhaltlichen Anforderungen, die sich aus § 13 Abs. 4 BFA-VG ergeben, Folgendes auszuführen:

´Wie in den angeführten Materialien klar zum Ausdruck gebracht wird, wird durch die Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG nicht vom amtswegigen Ermittlungsgrundsatz (unter Beachtung der Mitwirkungspflicht des Fremden) abgegangen. Sie kommt daher nur zur Anwendung, wenn es einem Fremden nicht gelingt, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen und hinsichtlich der Ergebnisse des bisherigen Ermittlungsverfahrens Zweifel bestehen.

Daraus folgt als logischer erster Schritt, dass die Behörde bzw. das BVwG einem Fremden bestehende, konkrete Zweifel an einem behaupteten Abstammungsverhältnis mitzuteilen haben. Darüber hinaus haben sie dem Fremden auf sein Verlangen eine DNA-Analyse gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG ‚zu ermöglichen'; dieser ist auch über diese Möglichkeit zu belehren. Die in der Bestimmung angesprochene ‚Ermöglichung' der DNA-Analyse zum Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses kann im Lichte der Gesetzesmaterialien nur so verstanden werden, dass sie eine organisatorische Hilfestellung der Behörde bzw. des Gerichts bei der Durchführung der DNA-Analyse mitumfasst, nicht jedoch die Übernahme der Kosten. Diese Regelung verfolgt klar den Zweck, es einem Fremden auf sein Verlangen auf einfache Weise zu ermöglichen, bestehende Zweifel an einem Verwandtschaftsverhältnis mittels DNA-Analyse auszuräumen, sofern er sich zur Übernahme der Kosten bereit erklärt. Daher sind einem Fremden im Rahmen dieser organisatorischen Hilfestellung die praktischen Modalitäten - etwa wo er sich zu welchen Zeiten zur DNA-Analyse einzufinden hat und welche Kosten damit verbunden sind - bekannt zu geben.‘
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis in Rn 23 weiters ausgeführt, dass - bevor ein Antrag gemäß § 35 AsylG 2005 aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis abgewiesen wird -, jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen hat (arg: "hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren").
12 Im vorliegenden Fall, in dem die minderjährige Zweitrevisionswerberin bereits in ihrer Beschwerde monierte, keine "entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG" erhalten zu haben, kann dieses "Ersuchen um Belehrung" aus dem Kontext nur so verstanden werden, dass das revisionswerbende Kind um eine behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit eine Anleitung betreffend der Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse ersuchte.
13 Aus den vorgelegten Verfahrensakten ist jedoch nicht ersichtlich, dass der zweitrevisionswerbenden Partei eine derartige organisatorische Hilfestellung gewährt wurde. Insoweit liegt ein Verstoß gegen die Regelung des § 13 Abs. 4 BFA-VG vor. Da die minderjährige Zweitrevisionswerberin als Kind der Bezugsperson jedenfalls Familienangehörige nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 wäre, kann diesem Verfahrensmangel auch nicht die Relevanz abgesprochen werden. Wäre aber der Zweitrevisionswerberin die Einreiseerlaubnis zur Bezugsperson zu erteilen, so müsste auch die Frage, ob die Erstrevisionswerberin als deren Mutter und behaupteter Ehefrau der Bezugsperson die Einreise zu gestatten ist, einer neuen Betrachtung unterzogen werden.“

Das BFA hätte (im Wege der belangten Behörde) im Sinne der oben dargestellten Judikatur jedenfalls eine entsprechende Belehrung und organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises veranlassen müssen, um das Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Bezugsperson und den Zweit- bis Fünftbeschwerdeführern zu verifizieren. Erst nach Vorliegen der Ergebnisse der von den Beschwerdeführern in Aussicht genommenen DNA-Analysen wäre eine abschließende – diese Ergebnisse berücksichtigende - Wahrscheinlichkeitsprognose zu erstellen gewesen, die als taugliche Grundlage für die Entscheidung über die gegenständlichen Einreiseanträge vor allem in Hinblick auf
Art. 8 EMRK dienen hätte können.

Im Hinblick auf die Einreisegestattung betreffend die Erstbeschwerdeführerin und ihren Kindern ist darauf zu verweisen, dass die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in ihrer jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert haben, in Visa-Verfahren nach
§ 35 AsylG 2005 die Einhaltung des Artikel 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere VfGH 06.06.2014, B369/2013; 23.11.2015, E1510-1511/2015-15; 27.11.2017, E1001-1005/2017, dem nicht näher differenziert folgend: VwGH 30.06.2016, Ra 2015/21/0068; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Aus dieser Judikatur ergibt sich, dass eine konkrete und individuelle Prüfung der beteiligten Interessen nach den Kriterien des Artikel 8 EMRK stattzufinden hat, und eine eventuelle Ablehnung eines Einreisetitels entsprechend begründet werden muss. Im gegenständlichen Fall wurde eine solche Prüfung nicht vorgenommen. Dies wird - sofern nach dem ergänzenden Beweisverfahren noch erforderlich - im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

Hinsichtlich der Ausführungen über die Erteilungsvoraussetzungen gem.
§ 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG in der gegenständlich angefochtenen Entscheidung ist schließlich darauf hinzuweisen, dass zunächst die vorzitierten Ermittlungen zur behaupteten Familieneigenschaft anzustellen sind. Des Weiteren ist Folgendes auszuführen:

Die Beschwerdeführer haben mit Antragstellung diverse Unterlagen vorgelegt (Mietvertrag, Lohnzettel der Bezugsperson, e-card der Bezugsperson). In der Stellungnahme vom 11.09.2019 führte das BFA sodann aus, dass die gesetzlichen Standarderfüllungen, insbesondere im Hinblick auf eine bestehende ortsübliche Unterkunft sowie ein ausreichendes Einkommen nicht geboten seien und daher unter diesen Umständen eine Fortsetzung eines gemeinsamen Familienlebens keineswegs als erfüllt zu betrachten sei. Die Beschwerdeführer verweisen in der Beschwerde gegen den Bescheid auf eine am 20.04.2020 eingebrachte Stellungnahme, die vom BFA nicht berücksichtigt worden wäre.

Eine Stellungnahme der Beschwerdeführer, datiert mit 20.04.2020, findet sich nicht im Akt. Wurde diese Stellungnahme inkl. Unterlagen (neuer Mietvertrag, Lohnzettel) tatsächlich zum genannten Datum vorgelegt, so ist dies jedenfalls rechtzeitig, vor der Erlassung des Bescheides am 12.06.2020, geschehen und würde das Neuerungsverbot des § 11a FPG nicht zum Tragen kommen. Wenn weiters die in der Stellungnahme vorgelegten Unterlagen dem Vorbringen in der Beschwerde entsprechen, hätten die Beschwerdeführer diverse Unterlagen vorgelegt, die erstinstanzlich keinerlei Erwägungen auf Sachverhaltsebene unterzogen worden sind und demgemäß auch zu keinen Feststellungen geführt haben, die allerdings als Grundlage für die Überprüfung ihrer Tragfähigkeit (insbesondere im Hinblick auf Versicherungsschutz, Ortsüblichkeit der Unterkunft und ausreichender Existenzmittel) unabdingbar sind.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde daher abzuklären, ob es eine diesbezügliche Stellungnahme gegeben hat und sich mit dieser gegebenenfalls auseinanderzusetzen. Dies insbesondere unter der Prämisse, dass die vorgehaltenen Bedenken hinsichtlich Einkommen der Bezugsperson und ortsübliche Unterkunft, bei Wahrunterstellung des Vorbringens der Beschwerde, als hinfällig zu betrachten sind und die Voraussetzungen des § 60 AsylG erfüllt wären.

Ohne Abklärung der angesprochenen Umstände und valider Feststellungen hiezu, ist es dem Bundesverwaltungsgericht nicht möglich, die wesentlichen Verfahrensfragen zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können. Es war somit mit einer Zurückverweisung zur Sachverhaltsergänzung vorzugehen.

Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 11a Abs. 2 FPG nicht durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I
Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Angehörigeneigenschaft DNA-Daten Einreisetitel Ermittlungspflicht finanzielle Mittel Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Unterkunft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W240.2236028.1.00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten