Entscheidungsdatum
02.12.2020Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W175 2237173-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 04.11.2020, GZ. Islamabad-ÖB/KONS/2256/2019, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX StA. Afghanistan, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 31.08.2020, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 12.08.2019 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde der Ehemann der BF, ebenfalls afghanischer Staatsangehöriger, genannt, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.05.2019 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Dem Antrag war unter anderem ein Schreiben der rechtlichen Vertretung angefügt, in welchem ausgeführt wurde, dass die BF und die Bezugsperson im Jahr XXXX geheiratet hätten. Aus der Ehe seien zwei Kinder hervorgegangen, welche – wie die Bezugsperson zwischenzeitlich erfahren habe – nicht mehr am Leben seien.
Die BF wurde am 19.11.2019 durch die ÖB Islamabad interviewt.
2. Nachdem die Unterlagen dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) übermittelt wurden, teilte dieses in seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG, datiert mit 03.04.2020, mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson habe nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson bestanden, weshalb die BF keine Familienangehörige iSd
§ 35 Abs. 5 AsylG sei. Die Angaben der BF zur Angehörigeneigenschaft würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.
In besagter Stellungnahme wurde ausgeführt, dass sich gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und verfahrensrelevanten Familienverhältnisses ergebe hätten, sodass eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich sei. Die Bezugsperson habe in ihrem Asylverfahren sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme durch das BFA im Jahr 2013 angegeben, ledig zu sein und keine Kinder zu haben. In der Einvernahme durch das BFA im Jahr 2015 habe die Bezugsperson erstmals angegeben, seit März XXXX traditionell mit der BF verheiratet zu sein; es gäbe keine Heiratsurkunde. XXXX habe er mit der BF sechs Monate lang bei seinen Eltern gewohnt, danach sei er für fünf Jahre in den Iran gegangen. Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan hätten sie wiederrum von 2009 bis 2013 im Haus der Eltern zusammengelebt. Weiters habe die Bezugsperson angegeben, einer seiner Söhne sei XXXX geboren worden. Zwei weitere Söhne seien Zwillinge gewesen und wären XXXX geboren worden. Die Angaben der Bezugsperson würden im Widerspruch zu den Angaben auf den vorgelegten Sterbeurkunden der Kinder und seinen Angaben in der Erstbefragung stehen. In der Erstbefragung habe die Bezugsperson angegeben, ungefähr im Jahr 2011 ausgereist zu sein. Auf Nachfrage, wie es möglich gewesen sei, dass im Jahr XXXX ein Sohn geboren worden sei, habe die Bezugsperson angegeben, erst im Jahr 1398 ausgereist zu sein. Er sei im Jahr 2011 ein zweites Mal in den Iran gegangen und danach nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt sein. Die Bezugsperson habe sich in der Einvernahme laufend widersprochen. Die BF habe angegeben, nur ein Jahr mit der Bezugsperson zusammen gelebt zu haben. Dies widerspreche ebenfalls den Angaben der Bezugsperson. Zudem habe die BF auf viele Fragen der ÖB keine Angaben machen können. Aufgrund dieser Widersprüche, in Verbindung mit den bedenklichen Dokumenten sei es für die Behörde eindeutig, dass es sich bei der behaupteten Ehe um eine Scheinehe handle. Es habe kein Familienleben zwischen der BF und der Bezugsperson im Herkunftsstaat gegeben.
3. Mit Schreiben vom 19.06.2020 wurde der BF eine Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung des Antrages mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Mitteilung und Stellungnahme des BFA zu entnehmen. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
4. Die BF erstattete am 25.06.2020 eine Stellungnahme und brachte darin im Wesentlichen vor, dass die BF und die Bezugsperson Anfang des Jahres XXXX geheiratet hätten und in weitere Folge sechs Monate zusammengelebt hätten. Danach sei die Bezugsperson für fünf Jahre in den Iran gegangen. Ein Sohn sei im Jahr XXXX geboren worden. Im August 1388 sei die Bezugsperson nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Zwillingssöhne seien im XXXX geboren worden, wobei ein Sohn kurz nach der Geburt verstorben sei. Ca. XXXX /2011 sei die Bezugsperson wieder in den Iran gereist, wo er sich bis zu seiner Weitereise nach Europa aufgehalten habe. Bei der Angabe des Geburtsjahres eines Sohnes handle es sich um einen Übersetzungs- oder Denkfehler. Der erste Sohn sei im Jahr der Hochzeit ( XXXX ), neun Monate nach der Eheschließung, und nicht im Jahr XXXX geboren worden. Betreffend die Unstimmigkeiten auf den vorgelegten Sterbeurkunden wurde ausgeführt, dass die darauf ersichtlichen Angaben vom minderjährigen Bruder der Bezugsperson gemacht worden seien. In Afghanistan würden Monats- und Tagesdaten keine große Rolle spielen. Es sei verständlich, dass sich der minderjährige Bruder der Bezugsperson bei der Angabe der Geburtsmonate der Söhne der BF und der Bezugsperson um zwei bis drei Monate verschätzt habe. Aus der vorgelegten Heiratsbescheinigung gehe hervor, dass die BF und die Bezugsperson im Mai XXXX geheiratet hätten. Zu den Angaben der BF in ihrem Interview vor der ÖB Islamabad könnten keine Angaben gemacht werden, da das diesbezügliche Protokoll dem Rechtsvertreter nicht zur Verfügung stehe. Die Angabe der BF, wonach sie nur ein Jahr mit der Bezugsperson zusammengelebt hätte, erscheine auch in Anbetracht der Angaben der Bezugsperson stimmig. Auch bei großzügiger Zählung hätten beide jedenfalls keine zwei Jahre zusammengelebt (sechs Monate im Jahr XXXX ). Es liege keine Scheinehe vor. In der afghanischen Kultur im ländlichen Raum sei es im Grund ausgeschlossen, dass uneheliche Kinder gezeugt werden würden. Die Übermittlung des Einvernahmeprotokolls der BF an den Rechtsvertreter und eine Fristerstreckung zur Einbringung einer Stellungnahme um eine Woche ab Zustellung des Einvernahmeprotokolls wurden beantragt. Der Stellungnahme waren die Heiratsbestätigung und die Sterbeurkunden der Kinder inklusive Übersetzung und Lichtbilder, die die BF und die Bezugsperson bei einem Treffen vor rund sechs Monaten im Iran zeigen würden, angeschlossen.
5. Nachdem die Stellungnahme dem BFA übermittelt wurde, teilte dieses in seiner erneuten Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005, datiert mit 25.08.2020, mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson habe nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson bestanden, weshalb die BF keine Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG sei. Die Angaben der BF zur Angehörigeneigenschaft würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.
In der diesbezüglichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass sich gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses ergebe hätten, sodass eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich sei. Es hätten sich aus der Sicht der Behörde keine Änderungen ergeben, die für die Erlassung einer positiven Wahrscheinlichkeitsprognose sprechen würden. Auf die Stellungnahme des BFA vom 03.04.2020 wurde verwiesen. Die Bezugsperson habe in ihrem Asylverfahren sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme durch das BFA im Jahr 2013 angegeben, ledig zu sein und keine Kinder zu haben. In seiner Einvernahme im Jahr 2015 habe die Bezugsperson erstmals angegeben, verheiratet zu sein und drei Kinder zu haben. Er habe diesbezüglich widersprüchliche Angaben getätigt und sei es ihm nicht möglich gewesen genaue Angaben bezüglich seiner Kinder zu machen. Auch habe er den Namen der BF anders angegeben und ausgeführt, dass die Ehe in XXXX geschlossen worden sei. Aus der Heiratsurkunde gehe hingegen hervor, dass die Ehe in XXXX geschlossen worden sei. Die BF habe keine glaubhaften Angaben zur Ehe machen können. Sie habe weder Angaben zum Alter der Bezugsperson, der Anzahl der Hochzeitsgäste noch zu den Hobbys der Bezugsperson machen können. Vor allem habe sie nicht angeben können, nach wie vielen Monaten bzw. Jahren das erste Kind zur Welt gekommen sei. Die Heiratsurkunde und die Sterbeurkunden seien erst nach der Ausreise der Bezugsperson ausgestellt worden. Es sei amtsbekannt, dass gefälschte Dokumente leicht zu erwerben seien. Auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019 (letzte Aktualisierung vom 21.07.2020) betreffend Dokumente wurde verwiesen. Die gesamten Aussagen könnten nicht als glaubhaft befunden werden. Die Ehe sowie die Angaben zu den Kindern würden nicht geglaubt werden. Betreffend die vorgelegten Fotos wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, wo und wann diese aufgenommen worden seien. Auch sei nicht ersichtlich, dass es sich bei der Bezugsperson und der BF um Eheleute handle.
6. Mit Mail vom 31.08.2020 teilte die ÖB Islamabad der rechtlichen Vertretung der BF mit, dass Akteneinsicht nur vor Ort an der ÖB möglich sei.
7. Mit Bescheid vom 31.08.2020 wies die ÖB Islamabad den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab. Das BFA habe nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde.
8. Am 28.09.2020 brachte die BF im Wege ihrer rechtlichen Vertretung eine Beschwerde ein. Darin wurde ausgeführt, dass die Behörde in ihrem Bescheid nicht auf das Vorbringen in der Stellungnahme eingegangen sei. Es seien sämtliche Widersprüche vollständig und lückenlos aufgeklärt worden. Bei der Einvernahme der Bezugsperson habe es gravierende Übersetzungsprobleme gegeben. Auf die Stellungnahme vom 25.06.2020 wurde verwiesen. Betreffend den Ort der Eheschließung wurde ausgeführt, dass XXXX ein kleines Dorf in der Provinz XXXX sei. Dem Rechtsvertreter sei das Einvernahmeprotokoll betreffend das Interview der BF bisher nicht übermittelt worden. Die ÖB habe mitgeteilt, dass eine Akteneinsicht grundsätzlich nur vor Ort möglich sei. Dies habe die ÖB gleichzeitig mit der Übermittlung des angefochtenen Bescheides mitgeteilt. Es habe somit keine Möglichkeit bestanden, vor Ort Akteneinsicht zu nehmen. Auch wäre die Reise nach Islamabad für die BF als Frau ohne Begleitung mit erheblichen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden. Das Verfahren sei als mangelhaft anzusehen. Betreffend die vorgelegten Urkunden habe eine nähere Prüfung nicht stattgefunden. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.
9. In der Folge erließ die ÖB Islamabad am 04.11.2020, Zl. Islamabad-ÖB/KONS/2256/2019, eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend führte die ÖB Islamabad aus, es sei ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden sei. Die Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des BFA durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des Bundesamtes einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG Beschwerde erhoben werde.
Die Bezugsperson und die BF hätten selbst angegeben, dass sie für rund sechs Monate nach der Hochzeit zusammengelebt hätten und die Bezugsperson dann für fünf Jahre in den Iran gegangen sei. Danach sei sie kurz zurück nach Afghanistan und dann wiederrum für zwei Jahre in den Iran gegangen. Beide hätten angegeben, dass seit der zweiten Ausreise der Bezugsperson kein Kontakt mehr bestanden hätte. Auch habe die Bezugsperson in der Erstbefragung in ihrem Asylverfahren angegeben, ledig zu sein und keine Kinder zu haben. Diese seien erstmals im Jahr 2015 erwähnt worden. Auch habe die Bezugsperson 2015 widersprüchliche Angaben zu den Geburtsdaten der Kinder gemacht und habe angegeben, vier Jahre mit der BF zusammengelebt zu haben. Kurz darauf habe die Bezugsperson angegeben, bereits 2009 in den Iran ausgewandert zu sein. Die BF habe im Rahmen ihres Interviews durch die ÖB Islamabad immer wieder mit „Ich weiß es nicht“ geantwortet. Insbesondere die Aussage, sie wisse nicht, ob es eine Heiratsurkunde gebe bzw. ob die Ehe registriert worden sei, falle auf, da sich in den Antragsunterlagen ein Dokument mit dem Namen „Marriage certificate“ befinde. Aus diesem Dokument gehe hervor, dass der Ehe zwei Kinder entstammten, welche jedoch verstorben wären. Für diese seien Sterbeurkunden vorgelegt worden. Die Bezugsperson und die BF hätten jedoch auch angegeben, einen dritten Sohn gehabt zu haben, welcher wenige Monate nach der Geburt verstorben sei. Auf die Ausführungen in den Stellungnahmen des BFA zu den Sterbeurkunden und den Widersprüchen betreffend die Kinder wurde verwiesen. Es sei davon auszugehen, dass seit der Ausreise der Bezugsperson aus Afghanistan kein aufrechtes Familienleben mehr geführt werde und falle die BF somit nicht unter die Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG. Es habe weder eine Eheschließung nachgewiesen werden können noch, dass sowohl vor der Flucht der Bezugsperson und während deren Aufenthalt in Österreich Kontakt bestanden habe. Es sei davon auszugehen, dass die ehelichen und familiären Verbindungen – falls sie jemals bestanden hätten – zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. im gegenständlichen Verfahren nicht mehr bestehen würden bzw. bestanden hätten. Dies stehe auch im Einklang mit Art. 16 Abs. 1 lit. b der RL 2003/86/EG (Familienzusammenführungsrichtlinie). Nach
Art. 61 Abs. 2 des afghanischen Zivilgesetzbuchs sei für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages eine Registrierung vorgeschrieben. Ohne den Nachweis durch eine öffentliche Urkunde sei die Ehe nach staatlichem afghanischen Recht ungültig. Die vorgelegte Heiratsurkunde solle zwar eine traditionell geschlossene Ehe bestätigen, eine Registrierung als öffentliche Urkunde sei jedoch nicht vorgenommen worden. Es liege somit keine rechtsgültige Ehe der BF mit der Bezugsperson, die bereits vor der Einreise bestanden habe, vor und entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass in einem solchen Fall die Familieneigenschaft nach § 35 Abs. 5 AsylG zu verneinen und der Einreisetitel zu versagen sei.
10. Mit Schreiben vom 09.11.2020 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Auf Ausführungen in die Beschwerde vom 28.09.2020 wurde verwiesen.
11. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 19.11.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 23.11.2020, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF, Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 12.08.2019 bei der ÖB Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Als Bezugsperson wurde der Ehemann der BF genannt. Der Bezugsperson wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.05.2019 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Die BF wurde am 19.11.2019 von der ÖB Islamabad einvernommen.
Das BFA teilte der ÖB Islamabad nach Erhalt und Prüfung des Antrages samt Unterlagen mit, dass die Stattgebung des Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson bestanden habe, weshalb die BF keine Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG sei und die Angaben der BF zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden.
Die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA wurde auch nach einer Stellungnahme der BF hiezu aufrechterhalten.
Mit Bescheid der ÖB Islamabad vom 31.08.2020 wurde der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen.
Die gegen den Bescheid fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung der ÖB Islamabad gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
Am 09.11.2020 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht, der dem Bundesverwaltungsgericht durch das BMI samt Verwaltungsakt mit Schreiben vom 19.11.2020, am 23.11.2020 eingelangt, vorgelegt wurde.
Eine vor Einreise der Bezugsperson nach Österreich bestanden habende, nach afghanischem Recht gültige Eheschließung zwischen der BF und der Bezugsperson kann nicht festgestellt werden. Die Bezugsperson und die BF haben weder eine zivilrechtliche noch eine traditionelle Ehe geschlossen.
Nach Art. 61 afghanisches Zivilgesetzbuch (Madani Qanun) in der unverändert gültigen Stammfassung vom 05.01.1977, Amtsblatt der Republik Afghanistan Band 19 (1977) Nr. 353, ist für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages dessen Registrierung vorgeschrieben und zwar zumindest in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise. Gleichwohl werden auch nicht registrierte Ehen als gültig betrachtet, wenn ihr Abschluss durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen werden kann.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der ÖB Islamabad und wurden von der BF auch nicht bestritten.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde – insbesondere in den angefochtenen Bescheid und die dagegen erhobene Beschwerde und die Stellungnahmen des BFA.
Wie bereits die belangte Behörde erwogen hat, ergibt sich der festgestellte Sachverhalt widerspruchsfrei aus den (behördlich) aufgenommenen, im Verwaltungsakt einliegenden Beweismitteln.
Das Bestehen einer vor der Einreise der Bezugsperson nach afghanischem Recht geschlossenen Ehe zwischen der Bezugsperson und der BF kann nicht festgestellt werden. Überdies kann eine traditionell geschlossene Ehe aufgrund zahlreicher Widersprüche zwischen den Angaben der BF und der Bezugsperson sowie mangels geeigneter unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden.
Die Feststellungen zum afghanischen Eherecht ergeben sich aus der zitierten Quelle, konkret aus Bergmann/Ferid, „Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung Afghanistan, 1990“, Seite 16. Die darin dargelegte Rechtslage wurde der BF unter Anführung der genannten Quelle bereits mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2020 von der Österreichischen Botschaft Islamabad zur Kenntnis gebracht und wurde diese Rechtslage im Vorlageantrag nicht bestritten. Die rechtlichen Ausführungen beziehen sich auf die unverändert gültige Stammfassung des afghanischen Zivilgesetzbuches vom 05.01.1977. Es wurde vorgebracht, dass die traditionelle Eheschließung im Jahr XXXX stattgefunden habe, sodass davon ausgegangen werden kann, dass das afghanische Zivilgesetzbuch im Zeitpunkt der behaupteten Eheschließung bereits in Kraft getreten ist.
Die vorgelegte afghanische Heiratsurkunde („Marriage certificate“) vom XXXX enthält die an diesem Tag vor einem Gericht erstatteten Aussagen von fünf namentlich genannten Personen, wonach die am XXXX , also fünfzehn Jahre zuvor, erfolgte Eheschließung der BF mit der Bezugsperson bestätigt werde. Dazu ist zunächst auszuführen, dass einer der Zeugen im Jahr XXXX Jahre alt und ein anderer Zeuge im Jahr XXXX Jahre alt gewesen sei. Die beiden Personen waren somit im Zeitpunkt der zu bezeugenden traditionellen Eheschließung im Jahr XXXX erst zehn bzw. fünf Jahre alt.
Die Urkunde entspricht insofern nicht den üblicherweise vorgelegten Urkunden dieser Art, als die Personaldaten der Eheleute, die unter den Personaldaten „The Clients“ einzutragen wären, zur Gänze fehlen. Dies ist besonders deutlich in der englischen Übersetzung zu erkennen, da die dafür vorgesehenen Felder leer sind. Die Eheleute werden nur im Text der Urkunde namentlich genannt. Auch fehlt die Angabe zum genauen Ort der Eheschließung sowie zum aktuellen Wohnort der BF im Dokument vollständig. Überdies wird im Text der Urkunde ausgeführt, dass der Ehe zwei Kinder entstammt seien, welche jedoch verstorben seien. Die BF und die Bezugsperson führten jedoch aus, dass sie insgesamt drei Söhne bekommen hätten, wobei einer der Zwillingsjungen wenige Monate nach der Geburt verstorben sei.
Darüber hinaus konnte die BF weder Angaben dazu machen, ob bei der traditionellen Eheschließung eine Bestätigung durch einen Mullah ausgestellt noch ob die Ehe registriert worden sei. Die Bezugsperson gab in ihrer Einvernahme vor dem BFA im Jahr 2015 im Widerspruch zur vorgelegten Heiratsurkunde an, die Hochzeit habe XXXX stattgefunden. Die Angaben in der Heiratsurkunde stehen daher im Widerspruch zu den Angaben der BF und der Bezugsperson.
Die Beweiskraft derartiger, allein auf Zeugenaussagen basierender Urkunden ist generell gering, weil der Wahrheitsgehalt solcher Zeugenaussagen vor Ausstellung der Urkunden nicht überprüft wird, afghanische Personenstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet sind und derartige Dokumente von den Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt werden (z.B. deutsches Auswärtiges Amt, 06.11.2015, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 27). Abgesehen davon deuten die oben genannten Merkmale zusätzlich darauf hin, dass diese Urkunde ohne jeglichen Nachweis, insbesondere zur Person der Bezugsperson, die sich zum Ausstellungszeitpunkt schon in Österreich befand, ausgestellt wurde.
Aufgrund der oben angeführten Mängel ist die vorgelegte Heiratsurkunde daher nicht geeignet, die angeblich fünfzehn Jahre zuvor stattgefundene traditionelle Eheschließung zwischen der BF und der Bezugsperson nachzuweisen. Weitere schriftliche Nachweise der traditionellen Eheschließung wurden nicht vorgelegt. Auch Fotos und Videos einer Hochzeitsfeier wurden nicht vorgelegt.
Überdies wurde keine Urkunde über eine Registrierung der Ehe vorgelegt. Die gerichtlich beurkundeten Zeugenaussagen vom XXXX über eine Eheschließung stellen keine staatliche Registrierung der Ehe dar. Im gegenständlichen Fall wurde keine nach afghanischem Zivilrecht gültige Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson geschlossen.
Die Feststellung hinsichtlich des Nichtbestehens einer traditionell geschlossenen Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson, ergibt sich aus folgenden Umständen:
Die Bezugsperson hat in der Erstbefragung und der (ersten) Einvernahme durch das BFA in ihrem Asylverfahren mit keinem Wort angegeben, dass sie verheiratet sei und Kinder habe. Es ist nachvollziehbar, dass ein Antragsteller, der im Heimatland Ehefrau und Kinder zurücklassen musste, im Gastland nicht angeben würde, dass er Angehörige seiner Kernfamilie zu Hause habe. Die Bezugsperson hat ausdrücklich angegeben, dass sie ledig sei, sodass davon ausgegangen werden muss, dass weder eine Ehe noch Nachkommen vor der Einreise ins Bundesgebiet vorhanden waren. Die Bezugsperson gab erstmals in der erneuten Einvernahme durch das BFA im Jahr 2015 an, verheiratet zu sein und drei Kinder zu haben. Es gebe weder eine Heiratsurkunde noch Fotos oder Filmaufnahmen der im Jahr XXXX traditionell geschlossenen Ehe. Der Einwand, dass es sich um ein bloßes Missverständnis handeln müsse, wenn die Bezugsperson angegeben habe, ledig zu sein, ist erkennbar unrichtig, da die Bezugsperson wiederholt bei verschiedenen Befragungen zu verschiedenen Zeitenpunkten diese Angaben erstattet hat.
Überdies führte die Bezugsperson in ihrer Einvernahme im Jahr 2015 aus, dass weder eine Heiratsurkunde noch sonstige Nachweise, etwa in Form von Fotos oder Videoaufnahmen, betreffend die traditionell geschlossene Ehe existieren würden. Auch gab die BF an, dass es keine Fotos der Hochzeit gebe und sie weder wisse, ob eine Bestätigung durch den Mullah ausgestellt worden sei oder eine Registrierung der Ehe stattgefunden habe. Die BF konnte insgesamt keine detaillierten Angaben zur Hochzeitsfeier geben, sondern antwortete mehrmals, dass sie „es nicht wisse“.
Auch konnte die BF keine genauen Angaben zu ihrem Ehemann bzw. dessen Aufenthalt in Österreich machen. So antwortete sie auf die Fragen, wie alt der Ehemann sei, welcher Religion er angehöre, wann und wo sie ihn zuletzt gesehen habe, wo und mit wem er in Österreich zusammenlebe und wie er seine Freizeit in Österreich gestalte, mit „Ich weiß es nicht.“.
Wie von der Behörde zutreffend ausgeführt machten die BF und die Bezugsperson auch mehrfach widersprüchliche Angaben betreffend die vermeintlich der Ehe entstammten Kinder. So führte die BF in ihrem Einreiseantrag keine Kinder an. Im Schreiben der rechtlichen Vertretung, welches den Antragsunterlagen angeschlossen war, wurde ausgeführt, dass die BF und die Bezugsperson zwei Kinder gehabt hätten, welche verstorben seien. Wie oben bereits ausgeführt, werden in der vorgelegten Heiratsurkunde zwei Kinder genannt, welche bereits verstorben seien. Die Bezugsperson gab – wie auch bereits oben ausgeführt – in ihrem Asylverfahren in der Erstbefragung sowie der Einvernahme durch das BFA im Jahr 2013 an, ledig und kinderlos zu sein. Erst im Rahmen der erneuten Einvernahme durch das BFA im Jahr 2015 führte die Bezugsperson an, drei Söhne zu haben. Die BF gab in ihrem Interview vor der ÖB Islamabad an, sie habe drei Kinder gehabt, welche jedoch alle verstorben seien; sie wisse nicht, wie viele Monate oder Jahre nach der Eheschließung das erste Kind geboren worden sei.
Auch sind die Angaben der BF und der Bezugsperson sowie die Angaben in den vorgelegten Sterbeurkunden betreffend die Geburtsdaten der Kinder nicht miteinander in Einklang zu bringen und unglaubwürdig. So wird in der englischen Version der vorgelegten Sterbeurkunden ausgeführt, dass ein Sohn am XXXX und ein weiterer Sohn am XXXX ) geboren worden sei. In der mit der Beschwerde vorgelegten deutschen Übersetzung der Sterbeurkunden wird wiederum ausgeführt, dass ein Sohn am XXXX und ein weiterer Sohn am XXXX geboren worden sei.
Im Rahmen ihrer Einvernahme im Jahr 2015 führte die Bezugsperson aus, dass ein Kind im 6. oder 7. bzw. im 9. oder 10. Monat des Jahres XXXX (entspricht XXXX ) und die Zwillinge im 6. Monat des Jahres XXXX (entspricht XXXX ) geboren worden zu sein. Auch wenn man den Ausführungen in der Stellungnahme folgt, wonach sich die Bezugsperson beim Geburtsjahr um 10 Jahre vertan habe oder dieses mehrfach falsch protokolliert und der erste Sohn im Jahr XXXX und nicht im Jahr XXXX geboren worden sei, ist dies nicht mit einer Eheschließung im Mai XXXX in Einklang zu bringen. Wäre der erstgeborene Sohn, wie in der Stellungnahme ausgeführt, gleich nach der Hochzeit am XXXX gezeugt worden und neun Monate später zu Welt gekommen, wäre er im XXXX geboren worden. Die Bezugsperson gab den Geburtsmonat jedoch mit 6. oder 7. bzw. 9. oder 10. Monat an. Betreffend die Ausführungen in der Stellungnahme, dass Zeitangaben in Afghanistan eine untergeordnete Rolle spielen würden und es daher nachvollziehbar sei, dass man sich bei der Angabe der Geburtsmonate der Kinder in den Sterbeurkunden um zwei bis drei Monate verschätze, ist auszuführen, dass der erstgeborene Sohn laut der Sterbeurkunde im Juli XXXX geboren worden sei. Dies würde – ausgehend von der frühesten Empfängnis am Hochzeitstag und der Geburt des Sohnes im Februar XXXX – eine Differenz von acht Monaten ergeben. Diesbezüglich ist auch auf die Ausführungen in der Stellungnahme zu verweisen, wonach es in der afghanischen Kultur im ländlichen Raum im Grunde ausgeschlossen sei, dass uneheliche Kinder gezeugt werden würden. Es ist auch anzumerken, dass die BF in ihrem Interview nicht angeben konnte, wie viele Monate oder Jahre nach der Hochzeit, das erste Kind geboren worden sei.
Auch ist den Ausführungen der Behörde, wonach aufgrund zahlreicher Widersprüche nicht von einem aufrechten Ehe- und Familienleben ausgegangen werden könne, zu folgen. So gab die BF in ihrem Interview durch die ÖB Islamabad im November 2019 an, sie habe mit der Bezugsperson ein Jahr lang in XXXX zusammengelebt; im Haus hätten nur sie und ihr Mann gewohnt. Die Bezugsperson habe Afghanistan vor rund sechs Jahren verlassen. Es bestünde kein Kontakt zur Bezugsperson.
In der Einvernahme durch das BFA im Jahr 2015 führte die Bezugsperson aus, sie habe im Jahr XXXX für sechs Monate mit der BF und ihren Eltern in XXXX gelebt. Danach sei sie für rund fünf Jahre in den Iran gegangen. Von 2009 bis 2013 hätte sie wiederrum mit der BF im Haus der Eltern zusammengelebt. Kurz darauf gab sie im Widerspruch dazu an, im 12. Monat des Jahre XXXX das zweite Mal in den Iran ausgereist zu sein.
In der Stellungnahme führte die BF aus, sie habe sechs Monate nach Hochzeit mit der Bezugsperson zusammengelebt. Dann sei die Bezugsperson erstmals für fünf Jahre in den Iran gegangen und Ende des Jahres XXXX ) sei sie das zweite Mal in den Iran gegangen. Auch bei großzügiger Zählung hätten die BF und die Bezugsperson keine zwei Jahre zusammengelebt (sechs Monate im XXXX ) und vom 8. Monat des Jahres XXXX
Die Bezugsperson führte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.05.2019 aus, der letzte Kontakt zur BF hätte Ende 2016 bestanden.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Ausführungen der BF betreffend das Bestehen einer Ehe vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich jedenfalls auch nicht durch die Vorlage diesbezüglich unbedenklicher Urkunden untermauert werden konnte. Die Angaben der BF und der Bezugsperson betreffend die Hochzeit und die Kinder sind zudem nicht miteinander in Einklang zu bringen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Hochzeit zweifelsohne ein sehr einprägsames Ereignis darstellt.
Aus dem Vorbringen der BF sowie aus den Angaben der Bezugsperson lässt sich in einer Gesamtschau sohin nicht ableiten, dass zwischen ihnen bereits vor Einreise der Bezugsperson nach Österreich eine nach afghanischem Recht gültige Ehe vorlag. Es ist der BF sohin nicht gelungen, ein relevantes und damit schützenswertes Familienverhältnis im Zuge des Verfahrens nachzuweisen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:
„Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit
§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).
Beschwerdevorentscheidung
§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Vorlageantrag
§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Anzuwendendes Recht
§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
…
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetztes 2005 (AsylG 2005) lauten:
„Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Übergangsbestimmungen
§ 75
[…]
(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs 1 Z 15, 3 Abs 4 bis 4b, 7 Abs 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs 6 und 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.
[…]“
Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels wurde am 12.08.2019, und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht. Gemäß der Übergangsbestimmung § 75 Abs. 24 AsylG 2005 war daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der geltenden Fassung anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) lauten wie folgt:
„Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6 Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
Form der Eheschließung
§ 16 (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des Ehegesetzes lauten wie folgt:
„Form der Eheschließung
§ 17 (1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.
Mangel der Form
§ 21 (1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch § 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.
(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.“
Zu A) Abweisung der Beschwerden:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).
Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des BFA noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige BFA die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe hiezu BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis. Die Prognose des BFA und die in der Folge darauf gestützte Auffassung der Vertretungsbehörde, dass die Familienangehörigeneigenschaft zwischen der BF und der Bezugsperson nicht vorliegt, ist im Ergebnis zutreffend:
Gemäß § 16 Abs. 2 IPR-G ist die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Im vorliegenden Fall ist somit die Gültigkeit der behaupteten Ehe nach afghanischem Recht zu beurteilen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des afghanischen Zivilgesetzbuches (Madani Qanun) vom 05.01.1977, Amtsblatt der Republik Afghanistan Band 19 (1977) Nr. 353, lauten in der unverändert in Geltung stehenden Stammfassung folgendermaßen:
Der Eheschließungsvertrag wird nach der Registrierung der in Art. 46 dieses Gesetzes vorgesehenen zuständigen Personenstandsbehörde mitgeteilt. Wenn die Registrierung des Eheschließungsvertrages in dieser Weise nicht möglich ist, findet sie in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise statt.
Nach Art. 61 Abs. 2 afghanisches Zivilgesetzbuch ist demnach für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages seine Registrierung vorgeschrieben, und zwar zumindest "in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise". Ohne den Nachweis durch eine öffentliche Urkunde ist die Ehe nach staatlichem afghanischem Recht ungültig (vgl. Bergman/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Afghanistan, 1990, S. 16). Nur bei registrierten Ehen handelt es sich um nach staatlichem Recht gültige Ehen.
Eine traditionelle Eheschließung – auch diese wurde gegenständlich nicht nachgewiesen – vor entsprechender staatlicher Registrierung vermag keine Rechtswirkungen zu entfalten. Die Rechtsfolgen der Eheschließung werden erst durch Eintragung im Zivilregister durchsetzbar, sodass nur der staatlichen Registrierung der Ehe Bedeutung beigemessen werden kann.
Die BF hat nicht unter Beweis gestellt, dass sie vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich eine Ehe nach staatlichem Recht, einschließlich Ehe-Registrierung, mit dieser geschlossen habe. Die vorgelegte Heiratsurkunde eines afghanischen Gerichtes, ausgestellt am XXXX , enthält nämlich lediglich die Aussagen dreier namentlich genannter Zeugen, in Anwesenheit zweier weiterer namentlich genannter Zeugen, dass die BF und die Bezugsperson am XXXX (ohne Angabe einer näheren Örtlichkeit der Eheschließung) geheiratet hätten.
Aus der Urkunde geht keine staatliche Registrierung der Ehe hervor. Darüber hinaus ist die Urkunde aufgrund der oben angeführten Mängel und unrichtigen Angaben nicht einmal geeignet, eine traditionelle Eheschließung nachzuweisen.
Im Übrigen dürfte – wie bereits beweiswürdigend ausgeführt – auch ein aufrechtes Familienleben der BF mit der Bezugsperson nicht mehr bestanden haben.
Überdies bestehen – wie bereits beweiswürdigend ausgeführt – Ungereimtheiten zwischen den Angaben der BF im Einreiseverfahren und den Angaben der Bezugsperson in ihrem Asylverfahren. So hat die Bezugsperson die Existenz einer zum Zeitpunkt der Eheschließung ausgestellten Heiratsurkunde ausdrücklich verneint; die BF konnte hierzu keine Angaben machen. Auch gab die Bezugsperson – wie bereits beweiswürdigend ausgeführt – in der Erstbefragung und der ersten Einvernahme durch das BFA in ihrem Asylverfahren im Jahr 2013 wiederholt an, nicht verheiratet zu sein bzw. gab sie in ihrer Einvernahme im