TE Vfgh Beschluss 2019/2/28 E3436/2018

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
AsylG 2005 §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
BGA-VG §21 Abs7
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde mangels Erforderlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer telefonisch erfolgten Konversion in einem Asylverfahren

Spruch

I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde behauptet die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.

Der Verfassungsgerichtshof geht in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (s etwa EGMR 7.7.1989, Fall Soering, EuGRZ1989, 314 [319]; 30.10.1991, Fall Vilvarajah ua, ÖJZ 1992, 309 [309]; 6.3.2001, Fall Hilal, ÖJZ 2002, 436 [436 f.]) davon aus, dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden in welcher Form immer außer Landes zu schaffen, unter dem Blickwinkel des Art3 EMRK erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er gebracht werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (vgl VfSlg 13.837/1994, 14.119/1995, 14.998/1997).

Das Bundesverwaltungsgericht hat weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen noch sind ihm grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung des genannten Grundrechtes darstellen (vgl VfSlg 13.897/1994, 15.026/1997, 15.372/1998, 16.384/2001, 17.586/2005). Ob ihm sonstige Fehler bei der Rechtsanwendung unterlaufen sind, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte).

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinandergesetzt. Ihm kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art8 EMRK überwiegt (vgl VfSlg 19.086/2010).

Soweit die Beschwerde eine Verletzung des Art47 GRC durch die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung behauptet, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten: Hängt die Entscheidung über das Vorliegen eines Asylgrundes wesentlich von der Glaubwürdigkeit des Asylwerbers in Bezug auf seine innere Einstellung, insbesondere etwa in Bezug auf seine religiöse Überzeugung ab, für deren Beurteilung der persönliche Eindruck maßgeblich ist, verlangt Art47 Abs2 GRC grundsätzlich, dass sich das erkennende Gericht selbst unmittelbar in einer mündlichen Verhandlung diesen Eindruck verschafft (vgl in diesem Zusammenhang zB VfGH 26.2.2018, E3296/2017; weiters mwN VfSlg 19.632/2012). Im vorliegenden Fall kann dem Bundesverwaltungsgericht im Lichte dieser Anforderungen aber nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgeht, dass zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der behauptetermaßen fernmündlich erfolgten Konversion des Beschwerdeführers der persönliche Eindruck nicht maßgeblich ist, womit im vorliegenden Fall das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung auch in dieser Hinsicht keine Bedenken im Hinblick auf Art47 Abs2 GRC aufwirft.

Die im Übrigen gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Ermittlungsverfahren und die Beweiswürdigung in jeder Hinsicht rechtsrichtig durchgeführt worden sind, nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

Schlagworte

VfGH / Ablehnung, Asylrecht, Verhandlung mündliche, Ermittlungsverfahren, Religionsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E3436.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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