TE Vfgh Erkenntnis 2020/12/10 V338/2020

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z2
Oö RaumOG 1972 §18, §21, §23
Flächenwidmungsplan Nr 5 der Gemeinde Hinterstoder vom 15.04.2005
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit eines Teils des Flächenwidmungsplans einer Oberösterreichischen Gemeinde; hinreichende Genauigkeit der planlichen Darstellung und ausreichende Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen für die Umwidmung des betroffenen Grundstücks von Bauland in Grünland nach dem Oö RaumOG

Spruch

Der Flächenwidmungsplan Nr 5 der Gemeinde Hinterstoder, beschlossen im Gemeinderat am 15. April 2005, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Juli 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juli bis 2. August 2005, soweit er sich auf das Gebiet "Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss" bezieht, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E653/2019 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Der Beschwerdeführer im Anlassverfahren (in der Folge: Beschwerdeführer) suchte am 7. Februar 2018 um Erteilung einer Bauplatzbewilligung für das seit 1981 in seinem Eigentum stehende Grundstück Nr 1099/48, EZ 781, KG Hinter-stoder, an. Dieses Grundstück war im Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Hinterstoder, beschlossen im Gemeinderat am 7. Mai 1982, aufsichtsbehördlich genehmigt von der Oberösterreichischen Landesregierung am 8. Juni 1982, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 15. Juni bis 30. Juni 1982, zunächst als Bauland für zeitweiligen Wohnbedarf gewidmet. Im späteren Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Hinterstoder, beschlossen im Gemeinderat am 16. November 1989 und am 25. September 1990, aufsichtsbehördlich genehmigt durch die Oberösterreichische Landesregierung am 11. Dezember 1990, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 12. Dezember bis 27. Dezember 1990, wurde das Grundstück hingegen als Grünland ausgewiesen. Im aktuell in Geltung stehenden Flächenwidmungsplan Nr 5 der Gemeinde Hinterstoder, beschlossen im Gemeinderat am 15. April 2005, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Juli 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juli bis 2. August 2005, ist das Grundstück weiterhin als Grünland gewidmet.

1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Hinterstoder vom 20. Februar 2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bauplatzbewilligung abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeinderat der Gemeinde Hinterstoder abgewiesen.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Dieses wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 9. Jänner 2019 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass das Grundstück des Beschwerdeführers gemäß dem derzeitig gültigen Flächenwidmungsplan Nr 5 als Grünland ausgewiesen sei. Im Grünland dürften gemäß §30 Abs5 des Landesgesetzes vom 6. Oktober 1993 über die Raumordnung im Land Oberösterreich (Oö. Raumordnungsgesetz 1994 – Oö. ROG 1994) jedoch nur Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die nötig seien, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen. Für Grünland komme daher die Erteilung einer Bauplatzbewilligung nicht in Betracht. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich habe auch keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Flächenwidmungspläne Nr 4 und Nr 5 der Gemeinde Hinterstoder.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes Nr 5 der Gemeinde Hinterstoder entstanden, soweit er sich auf das Gebiet "Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss" bezieht. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 24. Februar 2020 beschlossen, diesen Flächenwidmungsplan von Amts wegen auf seine Gesetzmäßigkeit zu prüfen (E653/2019).

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"[...]

3. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung sowohl in amtswegig eingeleiteten Prüfungsverfahren, in denen das maßgebliche Grundstück im Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan nicht mit der Grundstücksnummer bezeichnet war (zB VfSlg 11.592/1987), als auch in entsprechenden Antragsverfahren (zB VfSlg 12.650/1991) den Standpunkt eingenommen, dass der das Grundstück umfassende engste planlich abgrenzbare Bereich als präjudiziell anzunehmen ist.

Aus dem Flächenwidmungsplan Nr 5 (Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss) der Gemeinde Hinterstoder sind nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes keine Grundstücksnummern erkennbar, weshalb der Verfassungsgerichtshof vorläufig die Präjudizialität hinsichtlich des Gebietes 'Teil Süd, Weis-senbach-Hutterer Höss' als engsten abgrenzbaren Bereich annimmt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen den Flächenwidmungsplan Nr 5 (Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss) der Gemeinde Hinterstoder das Bedenken, dass dieser nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Plangenauigkeit entspreche:

4.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes haben Pläne, die unmittelbare normative Wirkungen für Rechtsunterworfene entfalten, rechtsstaatlichen Anforderungen der Plangenauigkeit zu entsprechen. So muss der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus der planlichen Darstellung eindeutig und unmittelbar – also ohne das Heranziehen etwaiger technischer Hilfsmittel wie zB des Grenzkatasters – feststellen können. Diese in ständiger Rechtsprechung formulierte Anforderung entwickelte der Verfassungsgerichtshof mit Hinblick auf die Abgrenzung des Aufhebungsumfangs (von Teilen) von Flächen-widmungsplänen, denen keine Grundstücksnummern zu entnehmen waren (s VfGH 14.6.2019, V81/2018, mwN).

4.2. Diesen Anforderungen dürfte der Flächenwidmungsplan Nr 5 (Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss) der Gemeinde Hinterstoder vorerst nicht entsprechen: Der Verfassungsgerichtshof vermag anhand der – im Maßstab 1:5.000 gehaltenen – planlichen Darstellung vorläufig nicht die Grundstücksnummer 1099/48 des Grundstückes des Beschwerdeführers zu erkennen. Damit lässt sich nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht mit der aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlichen Präzision feststellen, welches Grund-stück die Grünlandwidmung aufweist.

5. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen den Flächenwidmungsplan Nr 5 (Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss) der Gemeinde Hinterstoder weiters das Bedenken, dass dieser unsachlich sein und daher gegen den Gleichheitssatz verstoßen dürfte:

5.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung wiederholt mit der Zulässigkeit der Rückwidmung von Bauland in Grünland beschäftigt. So sprach er in VfSlg 13.282/1992 (mwN) aus, dass es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes zulässig sein könne, das Ausmaß des Baulandes in Anbetracht neuer, legitimer planerischer Zielsetzungen zu verringern. Die Auswahl der für eine Rückwidmung in Betracht kommenden Liegenschaften habe aber nach sachlichen Kriterien zu erfolgen. Insbesondere zur Durchsetzung der Raumplanungsziele ist die Durchführung einer Grundlagenforschung – ob vom einfachen Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen oder nicht – unabdingbar (VfSlg 15.011/1997).

5.2. Auch bei einer an sich als notwendig angesehenen Reduzierung des Baulandes sei, wie in VfSlg 9975/1984 und 10.277/1984 zum Tiroler Raumordnungsrecht ausgeführt wurde, davon auszugehen, dass diese Notwendigkeit 'es allein (noch) nicht rechtfertige, ein beliebiges Grundstück [...] in Freiland zu widmen', sondern dass die bisherige Widmungsart und Nutzung zu den bei der Bestands-aufnahme bedeutsamen Gegebenheiten gehören und entsprechend zu berück-sichtigen seien. Ferner hat es der Gerichtshof in VfSlg 13.282/1992 für geboten erachtet, die Auswahl der für eine Umwidmung von Bauland in Grünland in Betracht kommenden Grundstücke auf eine entsprechende Grundlagenforschung und eine die Interessen der bisherigen Baulandeigentümer mitberücksichtigende Interessenabwägung zu stützen. In VfSlg 17.223/2004 hielt der Gerichtshof zusammenfassend fest, dass eine Umwidmung nur dann gesetzes-konform sei, wenn alle für die Widmung maßgebenden Planungsgrundlagen dargetan und erkennbar gegeneinander abgewogen worden sind (vgl aus jüngster Zeit etwa VfSlg 20.030/2015).

5.3. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass das Grundstück des Beschwerdeführers im Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Hinterstoder als Bauland (Gebiete für zeitweiligen Wohnbedarf) ausgewiesen war und es im Zuge der Änderung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 zu einer Rückwidmung in Freiland (Grünland) im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gekommen ist. Die Widmung des Grundstückes als Grünland ist im aktuellen Flächenwidmungsplan Nr 5 beibehalten worden.

5.4. In dem Erläuterungsbericht zum Flächenwidmungsplan Nr 4 vom 22. August 1990 wird zum Gebiet der 'Hutterer Böden', in dem sich das Grundstück des Beschwerdeführers befindet, Folgendes ausgeführt:

'Teilflächenwidmungsplan Nr 103 - HÖSS.

Im Bereich der Sportflächen auf den Hutterer Böden und auf den Abfahrtspisten von der Höss bis ins Tal wurde in Zusammenarbeit mit der Seilbahngesellschaft die planliche Überprüfung dieser Anlagen nach dem derzeitigen Stand vorgenommen. Alle zwischenzeitlich erfolgten Abänderungen der Liftanlagen bezüglich Standort und Ausbaustand sind erfaßt. Auf die Eintragung der Langlaufloipen wurde verzichtet, da diese Anlagen erfahrungsgemäß laufenden Trassenänderungen aus sportlichen Gründen unterliegen und der gesamte Huttererboden als Wintersportfläche/Schipisten erklärt ist.

3.20 Bei dem als 'Gebiet für einen zeitweiligen Wohnbedarf' bezeichneten Bauland beim Sonnkogellift handelt es sich um bereits bestehendes Bauland, im Teilflächenwidmungsplan erfolgte die Anpassung an den tatsächlichen Bestand.

Fläche der Eintragung: 1.67 ha.'

5.5. Aus der Stellungnahme des Regionsbeauftragten für Naturschutz an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Juni 1989 wird zu der Änderung unter Punkt 3.20 Folgendes aufgezeigt:

'In Ergänzung der Stellungnahme vom 2.5.1989 zur Gesamtüberarbeitung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Hinterstoder wird zu den Änderungen Nr 3.20, 3.21, 3.23 auf Planblatt Nr 103 Folgendes mitgeteilt:

Änderung Nr 3.20:

Die ausgewiesene Fläche umfaßt im Wesentlichen bestehendes Bauland, welches für zeitweiligen Wohnbedarf ausgewiesen wurde. Die derzeitige Darstellung entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten und werden diese in einer Plankorrektur berücksichtigt. Dagegen bestehen keine Bedenken.'

5.6. Da sich aus den Akten des Verordnungserlassungsverfahrens keine hinreichenden Erwägungen hinsichtlich der Umwidmung des Grundstückes des Beschwerdeführers ergeben, geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die gebotene Abwägung der – auch wirtschaftlichen – Interessen des Beschwerdeführers an der Bestandskraft der Baulandwidmung einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Änderung der Flächenwidmung andererseits nicht vorgenommen worden ist (vgl §23 Oö. ROG 1972).

5.7. Bereits aus dem Flächenwidmungsplan Nr 3 dürfte die Widmung des Grund-stückes des Beschwerdeführers nicht eindeutig hervorgehen. Zusätzlich dürfte es dem Flächenwidmungsplan Nr 4 im Hinblick auf die (möglicherweise) vorgenommene Rückwidmung an einer (ausreichenden) Grundlagenforschung gemangelt haben und könnte sich dieser daher – mangels sachlicher Erwägungen – als gesetzwidrig erweisen. Da die im Flächenwidmungsplan Nr 4 vorgenommene Rückwidmung des Grundstückes des Beschwerdeführers im präjudiziellen Um-fang auch im Flächenwidmungsplan Nr 5 beibehalten wurde, scheint auch der Flächenwidmungsplan Nr 5 (Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss) mit diesem Mangel belastet zu sein.

[…]"

4. Im Rahmen des vom Verfassungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahrens erstattete der Beschwerdeführer eine Äußerung, in der er zusätzlich ausführte, dass die Rückwidmung seines Grundstückes auch gegen §36 Oö. ROG 1994 verstoßen habe, weil die diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen seien.

5. Die verordnungserlassende Behörde (Gemeinderat der Gemeinde Hinterstoder) erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wurde:

5.1. Im Teilflächenwidmungsplan Nr 5 ließen sich – ungeachtet des Fehlens von Grundstücksnummern – die maßgeblichen Widmungsgrenzen erkennen: Anhand der Lage des Sonnkogelliftes, der nördlich dazu gelegenen Hössbergstraße, die durch die Sonderausweisungszone Bauland (Gebiet für einen zeitweiligen Wohnbedarf) verlaufe, sowie der ebenso nördlich zum Sonnkogellift eingezeichneten Waldausweisung, die westlich an die Sonderausweiszone anschließe und nahezu parallel zum Sonnkogellift weiterlaufe, sei ersichtlich, dass das Grundstück des Beschwerdeführers im Grünland (Land- und Forstwirtschaft) liege. Dies sei ohne Zuhilfenahme von technischen Hilfsmitteln wie etwa dem Grenzkataster mit der – aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlichen – Präzision ersichtlich, denn die Abgrenzung lasse sich mit in der Natur erkennbaren Grenzen erkennen (vgl VfSlg 16.317/2001).

5.2. Entsprechend der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (so etwa VfSlg 20.030/2015) seien vor der Rückwidmung alle für die Widmungen maßgebenden Planungsgrundlagen dargetan und erkennbar gegeneinander abgewogen worden: Im Erläuterungsbericht vom 22. April 1990 werde ausgeführt, dass eine planliche Überprüfung der Sportflächen auf den Hutterer Böden und auf den Abfahrtspisten von der Höss bis ins Tal vorgenommen und die Abänderungen der Liftanlagen bezüglich des Standortes und des Ausbaustandes erfasst worden sei. Auf diesen Erwägungen basierend sei unter Punkt 3.20 des Erläuterungsberichtes dargelegt worden, dass im bestehenden Bauland beim Sonnkogellift (Gebiet für den zeitweiligen Wohnbedarf) im Teilflächenwidmungsplan eine Anpassung an den tatsächlichen Bestand erfolge. Da die Liegenschaft des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Änderung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 nicht bebaut gewesen sei und nach dem Bescheid der Gemeinde Hinterstoder vom 26. Jänner 1983 auch zu keiner Zeit habe bebaut werden dürfen, sei die erfolgte Umwidmung jedenfalls sachlich gerechtfertigt gewesen.

5.3. Dass bei der vorgenommenen notwendigen Reduzierung des Baulandes das Grundstück des Beschwerdeführers ausgewählt worden sei, sei somit nicht beliebig erfolgt. Zudem sei auch die bisherige Widmungsart und Nutzung der Liegenschaft des Beschwerdeführers berücksichtigt worden. Die Liegenschaft des Beschwerdeführers liege direkt neben der nördlichen Abfahrtspiste des Sonnkogelliftes und diene dem erforderlichen Freiraum für die Abfahrtspiste.

5.4. Dass diese Erwägungen in den Erläuterungen und dem Protokoll nicht detailliert festgehalten worden seien, ergebe sich daraus, dass das Protokoll der Gemeinderatssitzung gemäß §54 Abs1 Z5 Oö. Gemeindeordnung 1990 (Oö. GemO 1990) lediglich den wesentlichen Verhandlungsverlauf wiederzugeben habe und daher kein Wortprotokoll sei.

6. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete keine Äußerung.

7. Der Gemeinderat der Gemeinde Hinterstoder legte auf Nachfrage den Teilflächenwidmungsplan "Hinterstoder / Hutterer Boden / Hutter Höss" des Flächenwidmungsplanes Nr 2 der Gemeinde Hinterstoder, beschlossen im Gemeinderat am 16. Jänner 1970, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. November 1971, kundegemacht von 27. Dezember 1971 bis 11. Jänner 1972, vor. Es wurde zudem mitgeteilt, dass der Teilflächenwidmungsplan "Hinterstoder / Hutterer Boden / Hutter Höss" des Flächenwidmungsplanes Nr 1 der Gemeinde Hinterstoder, aus dem Jahr 1961 nicht auffindbar sei.

II. Rechtslage

Die einschlägigen Bestimmungen des im Zeitpunkt der Änderung der Widmung im Jahr 1989 maßgeblichen Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1972, LGBl 18/1972, lauteten auszugsweise:

"[…]

§18

Grünland

(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen sind als Grünland auszuweisen.

(2) Flächen des Grünlandes, die nicht für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt sind und nicht zum Ödland gehören, sind im Flächenwidmungsplan gesondert auszuweisen.

(3) Im Grünland sind insbesondere — je nach Erfordernis — folgende Widmungen auszuweisen:

1. größere Erholungsflächen, das sind Flächen, die für Einrichtungen und Anlagen der allgemeinen Erholung und des Sports bestimmt sind, wie Parkanlagen, Spiel- und Liegewiesen, Sport- und Spielflächen, Freibäder, Campingplätze, Wintersportanlagen einschließlich der Schipisten; Fremdenverkehrsbetriebe;

2. Dauerkleingärten;

3. Erwerbsgärtnereien;

4. Friedhöfe.

(4) Je nach Erfordernis sind überdies sonstige Flächen im Grünland, wie Aufschüttungsgebiete, Abgrabungsgebiete, Gebiete mit Vorkommen/mineralischer Rohstoffe oder mit sonstigen Bodenvorkommen, Bruchgebiete, Ablagerungsplätze (für Müll, Altmaterial, Fahrzeugwracks und dergleichen), Schießstätten und Sprengstofflager gesondert auszuweisen.

(5) Im Grünland dürfen nur solche Bauten und Anlagen errichtet werden, die einer bestimmungsgemäßen Nutzung (Abs2 bis 4) dienen. Hiezu gehören im besonderen auch Bauten und Anlagen für den Nebenerwerb der Land- und Forstwirtschaft.

[…]

§21

Verfahren

(1) Bei Abfassung des Flächenwidmungsplanes hat die Gemeinde den in Betracht kommenden Dienststellen, die der Gemeinde bekannte Planungsinteressen des Bundes (§15 Abs11) wahrzunehmen haben, ferner der Landesregierung, den benachbarten Gemeinden, der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, der Landarbeiterkammer für Oberösterreich, sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechtes, von denen bekannt ist, daß deren Interessen berührt werden, sowie hinsichtlich der land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundflächen der zuständigen Bezirksgrundverkehrs-kommission innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die Absicht, einen Flächenwidmungsplan aufzustellen, ist überdies vom Bürgermeister durch vierwöchigen Anschlag an der Amtstafel mit der Aufforderung kundzumachen, daß jeder Planungsträger innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist seine Planungsinteressen dem Gemeindeamt (Magistrat) schriftlich bekanntgeben kann. Diese Kundmachung kann, wenn die Gemeinde regelmäßig ein amtliches Mitteilungsblatt herausgibt, auch in diesem Blatt erfolgen.

(3) Bei Abfassung eines Bebauungsplanes gelten die Abs1 und 2 sinngemäß.

(4) Vor Beschlußfassung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes durch den Gemeinderat ist der Plan durch sechs Wochen zur öffentlichen Einsichtnahme beim Gemeindeamt (Magistrat) aufzulegen. Jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann, ist berechtigt, während der Auflagefrist schriftliche Anregungen oder Einwendungen beim Gemeindeamt (Magistrat) einzubringen, die mit dem Plan dem Gemeinderat vorzulegen sind. Auf die Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme und die Möglichkeit der Einbringung von Anregungen oder Einwendungen ist durch Anschlag an der Amtstafel mindestens zwei Wochen vor und überdies während der Auflage und, wenn die Gemeinde regelmäßig ein amtliches Mitteilungsblatt herausgibt, auch in diesem hinzuweisen. Eine Beschlußfassung des Planes in einer anderen als der zur Einsichtnahme auf gelegenen Fassung ist nur nach vorheriger Anhörung der durch die Änderung Betroffenen zulässig, sofern durch die Änderung nicht nur Anregungen oder Einwendungen von Betroffenen entsprochen werden soll, die für andere keine Rückwirkungen haben.

(5) Beschließt der Gemeinderat einen Flächenwidmungsplan oder einen Bebauungsplan, so ist dieser mit dem dazugehörigen Akt und den Planungsunterlagen (§15 Abs3) vor Kundmachung des Beschlusses der Landesregierung als Aufsichtsbehörde vorzulegen. Flächenwidmungspläne bedürfen der Genehmigung der Landesregierung, Bebauungspläne bedürfen der Genehmigung der Landesregierung dann, wenn überörtliche Interessen im besonderen Maß berührt werden. Bebauungspläne, die keiner Genehmigung bedürfen, sind samt dem dazugehörigen Akt nach Einsichtnahme ohne unnötigen Aufschub der Gemeinde zurückzugeben.

(6) Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn der Plan

a)     den Raumordnungsgrundsätzen (§2) widerspricht;

b)     einem Raumordnungsprogramm (§9 Abs1) widerspricht;

c)     einer Verordnung gemäß §9 Abs6 widerspricht;

d)     die geordnete wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung anderer Gemeinden oder des Landes wesentlich beeinträchtigen würde; oder

e)     gesetzlichen Bestimmungen widerspricht.

(7) Vor Versagung der Genehmigung hat die Landesregierung der Gemeinde den Versagungsgrund mitzuteilen und ihr Gelegenheit zu geben, hiezu binnen einer angemessenen, jedoch mindestens sechs Wochen betragenden Frist Stellung zu nehmen.

(8) Wird der Gemeinde nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des genehmigungspflichtigen Planes und der zugehörigen Unterlagen (Abs5) beim Amt der Landesregierung ein Versagungsgrund mitgeteilt (Abs7), so gilt die Genehmigung der Landesregierung mit Ablauf dieser Frist als erteilt.

(9) Innerhalb zweier Wochen nach Einlangen des genehmigten Planes bei der Gemeinde bzw des Ablaufes der sechsmonatigen Frist im Falle des Abs8 ist der Plan kundzumachen. Im Falle einer Versagung der Genehmigung hat eine Kundmachung des Planes zu unterbleiben.

(10) Zwei Ausfertigungen des kundgemachten Planes sind dem Amt der Landesregierung, eine Ausfertigung des Planes ist — ausgenommen in Städten mit eigenem Statut — der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen.

[…]

§23

Änderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne

(1) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne sind bei Änderung der maßgeblichen Rechtslage oder wenn es das Gemeinwohl erfordert zu ändern.

(2) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne können geändert werden, wenn öffentliche Interessen, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes bei der Aufstellung von solchen Plänen zu berücksichtigen sind, und Interessen Dritter nicht verletzt werden.

(3) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des §21 Abs1 und 4 bis 10 sinngemäß. Im Sinne des §21 Abs1 ist jedoch benachbarten Gemeinden und Körperschaften öffentlichen Rechtes Gelegenheit zur Stellungnahme nur zu geben, wenn deren Interessen durch die beabsichtigten Planänderungen berührt werden. Eine Planauflage (§21 Abs4) ist nicht erforderlich, wenn die von der beabsichtigten Planänderung Betroffenen vor der Beschlußfassung angehört werden.

(4) Auf Nutzungen, die der bisherigen Widmung entsprechen, ist bei Änderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne tunlichst Rücksicht zu nehmen."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität des in Prüfung gezogenen Gebiets "Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss" des Flächenwidmungsplanes Nr 5 der Gemeinde Hinterstoder zweifeln ließe.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hegte in seinem Prüfungsbeschluss einerseits das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Verordnung nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Präzision von Flächenwidmungsplänen genüge, und andererseits, dass der im Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Hinterstoder, beschlossen im Gemeinderat am 16. November 1989 und am 25. September 1990, aufsichtsbehördlich genehmigt durch die Oberösterreichische Landesregierung am 11. Dezember 1990, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 12. Dezember bis 27. Dezember 1990, erfolgten Umwidmung des maßgeblichen Grundstückes von Bauland in Grünland keine ausreichende Grundlagenforschung iSd §23 Abs1 Oö. ROG 1972 vorausgegangen sei und sich dieser Mangel in der in Prüfung gezogenen Verordnung (Flächenwidmungsplan Nr 5) fortgesetzt habe.

2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Planpräzision konnten im Verordnungsprüfungsverfahren zerstreut werden:

2.1.1. Im vorliegenden Fall liegt eine einheitliche Widmung eines einzelnen Grundstückes vor. Es ist sohin bereits aus dem Flächenwidmungsplan klar erkennbar, worauf sich die Widmung bezieht. Daher schadet es nicht, wenn die Grundstücksnummer im Flächenwidmungsplan nicht ausgewiesen ist.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hält auch die im Prüfungsbeschluss geäußerten vorläufigen Bedenken hinsichtlich des Fehlens einer ausreichenden Grundlagenforschung iSd §23 Abs4 Oö. ROG 1972 nicht aufrecht:

2.2.1. Nach dieser Vorschrift, die zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Umwidmung in Kraft war, war die Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes vorgesehen, wenn das Gemeinwohl es erforderte. Zudem war eine Änderung möglich, wenn öffentliche Interessen sowie Interessen Dritter nicht verletzt wurden (Abs2 leg. cit.). Benachbarten Gemeinden und Körperschaften öffentlichen Rechtes war Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn deren Interessen durch die beabsichtigten Planänderungen berührt wurden (Abs3 leg. cit.). Weiters war auf Nutzungen, die der bisherigen Widmung entsprachen, tunlichst Rücksicht zu nehmen (Abs4 leg. cit.).

2.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt den Vorschriften des Raumplanungsrechtes über die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen für rechtsverbindliche Planungen besondere Bedeutung zu. Der Verfassungsgerichtshof hat in solchen Fällen im Verordnungsprüfungsverfahren nach Art139 B-VG insbesondere zu prüfen, ob der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgangsweise eingehalten hat (VfSlg 15.011/1997).

2.2.3. Die Grundlagenforschung hat im Allgemeinen aus Überlegungen zu bestehen, die die Grundlage für die jeweilige Planungsentscheidung hinsichtlich der von der Umwidmung konkret betroffenen Flächen bilden und als solche auch erkennbar und nachvollziehbar sind (zB VfSlg 14.537/1996, 19.075/2010). Eine solche Grundlagenforschung ist auch im Vorfeld der Änderung eines bestehenden Flächenwidmungsplanes vorzunehmen (VfSlg 20.319/2019).

2.2.4. Die verordnungserlassende Behörde begründet die Umwidmung des Grundstückes des Beschwerdeführers von Bauland in Grünland durch den Flächenwidmungsplan Nr 4 im Wesentlichen damit, dass die Liegenschaft neben der nördlichen Abfahrtspiste des Sonnkogelliftes liege und dem erforderlichen Freiraum für die Abfahrtspiste diene. Dem Erläuterungsbericht zum Flächenwidmungsplan Nr 4 könne entnommen werden, dass eine planliche Überprüfung der Sportflächen auf den Hutterer Böden und auf den Abfahrtspisten von der Höss bis ins Tal vorgenommen worden sei und die Abänderungen der Liftanlagen bezüglich Standort und Ausbaustand erfasst worden seien. Auf diesen Erwägungen basierend sei im Teilflächenwidmungsplan eine Anpassung an den tatsächlichen Bestand erfolgt. Der Behörde ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zuzustimmen, dass sie vor dem Hintergrund dieses Falles bei der Änderung des Flächenwidmungsplanes gemäß §23 Abs4 Oö. ROG 1972 ausreichend auf die Nutzung des in Rede stehenden Grundstückes Rücksicht genommen hat.

IV. Ergebnis

1. Der Flächenwidmungsplan Nr 5 der Gemeinde Hinterstoder, beschlossen im Gemeinderat am 15. April 2005, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Juli 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juli bis 2. August 2005, soweit er sich auf das Gebiet "Teil Süd, Weissenbach-Hutterer Höss" bezieht, ist nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Verordnungserlassung, VfGH / Bedenken, Widmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:V338.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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