TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/11 95/01/0162

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Veröffentlicht am 11.06.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Mai 1995, Zl. 4.292.361/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 2. November 1989 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ghana, gab bei der Vernehmung zu seinem am 10. November 1989 gestellten Asylantrag vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 14. Februar 1990 zu seinen Fluchtgründen folgendes an:

Er sei Mitglied der PNP (Nationale Volkspartei), welche in Ghana bis vor etwa acht Jahren die Regierung gestellt habe. Danach sei bei einem Putsch eine Militärregierung an die Macht gekommen. Er habe noch nach diesem Putsch an verbotenen Parteiversammlungen teilgenommen. Im Jahre 1986 sei er von der Polizei verhört worden, wobei ihm ein regimefeindliches Verhalten vorgeworfen worden sei. Die Militärregierung lasse regimefeindliche Personen "einfach verschwinden". Man wisse nicht, was mit derartigen Personen geschehen sei. Nachdem er erfahren habe, daß auch er von "Regierungsangehörigen" gesucht werde, sei er 1987 aus Ghana - zunächst nach Libyen - geflüchtet und seitdem nie mehr dorthin zurückgekehrt.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark hat mit Bescheid vom 7. Juni 1990 auf Grundlage des Asylgesetzes (1968) festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. Mit Bescheid vom 20. Jänner 1993 wies die belangte Behörde die rechtzeitig eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers ab. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0087, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92, 93/94 - auf. Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. Mai 1995 die vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20. Februar 1995 ergänzte Berufung neuerlich ab.

Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nur das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens zugrunde und führte dazu aus, daß weder die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur - nicht verbotenen - Nationalen Volkspartei, noch das vorgebrachte Polizeiverhör die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers begründeten. Die nicht konkretisierten Behauptungen, die Militärregierung lasse regimefeindliche Personen einfach verschwinden und der Beschwerdeführer habe in Erfahrung gebracht, bereits gesucht worden zu sein, seien nicht geeignet, eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers darzutun. Überdies sei Ghana am 7. Jänner 1993 zu einem demokratischen Mehrparteiensystem zurückgekehrt. Aufgrund der seither rechtsstaatlichen Verfassung dieses Landes habe der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit keinerlei Verfolgungshandlungen zu rechnen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat in der Berufungsergänzung (und im wesentlichen gleichlautend in der Beschwerde) insofern eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens geltend gemacht, als er ausführte, der die Vernehmung leitende Beamte habe sich kein klares Bild von der Situation des Beschwerdeführers auf seinem Fluchtweg machen können, weil er im Akt einen Vermerk angebracht habe, wonach er nicht beurteilen könne, inwieweit die Angaben des Beschwerdeführers den Tatsachen entsprächen. Das Protokoll über die Niederschrift sei "gerade zu unvollständig".

Dem ist - abgesehen davon, daß sich dieses Vorbringen nur auf die Protokollierung der Aussage zum Fluchtweg des Beschwerdeführers bezieht - zu entgegnen, daß sich aus dem vom Leiter der Vernehmung angebrachten Vermerk nur dessen persönliche Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, nicht aber eine Unvollständigkeit des Protokolls über die Niederschrift ergibt. Im übrigen hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, welche Teile seiner Aussage angeblich nicht protokolliert worden seien.

Der ebenfalls in der Berufungsergänzung (und gleichlautend in der Beschwerde) enthaltenen Rüge, die Erstbehörde habe ihre Manuduktionspflicht verletzt, ist zu entgegnen, daß der die Ermittlungspflicht regelnde § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 lediglich eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, jedoch keine darüber hinausgehende Ermittlungspflicht begründet. Aus dieser Bestimmung kann keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/01/0235).

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens liegt somit nicht vor. Da auch aus der Aktenlage weder eine derartige Mangelhaftigkeit noch ein anderer Grund für die Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 ersichtlich ist, hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. zu Recht nur das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde gelegt. Es sei hinzugefügt, daß die belangte Behörde das im Berufungsverfahren erstattete (und in der Beschwerde wiederholte) Vorbringen aus diesem Grund nicht behandelt hat und - entgegen der Beschwerdemeinung - nicht deshalb, weil es nur eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens darstellt.

Eine Beweiswürdigung des Inhaltes, daß den Angaben des Beschwerdeführers kein Glaube geschenkt werden könne, ist im angefochtenen Bescheid nicht enthalten. Die dagegen gerichteten Beschwerdeausführungen gehen daher ins Leere.

Auf Grundlage der erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangte Behörde, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme, keinen Bedenken. Weder die Zugehörigkeit zu einer, wenn auch regimekritischen, Partei, noch die einmalige Vernehmung durch die Polizei sind geeignet, eine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu indizieren. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, regimekritische Personen würden "verschwinden" und er sei bereits von "Regierungsangehörigen" gesucht worden, lassen nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Umstände der Beschwerdeführer - der nach seinem Vorbringen bisher nur einmal wegen seiner regimefeindlichen Tätigkeit verhört und danach nicht verhaftet worden ist - vermutet, von einer derartigen Maßnahme betroffen zu werden. Die belangte Behörde vertrat daher zu Recht die Ansicht, daß sich aus diesem Vorbringen keine konkrete, individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Gründen ableiten läßt.

Da die belangte Behörde den Asylantrag somit schon aus diesen Gründen zu Recht mangels Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers abgewiesen hat, braucht auf das weitere dazu herangezogene Argument, Ghana sei am 7. Jänner 1993 nach zehnjähriger Militärdiktatur zu einem demokratischen Mehrparteiensystem zurückgekehrt und der Beschwerdeführer habe auch aus diesem Grund eine Verfolgung nicht zu befürchten, sowie auf das dazu erstattete Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen zu werden.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010162.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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