TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/11 96/21/0964

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Veröffentlicht am 11.06.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/07 Grenzüberwachung;

Norm

AVG §58 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
GrKontrG 1969;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des H, derzeit unbekannten Aufenthaltes in der Slowakei, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 19. September 1996, Zl. Fr-5465/1/96, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 FrG ein bis zum 16. Februar 2001 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 26. Jänner 1996 von Deutschland (S, zu Fuß über die dortige Brücke) ohne Reisedokument illegal in das österreichische Bundesgebiet gelangt sei. Das Umgehen der Grenzkontrolle sei zwar keinem der im § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG angeführten Fälle zu subsumieren, jedoch sei die belangte Behörde der Ansicht, daß das Umgehen der Grenzkontrolle und die damit verbundene illegale Einreise die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers, seine Ehegattin werde ihn bei sich aufnehmen und habe er gegenüber der Ehegattin einen Unterhaltsanspruch, reichten keinesfalls aus, um darzutun, daß der Beschwerdeführer tatsächlich über die erforderlichen Mittel zur Bestreitung seines Unterhaltes verfüge. Die Behauptung, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers gemäß den unterhaltsrechtlichen Vorschriften dem Beschwerdeführer monatlich 40 % ihres Nettodurchschnittsverdienstes, das seien S 6.120,--, an Unterhalt zu leisten habe, reiche nicht aus, um darzutun, daß der Beschwerdeführer über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Eine verläßliche Beurteilung dahingehend, daß sein Aufenthalt nicht zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen würde, sei aufgrund der vom Beschwerdeführer angebotenen Unterlagen nicht möglich. Hinweise auf das Vorhandensein eventueller weiterer Mittel habe der Beschwerdeführer in keinem Zeitpunkt des Verfahrens erbringen können. Es sei somit der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt.

Da sich die Ehegattin des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhalte, liege im Sinne des § 19 FrG ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers vor. Die illegale Einreise sowie der daran anschließende Aufenthalt in Österreich ohne Reisedokument bzw. ohne Aufenthaltsberechtigung beeinträchtige das öffentliche Interesse an einer geordneten Grenzkontrolle sowie an einem ordnungsgemäßen Vollzug des Fremdenwesens derart massiv, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch unter Bedachtnahme auf § 19 FrG zulässig sei. Für die Interessenabwägung gemäß § 20 FrG sei festzustellen, daß lediglich auf einen legalen Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen sei. Der kurze illegale Aufenthalt des Beschwerdeführers könne daher nicht zu seinen Gunsten ins Treffen geführt werden. Es sei daher nicht davon auszugehen, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde heißt es, der Beschwerdeführer habe sich illegal in Österreich aufgehalten und sei auch unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und binnen eines Monates betreten worden. Die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid nicht festgelegt, ob sie der Annahme sei, daß dieser illegale Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

Damit zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides, auch soweit der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung der Berufung bestätigt wurde, auf. Die belangte Behörde hat entgegen der Meinung des Beschwerdeführers darauf hingewiesen (Seite 5 des angefochtenen Bescheides), daß durch die illegale Einreise und den daran anschließenden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich das öffentliche Interesse an einer "geordneten Grenzkontrolle sowie an einem ordnungsgemäßen Vollzug des Fremdenwesens" beeinträchtigt sei, sohin die öffentliche Ordnung gefährdet sei. Wohl trifft es zu, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Aufenthaltsverbot im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG auch dann erlassen werden kann, wenn zwar keiner der Tatbestände des § 18 Abs. 2 leg. cit. verwirklicht ist, wohl aber das Gesamtfehlverhalten des Fremden die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt. Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der belangten Behörde auf die unbestrittene Umgehung der Grenzkontrolle und den daran anschließenden kurzfristigen illegalen Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht zu: Wenngleich dieses Verhalten gegen das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen verstößt, reicht es insbesondere vor dem als Wertungsmaßstab heranzuziehenden Hintergrund des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, für dessen Verwirklichung erforderlich ist, daß ein Fremder im Inland mehr als einmal wegen der dort angeführten Übertretungen rechtskräftig bestraft worden ist, noch nicht aus, um die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß die Einreise ohne den erforderlichen Sichtvermerk nach dem Fremdengesetz keinen gesonderten Straftatbestand mehr darstellt, sondern im Tatbild des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG aufgeht. Soweit daher die belangte Behörde die Auffassung vertrat, daß die Umgehung der Grenzkontrolle und der daran anschließende kurzfristige illegale Aufenthalt des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht initiativ nachgewiesen, daß sein Unterhalt in Österreich gesichert sei, führte die Beschwerde ins Treffen, daß eine Gehaltsbestätigung der Ehegattin des Beschwerdeführers vorgelegt worden sei. Diese sei im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung, stehe in Arbeit und könne aus den daraus erzielten Einkünften den Beschwerdeführer versorgen, wozu sie nach den gesetzlichen Bestimmungen auch verpflichtet sei.

Auch die belangte Behörde geht offenbar davon aus, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgehe und ausgehend von einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung dem Beschwerdeführer 40 % ihres Nettodurchschnittsverdienstes, das sind S 6.120,-- monatlich, an Unterhalt bezahlen könne.

Aus der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid ergibt sich dazu ergänzend, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers monatlich S 13.116,-- netto, 14 mal jährlich, ins Verdienen bringt. Die Ehegattin sei Mieterin einer ausreichend großen Wohnung, in der der Beschwerdeführer mit ihr zusammenleben könne. Das eheliche Kind des Beschwerdeführers halte sich bei ihren Großeltern auf. Ausgehend von diesem Familieneinkommen sei sein Unterhalt in Österreich als gesichert anzusehen.

Aus diesem offenbar unstrittigen Sachverhalt zog die belangte Behörde den Schluß, daß der Beschwerdeführer nicht ausreichend dargetan habe, daß er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Eine verläßliche Beurteilung dahingehend, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen würde, sei aufgrund der angebotenen Unterlagen nicht möglich. Die belangte Behörde bringt für diese ihre Behauptungen keinerlei Begründung. Eine solche ergibt sich auch nicht ganz offenkundig aus dem unstrittigen Sachverhalt. Es ist nämlich nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum bei einem monatlichen Einkommen von S 13.116,-- netto, 14 mal jährlich, der Unterhalt für zwei Personen nicht gesichert sein soll. Da die belangte Behörde ihre Überlegungen hiezu nicht offenlegte, belastete sie ihren Bescheid in diesen Punkten mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der angefochtene Bescheid war - da die inhaltliche Rechtswidrigkeit vorgeht - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996210964.X00

Im RIS seit

29.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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