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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Z in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1995, Zl. 4.344.892/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565.,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation" albanischer Nationalität, der am 14. Juli 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 18. Juli 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. Juli 1994, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Befragung am 18. Juli 1994 zu seinen Fluchtgründen folgendes angegeben:
"Mein Vater übernahm für mich zwei Einberufungsbefehle. Der zweite kam ca. eine Woche vor meiner Abreise, der erste ca. zwei Wochen davor. Ich war zu diesen Zeitpunkten nicht zu Hause, deshalb hat mein Vater die Schriftstücke übernommen. Beim ersten Befehl hätte ich nach 10 Tagen ab Erhalt, beim zweiten schon nach zwei Tagen einrücken müssen. Bei (Erhalt des) zweiten bin ich schon am nächsten Tag geflüchtet.
Frage: Warum wollten Sie nicht zum Militärdienst ?
Antwort: Man wird dort großen Qualen ausgesetzt.
Frage: Inwiefern ?
Antwort: Ich hatte Angst, an die Front geschickt zu werden.
Frage: Wohin ?
Antwort: Das weiß ich nicht.
Frage: Woher nehmen Sie dann die Annahme ?
Antwort: Von meinem Dorf wurden zwei aus meiner Generation an die Front nach Bosnien (geschickt).
Frage: Woher haben Sie die Information ?
Antwort: Einer hat seine Familie diesbezüglich verständigt und die haben das erzählt. Vom zweiten weiß man das nicht genau.
Wenn sich die Lage wieder normalisiert, möchte ich zurückkehren.
Ich habe seit 1991 täglich versucht eine Arbeit zu finden, aber es gibt keine. Meine Eltern haben mich erhalten.
Andere Gründe habe ich bezüglich meines Asylantrages nicht anzugeben."
Im Rahmen der Schilderung seines Fluchtweges gab der Beschwerdeführer darüber hinaus an, am 13. Juli 1994 sei er mit einem Autobus von P bis zur ungarischen Grenze bei Subotica gefahren, doch sei er von den ungarischen Grenzkontrollorganen zurückgewiesen worden. Daraufhin hätten ihm die serbischen Grenzkontrollorgane zwei Ohrfeigen gegeben und ihm seinen Reisepaß und seine Einberufungsbefehle "mitgenommen" und ihm gesagt, daß er nach Hause fahren solle. Danach habe er die ungarische Grenze illegal zu Fuß überschritten.
Die Behörde erster Instanz unterzog die Angaben des Beschwerdeführers nach Darstellung der allgemeinen Verhältnisse im Kosovo einer rechtlichen Beurteilung dahingehend, die Flucht eines Asylwerbers vor einem ihm drohenden Militärdienst (möge dieser z.B. auch aus religiösen Gründen abgelehnt werden) sei ebensowenig ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen auch strengen) Bestrafung. Der Behauptung des Beschwerdeführers, Angst vor einem Fronteinsatz gehabt zu haben, halte die Behörde die Tatsache entgegen, daß die jugoslawische Föderation sich derzeit in keinem Kriegszustand befinde und ein Truppeneinsatz in Bosnien-Herzegowina keinesfalls bewiesen sei. Die diesbezüglichen Befürchtungen relativierten die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorgänge an der serbischen Grenze, zumal die serbischen Organe ihn dort aufgefordert hätten, zurück nach Hause zu fahren. Verfolgungshandlungen seien aus diesem Vorgehen jedenfalls nicht zu erkennen. Da der Beschwerdeführer keine konkret gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzugeben gehabt habe, sei eine Asylgewährung auch nicht in Erwägung zu ziehen gewesen.
In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß er sich nicht wegen der Militärpflicht an sich geweigert habe, der Einberufung Folge zu leisten, sondern aus Furcht, aufgrund seiner Nationalität in der Armee Schikanen und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu sein. Es sei allgemein bekannt, daß sich die serbische Armee in Kroatien und Bosnien zahlreicher Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen schuldig gemacht habe. Als Kosovo-Albaner wäre er nicht nur innerhalb der Armee den Schikanen der serbischen Machthaber ausgesetzt gewesen, sondern auch gezwungen worden, sich an diesen Verbrechen zu beteiligen. Außerdem gehöre er als Kosovo-Albaner einer durch die Organe der serbischen Regierung verfolgten Minderheit an und sei als solcher nicht bereit, auf seiten seines Unterdrückers militärische Interessen in einem Nachbarstaat mitzutragen, weil diese Armee nicht mehr das Volk gegen ausländische Aggression verteidige, "sondern ursprüngliche Mitbürger".
Mit Bescheid vom 25. Oktober 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde schloß sich nach Darstellung des Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage ausgehend vom Ermittlungsergebnis des Verfahrens erster Instanz gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - einen der Anwendungsfälle des § 20 Abs. 2 leg. cit. erachtete die belangte Behörde als nicht vorliegend - den Ausführungen des Bundesasylamtes im bekämpften Bescheid "vollinhaltlich" an und erhob diese zum Inhalt auch ihres Bescheides. Ergänzend hielt sie dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers entgegen, in der jugoslawischen Föderation, somit auch im Kosovo, bestehe grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen keine ethnischen Unterschiede vorgesehen seien, also serbische und Kosovo-albanische Volksgruppenangehörige gleichermaßen einberufen würden. Hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit würden bei der Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen grundsätzlich keine Unterschiede gemacht. Die in der Berufung erwähnten Berichte internationaler Behörden könnten nicht zur Anerkennung als Flüchtling führen, da derart allgemeine Berichte nur einen Auszug der allgemeinen Situation widerspiegeln könnten, jedoch auf die individuelle Situation nicht eingingen und somit für die Feststellung einer konkreten, gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichteten Verfolgung nicht genügten.
Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend macht, die belangte Behörde sei ihrer Verpflichtung, in der Sache selbst zu entscheiden, de facto nicht nachgekommen, da sie lediglich den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich zum Inhalt ihrer Entscheidung erhoben habe, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Vorgangsweise der belangten Behörde bereits mehrfach vom Verwaltungsgerichtshof als nicht rechtswidrig erkannt worden ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045). Insoweit der Beschwerdeführer weiters geltend macht, die belangte Behörde habe ihre Feststellungen über die Behandlung der Kosovo-Albaner im Rahmen der Einberufung bzw. Ableistung des Militärdienstes unter Verletzung des Rechtes des Beschwerdeführers auf Parteiengehör und ohne Darlegung getroffen, worauf sich die diesbezüglichen Feststellungen stützten, ist darauf zu verweisen, daß dem aufgezeigten Verfahrensmangel die Entscheidungswesentlichkeit fehlt. Zentrale Entscheidungsgrundlage des Asylverfahrens ist das Vorbringen des Asylwerbers; diesem obliegt es, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0052). Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren - wie dargestellt - einen Zusammenhang zwischen seiner Einberufung und seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe nicht behauptet. Im Hinblick darauf, daß die belangte Behörde aufgrund des gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung zugrundezulegenden Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens erster Instanz (ein Grund für eine Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 wurde in der Berufung nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus der Aktenlage) nicht gehalten war, auf das Vorbringen in der Berufung einzugehen und die im angefochtenen Bescheid getroffenen zusätzlichen Feststellungen über die bei der Einberufung von ethnischen Albanern und deren Behandlung während des Militärdienstes geübten Vorgangsweisen zu treffen, fehlt es dem vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmangel, es sei ihm zu diesen Feststellungen kein Parteiengehör eingeräumt worden, an der Relevanz.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Allerdings kann eine darauf zurückzuführende Furcht vor Verfolgung dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. eine unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen schärfere Sanktionen für die Verweigerung des Wehrdienstes drohten (vgl. dafür insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat nach dem oben wiedergegebenen Inhalt seiner Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren einen Zusammenhang zwischen seiner Einberufung und derartigen Gründen nicht hergestellt, ein solcher ist lediglich aufgrund des bloßen Umstandes, daß er der albanischen Minderheit angehört, auch nicht erkennbar (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 31. Juni 1996, Zl. 95/01/0076). Beweggrund für die Weigerung, der Einberufung nicht Folge zu leisten, war nach seinen Angaben lediglich die Angst, an die Front geschickt zu werden. Auf die in diesem Zusammenhang vom Bundesasylamt vorgebrachte Argumentation, die jugoslawische Bundesarmee befinde sich derzeit nicht im Fronteinsatz, ging der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht ein. Insoweit die Beschwerde nun geltend macht, der Beschwerdeführer sei bei der Armee Schikanen und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, er habe im Falle seiner Rückkehr mit Folter, Schikanen und Brutalitäten zu rechnen, stellen sich diese Ausführungen im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG als Neuerungen dar, auf die nicht mehr einzugehen war.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010639.X00Im RIS seit
20.11.2000