TE Vfgh Erkenntnis 1995/9/25 B200/94

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Veröffentlicht am 25.09.1995
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Krnt Landes-Krankenanstaltenplan. LGBl 153/1992 §3
Krnt Landes-Krankenanstaltenplan. LGBl 153/1992 §5
Krnt KAO 1992 §73
Krnt KundmachungsG §5

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Festsetzung des Pflegegebührenersatzes an eine öffentliche geistliche Krankenanstalt für Zeiträume bis einschließlich Oktober 1992 aufgrund der im Krnt Landes-Krankenanstaltenplan festgestellten Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit von öffentlichen Krankenanstalten infolge gröblichen Verkennens der Rechtslage; keine Anwendbarkeit des am 01.01.93 in Kraft getretenen Krnt Landes-Krankenanstaltenplanes auf davor liegende Sachverhalte

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Im Schiedsverfahren zwischen der Österreichischen Provinz der Schwestern vom deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem als Rechtsträgerin des a.ö. Krankenhauses des Deutschen Ordens in Friesach als Antragstellerin und dem Antragsgegner, dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger, sowie der Kärntner Gebietskrankenkasse als mitbeteiligter Partei, das nach Aufkündigung des zwischen den Streitteilen bestehenden Krankenanstaltenvertrages durch die Antragstellerin eingeleitet worden war, erging am 9. September 1993 ein zweiter Teilbescheid.

Dessen Spruch lautet wie folgt:

"1. Gemäß §73 Abs2, 7 und 8 KAO (idF LGBl 2/93 iVm LGBl 28/93) wird ausgesprochen, daß der Pflegegebührenersatz für die Antragstellerin als Rechtsträger des a.ö. Krankenhauses des Deutschen Ordens in Friesach in Höhe des Pflegegebührenersatzes für das Landeskrankenhaus Villach festgesetzt wird.

2. Gemäß §73 Abs2 KAO (idF LGBl 2/93 iVm LGBl 28/93) wird ausgesprochen, daß der Krankenanstaltenvertrag im übrigen, also mit Ausnahme des neu festgesetzten Pflegegebührenersatzes, dem seit 1.9.1974 geltenden Krankenanstaltenvertrag vom 10.7.1975 zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner in der zuletzt maßgeblichen Fassung entspricht.

3. Dieser Teilbescheid bezieht sich nur auf den Zeitraum bis und einschließlich 14.10.1992."

In der Begründung dieses Bescheides wird zur Frage der Höhe des Pflegegebührenersatzes ausgeführt, daß die Schiedskommission der gegenständlichen Entscheidung eine bescheidmäßige Entscheidung der Landesregierung gemäß §53 Abs4 der Kärntner Krankenanstaltenordnung (im folgenden: KAO) über die Gleichwertigkeit von Krankenanstalten nicht zugrunde lege. Zur Frage der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit von Krankenanstalten wird des weiteren insbesondere ausgeführt:

"... Die Frage, im Vergleich zu welcher Krankenanstalt einer Gebietskörperschaft das a.ö. Krankenhaus Friesach über (im Hinblick auf ihre Funktion) gleichartige oder annähernd gleichwertige Einrichtungen verfügt, ist nun allerdings keiner individuellen Beurteilung durch die Schiedskommission zugänglich. In diesem Punkt besteht nämlich eine generell-abstrakte Norm, welche die Gleichartigkeit oder annähernde Gleichwertigkeit verbindlich konkretisiert:

Nach §3 des Kärntner Landes-Krankenanstaltenplanes, LGBl 153/1993, sind das a.ö. Landeskrankenhaus Villach, das a.ö. Krankenhaus der Barmherzigen Brüder St. Veit/Glan, das a.ö. Krankenhaus des Deutschen Ordens in Friesach, das a.ö. Krankenhaus der Elisabethinen in Klagenfurt sowie das a.ö. Landeskrankenhaus Wolfsberg 'hinsichtlich ihrer Ausstattung, Einrichtung, Funktion und ihres Leistungsstandards gleichartig oder annähernd gleichwertig'.

Nach der Formulierung des §3 leg cit (arg: Einrichtung, Funktion, gleichartig oder annähernd gleichwertig) steht außer Zweifel, daß damit jene 'Gleichartigkeit' konkretisiert werden soll, von der §72 Abs5 KAO spricht. Die Gleichwertigkeitsregelung des Krankenanstaltenplanes betrifft daher - jedenfalls auch - jene Kriterien, auf die es auch im Schiedsverfahren ankommt.

Die Schiedskommission hat folglich keine Möglichkeit, bei der Feststellung der Gleichartigkeit bzw Gleichwertigkeit im Sinne des §73 Abs7 iVm §72 Abs5 KAO eine davon abweichende Beurteilung der Gleichartigkeit bzw annähernden Gleichwertigkeit vorzunehmen, weil sie sich dadurch in Widerspruch zu einer gültigen Verordnung setzen würde."

Zur Befristung des Erkenntnisses wird im Bescheid noch ausgeführt:

"Die Schiedskommission sah sich veranlaßt, in Form eines Teilbescheides ein bis zum 14. Oktober 1992 befristetes Erkenntnis auf Grund eines ausdrücklichen Antrages der Antragstellerin zu fällen. Dabei ist die geltende Rechtslage zur Anwendung gekommen, da nach herrschender Rechtsauffassung die Behörde das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Recht anzuwenden hat (VewSlgNF 9315 ... A)."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten infolge Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird. In der Beschwerde wird insbesondere behauptet, daß der bekämpfte Bescheid den Gleichheitssatz dadurch verletze, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung auf den Kärntner Landes-Krankenanstaltenplan, LGBl. für Kärnten Nr. 153/1992, gestützt habe, der erst mit 1.1.1993 in Kraft getreten sei, wohingegen sich der angefochtene Bescheid ausdrücklich nur auf den Zeitraum bis einschließlich 14.10.1992 beziehe.

3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde und den Ersatz von Barauslagen begehrt. Zum Vorwurf des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz äußert sie sich darin wie folgt:

"Zum Vorwurf, die belangte Behörde hätte im gegenständlichen Verfahren zu Unrecht die 'Gleichwertigkeitsregelung' des §3 Kärntner Krankenanstaltenplan, LGBl 1992/153, zur Anwendung gebracht, darf entgegnet werden, daß diese Verordnung zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in Geltung stand und somit für die Behörde verbindlich war. Die Verordnung selbst unterscheidet aber inhaltlich nicht zwischen Zeiträumen, für welche die Gleichwertigkeit gegeben sein soll, und Zeiträumen, für welche dies nicht zutrifft. Dem Argument, hiebei handle es sich um eine das Willkürverbot verletzende 'Rückwirkung', die das Vertrauen der Beschwerdeführer auf die bestehende Rechtslage verletze, ist im übrigen entgegenzuhalten, daß die Gleichwertigkeit zwischen den Krankenanstalten Friesach und Villach ja noch vor Inkrafttreten des Krankenanstaltenplanes (insbesondere auch vor Einleitung des Schiedsverfahrens) rechtsverbindlich festgestellt war (wenn auch nicht durch Verordnung, sondern durch Bescheid). Die Beschwerdeführer konnten daher zu keiner Zeit darauf vertrauen, daß zwischen diesen Krankenanstalten keine Gleichwertigkeit besteht."

4. Die §§3 und 5 des Kärntner Landes-Krankenanstaltenplanes, LGBl. für Kärnten Nr. 153/1992, lauten wie folgt:

"§3

Gleichartigkeit oder annähernde Gleichwertigkeit

Im Kärntner Landesgebiet sind nachstehend angeführte öffentliche Krankenanstalten hinsichtlich ihrer Ausstattung, Einrichtung, Funktion und ihres Leistungsstandards gleichartig oder annähernd gleichwertig:

A.ö. Landeskrankenhaus Villach

A.ö. Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in St. Veit an der Glan

A.ö. Krankenhaus des Deutschen Ordens in Friesach A.ö. Krankenhaus der Elisabethinen in Klagenfurt A.ö. Landeskrankenhaus Wolfsberg"

"§5

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Jänner 1993 in Kraft."

5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

5.1. Die in der Beschwerde behauptete Anwendung rechtswidriger genereller Normen liegt nicht vor. Diesbezüglich genügt es, auf das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, B1583/93, zu verweisen, in welchem sich der Gerichtshof in einem gleichgelagerten Fall ausführlich mit den auch hier relevierten Bedenken auseinandergesetzt hat.

5.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

5.3. Die belangte Behörde hat mit dem bekämpften Bescheid u.a. für den Zeitraum bis zum 14. Oktober 1992 den Pflegegebührenersatz für die Antragstellerin in Höhe des Pflegegebührenersatzes für das Landeskrankenhaus Villach festgesetzt und diese Entscheidung auf §3 des Kärntner Landes-Krankenanstaltenplanes gestützt.

Gemäß §5 des Kärntner Kundmachungsgesetzes, LGBl. für Kärnten Nr. 25/1986, beginnt die verbindende Kraft einer im Landesgesetzblatt verlautbarten Rechtsvorschrift, "wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Landesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben wird". Das 77. Stück des Landesgesetzblattes für Kärnten, das den Kärntner Landes-Krankenanstaltenplan, LGBl. für Kärnten Nr. 153/1992, enthält, wurde am 30. Dezember 1992 herausgegeben. Gemäß seinem §5 ist der Kärntner Landes-Krankenanstaltenplan am 1. Jänner 1993 in Kraft getreten. Weder diese Vorschrift noch eine andere Bestimmung des Kärntner Landes-Krankenanstaltenplanes stattet ihn - wozu es überdies einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfte (vgl. zB VfSlg. 12843/1991) - mit rückwirkender Kraft aus. Auf vor dem 1. Jänner 1993 liegende und für vergangene Zeiträume zu beurteilende Sachverhalte ist er damit nicht anwendbar.

Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aber ausdrücklich auf den §3 des Kärntner Landes-Krankenanstaltenplanes gestützt hat, steht der bekämpfte Bescheid durch gröbliches Verkennen der Rechtslage im besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften im Widerspruch; er ist daher gesetzlos und damit willkürlich ergangen (vgl. zB VfSlg. 11436/1987, 12030/1989, 12173/1989, 12624/1991). Die beschwerdeführenden Parteien sind folglich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden (auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, B395/93, wird hinsichtlich des in der Gegenschrift erwähnten Gleichstellungsbescheides zusätzlich verwiesen).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Krankenanstalten, Pflegegebühren, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B200.1994

Dokumentnummer

JFT_10049075_94B00200_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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