Entscheidungsdatum
31.08.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
L502 2129210-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2020, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 29.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag fand seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
Am 12.05.2016 wurde er zu seinem Antrag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.
2. Mit Bescheid des BFA vom 10.06.2016 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist, sowie ihm eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.
3. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 26.02.2020, ZI. I403 2129210-1/32E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.12.2019, als unbegründet abgewiesen.
4. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des BFA vom 16.04.2020 wurde dem BF mitgeteilt, dass das BFA die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes gegen ihn beabsichtige, und wurde er zur Abgabe einer Stellungnahme binnen sieben Tagen aufgefordert.
5. Mit Eingabe vom 27.04.2020 ersuchte der BF beim BFA um Erstreckung dieser Stellungnahmefrist.
6. Am 28.04.2020 erging eine Mitteilung des BFA an den BF, in welcher der Beginn des Fristlaufs mit 01.05.2020 festgelegt wurde.
7. Am 07.05.2020 langte eine Stellungnahme der Vertretung des BF beim BFA ein.
8. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 28.05.2020 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V) und ihm gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI).
9. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 28.05.2020 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
10. Gegen den durch Hinterlegung beim Postamt mit Wirksamkeit vom 10.06.2020 zugestellten Bescheid wurde mit 07.07.2020 binnen offener Beschwerde erhoben.
11. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 10.07.2020 beim BVwG ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren in der Folge der Gerichtsabteilung L502 zugewiesen.
12. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister sowie dem Zentralen Melderegister (ZMR) und nahm Einsicht in die Entscheidung des BVwG im ersten Verfahrensgang.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der og. Verfahrensgang steht fest.
1.2. Dem BF kam im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet und Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz am 29.01.2015 bis zur abschließenden Entscheidung des BVwG vom 26.02.2020 im ersten Verfahrensgang ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach dem AsylG zu, seither verfügt er über keine Aufenthaltsberechtigung für das österr. Bundesgebiet mehr.
Er verfügt seit seiner unrechtmäßigen Einreise bis dato über eine aufrechte Meldeadresse und ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Er bezog seit der Einreise bis 31.03.2020 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er ist seit 06.12.2019 als selbständiger Gewerbetreibender bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen versichert. Womit er aktuell seinen Lebensunterhalt bestreitet, war nicht feststellbar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt des BFA, den Beschwerdeschriftsatz und die Entscheidung des BVwG im ersten Verfahrensgang sowie durch die Einholung aktueller Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister.
2.2. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Einreise des BF, seiner Antragstellung und seinem Aufenthaltsrecht als Asylwerber im Bundesgebiet waren im Lichte des vorliegenden Akteninhalts unstrittig.
Sein Leistungsbezug aus der staatlichen Grundversorgung bis 31.03.2019 war dem aktuellen Datenbankauszug aus dem Grundversorgung-Betreuungsinformationssystem, seine strafgerichtliche Unbescholtenheit dem aktuellen Strafregisterauszug und seine aufrechte Wohnsitzmeldung dem zentralen Melderegister zu entnehmen.
Seine Anmeldung als selbständiger Gewerbetreibender bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen seit 06.12.2019 wurde bereits von der belangten Behörde ermittelt und dem Akt beigelegt.
Mangels Beweismittelvorlage durch den BF konnte nicht festgestellt werden, womit er im Gefolge seiner Entlassung aus der Grundversorgung per 31.02.2020 seinen hiesigen Lebensunterhalt bestreitet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zu A)
1.1. § 57 AsylG idgF lautet:
Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) – (4) ...
§ 58 AsylG idgF lautet
(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. …
2. …
3. …
4. …
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) – (14) ...
§ 10 AsylG idgF lautet:
(1) …
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) ...
§ 52 FPG idgF lautet:
(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. …
(2) – (8) ...
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) – (11) ...
§ 9 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) …
(5) …
(6) …
Art. 8 EMRK lautet:
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
§ 55 FPG lautet:
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) …
(3) …
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) …
1.2. Zum Zeitpunkt der Erlassung der hier angefochtenen Entscheidung der belangten Behörde im gg. zweiten Verfahrensgang gehörte bereits eine rechtskräftige Entscheidung über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG an den BF sowie eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen ihn inklusive einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Irak dem Rechtsbestand an.
Angesichts des nach wie vor unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet, der bislang seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war, erließ die belangte Behörde nunmehr eine neuerliche Rückkehrentscheidung gegen ihn samt der damit einhergehenden Spruchteile iSd § 57 AsylG und § § 52 Abs. 9 FPG, um damit die Erlassung eines auf die Dauer von 18 Monaten befristeten Einreiseverbots gegen ihn zu verbinden.
Im Lichte der Rechtsprechung des VwGH stellt sich diese Vorgehensweise als grundsätzlich legitim dar (vgl. Ra 2019/21/0209 v. 12.11.2019):
„Das BFA erachtete im Bescheid vom 21. August 2018 die Erlassung eines Einreiseverbotes für geboten, weil der Mitbeteiligte die gegen ihn bestehende Rückkehrverpflichtung „beharrlich“ missachtet habe (Art. 11 der Rückführungsrichtlinie) und weil ihm die Mittel für seinen Unterhalt fehlten (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). Dem stand die Rechtskraft des Erkenntnisses vom 4. Juli 2018 nicht entgegen, weil ein Einreiseverbot gar nicht Sache des diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Verfahrens war (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0146, Rn. 25).
Da die Erlassung eines Einreiseverbotes nach dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 FPG jedoch zwingend und ausnahmslos voraussetzt, dass es „mit“ einer Rückkehrentscheidung erlassen, also mit ihr verbunden wird (vgl. in diesem Sinn auch Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot „einher“ gehen), war die (neuerliche) Erlassung einer Rückkehrentscheidung (samt Begleitaussprüchen) zum Zweck der Verhängung des nunmehr für erforderlich gehaltenen Einreiseverbots nicht rechtswidrig. Insoweit ist dem Gesetz ein Abgehen von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der „Unwiederholbarkeit“ zu entnehmen, was auch - aus denselben strukturellen Erwägungen - für den neuerlichen Abspruch nach § 57 AsylG 2005 (vgl. dazu VwGH 7.3.2019, Ro 2019/21/0002, Rn. 18) gilt. Die Annahme des BVwG, es bestehe das Prozesshindernis der entschiedenen Sache, erweist sich daher als verfehlt.“
Sollte sich jedoch das vom BFA verhängte Einreiseverbot als nicht rechtskonform erweisen und daher dieser Spruchpunkt aufzuheben sein und sich in Bezug auf die übrigen Spruchpunkte keine wesentliche Sachverhaltsänderung ergeben haben, wäre im Umkehrschluss auch den übrigen Spruchpunkten des hier angefochtenen Bescheides der rechtliche Boden entzogen.
2.1. § 53 FPG lautet:
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) – (6) […]
2.2. In Spruchpunkt IV des bekämpften Bescheides verhängte die belangte Behörde ein auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG gestütztes 18-monatiges Einreiseverbot gegen den BF und begründete dies im Abschnitt E) des angefochtenen Bescheides einerseits damit, dass sein Fehlverhalten – welches sich den behördlichen Erwägungen zufolge auf die „Nichteinhaltung der behördlichen bzw. gerichtlichen Anweisung, in der gewährten Frist das Bundesgebiet […] zu verlassen“ stützte – sich zwar unter keine der Tatbestände des § 53 FPG subsumieren lasse, aber dennoch geeignet sei die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und auch den Interessen des Art. 8 EMRK widerstreite. Umgehung und Missachtung der Vorschriften des FPG seien keinesfalls als „minderes oder geringfügiges Fehlverhalten“ einzustufen. Der BF sei infolge der Rechtskraft der zweitinstanzlichen Entscheidung im ersten Verfahrensgang verpflichtet gewesen binnen 14 Tagen auszureisen, er sei dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen bzw. habe er auch keine Schritte unternommen um dieser Verpflichtung nachzukommen. Zumal er sohin „offensichtlich nicht bereit sei die österr. Rechtsordnung […] zu achten“, gelangte die belangte Behörde zum Schluss, dass sein weiterer Aufenthalt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
Andererseits sei auch der Tatbestand des § 53 Abs. 1 Z. 6 FPG erfüllt, da er mittellos sei.
2.3.1. Der vom BFA im gg. Fall vertretenen Auffassung, dass aufgrund des unrechtmäßigen Verbleibes des BF im Bundesgebiet trotz unstrittiger Weise bestehender Ausreiseverpflichtung von einer erheblichen, die Erlassung eines Einreiseverbots rechtfertigenden Gefahr des BF für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszugehen sei, war aus Sicht des BVwG nicht zu folgen.
In einer vergleichbaren Konstellation sprach der VwGH jüngst aus, dass ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se noch nicht die Verhängung eines Einreiseverbotes zusätzlich zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigt. Liegt aber nicht bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt, sondern eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung vor, so kann daraus eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuleiten sein, die die Verhängung eines Einreiseverbots erforderlich macht. Eine solche qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung wird von § 53 Abs. 2 FPG erfasst, was jedenfalls auch von Art. 11 Abs. 1 lit. b der Rückführungsrichtlinie gedeckt ist, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0277, mwN). Weiter hielt der VwGH in diesem Erkenntnis fest:
„Der vorliegende Fall ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass das Asylverfahren des Revisionswerbers bis zu seiner rechtskräftigen negativen Erledigung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2018 mehr als elf Jahre lang gedauert hat, ohne dass dies dem Revisionswerber erkennbar anzulasten wäre. Danach war der Revisionswerber zwar - trotz Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 im April 2019 - grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet. Die Verzögerung seiner Ausreise um - zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - etwas mehr als ein halbes Jahr fällt angesichts der dargestellten elfjährigen Dauer des Asylverfahrens aber nicht entscheidend ins Gewicht. Auch aus der einmaligen Versäumung eines Ladungstermins, der die Befolgung einer weiteren Ladung mit ordnungsgemäßer Mitwirkung an der Erlangung von Heimreisedokumenten gegenübersteht, ist in dieser Konstellation noch keine so qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung abzuleiten, dass darin eine die Erlassung eines Einreiseverbots rechtfertigende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit läge.“
Demgegenüber nahm der VwGH eine die Erlassung eines Einreiseverbots rechtfertigende qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung im Falle eines seit viereinhalb Jahren aufhältigen Fremden an, gegen welchen bereits vor dreieinhalb Jahren eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen wurde und der mehrfach Ladungen zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates missachtete (vgl. VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0192).
Zwar war der belangten Behörde im gg. Fall insoweit beizupflichten, als der BF seiner Ausreiseverpflichtung zweifelsfrei bis dato nicht nachkam und der bestehenden Rückkehrentscheidung gegen ihn keine Folge leistete, allerdings stellt dies bisher sein einziges Fehlverhalten in dieser Hinsicht dar. Dem Akteninhalt waren keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass er in beharrlicher Weise ein Mitwirken an der Effektuierung der bestehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme verweigert hätte. Insbesondere war nicht ersichtlich, dass er Termine zur Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes nicht wahrgenommen hat oder er Unterlagen, die der Effektuierung dienlich wären, vorenthielt. Sein unrechtmäßiger Aufenthalt seit Rechtskraft der im ersten Verfahrensgang erlassenen Rückkehrentscheidung betrug zudem nur etwa fünf Monate, was angesichts eines bisherigen etwa fünfeinhalbjährigen Aufenthalts keinen erheblich langen Zeitraum darstellt.
Soweit sich das BFA zusätzlich auf Art 11 Abs. 1 lit b der Rückführungsrichtlinie stützte, war dem entgegenzuhalten, dass deren Anwendung zu Lasten eines Einzelnen von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0277, mwN).
Der unrechtmäßige Verbleib des BF im Bundesgebiet trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und daraus resultierender Ausreiseverpflichtung vermochte das in Spruchpunkt IV gegen ihn verhängte 18-monatige Einreiseverbot mangels daraus abzuleitender hinreichender Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit daher alleine nicht zu rechtfertigen.
2.3.2. Überdies stütze die belangte Behörde die Verhängung des Einreiseverbotes auf § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG und führte dazu aus, dass seine Mittellosigkeit – die sich daraus ergebe, dass er Sozialleistungen beziehe und daher offenbar keine ausreichenden Barmittel zur Verfügung habe, er keine Möglichkeit habe sich auf legalem Wege Geld zu leihen oder sich durch Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit eine Einkommen zu schaffen – wegen der daraus resultierenden Gefahr der illegalen Beschaffung von Unterhaltsmitteln die Annahme rechtfertige, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Dass er auch künftig nicht in der Lage sein würde, seinen Unterhalt in Österreich aus eigener Kraft zu bestreiten, ergebe sich schon daraus, dass er über kein Aufenthaltsrecht verfüge und sohin keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne.
In seinem Erkenntnis vom 19.12.2018, Ra 2018/20/0309, hat der VwGH festgehalten, dass ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen hat, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts als gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. für die Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rz. 11 und 12).
In seiner Stellungnahme an die belangte Behörde führte der BF ins Treffen, dass er seit Dezember 2019 ein Gewerbe angemeldet hat, mit dem er etwa EUR 1.000 monatlich ins Verdienen brachte, ehe dieses Einkommen infolge der sog. Corona-Krise weggefallen sei. Er bestreite seinen Unterhalt seither durch Ersparnisse aus dieser Erwerbstätigkeit sowie durch finanzielle Zuwendungen von Freunden. Aus dem Ergebnis eines von der belangten Behörde am 09.04.2020 durchgeführten AJ-Web Auskunftsverfahrens wurde ersichtlich, dass er seit 06.12.2019 bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen angemeldet ist. Vor diesem Hintergrund erwies sich daher die Darstellung der belangten Behörde, dass in seinem Fall keine legale Erwerbsquelle erkennbar sei, schon nicht als zutreffend.
Ungeachtet dessen, dass der BF die Vorlage konkreter Verdienstnachweise schuldig blieb, wäre für die belangte Behörde aus dem Grundversorgung-Betreuungsinformationssystem ersichtlich gewesen, dass dieser seit Ende März 2020 keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung mehr bezieht, weshalb auch ihre Folgerung, dass wegen des Bezugs von Mitteln der Grundversorgung davon auszugehen sei, dass er kein ausreichendes Einkommen erwirtschafte, nicht aufrechtzuerhalten war.
Für das BVwG wurde sohin nicht erkennbar, auf welche Ermittlungsergebnisse das BFA die Annahme stützte, dass der BF seinen aktuellen Lebensunterhalt insgesamt aus dem Bezug von Sozialleistungen bestreitet.
Angesichts dessen ging das BFA zu Unrecht von der Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG aus, weshalb die Verhängung des 18-monatigen Einreiseverbotes gegen den BF auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt war.
2.4. In Erledigung der Beschwerde war Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides daher aufzuheben.
3.1. § 18 BFA-VG idgF lautet:
(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) – (4) [...]
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.
3.2. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung in Spruchpunkt V des bekämpften Bescheides über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde auf die Bestimmung des § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen mit einem Verweis auf ihre bezüglich Spruchpunkt IV vorgenommene rechtliche Beurteilung.
Nach der hg. Judikatur genügt es zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053, mwN).
Eine solche eigenständige Beurteilung ließ das BFA jedoch im angefochtenen Bescheid vermissen. Zumal schon die Ausführungen oben zum Einreisverbot zeigten, dass vom BF keine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, sind für das erkennende Gericht auch keine Umstände erkennbar geworden, die eine sofortige Aufenthaltsbeendigung erforderlich machen würden. Der bloße Verbleib des BF im Bundesgebiet trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung vermochte jedenfalls keine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die vom BF ausgeht, zu begründen.
3.3. In Erledigung der Beschwerde war sohin auch Spruchpunkt V zu beheben.
4. Zumal das BFA der Beschwerde gegen den BF zu Unrecht die aufschiebende Wirkung aberkannt hat, erfolgte auch die Heranziehung von § 55 Abs. 4 in Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides zu Unrecht, weswegen auch Spruchpunkt VI in Erledigung der Beschwerde aufzuheben war.
5. Wie bereits eingangs dargelegt wurde, bestand gegen den BF zum Zeitpunkt der gg. behördlichen Entscheidung bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Seit dem Abschluss des Asylverfahrens des BF – sohin seit Februar 2020 – sind, wie sich schon aus den erstinstanzlichen Ermittlungen und den obenstehenden Feststellungen ergibt, in Bezug auf die in Spruchpunkt II angeordnete Rückkehrentscheidung ebenso wie in Bezug auf die Spruchpunkte I und III des angefochtenen Bescheides, seither keine maßgeblichen Sachverhaltsänderungen eingetreten.
Der hg. Rechtsprechung folgend wurde durch die § 58 Abs. 1 Z. 1 bis 5 AsylG vom die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der "Unwiederholbarkeit" abgegangen. Primärer Hintergrund dafür ist, dass ein negatives Ergebnis der amtswegigen Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG als Bedingung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung konstruiert wurde (vgl. VwGH 07.03.2019, Ro 2019/21/0002, mit Hinweis auf die ErlRV zum FNG, 1803 BlgNR XXIV. GP, 48).
Schon oben wurde auf den Umstand verweisen, dass eine neuerliche Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Begleitaussprüchen zum Zweck der Verhängung eines für erforderlich gehaltenen Einreiseverbotes nicht rechtswidrig ist (VwGH 12.11.2009, Ra 2019/21/0209).
Im gg. Fall war es unzweifelhaft Sinn und Zweck des neuerlichen behördlichen Absprechens über die amtswegige Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, die Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung, eine Grundlage für ein letztlich nicht gerechtfertigtes Einreiseverbot zu schaffen.
Zumal das vom BFA gegen den BF verhängte Einreiseverbot jedoch zu beheben war, waren sohin auch die lediglich zu diesem Zweck angeordnete Rückkehrentscheidung, ebenso wie die amtswegige Entscheidung über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG und die neuerliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Abschiebung, mangels wesentlicher Änderung der Sach- und Rechtslage, obsolet und sohin, dem aus der oa. Judikatur zu erschließenden Zweck solcher Konstruktionen folgend, ebenfalls aufzuheben.
6. In Erledigung der Beschwerde waren sohin auch die Spruchpunkte I bis III des angefochtenen Bescheides aufzuheben.
7. Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
In Anwendung dieser Bestimmung konnte die beantragte Verhandlung entfallen.
8. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung aufschiebende Wirkung Ausreiseverpflichtung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung finanzielle Mittel öffentliche OrdnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L502.2129210.2.00Im RIS seit
05.02.2021Zuletzt aktualisiert am
05.02.2021