Entscheidungsdatum
01.09.2020Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
L508 2167644-3/3E
BESCHLUSS
In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 24.08.2020, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA: der islamischen Republik Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin beschlossen:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 8.3.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am gleichen Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinen Fluchtgründen befragt. Im Rahmen der Erstbefragung am gleichen Tag gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, er werde nach dem Tod seines Vaters von seinem Onkel im Zuge von Grundstücksstreitigkeiten bedroht. Bei einer Rückkehr nach Pakistan habe er Angst um sein Leben.
Der Beschwerdeführer wurde am 17.1.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab zunächst zu Protokoll, dass er lange Zeit Mitglied bei der Gruppierung Jamaat ud-Dawa Pakistan gewesen sei. Seine Identitätsdokumente befänden sich bei dieser Gruppierung. Man habe ihm die Dokumente weggenommen, um seine Ausreise nach Saudi Arabien im Jahr 2014 zu verhindern. Ab der fünften Klasse sei er in eine Schule der Jamaat ud-Dawa Pakistan gegangen. Er sei bis 2014 Mitglied der Gruppe gewesen. Während seines Schulbesuches habe er nicht viel über die Gruppe gewusst. Danach hätte er die Trainingscamps der Gruppe gesehen. Man habe von ihm verlangt, nach Kaschmir zu gehen, um im Dschihad zu kämpfen.
2. Mit Bescheid des BFA vom 27.7.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Das BFA gelangte im Rahmen der Beweiswürdigung hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten zur Erkenntnis, dass durch den Beschwerdeführer eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei, insbesondere, weil wesentliche Teile des als ausreisekausal dargestellten Vorbringens betreffend dargelegter Erlebnisse vage, widersprüchlich bzw. nicht plausibel wären. Gründe, die die Zuerkennung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, seien nicht hervorgekommen. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit hg Erkenntnis vom 09.03.2018, Zl. L508 2167644-1 als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte zunächst fest, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe und sei der Beschwerdeführer gesund. Der Beschwerdeführer stamme aus dem Punjab, aus dem Distrikt Gujranwala und habe der Beschwerdeführer die Schule besucht. Nach dem Tod des Vaters habe er die väterliche Landwirtschaft übernommen. Hiervon habe er gut leben können. Die engsten Angehörigen würden in Pakistan leben. Der Beschwerdeführer verfüge im Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen nach Österreich. Er habe keine Verwandten in Österreich und habe sich der Beschwerdeführer bis August 2017 in der Grundversorgung befunden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer mittlerweile selbsterhaltungsfähig sei und über umfassende Deutschkenntnisse verfüge. Der Beschwerdeführer habe zwar Deutschkurse besucht, jedoch keinerlei Bestätigungen über erfolgreiche absolvierte Prüfungen vorgelegt. Er habe soziale Kontakte geknüpft. Unterstützungserklärungen seien nicht vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer sei strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer habe den überwiegenden Teil seines Lebens in Pakistan verbracht. Zu den Fluchtgründen führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer habe seine vorgebrachte Verfolgung in wesentlichen Punkten detailarm und vage geschildert. So sei der Beschwerdeführer zB nicht in der Lage gewesen, nähere Angaben zur Ausbildung im Trainingscamp der Verfolger zu nennen, zu Art bzw. Höhe der zugesagten finanziellen Unterstützung mit der Organisation, Ebenso sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen zu begründen, warum er bei der Polizei und bei Gericht geschlagen worden sei. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich gewesen – trotz eingehender Befragung – eine Mehrzahl von persönlich wahrgenommenen Details der Handlungsabläufe sowie allenfalls Interaktionen von handelnden Personen in Treffen zu führen bzw. allenfalls über seine eigene diesbezügliche Gefühlslage zu berichten. Ebenso erschließe es sich nicht, warum der Beschwerdeführer zwar zunächst zwangsrekrutiert worden sei, jedoch ihm lediglich nur der Reisepass und der Personalausweis weggenommen worden sei, zumal dadurch ja sofort die Möglichkeit eröffnet worden sei sich von der Gruppierung zu entziehen. Darüber würden sich aus den Länderberichten eben gerade keine Berichte über Zwangsrekrutierungen in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers ergeben. Im Ergebnis erachtete das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig und schied eine Asylgewährung daher aus. Das Bundesverwaltungsgericht folgerte, dass der Beschwerdeführer keiner individuell gegen ihn gerichteten Verfolgung in Pakistan ausgesetzt sei. Darüber hinaus stehe dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Gründe, die die Zuerkennung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, hätte das Verfahren nicht ergeben. Der Beschwerdeführer sei ein junger, anpassungsfähiger Mann, der aus einem Staat stamme, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet sei. Der Beschwerdeführer sei gesund, könne arbeiten und verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan. Ein Familienleben habe nicht festgestellt werden können. Zum Privatleben stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, der Beschwerdeführer sei rechtswidrig in das Bundesgebiet eingereist, er sei erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich und könne nicht von einer außergewöhnlichen schützenswerten Integration gesprochen werden. Seine privaten Bindungen nach Österreich könne der Beschwerdeführer auch von Pakistan aufrecht halten und würde eine Abschiebung nach Pakistan nicht bedeuten, dass er den Kontakt völlig abbrechen müsse.
Das Erkenntnis erwuchs am 13.03.2018 in Rechtskraft.
4. Der Beschwerdeführer stellte am 29.3.2018 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am gleichen Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe neue Probleme. Es seien gewisse Gruppen (Jamat und Dawa), welche seine Familie zu Hause unter Druck setzen würden. Sie würden fordern, dass er für sie in den Krieg in den Kashmir ziehen solle. Sein Onkel gehöre auch zu dieser Gruppierung. Mit seinem Bruder habe er auch Streit. Diese Information habe er, da er zeitweise Kontakt mit seiner Familie habe.
Der Beschwerdeführer wurde am 29.5.2018 abermals durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer führte zunächst aus, er habe immer noch Kontakt zu seinen Verwandten in Pakistan. Er habe keine Bezugsperson in Österreich. Er habe einen Deutschkurs gemacht, er sei in keinen Vereinen Mitglied und arbeite nichts. Zu seinen neuen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, er habe die Probleme wie bereits zuvor. Jetzt seien die Verfolger auch nach Hause gekommen und hätten diese die Familie belästigt. Sie hätten die Familie aufgefordert ihn zurückzuholen. Sie würden ihn nach Kashmir schicken, wohin er nicht wolle. Er habe auch mit seinem Bruder gestritten, deshalb habe der Bruder das Haus verlassen und sei in die Stadt Gujranwala gezogen. Es gäbe auch einen Onkel väterlicherseits, der ihn in den Kashmir schicken wolle. Diese Umstände seien ihm bereits seit sechs Monaten bekannt. Er wolle hierbleiben. Befragt, ob dies die gleichen Fluchtgründe wie im ersten Verfahren seien, führte der Beschwerdeführer aus, es sei derselbe Fluchtgrund. Es sei nur schlimmer geworden. Befragt, mit welchen Mitteln er seinen Lebensunterhalt bestreite, führte der Beschwerdeführer aus, er werde von seiner Vertrauensperson unterstützt.
5. Mit Bescheid des BFA vom 25.7.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 29.3.2018 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten zurückgewiesen (Spruchpunkte I und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI).
Begründend führte das BFA nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges an, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Er sei gesund und in einem arbeitsfähigen Alter. Er sei alleine ins österreichische Bundesgebiet eingereist und sei für niemanden sorgepflichtig. Er sei in Österreich kein Mitglied in Organisationen und Vereinen. Er habe Kontakt zu seinen Angehörigen in Pakistan und ein gutes Verhältnis. Es könne nicht festgestellt werden, dass beim Beschwerdeführer eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich stattgefunden hätte. Er verfüge keine nicht auf das Asylgesetz gestützte Aufenthaltsberechtigung. Er sei nicht integriert und spreche auch nach vierjährigem Aufenthalt äußerst mangelhaft Deutsch. Er sein in keiner Hilfsorganisation oder Vereinen tätig. Er gehe keiner Arbeit nach und befinde er sich erst seit kurzer Zeit in Österreich. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens nicht geändert. Auch das nunmehrige Vorbringen entspreche offensichtlich nicht der Wahrheit. Der Beschwerdeführer habe sich erneut auf das Fluchtvorbringen des ersten Verfahrens.
6. Eine gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 29.08.2018, L525 2167644-2/2E als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, dass im Ergebnis davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer keine neue Verfolgungssituation behauptete, sondern sich auch in diesem Verfahren auf die bereits als unwahr erkannte Fluchtgeschichte aus dem ersten Verfahren stützte und darüber hinaus die gegenständliche Geschichte ohnehin von der Rechtskraft des ersten Verfahrens mitumfasst sei. Ferner wurde begründend dargetan, warum auch im Hinblick auf § 8 Absatz 1 AsylG nicht vom Vorliegen eines neuen entscheidungswesentlichen Sachverhaltes auszugehen sei. Zudem wurde ausgeführt, warum eine Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF darstelle.
Diese Entscheidung erwuchs am 29.08.2018 in Rechtskraft.
8. Die gegen das Erkenntnis des BVwG vom 09.03.2018, Zl. L508 2167644-1 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde, wurde mit Beschluss des VfGH vom 25. September 2018, E 3425/2018-7 abgelehnt.
9. Am 13.04.2019 wurde gegen den BF ein Festnahmeauftrag erlassen, da dessen Abschiebung nach Pakistan geplant war. Er konnte jedoch nicht angetroffen und nicht festgenommen werden.
10. Am 27.09.2019 wurden der BF nach einer Hauserhebung durch das LPD von der Caritas Unterkunft abgemeldet, da sich dieser lt. Auskunft eines ehemaligen Mitbewohners nach Italien abgesetzt hätte.
11. Am 10.10.2019 wurde gegen den BF vom BFA ein Festnahmeauftrag wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes erlassen.
12. Am 24.07.2020 wurde der BF im Zuge einer Fahndungstätigkeit zu einem Fahrraddiebstahl von der Polizei kontrolliert. Im Zuge der Erhebung konnte festgestellt werden, dass gegen ihn ein Festnahmeauftrag des BFA vorliege. Am 24.07.2020 wurde der BF im Auftrag des BFA durch die PI Dornbirn zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme gab der BF an, dass er im April 2019 nach Pakistan zurückgekehrt sei. Im Februar 2020 sei er dann nach Italien gereist und seit ungefähr 2 Wochen sei er wieder in Österreich. Er sei untergetaucht, weil er einen negativen Asylbescheid erhalten habe. Er habe Probleme in Pakistan, weswegen er wieder hergekommen sei.
13. Über den BF wurde mit Mandatsbescheid vom 24.07.2020 die Schubhaft verhängt und stellte er am 31.07.2020 aus dem Stande der Schubhaft seinen dritten, nunmehr verfahrensgegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung durch ein Organ der Fremdenpolizei gab der BF im wesentlichen an, dass er nach dem negativen Asylbescheid nach Pakistan zurückgekehrt sei, aber seine Probleme seien noch schlimmer gewesen als zuvor. Abermals brachte der Beschwerdeführer Probleme mit den Gruppen (Jamat und Dawa) sowie seinem Onkel und seinem Bruder vor. Neu vorgebracht wurde, dass der BF auch Schwierigkeiten mit der Volksgruppe der Ahmadi gehabt habe, da ihm unterstellt worden sei, dass er während seines Aufenthalts in Österreich seine Religionszugehörigkeit gewechselt habe. Er habe dies gerüchteweise von seiner Schwester erfahren und gäbe es Gerüchte, dass er deswegen umgebracht werden könne. Konkrete Hinweise für eine diesbzgl. Gefährdung habe er jedoch keine.
14. Dem wurde am 05.08.2020 die Ladung zur Einvernahme für den 13.08.2020 ausgehändigt und wurde ihm mit dieser Ladung auch das Länderinformationsblatt zu Pakistan sowie eine Information zu Covid-19 ausgefolgt.
15. Im Rahmen der Einvernahme am 13.08.2020 wiederholte der BF sein bisheriges Vorbringen zum Verlassen des österreichischen Bundesgebietes und brachte einen pakistanischen Reisepass (ausgestellt am 05.08.2019), einen pakistanischen Führerschein (ausgestellt am 28.01.2020) sowie ein Dokument der italienischen Immigrationsbehörde datiert mit 04.02.2020 in Vorlage. Befragt warum er wieder nach Österreich gekommen sei, gab der BF an, dass er Deutsch können und deshalb nach Österreich gekommen sei; außerdem seien seine Probleme in Pakistan noch schlimmer geworden. Abermals wurden die Probleme mit den Gruppen (Jamat und Dawa) sowie seinem Onkel und seinem Bruder vorgebracht. Abermals vorgebracht wurde, dass ihm unterstellt worden sei, dass er die Religion gewechselt habe und dass er deswegen von seinen Freunden nicht unterstützt worden sei. Er habe jedoch die Religion nicht gewechselt und sei noch immer sunnitischer Moslem.
Zu seiner Integration in Österreich gab der BF an, dass er einen Deutschkurs besucht habe, jedoch keine Bestätigung dazu habe. Ferner habe er alte Menschen besucht und sich mit diesen unterhalten. Eine Berufstätigkeit bzw. Selbsterhaltungsfähigkeit sowie eine positive Absolvierung eines Deutschkurses wurden nicht vorgebracht. Auch sonstige Integrationsbemühungen wurden nicht geltend gemacht.
16. Dem BF wurden am 13.08.2020 Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Absatz 3 und § 15a AsylG sowie § 52a Absatz 2 BFA-VG ausgefolgt. Mit diesen Verfahrensordnungen wurde dem BF u.a. mitgeteilt, dass sein Asylantrag zurückzuweisen sei und dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben. Ferner wurde dem BF mitgeteilt, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen und wurde ihm die ihn beratenden und unterstützende Organisation bekanntgegeben. dass ihm vor der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs eine Rechtsberatung zuteil werde.
17. Am 17.08.2020 wurde dem BF die Ladung zur Einvernahme für den 24.08.2019 ausgehändigt und wurde ihm mit dieser Ladung abermals das Länderinformationsblatt zu Pakistan sowie die Information zu Covid-19 ausgefolgt.
18. Am 18.08.2020 langte beim BFA ein schriftlicher Verzicht des BF vom 17.08.2020 ein, in welchem ausgeführt wird, dass der BF nach ausführlicher Rechtsberatung und Aufklärung über die Folgen und Konsequenzen, auf seine Einvernahme und sein Parteiengehör verzichte. Durch diesen Verzicht wurde von der belangten Behörde vor der mündlichen Verkündung des gegenständlichen Bescheids kein Parteiengehör abgehalten. Eine Stellungnahme zu den Länderberichten erging seitens des BF nicht.
19. Im Rahmen der am 24.08.2020 durchgeführten „Einvernahme“ wurde mit mündlich verkündeten Bescheid in Bezug auf den BF der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF gemäß § 12a Absatz 2 AsylG aufgehoben.
Im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 24.08.2020, Zl. XXXX , wurde der bisherige Verfahrensgang in Bezug auf den ersten und zweiten Asylantrag sowie den nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz des BF dargelegt. Es wurden Feststellungen zur Person des BF, seinen Angaben im Rahmen der Asylverfahren, zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung, zu seinem Privat- und Familienleben sowie zur Lage in Pakistan getätigt. Ausführungen wurden ebenso getroffen, warum die belangte Behörde davon ausgehe, dass der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde. Der Beschwerdeführer habe nämlich kein glaubwürdiges neues Fluchtvorbringen erstattet. Darüber hinaus stellte die belangte Behörde fest, dass auch keine Artikel 3 EMRK relevanten Änderungen in Bezug auf die sonstige Situation des BF und die allgemeine Lage in Pakistan eingetreten seien und traf die belangte Behörde ferner Feststellungen zur familiären und privaten Situation des BF, es habe sich keine Änderung verglichen mit den vorangehenden Verfahren ergeben.
20. Der Verwaltungsakt des BFA langte am 27.08.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein, wovon das BFA am selben Tag verständigt wurde.
21. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Der BF stellte nach illegaler Einreise erstmals am 08.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.7.2017 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.03.2018, Zl. L508 2167644-1 als unbegründet abgewiesen und erwuchs am 13.03.2018 in Rechtskraft.
Die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.03.2018, Zl. L508 2167644-1 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde, wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 25. September 2018, E 3425/2018-7 abgelehnt.
Einen in der Folge gestellten zweiten Antrag auf internationalen Schutz wies das BFA mit Bescheid vom 25.7.2018 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten zurück (Spruchpunkte I und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI).
Eine gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 29.08.2018, L525 2167644-2/2E als unbegründet abgewiesen.
Diese Entscheidung erwuchs am 29.08.2018 in Rechtskraft.
Am 31.07.2020 brachte der BF, aus dem Stande der Schubhaft, einen neuerlichen und nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein und begründete den Antrag im Wesentlichen damit, dass seine Probleme noch dieselben seien, sich diese jedoch mittlerweile noch verschärft hätten. Zudem gäbe es auch Gerüchte, dass er wegen eines ihm unterstellten Religionswechsels, getötet werden könnte. Neue Gründe, denen Glaubwürdigkeit und Asylrelevanz beizumessen wäre bzw. welche zu einer anderslautenden Beurteilung respektive Entscheidung führen würden, wurden nicht vorgebracht.
Der BF hat bei seiner Rückkehr nichts zu befürchten. In Bezug auf mögliche Rückkehrhindernisse bzw. auf das Privat- und Familienleben des BF ergaben sich keine entscheidungsrelevanten Änderungen.
Zur Lage im Herkunftsland:
Sicherheitslage
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).
Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).
Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).
Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):
Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).
Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..
Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).
Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die „korrigierende religiöse Bildung“, Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).
Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
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USDOS – US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019
Sicherheitsbehörden
Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht (AA 21.8.2018), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.), militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2018) sowie den Geheimdiensten (AA 21.8.2018).
Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt (AA 21.8.2018). Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing - CTWI) (AA 21.8.2018).
Im Wesentlichen ist die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung Aufgabe der Provinzen, die über eigene Polizeieinheiten verfügen (Noureen/Sarfraz 2016; vgl. AA 21.8.2018). Gegenüber den Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 21.8.2018). Die lokalen Einheiten der Provinzpolizei unterstehen dem District Nazim [~Bezirkshauptmann] (Noureen/Sarfraz 2016)
Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 21.8.2018). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).
Frontier Corps (FC) und Rangers sind militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und der Grenzsicherung. Der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen die Folter (UNCAT) ist der Ansicht, dass die FC an außergerichtlichen Tötungen und dem Verschwinden von Menschen beteiligt ist. Im April 2018 hat die Regierung in Sindh beschlossen, „die besonderen Befugnisse zur Polizeiarbeit“ für die Rangers in Sindh auszuweiten und ihren Einsatz und ihr Mandat zur Durchführung von „Operationen gegen militante Flügel, Erpresser, Auftragsmörder und aufständische Kämpfer“ in Karatschi zu verlängern (EASO 10.2018).
In Khyber Pakhtunkwa und den [ehem.] FATA setzen die pakistanische Armee und die Polizei mitunter illegale Milizen, sogenannte „Lashkars“, zur informellen Strafverfolgung ein. Berichten zufolge wenden sie willkürlich Gewalt an, zerstören Häuser, die mutmaßlichen Taliban und ihren Familien gehören, nehmen willkürliche Verhaftungen vor und führen rechtswidrige Tötungen durch. Die Regierung der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hat beschlossen, ihre Finanzierung einzustellen. Dem NAP zufolge werden die Lashkars aufgelöst (EASO 10.2018). Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 13.3.2019).
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).
Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).
Es gibt weiterhin Berichte, dass Sicherheitskräfte in Menschenrechtsverletzungen involviert sind, darunter Folter und andere Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Exekutionen und Verschwindenlassen. Diese bleiben aufgrund des Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen, um gegen die Täter zu ermitteln und sie vor Gericht zu stellen, straflos (AI 21.2.2018). Berichten zufolge werden von einigen Einheiten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass viele paschtunische Aktivisten sowie Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan verschwanden oder grundlos verhaftet wurden (USDOS 13.3.2019).
Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 13.3.2019).
Im November 2018 wurde mit Unterstützung der USA ein modernes Trainingszentrum der Polizei eröffnet, um die Ausbildung von Führungskräften zu verbessern (USEC 27.11.2018). Im Jahr 2018 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge im Bereich Menschenrechte und Flüchtlingsrechte für ca. 200 Polizeibeamte in verschiedenen Städten von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) durchgeführt (SHARP 29.12.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018
EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019
MoD – Government of Pakistan – Ministry of Defense (o.D.): Ministry Overview, http://www.mod.gov.pk/, Zugriff 14.5.2019
Noureen, Asima; Sarfraz, Zaigham (2016): Structural Organization of Police: Official Record of the Government of Pakistan Based on Cabinet Division and Secretariat, in: JPUHS - Journal of Punjab University Historical Society, Vol.29, No.2, July-December, 2016, http://pu.edu.pk/images/journal/HistoryPStudies/PDF-FILES/4-v29_2_16.pdf, Zugriff 9.4.2019.
SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (29.12.2018 – neuester Eintrag): Category: Activites & Events, https://sharp-pakistan.org/index.php/category/latest-news/activities-and-events/, https://sharp-pakistan.org/index.php/category/latest-news/activities-and-events/page/2/, Zugriff 12.3.2019
USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
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Allgemeine Menschenrechtslage
Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert: Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist in Pakistan nach wie vor nicht abgeschafft) (AA 21.8.2018).
Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet. Die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 5.3.2019).
Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung sich Pakistan verpflichtet hat (AA 21.8.2018).
Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte Tötungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Folter, willkürliche und überlange Untersuchungshaft, willkürliche und ungesetzliche Verletzung der Privatsphäre, Zensur, Blockieren von Webseiten, willkürliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Journalisten, schwere Schikanen und Einschüchterungen und medienwirksame Angriffe gegen Journalisten und Medienherausgeber, staatliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit inklusive übermäßig restriktive Gesetze gegen internationale NGOs, Einschränkungen der Religionsfreiheit und Diskriminierung religiöser Minderheiten, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Korruption in den Behörden, Rekrutierungen und Einsatz von Kindersoldaten durch nichtstaatliche militante Gruppen, fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht in Fällen von Vergewaltigung, sexueller Belästigung, sogenannter Ehrverbrechen, weiblicher Genitalverstümmelung und Gewaltverbrechen aufgrund von Geschlecht, Genderidentität und sexueller Orientierung, gesetzliches Verbot gleichgeschlechtlicher Handlungen, Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft, transnationaler Menschenhandel und die schlimmsten Formen von Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019). Wegen fehlender Rechenschaftspflicht der Regierung bleiben Vergehen oft ungeahndet, was zu einer Kultur der Straflosigkeit der Täter führt, unabhängig davon, ob es sich um staatliche oder nicht-staatliche Täter handelt. Die Behörden bestrafen Beamte nur selten für Verstöße gegen die Menschenrechte (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, AI 21.2.2018).
Gemäß Angaben der vom Innenministerium eingesetzten Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIOED) wurden im Zeitraum 2011 bis 31.1.2019 COIOED 5.777 Fälle zur Kenntnis gebracht und davon 3.599 Fälle abgeschlossen; 2.178 Fälle sind noch offen (COIOED 1.2.2019). Im Jahr 2018 wurden von COIOED 1.098 neue Fälle registriert und 671 Fälle abgeschlossen; 2017 wurden 868 neue Fälle aufgenommen und 555 Fälle abgeschlossen (COIOED 23.2.2019).
Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der sogenannten „police encounters“ vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Laut der NGO „Human Rights Commission of Pakistan“ kamen 2017 landesweit hunderte Personen bei „police encounters“ ums Leben. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht (AA 21.8.2018). Im Jänner 2019 wurde im Punjab vier Personen, darunter Eltern und ihre Tochter, von der Polizei erschossen. Gemäß offiziellen Angaben waren die Toten Mitglieder des Islamischen Staates, Zeugenaussagen und Amateurvideos geben jedoch an, dass die Familie, die mit dem Auto unterwegs war, grundlos beschossen wurde. Nachdem die Videos veröffentlicht wurden, ordnete der Provinzminister eine Untersuchung, sowie die Verhaftung aller am Ereignis beteiligten Beamten an (Dawn 20.1.2019).
In zahlreichen Fällen bleiben Strafgefangene über viele Jahre hinweg widerrechtlich inhaftiert, obwohl ihre Haftstrafe bereits verbüßt ist. Ein häufiger Grund ist, dass die Strafgefangenen oder ihre Familienangehörigen nicht die notwendigen Mittel aufbringen können, die gleichzeitig mit der Haftstrafe verhängte Geldbuße nach Ablauf der Haftzeit zu begleichen. Ein anderer Grund ist, dass Gerichtsurteile nicht konsequent umgesetzt werden. Andere Personen werden, ohne dass gegen sie eine Haftstrafe verhängt wurde, nur deshalb in Haft genommen, weil sie nicht in der Lage sind, gegen sie verhängte Bußgelder zu begleichen (AA 21.8.2018).
Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind Blasphemiefälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 21.8.2018).
Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten halten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte ab. Per Gesetz von 2012 wurde 2015 die Nationale Kommission für Menschenrechte als unabhängiges Komitee eingerichtet. Im November 2015 wurde wieder ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte eingerichtet (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.3.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 12.3.2019
AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018
COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances (1.2.2019): Monthly Progress on Cases of Alleged Enforced Disappearances – January 2019, http://coioed.pk/wp-content/uploads/2019/02/20190101SUBMISSION-OF-MONTHLY-SUMMARY-JANUARY-2019.doc, Zugriff 12.3.2019
COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances (23.2.2019): Month Wise Receipt/Disposal of Cases by COIOED, http://coioed.pk/wp-content/uploads/2019/02/MONTH-WISE-RECEIPT-DISPOSAL-OF-CASES-BY-COIOED-2nd.doc, Zugriff 12.3.2019
Dawn (20.1.2019): Outrage over family’s killing by Punjab police, https://www.dawn.com/news/1458676/outrage-over-familys-killing-by-punjab-police, Zugriff 12.3.2019
HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019
USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
Religionsfreiheit
Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch, 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus, 0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten („scheduled castes“) und 0,07 % gehören einer anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca. 85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 5.2.2019); USDOS geht anhand der Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind Zoroastrier, Bahai, Sikh, Buddhisten, und kleinere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Anhängerzahl der religiösen Minderheiten auf 6-10 Millionen Menschen (USDOS 29.5.2018).
Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islam konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973/2016; vgl. USDOS 29.5.2018). Die Verfassung verbietet Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 29.5.2018). Am 28.11.2018 wurde Pakistan vom US-Amerikanischen Außenministerium in Bezug auf Religionsfreiheit als besonders besorgniserregendes Land („Country of Particular Concern under the International Religious Freedom Act of 1998“) eingestuft, da systematische, ständige und schwerwiegende Verletzungen der Religionsfreiheit von staatlicher Seite durchgeführt oder toleriert werden (USDOS 11.12.2018).
Vertreter der Minderheiten berichten, dass die Regierung bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent sei und dass die Maßnahmen der Regierung zur Unterbindung von Zwangskonvertierungen religiöser Minderheiten zum Islam unzureichend seien (USDOS 29.5.2018).
Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime anerkannt werden -, ist weiterhin schwierig. Viele sind Zwangsarbeit ausgesetzt und leben in Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten und Muslime, die nicht einer konservativen Islam-Auslegung folgen, wie die Sufis, aus (AA 1.2.2019). Das Antreten von extremistischen religiösen Parteien im Wahlkampf 2018 führte zu vermehrten Bedrohungen und verhetzender Sprache gegenüber religiösen Minderheiten (USCIRF 4.2019). [Anmerkung: Für eine detaillierte Lagebeschreibung der unterschiedlichen religiösen Gruppen siehe die Abschnitte Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.]
Laut PIPS wurden im Jahr 2018 bei insgesamt 16 religiös oder konfessionell motivierten Terroranschlägen 59 Menschen getötet (PIPS 1.2019 S 53, 59); im Jahr 2017 gab es 26 religiös oder konfessionell motivierte Terroranschläge mit insgesamt 87 Toten (PIPS 7.1.2018 S 60, 68).
Gemäß Menschenrechtsaktivisten haben weder Bundes- noch Provinzbehörden substanzielle Fortschritte bei der Umsetzung der Entscheidung des Obersten Gerichtes von 2014 gemacht, die die Regierung dazu verpflichtet, religiöse Minderheiten zu schützen (USDOS 29.5.2018). Gerichte und Polizei versagen oft darin, religiöse Minderheiten zu schützen. NGOs kritisieren die Behörden, dass die Polizei Angriffe auf Mitglieder der religiösen Minderheiten nicht erfolgreich verhindert bzw. erfolglos bei der Verhaftung der Täter ist. Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und einzelne Beispiele, wo lokale Behörden unter großem persönlichen Risiko Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und Mob-Gewalt schützen (USDOS 13.3.2019). Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei unterbunden werden konnten (USDOS 29.5.2018).
Die umstrittene Blasphemie-Gesetzgebung sieht für Gotteslästerung die Todesstrafe vor, die allerdings im Zusammenhang mit diesem Delikt noch nie vollstreckt wurde (AA 21.8.2018). Die Blasphemiegesetze werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten angewendet (USDOS 13.3.2019) und gemäß Interessenvertretungen sind Mitglieder religiöser Minderheiten überproportional von der Anwendung der Blasphemiegesetze betroffen (USDOS 29.5.2018). [Anmerkung: Für mehr Informationen zur Blasphemiegesetzgebung siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.]
Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu bestimmen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung. Die Rechtsordnung schränkt die Freiheit, die Religion zu wechseln, nicht ein. Für Apostasie – Abfall vom Islam – gibt es in Pakistan keine strafrechtliche Bestimmung. Die Gesellschaft akzeptiert Apostasie aber in keiner Weise [vgl. dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] (AA 21.8.2018).
Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Es wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden oder direkt bei der Regierung registrieren lassen und ihre Finanzierung nachweisen müssen. Anführer der Zivilgesellschaft sagen, dass die Lehre religiöser Intoleranz weiterhin weit verbreitet ist. Es gibt Berichte, dass einzelne Madrassen Gewalt oder extremistische Inhalte lehren. Der nationale Aktionsplan gegen Terror sieht explizit die Bekämpfung von Hassreden vor. Einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die Bewegungs- und Redefreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird, religiösen Hass zu verbreiten (USDOS 29.5.2018).
Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden, jedoch verweigern lokale Behörden Ahmadis regelmäßig notwendige Baubewilligungen. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 29.5.2018).
Ehen, die gegen die Vorgaben des Islam geschlossen werden, werden nicht anerkannt. So wäre z.B. eine Heirat einer muslimischen Frau mit einem nicht-muslimischen Mann nicht gültig, der umgekehrte Fall dagegen schon. Im Allgemeinen gibt es in Pakistan keine dem österreichischen Rechtssystem vergle