TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/2 L510 2234463-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.09.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch


L510 2234463-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2020, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) reiste erstmals 2003 gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrer Mutter nach Österreich ein. Ihr Vater hielt sich bereits in Österreich auf. Die bP hatte den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ inne. Dieser war zuletzt bis 21.08.2017 gültig. Aufgrund mehrere Straftaten wurde das unbefristete Aufenthaltsrecht seitens des Magistrats beendet. Der bP wurde eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus, gültig bis 11.10.2018, ausgestellt. Derzeit befindet sich der diesbezügliche Verlängerungsantrag in Bearbeitung beim Magistrat.

Die bP wurde mehrmals strafrechtlich rechtskräftig verurteilt.

2. Mit Schreiben vom 26.08.2019 wurde der bP die Möglichkeit gegeben, zur beabsichtigten Vorgehensweise des BFA in Bezug auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes Stellung zu beziehen.

3. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 5 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz wurde gegen sie ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde ihr ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

4. Mit Schriftsatz der Vertretung vom 03.08.2020 wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.

5. Mit 28.08.2020 langte der Verwaltungsverfahrensakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität der bP steht fest. Sie führt den im Spruch genannten Namen und das im Spruch angeführte Geburtsdatum. Die bP ist türkischer Staatsangehöriger. Die bP hatte den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ inne. Dieser war zuletzt bis 21.08.2017 gültig. Aufgrund mehrere Straftaten wurde das unbefristete Aufenthaltsrecht seitens des Magistrats beendet. Der bP wurde eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus, gültig bis 11.10.2018, ausgestellt. Derzeit befindet sich der diesbezügliche Verlängerungsantrag in Bearbeitung beim Magistrat. Ein Daueraufenthaltstitel liegt derzeit nicht vor.

Gegen die bP liegen folgende rechtskräftige Urteile vor:

01) BG XXXX vom 30.03.2005 RK 05.04.2005

PAR 15 146 StGB

Geldstrafe von 40 Tags zu je 2,00 EUR (80,00 EUR) im NEF 20 Tage

Ersatzfreiheitsstrafe Junge(r) Erwachsene(r)

02) LG F. STRAFS. XXXX vom 08.08.2007 RK 12.08.2007

PAR 15 269/1 (1. FALL) PAR 83/1 84 ABS 2/4 StGB

Datum der (letzten) Tat 20.02.2007

Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre, (Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen,

endgültig, Vollzugsdatum 12.08.2007

03) LG F. STRAFS. XXXX vom 08.02.2011 RK 08.02.2011

PAR 15 105/1 PAR 107/1 StGB

Datum der (letzten) Tat 25.11.2010

Freiheitsstrafe 7 Monate, davon Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3

Jahre, Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 08.02.2011

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig, Vollzugsdatum 08.02.2011

04) LG F. STRAFS. XXXX vom 21.08.2014 RK 26.08.2014

§ 288 (4) u (1) StGB

§ 297 (1) 1. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 19.07.2012

Freiheitsstrafe 7 Monate, Vollzugsdatum 23.11.2015

05) BG XXXX vom 03.09.2015 RK 08.09.2015

§ 115 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 28.02.2015

Freiheitsstrafe 1 Monat, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Vollzugsdatum 08.09.2015

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig, Vollzugsdatum 08.09.2015

06) LG F. STRAFS. XXXX vom 31.01.2017 RK 06.02.2017

§ 107 (1) StGB

§ 15 StGB § 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 25.10.2016

Freiheitsstrafe 3 Monate, Vollzugsdatum 06.02.2017

07) LG F. STRAFS. XXXX vom 27.05.2019 RK 27.05.2019

§ 125 StGB

§§ 107 (1), 107 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat 13.04.2019

Freiheitsstrafe 15 Monate

Die bP wurde am 13.07.2020 aus der Strafhaft entlassen.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes. Zentral wurden berücksichtig:

-        Der fremdenpolizeiliche Akt

-        SA Auszug

-        Gerichtsurteile

-        ZMR-Anfrage

-        IZF-Anfrage

-        AJ-WEB-Anfrage

-        Beschwerdeangaben

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 52 FPF lautet:

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(…)

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

[…]

Gegenständlich ergibt sich folgendes:

Die bP verfügt derzeit über keinen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ und war vor der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht auf Dauer rechtmäßig niedergelassen. Vielmehr hält sich die bP gegenständlich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, da ihr Verlängerungsantrag in Bezug auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus noch in Bearbeitung ist.

Dennoch stütze das BFA die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs 5 FPG. Eine Rückkehrentscheidung hätte jedoch nach § 52 Abs 4 FPG ergehen müssen, eine solche bezieht sich auf Drittstaatsangehörige, welche sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Da § 52 Abs 4 FPG eine andere Prüfung vorsieht, als der von der belangten Behörde herangezogene § 52 Abs 5 FPG, konnte die Prüfung vor dem BVwG nicht fortgesetzt werden, sondern mussten Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides und in Folge dessen auch die weiteren Spruchpunkte behoben werden.

Das BFA wird eine künftige Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs 4 zu stützen haben.

Dabei wird das BFA auch aktuelle Feststellungen zum Privat- und Familienleben der bP zu treffen haben.

Da das BFA eine für diesen Fall nicht anzuwendende Rechtsnorm ihrer Entscheidung zu Grunde legte, war spruchgemäß zu entscheiden.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Rechtsgrundlage Rot-Weiß-Rot-Karte plus Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L510.2234463.1.00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten