TE Bvwg Beschluss 2020/10/8 L506 2139043-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L506 2139043-3/3E 08.10.2020

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX StA. Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EASt West vom 18.09.2020, Zl. 1074439706/200586008:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG iVm § 21 Abs. 3 BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrenshergang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF) brachte erstmals am 21.06.2015 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz ein, den er zusammengefasst damit begründete, dass er wegen seiner Auslieferung von drei Talibanmitgliedern an die Regierung von den Taliban verfolgt werde.

2. Mit Bescheid des BFA vom 10.03.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2020, GZ L512 2139043 wurde die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.02.2020 in allen Punkten als unbegründet abgewiesen. Dem Vorbringen des BF wurde die Glaubwürdigkeit versagt und beweiswürdigend ausgeführt, dass dieser zu seinen Ausreisegründen ein widersprüchliches, vages und nicht nachvollziehbares Vorbringen erstattet habe und seien die Angaben des BF in der Erstbefragung nicht mit jenen in der Einvernahme in Einklang zu bringen.

Mit Zustellung erwuchs das gegenständliche Erkenntnis am 28.05.2020 in Rechtskraft.

4. Am 10.07.2020 stellte der BF den nunmehrigen, zweiten und verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).

5. In der Erstbefragung am 10.07.2020 erklärte der BF über Befragen, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, er habe nach Erhalt des negativen Bescheides (Anm.: gemeint wohl das Erkenntnis des BVwG) Kontakt zu seinem Bruder hergestellt und diesen gefragt, ob er nach Pakistan zurückreisen könne. Dieser habe ihm geraten, in Österreich zu bleiben, da sich die Sache nicht geändert habe und sein Leben in Gefahr sei. Wegen seiner Aussagen bei pakistanischen Behörden seien drei Talibanmitglieder ins Gefängnis gekommen. Nach deren Freilassung werden zwei von diesen Personen getötet werden und habe der Taliban Rache geschworen, weshalb sie den BF umbringen wollen. Sein Bruder habe ihm erzählt, dass eine Gruppe von 15 Personen in sein Dorf gekommen sei und nach dem BF gefragt und gesucht hätte, weshalb er im Rückkehrfall sicher getötet werden würde. Er könne sich Beweise per Email übermitteln lassen. Er habe davon vorigen Sonntag erfahren. Vor zwei Wochen habe er erfahren, dass es eine Auseinandersetzung mit den Taliban gegeben habe, wobei 20 Dorfbewohner getötet und 25 weitere verletzt worden seien. Die Regierung helfe den Taliban; sein Dorf sei abgeschnitten.

6. Am 10.08.2020 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF im Beisein einer Rechtsberaterin; der BF gab an, an Schwindel zu leiden und habe er ärztliche Unterlagen dabei. Die gesundheitlichen Probleme habe er im Erstverfahren bereits angeführt.

Zur Begründung seines neuerlichen Antrages erklärte der BF, nach Erhalt der zweiten negativen Entscheidung im Asylverfahren habe er seinen Bruder in Pakistan kontaktiert, welcher ihm mitgeteilt habe, dass von den drei Personen, die hinter dem BF her gewesen seien, zwei verstorben seien. Die dritte Person sei mit 15 weiteren Personen in sein Dorf gekommen und hätten diese Personen nach dem BF gesucht. Die Dorfbewohner hätten diese Personen festgenommen und der Regierung übergeben. Aus diesem Grund drohe dem BF Gefahr in Pakistan. Diese Leute könnten neue Personen anheuern, um den BF zu suchen.

Der BF wurde zur Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative befragt und erklärte dazu, dass er aufgrund seiner Religionszugehörigkeit (Schiit) nicht in einer größeren Stadt leben könne.

Nach der zweiten negativen Entscheidung sei er nach Italien gereist, wo er aufgegriffen und nach Österreich rücküberstellt worden sei. Nachgefragt gab der BF an, nicht in Italien, sondern bereits in Tirol aufgegriffen worden zu sein.

Im weiteren wurde der BF zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt.

Zum Beweis seines Vorbringens legte der BF ein Schreiben von August 2020 in englischer Sprache vor und gab dazu an, dass dieses die Suche nach seiner Person bestätige und von den Dorfältesten ausgestellt worden sei; das Schriftstück sei ihm von seinem Bruder per Mail übermittelt worden. Der BF legte Unterlagen zur Situation in Parachinar vor, gab jedoch über Befragen an, darin nicht namentlich erwähnt zu werden, sondern wolle er damit die Allgemeinsituation in Parachinar darstellen. Die Unterlagen wurden nicht zum Akt genommen.

Dem BF wurde die beabsichtigte Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache zur Kenntnis gebracht und diesem in einem mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ein Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren zu erlassen, da er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und er keine Mittel für seinen Unterhalt aufbringen könne.

Dem BF wurden die länderkundlichen Feststellungen zur Situation in Pakistan ausgefolgt und diesem eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

7. Am 19.08.2020 gab der BF eine schriftliche Stellungnahme ab, in der er Quellen zur aktuellen Lage in Pakistan zitierte und Unterlagen hinsichtlich seines Lebens in Österreich vorlegte.

8. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18.09.2020, hat das Bundesamt den zweiten Antrag des BF auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I und II).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Es wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI) und wurde gegen den BF ein Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG für die Dauer von 2 Jahren. Erlassen (Spruchpunkt VII).

Das BFA stellte zum neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des BF fest, dass der BF angegeben habe, dass die Asylgründe des BF aus dem ersten Verfahren aufrecht wären; im neuerlichen Asylverfahren habe der BF nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Gründe vorgebracht bzw. habe sich kein neure objektiver Sachverhalt ergeben. Da er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, werde ein Einreiseverbot verhängt.

Das BFA traf länderkundliche Feststellungen zur Situation in Pakistan.

Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass der BF im gegenständlichen Verfahren im wesentlichen keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht habe, womit sich das Parteibegehren im gegenständlichen Verfahren mit jenem des Erstverfahrens decke.

Die nunmehr geltend gemachten Gründe bauen auf ein Vorbringen auf, welches im rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahren als unglaubwürdig qualifiziert worden seien. Somit könne kein neuer Sachverhalt vorliegen, da ein Sachverhalt, der auf ein unglaubwürdiges Vorbringen aufbaue, nach den Denkgesetzen der Logik ebenfalls als unglaubhaft zu werten sei. Auch das geltend gemachte Gespräch mit dem Bruder beziehe sich auf das unglaubwürdige Vorbringen des BF, welches fortwirke und sei nicht geeignet, einen glaubhaften Kern des Vorbringens aufzuzeigen. Zum seitens des BF vorgelegten Schriftstück zur Bestätigung der Probleme in Pakistan wurde festgehalten, dass dadurch ebenso wenig eine Änderung in der Entscheidung herbeigeführt werden könne, da es sich lediglich um eine Kopie handle, weshalb nicht von dessen Authentizität ausgegangen werde und diesem Schreiben keine Beweiskraft beigemessen werde. Dieses könne keiner objektiven Quelle zugeordnet werden und könne es sich um ein Gefälligkeitsschreiben einer Sympathieperson handeln. Aus den genannten Gründen sei von einer Übersetzung des Schriftstückes abzusehen.

In rechtlicher Hinsicht wurde festgehalten, dass es sich beim geltend gemachten Gespräch mit dem Bruder, aus dem sich die weitere Suche des BF durch die Taliban ergebe, um kein neues, entscheidungsrelevantes Sachverhaltselement handle.

Das BFA stellte keine Rückkehrgefährdung des BF nach Pakistan fest und hielt unter Zugrundelegung der aktuellen länderkundlichen Feststellungen fest, dass sich die diesbezügliche Sachlage nicht geändert habe und sei die diesbezügliche Stellungnahme des BF nicht geeignet, diesen Feststellungen substantiiert entgegenzutreten.

Zu Art 8 EMRK hielt das BFA fest, dass dieser in Österreich keine Familienangehörigen habe, weshalb kein Eingriff in das Familienleben des BF vorliege. Das Privatleben des BF in Österreich sei beschränkt, wohingegen er die Möglichkeit habe, sich in Pakistan ein relevantes Familien- und/oder Privatleben aufzubauen.

In einer Gesamtabwägung würden die öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung überwiegen. Im weiteren begründete das BFA die Erlassung eines zweijährigen Einreiseverbotes.

9. Der Bescheid des BFA vom 18.09.2020 wurde dem BF am 21.09.2020 rechtswirksam zugestellt.

10. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde vom 30.09.2020.

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtmittelbehörde möge

-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz Folge gegeben und diesem der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan zuerkannt werde;

-) in eventu möge die Rechtsmittelbehörde dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG erteilen;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur inhaltlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen sowie die gegen den BF ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aufheben.

-) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen

-) in eventu das gegen den Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbot aufheben bzw. verkürzen

-) eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumen.

Begründend wurde auf das Vorbringen des BF zu seinem neuerlichen Asylantrag sowie auf das vorgelegte Beweismittel verwiesen, sodass die Behörde zu einer näheren inhaltlichen Überprüfung des neuerlichen Antrages angehalten gewesen sei. Im weiteren wurden Ausführungen zum Herkunftsstaat des BF bzw. zu dessen Herkunftsregion gemacht.

Der Beschwerde wurde die Bevollmächtigung des nunmehrigen Vertreters, ein handschriftliches vom BF verfasstes Schriftstück in englischer Sprache sowie eine Einstellungszusage beigelegt.

11. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

12. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Erstverfahrens, in den behördlichen Verwaltungsakt des nunmehr zweiten Verfahrens unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den behördlichen Bescheid erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchteil A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

1.2. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 21 Absatz 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Laut den Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP 14) geht aus der Regelung des Abs. 3 hervor, dass die Stattgebung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Zulassungsverfahren ex lege zur Zulassung führt. Das Bundesverwaltungsgericht hat neben den Fällen von falscher rechtlicher Beurteilung auch im Fall von Erhebungsmängeln die Entscheidung zu beheben, das Verfahren zuzulassen und an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Durchführung eines materiellen Verfahrens zurückzu[ver]weisen. Dieses kann allerdings im materiellen Verfahren - die Zulassung steht einer späteren Zurückweisung nicht entgegen - wieder zu der Ansicht kommen, dass der Antrag unzulässig war.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

2. Entschiedene Sache

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gem. § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH v. 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; VwGH v. 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; VwGH v. 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.9.2000, 98/12/0057). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. z.B. VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN).

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen i.S.d. § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1AsylG 2005, nämlich §28 AsylG1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gem. §68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556).

Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 2.7.1992, 91/06/0207 mwN).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z.B. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. - in Bezug auf mehrere Folgeanträge - VwGH 26. 7. 2005, 2005/20/0226, m.w.N.). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 2004 m.w.N.).

Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

3. Zur Entscheidungsbegründung:

3.1. Als Vergleichsentscheidung ist im gegenständlichen Fall das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2020, Zl: L512 21390439 heranzuziehen, mit welchem die Beschwerde gemäß den § 3, § 8 und § 10 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen wurde. Dieses Erkenntnis erwuchs am 28.05.2020 in Rechtskraft.

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens i.S.d. § 21 Abs. 3 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Dies ist aus nachstehenden Gründen nicht der Fall:

3.2. Der angefochtene Bescheid beinhaltet keine tragfähige nähere Auseinandersetzung mit dem seitens des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im gegenständlichen Verfahren neu erstatteten Vorbringen.

So brachte der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung und der darauffolgenden Einvernahme vor, er sei erneut von den Taliban gesucht worden und habe er Angst, von diesen getötet zu werden. Zu seinem Vorbringen legte er eine schriftliche Bestätigung vor.

Seitens des BFA wurden die diesbezügliche Kopie zum Akt genommen. Allgemeine Ausführungen zur Situation in seinem Herkunftsstaat, die der BF in der behördlichen Einvernahme vorlegen wollte, wurden nicht zum Akt genommen.

Das BFA hielt beweiswürdigend lediglich fest, das Vorbringen des BF weise aufgrund des Konnexes zu seinem unglaubwürdigen Vorbringen im Erstverfahren keinen glaubhaften Kern auf.

Dazu ist festzuhalten, dass sich das BFA beweiswürdigend nicht allein darauf stützten darf, dass das Vorbringen im ersten Verfahren unglaubwürdig war, sondern hätte es das neuen Vorbringen auf seinen glaubhaften Kern zu prüfen gehabt, was aber nicht geschehen ist.

Dieses neue Vorbringen wurde sohin nicht umfassend ermittelt und keiner Beweiswürdigung unterzogen und lässt der angefochtene Bescheid jegliche nähere Auseinandersetzung hierzu vermissen. Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das, wie bereits erörtert, auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556).

In einer Gesamtschau hat sich das BFA sohin nicht damit auseinandergesetzt, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren etwa in sich schlüssig und nachvollziehbar oder allenfalls widersprüchlich und vage ist und auch keine weiteren Ermittlungen in Form entsprechender Nachfragen zur Erhellung des Sachverhaltes vorgenommen.

Dass die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl derart vage oder unsubstantiiert gewesen wären oder dass die vorgelegten Beweismittel keinen Beweis bieten, so dass dies vorweg die Unglaubwürdigkeit indizieren könnte, kann auf Basis der bisherigen Ermittlungen, vor allem der vorliegenden Einvernahme mangels konkreter Nachfragen zu den seitens des BF geltend gemachten Gründen, nicht festgestellt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich der Beschwerdeführer auch im Folgeverfahren zumindest auch auf jenen Sachverhalt stützt, den er auch im Erstverfahren als Begründung für seinen Antrag auf internationalen Schutz geltend gemacht hat (AS 20: Er hat mir den Rat gegeben, in Österreich zu bleiben, da die Sache sich nicht geändert hat…), dabei nicht glaubwürdig war und insoweit für einen Folgeantrag, der wiederum auf diese Gründe gestützt wird, die Annahme einer bereits entschiedenen Sache nahe liegt.

Dies allein entbindet die Asylbehörden jedoch nicht von der Verpflichtung, in einem neuerlichen Verfahren den "glaubhaften Kern" eines, wenn auch im Grunde gleichen Vorbringens zu ermitteln und hat sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, (auch) mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556) auseinander zu setzen (VwGH 15.03.2006, 2006/17/0020).

Insbesondere hätte sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im vorliegenden Fall demnach mit dem neuen Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den in Vorlage gebrachten Beweismitteln beweiswürdigend auseinanderzusetzen und entsprechende Ermittlungen zu pflegen gehabt.

In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.08.2020, Ra 2020/18/0157 mit Hinweis: E 21.10.1999, Zl. 98/20/0467; E 24.2.2000, Zl. 99/20/0173; E 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, mwN).

Seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde es jedoch verabsäumt zu prüfen, ob das nunmehrige neu erstattete Vorbringen einen "glaubhaften Kern" im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur zu § 68 AVG aufweist, was eine ausführliche Beweiswürdigung mit Gegenüberstellung allfälliger Divergenzen und Ungereimtheiten sowie eine Überprüfung bzw. Würdigung der in Vorlage gebrachten Beweismittel erfordert.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die von einem Asylweber behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht. Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofs zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit.

Hat das BFA die somit erforderliche Prüfung nicht vorgenommen, konnte dieser mangelhafte Sachverhalt vom Bundesverwaltungsgericht nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den "glaubhaften Kern" absprach. Vielmehr wäre der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs 3 BFA-VG 2014 stattzugeben gewesen (VwGH 13.11.2014, Ra 2017/18/0025).

In diesem Zusammenhang darf auch auf die rezente Judikatur des VwGH verwiesen werden (VwGH 31.08.2020, Ra 2020/18/0102-10), wonach das BVwG zu prüfen hat, ob die Behörde aufgrund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss einen glaubhaften Kern aufweisen (VwGH 15.04.2020, Ra 2019/18/0234, mwN) und hat sich die Behörde bei der Prüfung der Zulässigkeit des neuen Antrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers auseinander zu setzen und ist es nicht rechtens, die Prüfung des geänderten Vorbringens bloß mit dem Hinweis abzulehnen, dass es auf dem nicht geglaubten Fluchtvorbringen des ersten Asylverfahrens fuße.

Dies ist nach hg. Ansicht jedoch in der angefochtenen Entscheidung geschehen, und hat sich das BFA in seiner Beweiswürdigung auf die alleinige Feststellung zurückgezogen, dass das neue Vorbringen keinen glaubhaften Kern aufweise, da es auf dem unglaubwürdigen Vorbringen im Erstverfahren aufbaue.

Eine argumentative, beweiswürdigende Begründung zur Überprüfung des glaubhaften Kerns des Vorbringens (vgl. dazu die obzitierte höchstgerichtliche Judikatur) ist es jedoch schuldig geblieben.

Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, somit vorerst im Rahmen einer weiteren ergänzenden Einvernahme unter den soeben angeführten Gesichtspunkten nochmals mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den von ihm in Vorlage gebrachten Beweismitteln hinreichend auseinanderzusetzen haben und werden sämtliche vom Beschwerdeführer getätigte Angaben entsprechend zu würdigen sein.

Relevante Fragen, die als Basis einer darauffolgenden beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF dienen, werden an den BF zu richten sein. So wird vor allem der Inhalt des seitens des BF behaupteten Telefonates, das als Auslöser für die neuerliche Asylantragstellung ins Treffen geführt wird, abzuklären sein, wie etwa, was dem BF vom Bruder konkret mitgeteilt worden sei und wie sich der Inhalt des weiteren Telefongespräches gestaltete, welche Fragen der BF stellte, wie oft seit seiner Ausreise insgesamt nach dem BF insgesamt gefragt wurde, warum er erst im Juli 2020 den Bruder angerufen hat, obwohl das Erstverfahren bereits im Mai rechtskräftig abgeschlossen wurde, was er in der Zeit zwischen den beiden Asylverfahren gemacht hat, wie oft er mit dem Bruder telefonierte, bei wem nach dem BF gefragt wurde und wer den Bruder darüber informierte und wann bzw. ob die beiden inhaftierten Taliban getötet werden/wurden bzw. verstorben sind (die Angaben des BF in der EB und der EV sind dazu widersprüchlich).

Das diesbezügliche Vorbringen des BF wird sohin im Zuge einer weiteren konkreteren Einvernahme zu den behaupteten Vorfällen seitens des BFA zu ermitteln und einer entsprechenden nachvollziehbaren Beweiswürdigung zur Glaubwürdigkeit der Angaben des BF zu unterziehen sein.

Was die in das Verfahren integrierten Länderfeststellungen betrifft, ist festzuhalten, dass es in einem Verfahren nach § 68 AVG nicht darum geht, wiederholt allgemeine Länderfeststellungen in einen Bescheid zu integrieren, sondern ist auf Basis aktueller Quellen herauszuarbeiten, ob sich bezüglich des behaupteten neuen Vorbringens eines Beschwerdeführers (hier: Sicherheitslage in den ehem. FATA Gebieten) eine entscheidungsrelevante Änderung der ihn betreffenden Lage im Herkunftsstaat ergeben hat, wobei auch das seitens des BF vorgelegte Quellenmaterial miteinzubeziehen ist.

Allenfalls erforderliche Feststellungen sind dem BF im Zuge des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen und in den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl aufzunehmen.

4. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

5. Aufgrund der zeitlich unmittelbar erfolgten Entscheidung im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war auf den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht weiter einzugehen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das erkennende Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zu § 68 AVG zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zur Prüfung des glaubhaften Kerns der individuellen Verfolgung bzw. Gefährdung, zum Vorliegen des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache und dem diesbezüglichen absoluten Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren abgeht.

Ebenso wird zu diesen Thematiken keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen Beweismittel Einvernahme Ermittlungspflicht Folgeantrag glaubhafter Kern Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Vorbringen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L506.2139043.3.00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten