TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/11 95/01/0430

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Veröffentlicht am 11.06.1997
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Index

L00019 Landesverfassung Wien;
L10109 Stadtrecht Wien;
L17009 Gemeindeeigener Wirkungsbereich Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
AVG §8;
B-VG Art108;
B-VG Art109;
B-VG Art118 Abs6;
B-VG Art129a;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art18 Abs2;
GrünanlagenV Wr 1993 §12 Abs1;
GrünanlagenV Wr 1993 §12;
GrünanlagenV Wr 1993 §4;
VStG §26 Abs1;
VStG §44a Z3;
VStG §51 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WStV 1968 §107;
WStV 1968 §108 Abs2;
WStV 1968 §48a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. Juli 1995, Zl. UVS-06/42/00277/95, betreffend Übertretung der Grünanlagenverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land (Gemeinde) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer der Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 12 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien betreffend die Benützung von Grünanlagen (Grünanlagenverordnung), Amtsblatt der Stadt Wien vom 13. Mai 1993, Nr. 19/1993, dahingehend schuldig erkannt, er habe am 2. Februar 1995 um 23.05 Uhr, das Kraftfahrzeug Toyota mit dem behördlichen Kennzeichen W-XXX in einer öffentlich zugänglichen Parkanlage auf dem Heldenplatz in Wien 1, und zwar auf dem Gehsteig zwischen dem Erzherzog Karl-Denkmal und Burgtor, abgestellt gehabt. Die belangte Behörde setzte die von der Behörde erster Instanz mit S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden) verhängte Geldstrafe auf S 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden) herab.

Die dagegen erhobene Beschwerde wendet sich ausschließlich gegen die Heranziehung des § 12 Abs. 1 der Grünanlagenverordnung als Strafnorm und führt diesbezüglich aus:

"Gemäß § 44a Z. 3 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung zu enthalten.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z. B. VfSlg. 10.952 u.a.) ist die Erlassung von Strafbestimmungen in ortspolizeilichen Verordnungen - wie der Grünanlagenverordnung - nicht zulässig. Aus diesem Grunde bestimmt auch § 108 Abs. 2 der Wiener Stadtverfassung in der derzeit geltenden Fassung, daß Übertretungen ortspolizeilicher Verordnungen mit Geld bis zu S 10.000,-- zu bestrafen sind. Diese Norm der Wiener Stadtverfassung und nicht § 12 Abs. 1 der Wiener Grünanlagenverordnung ist daher im vorliegenden Anwendungsfall in verfassungskonformer Auslegung als die für die Verhängung der Strafe angewendete Gesetzesbestimmung iSd.

§ 44a Z. 3 VStG zu betrachten.

Da die belangte Behörde die für die Verhängung der Geldstrafe anzuwendende Gesetzesbestimmung verkannt hat und im Spruch ihres Straferkenntnisses daher eine verfassungsgesetzlich nicht zulässige Norm zitiert hat, hat sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes iSd.

§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG belastet."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Beschluß vom 16. Oktober 1996, Zl. 95/01/0430-6, äußerte der Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Zuständigkeit sowohl der Behörde erster Instanz (Magistrat der Stadt Wien) als auch der belangten Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof hält die in diesem Beschluß geäußerte vorläufige Ansicht nicht aufrecht.

Nach § 108 Abs. 2 der Wiener Stadtverfassung (WStV) hat der Magistrat in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Diese Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen. Übertretungen ortspolizeilicher Verordnungen sind mit Geld bis zu S 10.000,-- zu bestrafen (LGBl. für Wien Nr. 1/1987).

Da die Wiener Stadtverfassung über die behördliche Zuständigkeit für die Strafverfahren nach ortspolizeilichen Verordnungen keine Regelungen trifft, ist dafür nach § 26 VStG die Bezirksverwaltungsbehörde berufen.

Anders als in den Fällen des Art. 118 Abs. 7 B-VG, nach dem die Geschäfte der Städte mit eigenem Statut durch den Magistrat besorgt werden, ist gemäß Art. 109 B-VG im Lande Wien der Magistrat als eigene Bezirksverwaltungsbehörde eingerichtet. Daher führt der Magistrat der Stadt Wien Verwaltungsstrafsachen als Bezirksverwaltungsbehörde eigenständig und nicht - wie der Magistrat in Städten mit eigenem Statut - in dem der Gemeinde übertragenen Wirkungsbereich. Auch die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die von der Gemeinde Wien im eigenen Wirkungsbereich geregelt werden dürfen, ist hievon nicht ausgenommen. Gemäß der ständigen Rechtsprechung handelt es sich wegen der überregionalen Bedeutung der Führung von Verwaltungsstrafsachen nicht um Angelegenheiten, die einer Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zustünden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1967, Zl. 323/66 = Slg. Nr. 7.227/A). Aufgrund der besonderen verfassungsrechtlichen Stellung von Wien (vgl. die Art. 108 ff B-VG) kann die Führung des Verwaltungsstrafverfahrens in den Angelegenheiten, die von der Gemeinde Wien im eigenen Wirkungsbereich geregelt werden dürfen, nur der Landesvollziehung unterliegen. In dieser entscheidet der Magistrat der Stadt Wien als Behörde erster Instanz (vgl. Antoniolli - Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, Seite 439). Auch der Verfassungsgerichtshof hat Wien betreffend bereits entschieden, daß sich der Instanzenzug, da eine besondere gesetzliche Regelung nicht besteht, nach den Bestimmungen der Wiener Stadtverfassung (Kundmachung der Wiener Landesregierung vom 15. Oktober 1968, LGBl. für Wien Nr. 28/1968, mit der die Verfassung der Bundeshauptstadt Wien wiederverlautbart wurde, idgF.), richtet (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1970, B 191/69 = VfSlg. Nr. 6153). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 2. August 1996, Zl. 96/02/0316, ausgesprochen, daß nach den für die Bundeshauptstadt Wien geltenden Bestimmungen des B-VG Wien die Stellung sowohl eines Landes als auch einer Gemeinde hat (Art. 108 B-VG) und der Magistrat der Stadt Wien auch als Bezirksverwaltungsbehörde tätig wird (Art. 109 B-VG, § 107 WStV). Daher hat im konkreten Fall zu Recht der Magistrat der Stadt Wien den Bescheid in erster Instanz durch das nach der Geschäftseinteilung für den Magistrat der Stadt Wien zur Führung der Verwaltungsstrafverfahren in erster Instanz berufene Magistratische Bezirksamt erlassen.

Gemäß Art. 129a B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes. Demnach sieht § 51 VStG den unabhängigen Verwaltungssenat als Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen vor. Da - wie bereits ausgeführt - Verwaltungsstrafsachen nicht im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, gemäß § 48a WStV der Berufungssenat der Stadt Wien aber nur zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Verfügungen einer Entscheidung des Magistrates im eigenen Wirkungsbereich zuständig ist, kann der Berufungssenat in Verwaltungsstrafsachen nicht zuständige Behörde sein. Somit war der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zur Entscheidung über das verfahrensgegenständliche erstinstanzliche Straferkenntnis zuständig.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist in der Sache selbst auszuführen: Gemäß Art. 118 Abs. 6 B-VG hat die Gemeinde in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen, sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen. In Ausführung dieser Norm wurde der - bereits oben inhaltlich wiedergegebene - § 108 Abs. 2 WStV erlassen. § 12 Abs. 1 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, betreffend die Benützung von Grünanlagen (Grünanlagenverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien vom 13. Mai 1993, Nr. 19/1993), erklärt unter anderem das Zuwiderhandeln gegen das in dessen § 4 Abs. 1 enthaltene Verbot, wonach in öffentlich zugänglichen Parkanlagen Wege weder mit Fahrzeugen befahren noch zum Abstellen derselben benützt werden dürfen, als Verwaltungsübertretung, welche mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,-- zu bestrafen ist.

Der Beschwerdeführer ist mit seinen Ausführungen insoferne im Recht, als die Gemeinde nach Art. 118 Abs. 6 B-VG die Nichtbefolgung einer ortspolizeilichen Verordnung als Verwaltungsübertretung erklären darf, nicht aber Strafbestimmungen erlassen kann. In verfassungsmäßiger Interpretation der zuvor genannten Normen ist § 12 der Grünanlagenverordnung nicht als eigene Strafdrohung zu werten, sondern nur als - überflüssige - Wiederholung der Strafnorm des § 108 Abs. 2 WStV.

Gemäß § 44a Z. 3 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung zu enthalten. Die Behörde erster Instanz hat im konkreten Fall die Strafe gemäß § 12 Abs. 1 Grünanlagenverordnung verhängt. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in seinem Spruch auch die §§ 76 und 108 WStV aufgenommen, ohne ausdrücklich zu erklären, daß er damit die verhängte Strafe auf § 108 Abs. 2 WStV stützen wolle. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde damit in einer dem § 44a Z. 3 VStG entsprechenden Weise die angewendete Gesetzesbestimmung des § 108 Abs. 2 WStV dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegt hat. Unter "angewendeter Gesetzesbestimmung" im Sinn des § 44a Z. 3 VStG ist die Strafsanktionsnorm zu verstehen, welche jene Strafdrohung enthält, in der die tatsächlich verhängte Strafe Deckung findet. Selbst die Anwendung einer falschen Strafsanktionsnorm verletzt den Bestraften dann, wenn die Strafdrohung mit der richtigen ident ist (oder auch unter der richtigen liegt), in keinem subjektiven Recht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1970, Zl. 893/70, und vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/04/0276). Da die in § 12 Abs. 1 Grünanlagenverordnung für die Übertretung des § 4 Abs. 1 Grünanlagenverordnung wiedergegebene Strafdrohung derjenigen der richtig anzuwendenden Strafnorm des § 108 Abs. 2 WStV entspricht, ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiv-öffentlichen Recht nicht verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Behördenorganisation Strafnorm Mängel im Spruch Verhältnis zu anderen Materien und Normen B-VG sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010430.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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