TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/12 W107 2202805-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2020
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Entscheidungsdatum

12.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W107 2202805-1/10E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Eva Jana MESSERSCHMIDT, Salztorgasse 2/6, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.09.2020:

A)

- beschlossen:

Das Verfahren über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

-        Zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer unzulässig ist.

II. Gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Ausenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten ab dem Tag der Zustellung dieses Erkenntnisses erteilt.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 03.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seiner Identität, seiner Reiseroute, seinem Fluchtgrund und allfälligen Rückkehrgefährdungen befragt.

2. Mit Eingabe vom 07.06.2016 wurde die Vollmacht des ehemaligen Rechtsvertreters, dem MigrantInnenverein St. Marx, übermittelt.

3. Am 23.01.2017 und 24.07.2017 legte der Beschwerdeführer mehrere Integrationsunterlagen und Dokumente vor.

4. Am 19.06.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme legte der Beschwerdeführer eine Kopie seiner Tazkira, mehrere afghanische Schul- und Universitätsdokumente im Original, zwei Empfehlungsschreiben, ein ÖSD-Sprachzertifikat (Niveau: B1) und weitere Integrationsunterlagen vor.

5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt; gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den damaligen Rechtsvertreter, Beschwerde gegen (zunächst) sämtliche Spruchpunkte.

7. Das BFA legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

8. Am 03.09.2020 wurden ein Studienzulassungsbescheid sowie insgesamt drei Studienblätter der Universität XXXX , mehrere Kursbestätigungen und Zeugnisse, ein Antrag auf Ersatz der Kosten des Vorstudienlehrgangs der Universität XXXX , eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs, drei Empfehlungsschreiben, mehrere ÖSD-Sprachzertifikate (bis inklusive Niveau: B2) und mehrere Teilnahmebestätigungen an unterschiedlichen Sprachkursen eingebracht.

9. Mit Schreiben vom 10.09.2020 gab die nunmehr ausgewiesene Rechtsvertreterin ihre Vollmacht bekannt. Die Vollmachtauflösung des ursprünglich beigegebenen Rechtsberaters wurde am 16.09.2020 übermittelt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.09.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und der ausgewiesenen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche, mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen und zu seiner Lebenssituation in Österreich befragt wurde. Vertreter der belangten Behörde sind nicht erschienen.

Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung zog der Beschwerdeführer, vertreten durch die ausgewiesene Rechtsvertreterin, die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausdrücklich und aus freiem Willen zurück.

Bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019 übermittelt. Zudem wurde in der Verhandlung die aktuellste, am Tag der Verhandlung verfügbare Version des Länderinformationsblatts zu Afghanistan (Stand: 13.11.2019, in der Fassung der Kurzinformationen vom 21.07.2020) in das Verfahren eingeführt. Der Beschwerdeführer verzichtete im Beisein seiner Rechtsvertretung ausdrücklich auf eine Aushändigung der aktuellen LIB und auf eine Stellungnahme.

11. Mit Schriftsatz vom 22.09.2020 zog der Beschwerdeführer durch die ausgewiesene Rechtsvertreterin die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ausdrücklich zurück.

12. Mit Eingaben vom 23.09.2020 legte der Beschwerdeführer zwei bedingte Einstellungszusagen, eines Supermarkts in XXXX und eines Unternehmens in XXXX , (unter der Voraussetzung eines postiven Bescheids) sowie eine Bestätigung über die freiwillige Mitarbeit des Beschwerdeführers bei einer Jugendberatungsstelle, vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Befragungsprotokolle, Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte sowie Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen und ist volljähriger Staatsangehöriger von Afghanistan. Seine Muttersprache ist Dari. Er kann in Dari lesen und schreiben. Zudem spricht er Paschto und Englisch. Der Beschwerdeführer ist der Volksgruppe der Tadschicken zugehörig und bekennt sich zum Islam sunnitischer Ausrichtung.

Der Beschwerdeführer lebte gemeinsam mit seiner Familie (seinen Eltern, zwei Brüdern und zwei Schwestern) in Afghanistan, in XXXX und ist dort auch aufgewachsen. Zunächst wohnte die gesamte Familie im XXXX , später zog sie in ein Haus im XXXX . Der Beschwerdeführer besuchte in XXXX zwölf Jahre lang die Schule. Nach seinem Schulabschluss 2013 studierte er zwei Jahre lang an der Universität in XXXX , Bereich Bauwesen, und schloß sein Studium 2015 erfolgreich ab. Neben seinem Studium arbeitete der Beschwerdeführer insgesamt fünf Jahre lang als Fotograf bzw. Kameramann und war für ein Untenehmen namens „Industrieprodukktion“ tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit fotografierte und filmte er bei Hochzeiten und anderen Events.

Der Vater des Beschwerdeführers heißt XXXX und stammt aus Afghanistan, XXXX . Seine Mutter, XXXX , stammt aus dem Distrikt XXXX . Die Eltern des Beschwerdeführers, ein minderjähriger Bruder namens XXXX , eine minderjährige Schwester namens XXXX und eine volljährige Schwester namens XXXX , verließen Afghanistan nach der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan und leben aktuell alle im Iran. Das Haus in XXXX , in dem die Familie früher lebte, wurde verkauft. Es gibt auch keine Grundstücke in Afghanistan mehr, die früher der Familie des Beschwerdefürhers gehörten. Der Beschwerdeführer hat zu seinen Familieangehörigen im Iran regelmäßigen Kontakt.

Es leben keine Verwandten des Beschwerdeführers mehr in Afghanistan. Ein Onkel mütterlicherseits lebt in der USA, eine Tante wohnt in Kanada. Zwei Onkel väterlicherseits sind bereits verstorben.

Im Jahr 2015 verließ der Beschwerdeführer Afghanistan und flüchtete via Iran nach Europa. Er reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 03.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hält sich seit Oktober 2015 durchgehend in Österreich auf. Er ist ledig, strafrechtlich unbescholten und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

In Österreich ist der ältere Bruder des Beschwerdeführers XXXX , aufhältig, dessen Antrag auf internationaeln Schutz mit rechtskräftigen Erkenntnis vom 23.09.2019 abgewiesen (BVwG zu XXXX ) und unter einem eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Der Beschwerdeführer wohnt nicht mit einem Bruder in einem gemeinsamen Haushalt. Neben seinem Bruder verfügt der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandten in Österreich. Er hat jedoch einen großen österreichischen Freundeskreis und ist bereits sehr gut in die österreichische Gesellschaft integriert:

Der Beschwerdeführer besuchte während seines bisherigen Aufenthalts in Österreich zahlreiche Deutschkurse und konnte bereits im März 2017 die ÖSD-Sprachprüfung auf dem Niveau A2 mit der Note „Sehr gut“ bestehen. Im Juli 2018 erlangte er das ÖSD-Sprachzertifikat auf dem Niveau B2. Der Beschwerdeführer spricht sehr gut Deutsch (VP.S.7) und hat das Ziel, später als Dolemtscher in Österreich tätig zu sein. Daher studiert er seit Februar 2019 als außerordentlicher Student an der Universität XXXX „Transkulturelle Kommunikation Bosnisch/Kroatisch/Serbisch Englisch“. Zuvor besuchte er beginnend mit März 2018 als außerordentlicher Studierender den Vorstudienlehrgang seiner nunmehrigen Studienrichtung und konnte sämtliche Zulassungsvoraussetzungen erfolgreich absolvieren. Darüberhinaus beabsichtigt der Beschwerdeführer ein weiteres Studium aufzunehmen. Zur Vorbereitung des Studiums nahm er regelmäßig an der Open Learning Initiative der Universität XXXX teil. Der Beschwerdeführer zeigt auch großes soziales Engagement, hilft in der Flüchtlingsutnerkunft freiwillig als Dolmetscher und arbeitet seit September 2020 als ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Jugenberatungsstelle „MOZAIK“ der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH als Dolmetscher. Im Rahmen dieser Tätigkeit kann der Beschwerdeführer erste Berufserfahrungen im Hinblick auf seinen späteren Berufswunsch sammeln und wird von der Jugendberatungsstelle aufgrund seiner „sehr guten Deutschkenntnisse“ als „große Unterstützung“ beschrieben.

Der Beschwerdeführer zeigt überdies ein besonderes Interesse an der österreichischen Politik, der heimischen Kultur und der Geschichte: Er betreibt seit längerem einen eigenen YouTube-Kanal, auf dem er Videos über diverse österreichische Sehenswürdigkeiten und deren Geschichte veröffentlicht. In den bisher veröffentlichten Kurz-Filmen hat der Beschwerdeführer bereits die Hofburg, den Stephansdom, die Staatsoper, den Lainzer Tiergarten, das Schloss Schönbrunn und das Schloss Belvedere dem Internetpublikum vorgestellt, eingehend beschrieben und damit zahlreiche Follower gewonnen bzw. viele „Likes“ erhalten. Die von ihm gefertigten Kurz-Filme sind in der Regel zehn bis zwanzig Minuten lang und erhalten auf YouTube überaus positive Bewertungen, zumal der Beschwerdeführer auch geschichtliches Hintergrundwissen vorbereitet und seinen Zusehern präsentiert. Das Interesse des Beschwerdeführers ist jedoch nicht nur auf Sehenswürdigkeiten in XXXX begrenzt, vielmehr beabischtigt er aufgrund des großen Interesses der „You-Tuber“ weitere Filme über ganz Österreich zu drehen.

Der Beschwerdeführer ist derzeit nicht erwerbstätig, verfügt jedoch über zwei Einstellungszusagen der Firmen „ XXXX “ und „ XXXX “ für den Fall eines positiven Bescheids.

In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer Fußball, er ist aktives Mitglied im Fußballverein XXXX . Davor spielte er aktiv in der Mannschaft der XXXX . Den vorgelegten Empfehlungsschreiben des Vereins ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer stets als zuverlässig und hilfsbereit wahrgenommen wurde und als wichtiger Bestandteil der Mannschaft galt. Beginnend mit Novmeber 2016 nahm er auch regelmäßig am Gitarre-Unterricht der Pfarre XXXX teil. Zudem ist er Mitglied des dort ansässigen Chors und beabsichtigt, weiterhin im Chor mitzusingen. Der Beschwerdeführer konnte im Bundesgebiet zahlreiche soziale Kontakte knüpfen und im Rahmen seines Studiums bzw. seiner Mitgliedschaft in verschiedenen Fussball-Vereinen sehr viele Freundschaften, überwiegend zu Österreichern, schließen.

Der Beschwerdeführer lebt aktuell mit vier afghanischen Mitbewohnern in einer Mietwohnung in XXXX . Seinen Anteil der Mietkosten in Höhe von EUR XXXX , -- trägt er selbst.

Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation des Beschwerdeführers, seines Lebensverlaufs seit seiner Einreise und seinen Zukunftsperspektiven ist von einer überaus positiven Prognose auszugehen.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:

Der im Spruch angeführte Name sowie das im Spruch wiedergegebene Geburtsdatum des Beschwerdeführers dienen mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente ausschließlich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei. Diese Daten wurden bereits dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt und blieben in der Beschwerde unbestritten.

Die weiteren Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, sohin zu seiner Staatsangehörigkeit, Herkunftsprovinz und seinem Familienstand, gründen sich auf die konsistenten und diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Glaubwürdig ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen in seinem Herkunftsstaat, da keine hinreichenden Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Ausführungen hervorkamen und der Beschwerdeführer vor dem BFA (BFA-Akt, AS. 132) als auch vor dem BVwG (VP.S.6) gleichbleibende Angaben tätigte.

Die Feststellungen zur Herkunft des Vaters, der Herkunft seiner Mutter und dem ehemals im Eigentum der Familie befindlichen Haus sowie dem Grundstück in XXXX und dem späteren Verkauf dieses Eigentums anlässlich der Aussreise der gesamten Familie in dein Iran beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers (VP.S.4).

Dass der Beschwerdeführer in Kontakt zu seiner Familie steht, gab dieser selbst mehrmals zu Protokoll (BFA-Akt, AS. VP.S.5).

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Familienangehörigen in den USA und Kanada sowie dem Tod zweier Onkel väterlicherseits, gab dieser selbst zu Protokoll (BFA-Akt, AS. 129; VP.S.7).

Die Feststellungen zur Schulbildung, dem anschließenden Studium an der Universität XXXX und den in Afghanistan gesammelten Berufserfahrungen als Fotograf und Kameramann, basieren auf den eigenen, dahingehend gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers und den im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Dokumenten.

Dass der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig ist und Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, war dem Auszug aus dem GVS-Betreuungssystem zu entnehmen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

Dass der Antrag des Bruders des Beschwerdeführers, XXXX (GZ: XXXX ), mit Erkenntnis vom 23.09.2019 abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, ist gerichtsnotorisch.

Die Feststellungen zu den Bildungsmaßnahmen, die der Beschwerdeführer in Österreich gesetzt hat, gründen auf den zahlreich vorgelegten Integrationsunterlagen. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen basieren insbesondere auf den vorgelegten Sprachdiplomen und dem persönlichen Eindurck vom Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung, in welcher die erkennende Richterin feststellen konnte, dass der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch spricht, auf die ihm gestellten Fragen ohne Probleme antwortete sowie in flüssigem Deutsch über sein Leben, seine Berufspläne etc. Auskunft geben konnte (VP, S. 7). Dass der Beschwerdeführer als ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Jugenberatungsstelle „MOZAIK“ der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH tätig ist, ergibt sich anhand des vorgelegten Bestätigungsschreibens darüber.

Das besondere Interesse des Beschwerdeführers an der österreichischen Kultur und Geschichte gründet auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie der am 21.09.2020 vorgelegten Screenshots der bisher veröffentlichten Videos. Zudem beabsichtigt der Beschwerdeführer mit Beginn des Studienjahres 2020 auch Politikwissenschaften an der Universität XXXX zu studieren und belegt damit glaubhaft seinen überaus großen und intensiv betriebenen Lern – und Fortbildungswillen.

Die beiden vorgelegten Einstellungszusagen vorliegen, die im Laufe des Verfahrens vorgelegt wurden, unterstreichen seine glaubhaft dargelegte Arbeits- und Integrationsabsicht.

Die Feststellungen zu den Vereinsmitgliedschaften, den vielen Sozialkontakten und Freundschaften ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren in Übereinstimmung mit den vorgelegten Dokumenten und Unterstützungsschreiben (./1).

Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit seinem bisherigen Lebensverlauf seit seiner Einreise in Österreich ist – unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation des Beschwerdeführers – insgesamt von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen. Der Beschwerdeführer hat mit zahlreichen Urkunden, Unterstützungsschreiben und Studienbestätigungen seine intensiven Interationsbestrebungen und die fortgesetzte Integration in Österreich nachgewiesen.

Die Feststellungen zu der derzeitigen Wohnsituation des Beschwerdeführers ergeben sich anhand dessen eigenen Angaben (VP.S.8) sowie dem im Akt befindlichen Grundbuchsauszug vom 17.09.2020.

Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers, dass er zusätzlich zu seinem Sprachstudium Politikwissenschaften studieren und nebenbei als Kellner arbeiten möchte, um finanziell unabhängig zu werden und später eine Tätigkeit als Dolmetscher aufzunehmen beabsichtigt, ist im konkreten Einzelfall – unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation des Beschwerdeführers und seines positiven Lebensverlaufs seit seiner Einreise – insgesamt von einer positiven Prognose auszugehen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, beruht auf den Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde und zum Anfechtungsumfang:

Beschwerdegegenstand ist der Bescheid des BFA vom XXXX . Die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Die Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts ist durch den Anfechtungsumfang der Beschwerde begrenzt, sofern der im angefochtenen Bescheid enthaltene Abspruch rechtlich in mehrere selbständige Teile trennbar ist (vgl. z.B. VwGH 24.2.2016, Ra 2015/09/0138).

Bei den Aussprüchen über die (Nicht-)Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, über die (Nicht-)Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und über die (Nicht-)Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. die Erlassung einer Rückkehrentscheidung handelt es sich um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche, die unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen können und separat anfechtbar sind (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/004706.07.2016, Ra 2014/01/0217; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121, mwN).

Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigen) wurde in der mündlichen Verhandlung am 17.09.2020 (hinsichtlich Spruchpunkt I.) sowie mit Schriftsatz vom 22.09.2020 (hinsichtlich Spruchpunkt II.) ausdrücklich vom Beschwerdeführer zurückgezogen. Die gegenständliche Beschwerde richtet sich somit nun mehr ausschließlich gegen die Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung). Angesichts des nachträglich eingeschränkten Anfechtungsumfangs der Beschwerde ist das erkennende Gericht ausschließlich zur Überprüfung der Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheides berufen.

3.2. Zu Spruchpunkt A) Einstellung des Verfahrens:

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Wird eine Beschwerde zurückgezogen, kommt eine meritorische Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr in Betracht und der Bescheid wird rechtskräftig (vgl. dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht (2014) RZ 742; Eder/Martschin/Schmied, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K 6 zu § 7 VwGVG).

Eine Einstellung eines Verfahrens ist dann vorzunehmen, wenn ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren gegangen ist. Dies liegt unter anderem dann vor, wenn eine Beschwerde zurückgezogen wird (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anmerkung 5 zu § 28 VwGVG; s. auch BVwG vom 25.11.2014, W107 2008534-1).

Die Annahme, dass eine Partei das von ihr erhobene Rechtsmittel zurückziehe, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Dabei kommt es auf das Vorliegen einer in diese Richtung abzielenden eindeutigen Erklärung an (siehe dazu VwGH vom 22.11.2005, Zl. 2005/05/0320). Der Beschwerdeverzicht ist unwiderruflich (VwGH vom 10.03.1994, Zl. 94/19/0601; VwGH vom 12.05.2005, Zl. 2005/02/0049).

Durch den in der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2020 und mit Schriftsatz vom 22.09.2020 unmissverständlich formulierten Parteiwillen, die gegenständliche Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheides zurückzuziehen, ist der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides die Grundlage entzogen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Anmerkung 5 zu § 28 VwGVG, mit Verweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG III § 66 Rz 56f), weshalb das Verfahren über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides mit Beschluss einzustellen ist (vgl. dazu auch VwGH vom 10.03.1994, Zl. 94/19/0601; VwGH vom 12.05.2005, Zl. 2005/02/0049 sowie VwGH vom 22.11.2005, Zl. 2005/05/0320).

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass Entscheidungen der Verwaltungsgerichte mit ihrer Erlassung in Rechtskraft erwachsen (vgl. etwa VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099).

Bei den Aussprüchen über die (Nicht-)Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, die (Nicht-)Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und die (Nicht-)Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. die Erlassung einer Rückkehrentscheidung handelt es sich um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche, die unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen können (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/004706.07.2016, Ra 2014/01/0217; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121, mwN).

3.3. Zu Spruchpunkt A) I. Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl I 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl I 189/1955) erreicht wird. Wenn gemäß Abs. 2 leg. cit. nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lauten:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat-und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl-und Fremdenrecht K15 ff zu § 9 BFA-VG).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst jedoch nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235).

Der Bruder des Beschwerdeführers, XXXX (GZ: XXXX ) ist zwar in Österreich aufhältig. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde jedoch mit rechtskräftigen Erkenntnis vom 23.09.2019 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen. Neben seinem Bruder verfügt der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen in Österreich. Es sind daher weder Hinweise für das Bestehen eines Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich noch für eine sonstige ausreichend intensive Beziehung des Beschwerdeführers zu einer ihm in Österreich besonders nahestehenden Person hervorgekommen. Ein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers liegt in Österreich somit nicht vor.

Es ist weiters zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.03.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Der unbescholtene Beschwerdeführer lebt seit 03.10.2015 - sohin seit fünf Jahren - durchgehend im österreichischen Bundesgebiet und hat sich in diesem Zeitraum von Beginn an intensiv um eine umfassende Integration bemüht. In dieser Zeit entwickelte der Beschwerdeführer ein schützenswertes Privatleben in Österreich, von welchem sich das erkennende Gericht auf Basis der vorgelegten Integrationsunterlagen und im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Verhandlung persönlich zu überzeugen vermochte.

Der Beschwerdeführer hat die vergangenen fünf Jahre in Österreich erfolgreich genutzt, um sich in vielerlei Hinsicht sehr gut in die österreichische Gesellschaft zu integrieren: Er besuchte während seines Aufenthalts in Österreich zahlreiche Deutschkurse, konnte bereits im März 2017 die ÖSD-Sprachprüfung auf dem Niveau A2 mit der Note „Sehr gut“ bestehen und erlangte unmittelbar anschließend im Juli 2018 das ÖSD-Sprachzertifikat auf dem Niveau B2. Von den sehr guten Deutschkenntnissen konnte sich die erkennde Richterin zudem im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen. Der Beschwerdeführer verfolgt konsequent sein Ziel, als Dolemtscher in Österreich tätig zu sein, weshalb er – nach erfolgreicher Absolvierung des Vorstudienlehrgangs - seit Februar 2019 als außerordentlicher Student an der Universität XXXX „Transkulturelle Kommunikation Bosnisch/Kroatisch/Serbisch Englisch“ studiert. Seit September 2020 arbeitet er zudem als ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Jugenberatungsstelle „MOZAIK“ der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH als Dolmetscher und will so praktische Berufserfahrungen im Hinblick auf seinen späteren Berufswunsch sammeln. Zwar erhält der Beschwerdeführer derzeit noch Unterstützungsleistungen aus der staatlichen Grundversorgung, er konnte jedoch im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.09.2020 glaubhaft darlegen, während seines Studiums als Kellner oder in einem Hotel arbeiten zu wollen, um finanziell unabhängig zu werden. Er verfügt mittlerweile über zwei Einstellungszusagen für den Fall eines positiven Bescheids. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in näherer Zukunft selbständig für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann. Zudem ist angesichts der hervorragenden sprachlichen Fähigkeiten – neben Deutsch auch Englich, und Paschto - und der bereits nachgewiesenen großen Lernwilligkeit im konkreten Fall mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sein Studium mit Eifer verfolgen und bereits in näherer Zukunft als Dolmetscher arbeiten wird.

Der Beschwerdeführer nimmt seit seiner Einreise in Österreich auch sehr intensiv am sozialen Leben in Österreich teil. Er verfügt über zahlreiche soziale Kontakte und hat einen großen österreichischen Bekannten- und Freundeskreis. Die vorgelegten Beweismittel - darunter Unterstützungsschreiben seiner Mitmenschen - belegen die große Kontaktfreudigkeit und die zielgerichteten Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers in der österreichischen Gesellschaft. So ist er sei Langem aktives Mitglied in Fussballvereinen, aktuell in XXXX , wo er regelmäßig am Training und den Spielen seiner Mannschaft teilnimmt und von Vereinsseite als wichtiger und allseits beliebter Bestandteil der Mannschaft beschrieben wird. Der Beschwerdeführer singt auch seit mehreren Jahren im Chor der Pfarrgemeinde XXXX mit, nahm längere Zeit Gitarre-Unterricht, suchte selbständig Kontakt zu anderen Studierenden indem er regelmäßig an der Open Learning Initiative der Universität XXXX mitwirkte und wird durchwegs als gut integriert, zuverlässig, sehr fleißig und hilfsbereit beschrieben. Sein besonderes Interesse an der österreichischen Kultur und Politik zeigt der Beschwerdeführer auch durch seine Kurzfilme über österreichischer Sehenswürdigkeiten, die er auf einem eigenen „YouTube“ -Kanal erfolgreich veröffentlicht. Neben seinem Sprachstudium beabsichtigt der Beschwerdeführer ein weiters Studium, das der Politikwissenschaften. Durch die glaubhaften und nachweislich intensiven Bemühungen des Beschwerdeführers, in Österreich selbst für seinen Unterhalt zu sorgen und die deutsche Sprache zu beherrschen, hat er zum Ausdruck gebracht, dass er seine Integration in Österreich von Beginn an außerordentlich erfolgreich betrieben hat. Zusammenfassend ist an dieser Stelle daher festzuhalten, dass im konkreten Fall durch die erfolgreichen Bemühungen des Beschwerdeführers bereits ein besonders hohes Maß an Integration erreicht wurde.

In die Interessenabwägung ist weiters die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat mit einzubeziehen, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Allerdings betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass nicht schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen sei.

Die fünfjährige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich erreicht damit im Sinne der obzitierten Judikatur bereits jenen Zeitraum, dem Bedeutung beizumessen ist, zumal wohl von einem fließenden Übergang auszugehen ist. Folglich tritt in den Hintergrund, dass sich sein Aufenthalt im Bundesgebiet bisher nur auf einen Antrag auf internationalen Schutz stützte, da der Beschwerdeführer stets überaus bemüht war, sich zu integrieren und er keine Handlungen setzte, welche die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes verzögerte. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die fast fünfjährige Verfahrensdauer dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann, zumal er keine verfahrensverzögernden Handlungen setzte, sondern stets am Verfahren mitwirkte (vgl. VfGH vom 21.02.2014, U 2552/2013; VfGH 06.06.2014, U 145/2014).

Auch die mit der fortgeschrittenen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet korrelierende abnehmende Bindung zu seinem Herkunftsstaat begründet vor dem Hintergrund der intensiven sozialen Kontakte des Beschwerdeführers und seiner selbst produzierten filmischen, via Internet einer breiten Öffentlichkeit zugänglichen, Darstellungen der österreichsichen Geschichte und Kultur, im konkreten Einzelfall jedenfalls ein überwiegendes Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich, zumal der Beschwerdeführer in Afghanistan über weder über die Kernfamilie noch sonstige Familienangehörige oder Verwandte verfügt.

Vor dem Hintergrund der bisher unternommenen, überaus erfolgreichen Bemühungen und intensiven Anstrengungen des Beschwerdeführers und des sich daraus entwickelten, schützenswerten Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich würden im konkreten Einzelfall die Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, u.v.a.). Berücksichtigt man jedoch all die oben dargelegten Aspekte, so überwiegen im konkreten Einzelfall im gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt die aus den erwähnten Umständen in ihrer Gesamtheit betrachteten und erwachsenden privaten Interessen des gebildeten und zielstrebig agierenden Beschwerdeführers am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet und an der Fortführung seines bestehenden Privatlebens in Österreich die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würde sich im konkreten Einzelfall daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.

Da die maßgeblichen Umstände, auf denen die drohende Verletzung des Privatlebens des Beschwerdeführers im Falle dessen Rückkehr nach Afghanistan beruht, ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind, war im konkreten Einzelfall die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig zu erklären.

3.4. Zu Spruchpunkt A) II. Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I 68/2017 (in Kraft seit 01.10.2017) ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 leg. cit. eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z1), einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z3), einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl I 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt.

Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung umfasst gemäß § 11 Abs. 2 IntG Sprach- und Werteinhalte. Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 ist gemäß § 11 Abs. 3 IntG vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen.

Über die Gleichwertigkeit eines Nachweises gemäß § 9 Abs. 4 Z 2 IntG entscheidet gemäß § 11 Abs. 4 leg. cit. der Österreichische Integrationsfonds mit Bescheid auf schriftlichen Antrag einer Einrichtung, die beabsichtigt die Integrationsprüfung durchzuführen, nach Maßgabe der Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß Abs. 5.

Gemäß der Übergangsbestimmung des Art 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrations-vereinbarung gemäß § 9 IntG auch dann als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I 68/2017 (somit vor dem 09.06.2017) erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG ist gemäß § 14a Abs. 4 leg. cit. (idF vor Inkrafttreten des BGBl I 68/2017) erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.

Gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG (aufgehoben durch BGBl I 68/2017) dient das Modul 1 der Integrationsvereinbarung dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung. Die näheren Bestimmungen zum Inhalt des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung werden durch Verordnung festgelegt (vgl. § 14 Abs. 3 NAG). Gemäß § 7 Integrationsvereinbarungs-Verordnung ist Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildete gemäß § 7 Abs. 2 leg. cit. eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

Der Beschwerdeführer hat im Verfahren unter anderem ein Sprach-Zertifikat des Internationalen Kulturinstituts (IKI) – einer von ÖSD zertifizierten Einrichtung - vorgelegt, mit welchem bestätigt wird, dass er die Deutschprüfung auf dem A2-Niveau bestanden hat. Beim vorgelegten Zertifikat handelt es sich somit um ein allgemein anerkanntes Sprachdiplom als Nachweis über die Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveaus A2. Da dieses Zertifikat auf den 16.03.2017 datiert, wurde es vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 68/2017 erworben. Der Beschwerdeführer hat somit das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 68/2017 erfüllt.

Es ist dem Beschwerdeführer somit im konkreten Einzelfall gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" auszufolgen (§ 58 Abs. 7 AsylG 2005). Der Antragsteller hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

3.5. Zu Spruchpunkt A) III. Ersatzlose Behebung des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides

Im gegenständlichen Fall ist die Rückkehrentscheidung betreffend den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig. Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, war der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl. dazu auch VfGH vom 13.09.2013, U 370/2012; VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.6. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse Integration Interessenabwägung Privatleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Teileinstellung teilweise Beschwerderückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W107.2202805.1.00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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