TE Bvwg Beschluss 2020/10/16 L526 2219751-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L526 2219751-4/19Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Clemens Lahner sowie vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I. 1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch kurz „BF“ genannt) stellte am 29.10.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienst. Zu seinem Fluchtgrund wurde Folgendes protokolliert:

„Ich bin Kurde. Im Jahr 2014 war ich auf dem Nachhause Weg von einer Veranstaltung. Wir haben auf dem Weg kurdische Lieder gesungen. Dabei wurden wir vom Militär angehalten. In weiterer Folge wurden wir kontrolliert. Wir sagten ihnen, dass wir auf einem Fest waren. Die Beamten haben uns vorgeworfen, dass wir eine Terrororganisation unterstützen. Wir haben ihnen erklärt, dass diese Veranstaltung genehmigt war. Daraufhin hat mich der Beamte geohrfeigt und gesagt, dass ich den Mund halten soll. Wir durften erst nach einem Verhör bei der Polizei weiterfahren.

2015 wurde ich erneut angehalten. Obwohl ich als Student ein Fernstudium absolvierte, wurde mir vorgeworfen, dass ich nicht zum Militär eingerückt bin. Ich musste zur zuständigen Wehrdienstbehörde gehen. Dort wurde ich gezwungen ein Schriftstück zu unterschreiben, dass ich zum Militär eintreten werde. Ich musste dann zum Militär und konnte mein Studium nicht abschließen.

2018 im Monat Juni, war ich mit Proviant auf dem Weg zu meiner Viehherde. Zu diesem Zeitpunkt hat das Militär eine Übung an dem Ort abgehalten. Ich wurde auf den Boden geworfen und musste gefesselt am Boden liegen. Ich wurde dabei liegend durchsucht. Die Soldaten warfen mir vor, dass ich diesen Proviant den Terroristen in den Bergen überbringen wolle. Dies stimmte jedoch nicht. Sie sagten, gebe es mich und meine Kameraden nicht, würde es keine Terroristen in den Bergen (Türkei) geben. Ich erklärte ihm dass der Proviant für mich bestimmt war, weil ich auf der Herde arbeite. Die Soldaten haben mir alles weggenommen und mir gesagt, dass ich heute hungern muss.

Vor ca. 1-2 Monaten gab einen weiteren Vorfall. Um 5 Uhr in der Früh hat es an der Tür geklopft. Es waren Soldaten, die uns lautstark aufforderten, die Türe zu öffnen. Sie drangen in das Haus ein. Alle mussten aufstehen und sich im Wohnzimmer versammeln. Es fand eine Hausdurchsuchung statt. Offenbar gab einen Hinweis von der Bevölkerung, es hat uns jemand denunziert. Angeblich verstecken wir Waffen in unserem Haus. Die Soldaten begannen das Haus zu durchwühlen. Sie warfen alles um (Kästen etc.). Es war ebenfalls ein Spürhund anwesend.

Mein Vater und ich mussten danach auf einen Militärstützpunkt. Dort befragten sie uns, wo wir die Waffen verstecken. Wir erklärten ihnen, dass wir keine Waffen besitzen. Jedoch glaubten uns die Beamten nicht. Nach ca. 2 Stunden durften wir wieder nachhause gehen. Sie haben gesagt, dass sie ihre Ermittlungen erweitern werden, bis sie unsere Waffen gefunden hätten.

Ich bin Mitglied der HDP. Ich gehe öfters in das Parteilokal. Ca. 2 Wochen vor meiner Ausreise aus der Türkei verließ ich das HDP Lokal. Dabei wurde ich von Polizisten angesprochen. Sie kontrollierten mich und sie gaben über Funk meine Daten durch. Danach musste ich für ein Verhör mitkommen. Dort fragte man mich, was ich in einem Terroristengebäude verloren hätte. Ich sagte, dass es sich um eine legale Partei handelte. Als ich sagte, dass es sich um eine legale Partei handelt, hat mich einer der Polizisten mit dem Fuß getreten.

Es wird mir vorgeworfen, dass ich die Terroristen unterstütze. Es wurden mir auch Fotos von anderen Personen gezeigt. Sie wollten wissen, ob ich diese Personen kenne. Ich sagte nein, daraufhin schlug mir der zweite Polizist mehrmals auf den Kopf und auf den Nacken. Er fragte dabei, wie das möglich sei, dass ich diese nicht kenne, immerhin wären wir alle Terroristen. Im Endeffekt wollte die Polizei, dass ich ihnen die Namen der Personen gebe bzw. diese herausfinde. Einer der Polizisten drohte mir, wenn ich ihnen nicht helfe, wird er dafür sorgen, dass ich eingesperrt werde und für immer im Gefängnis bleibe.

Ich habe hiermit alle meine Fluchtgrün e sowie alle sonstig relevanten Umstände, die für eine Asylantragstellung wichtig wären genannt.“

I.2. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der nunmehr belangten Behörde (in weiterer Folge auch kurz „bB“ genannt) wurde Folgendes niedergeschrieben:

„[…]LA: Schildern Sie bitte detailliert alle Gründe und konkreten Vorfälle, welche Sie zum Verlassen Ihres Heimatlandes veranlasst haben! Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können. Sie werden 6 aufgefordert, die Zeiten und die Orte zu nennen, wann diese Vorfälle stattfanden und die

Personen zu benennen, die daran beteiligt waren sowie zu schildern, was sich genau ereignet hat und gesprochen wurde. Vermerk: Dem AW wird die Aufforderung eingehend erklärt.

VP: Beginn der freien Erzählung: Als ich zuletzt erzählt habe, gemeint ist die Erstbefragung, diese gelten. Soll ich was Neues erzählen? Meine Fluchtgründe habe ich ausführlich gesagt.

Der erste Vorfall war im Jahr 2014. Es war an einem Festival Namens, Mazlum Dogan Festival. Ich war auch dort. Nach dem Festival wollte ich nach Hause gehen. Es gab eine Straßensperre. Die Gendarmen haben die Straße kontrolliert. Mich und mein Auto haben sie durchsucht. Mich haben die Gendarmen gefragt, woher ich komme. Ich sagte, dass ich aus dem Festival komme. Sie sagten mir, warum ich an einem Terrororganisationsfestival teilgenommen habe. Ich habe ihnen gesagt, dass die Veranstaltung nicht illegal war. Der Gendarm hat mir eine Watsche gegeben und sagte mir ich soll den Mund halten. Es war eine zweite Person von meinem Dorf auch dabei. Dann sagte der Kommandant, bringt die beiden zum Stützpunkt. Dann sind wir in Gendarmenauto eingestiegen. Uns haben sie zum Stützpunkt gebracht. Uns haben sie dann befragt. Ich habe gesagt, dass ich auf eine offizielle Veranstaltung war. Ich fragte Gendarmen warum ich geschlagen wurde. Der Gendarm hat nicht geantwortet. Der Gendarm sagte mir ich soll ein wenig warten. Nach ca einer Stunde dürften wir gehen.

Bitte konkretisieren Sie Ihren Fluchtgrund!

Im Jahr 2015 gab es wieder einen Vorfall. Bei den Straßensperren wurden die Ausweise kontrolliert. Er fragte warum ich bis jetzt keinen Militärdienst abgeleistet habe. lch sagte dem Kontrolleur, dass ich derzeit ein Fernstudium betreibe. Er hat mir gesagt, ich soll mich bei der Musterungsstelle melden. Ich bin dann hingegangen. Dort habe ich dann erzählt, dass ich auf die Anweisung des Kontrolleurs bei einer Straßensperre hier gekommen bin.

Ich musste dann zum Militärdienst. Ich habe ein Formular bekommen, dieses habe ich dann unterschrieben.

Dann hat er mir gesagt, dass ich den Einberufungsbefehl bekommen werde. Ich habe dann diesen Einberufungsbefehl befolgt und bin zum Militärdienst gegangen. Ich musste dann mein Fernstudium unterbrechen.

Nächster Vorfall war im Juni 2018. Ich war auf der Weide mit meinen Tieren. Ich habe dort Soldaten bemerkt, welche Militäroperationen geführt haben. Dann hat ein Soldat mich auf dem Boden geschmissen. Ich hatte einen Rucksack dabei, darin waren meine Lebensmittel. Der Soldat hat meinen Rucksack genommen. Ein anderer hat mich kontrolliert. Er hat gesagt, dass ich die Lebensmittel zum Terroristen bringe. Dieser Soldat hat mich beschuldigt, dass ich Schuld sei, dass die Terroristen hierher kommen. Wei/ ich die Terroristen mit Lebensmittel unterstütze. Ich sagte nein, das sind meine Lebensmittel, da ich den ganzen Tag mit meinen Tieren auf die Weide sein werde. Er hat mein Lebensmittel genommen und sagte mir, ich soll den ganzen Tag hungern. Ich konnte mich dann nicht wehren. Sie hätten mich erschießen können, dann hätten die Soldaten gesagt, dass sie einen Terroristen getötet.

Und bevor ich mein Heimatland verlassen habe, ca. 40 Tage davor, in der Früh um 5 Uhr habe ich gemerkt, dass jemand an der Tür laut klopft. Sie sagten, wir sollen die Tür aufmachen. Es waren dann die Soldaten vor der Tür. Wir mussten alle aufstehen und uns im Gang aufhalten. Sie sagten (Soldaten) es gibt eine Hausdurchsuchung. Sie sagten, es gibt eine Anzeige gegen uns, dass wir im Haus Waffen verstecken. Sie haben alles Zuhause zerstört, sie haben alles auf den Bogen geschmissen. Sie haben nichts finden können. Meinen Vater und mich haben sie zu Stützpunkt gebracht. Im Stützpunkt haben Sie uns gesagt, wir sollen die Waffen herbringen, wo haben wir die Waffen versteckt. Wir hatten aber keine Waffen.

Die Soldaten haben uns nach 2 Stunden freigelassen und sagten uns, dass sie nachforschen werden.

Und zwei Wochen bevor ich die Türkei verlassen habe. Ich bin HDP Mitglied. Ich besuchte öfters den Verein. Als ich den Verein verlassen habe, haben mich zwei Polizisten aufgehalten. Sie haben mich kontrolliert und sagten mir ich soll mit Polizisten mitkommen. Mich haben die Polizisten gefragt, warum ich die terroristische Organisation (gemeint HDP) besuche. Ich sagte ihnen, die HDP ist eine legale parlamentarische Partei. Dann hat mich die Polizei mit seinem Fuß getreten und sagte mir, dass ich den Terroristen helfe. Dann zeigten sie mir paar Fotos und fragte ob ich diese Person kenne. Ich sagte ihnen, dass ich diese nicht kenne. Ein anderer hat mich auf dem Kopf geschlagen, wieso ich die Person nicht kenne, dass wir alle Terroristen seien

LA: Möchten Sie weitere Fluchtgründe geltend machen? Möchten Sje noch etwas hinzufügen?

VP: Dann hatten mich die Polizisten gedroht, dass sie mich Festnehmen würden und ich werde Monate lang keinen Richter sehen. Sie sagte mir auch es wird mit dir was passieren.

Du musst uns helfen.

LA: Hatten Sie jemals Probleme mit der Polizei oder den Behörden in Ihrem Heimatland?

VP: Die Probleme, welche ich genannt habe sonst keine. Die Polizei sagte uns, dass wir die Partei HDP nicht wählen sollen.

LA: Waren Sie jemals in Haft? Wurden Sie jemals festgenommen?

VP: Ich war nicht im Gefängnis, jedoch mehrmals angehalten und für paar Stunden festgenommen.

LA: Wie viel Personen haben an diesem Festival „Mazlum Dogan" teilgenommen?

VP: Mehr als 200 Personen

LA: Wer hat dieses Fest organisiert?

VP: Die HDP Partei

LA: Wann genau war das?

VP: Juni 2014, das genaue Datum weiß ich nicht

LA: Warum haben Sie an diesem Festival teilgenommen?

VP: Ich war Mitglied der Partei, es war unser kurdisches Festival. Es gab kurdische Musik

LA: Wo genau war das Festival?

VP: Ca. 1 km nach der Ortschaft Karakocan Richtung mein Dorf

LA: Wer wurde an der Straßensperre noch kontrolliert?

VP: Ich und ein Freund, Ja natürlich alle Personen, die die Straßensperre durchqueren wollten, wurden kontrolliert.

LA: Die Hausdurchsuchung, wann genau fand diese statt?

VP: ca. 09.2018

LA: Wer durchsuchte Ihr Haus?

VP: Gendarmsoldaten

LA: Gab es eine richterliche Genehmigung für die Durchsuchung Ihres Hauses?

VP: Ja, es gab eine richterliche Genehmigung

LA: Was glauben Sie, wer Sie und Ihre Familie angezeigt haben könnte, dass es zu dieser

Hausdurchsuchung gekommen ist?

VP: Sie sagen uns das nicht

LA: Was haben Sie und Ihr Vater nach der Hausdurchsuchung unternommen?

VP: Wir haben nicht unternommen. Bringt eh nichts. Dort ist Ausnahmezustandsgebiet.

LA: Erzählen Sie mir über den Verein, zu dem Sie hingegangen sind und danach die Polizisten Sie angehalten haben!

VP: Wenn ein Festival (Zb Newroz fest — kurdisches Neues Jahr) geplant war, oder wenn ein Treffen zum Organisieren war oder wenn zum Beispiel ein Abgeordneter der HDP verkündet hat, der die Ortschaft zu besuchen hat, haben wir die Menschen informiert.

LA: Wie heißt der Verein?

VP: HDP Verein,

LA: Seit wann sind Sie Mitglied der HDP?

VP: Seit 2012

LA: Wieso kommen Sie darauf Mitglied dieser Parteien zu werden?

VP: Wei/ ich Kurde bin und die Partei unterstützt kurdische Rechte

LA: Was schätzen Sie wie viele Mitglieder hat die HDP Partei in diesem Verein?

VP: hunderte haben die Mitgliedschaft.

LA: Was ist mit dem Verein passiert?

VP: Der Verein ist nach wie vor aktiv ist offen. Der Bürgermeister ist im Gefängnis. Der Bürgermeister ist nach der Freilassung ins Ausland geflüchtet.

LA: Wie viele registrierte HDP Mitglieder kennen Sie in Ihrer Ortschaft? VP: ca. 20 Personen, 4-5 Freunde sind nach Deutschland geflüchtet

LA: Wo leben restliche Parteifreunde von Ihnen?

VP: Rest weiß ich nicht ich habe auch keinen Kontakt mit ihnen. Die anderen 4-5 weiß ich, da diese vor mir das Land verlassen haben.

LA: Erzählen Sie mir über die Partei HDP (die Parteistruktur, wie ist diese Aufgebaut)?

VP: Der Parteivorsitzende war Hr. Selahuttin Demirtas, er kam 2016 ins Gefängnis. Sezai

TEMELLI ist nachgefolgt Idris BALUKEN ist Abgeordneter in Bingöl. Dieser war für Karakocan auch zuständig. Bei uns wurde er nicht gewählt. Wir hatten in Karakocan einen Bürgermeister gehabt, dieser ist auch geflüchtet, Idris BALUKEN ist jetzt im Gefängnis.

LA: Waren Sie im Verein der HDP als Angestellter tätig?

VP: nein ich war nur Mitglied

LA: Haben Sie Mitgliedsbeitrag bezahlt?

VP: Ja, vorher nicht danach ja

LA: Wie hoch?

VP: Monatlich 10 TL

LA: Haben Sie den Mitgliedsbeitrag an die Partei überwiesen? VP: nein ich habe in bar bezahlt.

LA: Wie viel Parlamentarier hat die HDP im türkischen Parlament?

VP: Damals waren 70 oder 80 Mandatare der HDP, jetzt weiß ich nicht

LA: Wie hoch war das Ergebnis der letzten Parlamentswahlen bei der Partei HDP? VP: ca. 12 Prozent

LA: Sie geben an Parteimitglied der HDP zu sein, welche politische Ziele verfolgt die Partei HDP?

VP: die kurdische Rechte zu verteidigen

LA: Wie ist die Partei politisch orientiert?

VP: Dass die Kurden auch eine Volksgruppe ist, eigene Sprache offiziell sprechen darf und in den Schulen auf Kurdisch unterrichtet werden darf.

LA: Mit welchen internationalen politischen Parteien ist HDP meistens in Kontakt? VP: Das weiß ich nicht.

LA: Wurden Sie wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen Ihrer

Religionszugehörigkeit in der Türkei jemals persönlich bedroht oder verfolgt?
VP: Wegen Kurdentums ja, wegen Religion nein

LA: Wurden Sie aufgrund Ihrer Rasse, Nationalität bzw. Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

VP: Nur weil ich Kurde bin.

LA: Haben Sie seit Ihrer Einreise stets im Bundesgebiet aufgehalten?

VP: Ich war nur hier in Österreich

LA: Haben Sie in einem anderen Land um internationalen Schutz angesucht?
VP: Nein

LA: Hätten Sie die Möglichkeit, in einem anderen Teil Ihres Heimatlandes zu leben? Zum Beispiel in Istanbul oder einer anderen größeren Stadt?

VP: Ich habe auch in Antalya gearbeitet, dort war ich auch als Kurde unterdrückt. Die türkischen Nationalisten haben mich unterdrückt. Es ist sehr schwer als Kurde im westlichen

Teil der Türkei einen Job zu bekommen.

LA: Was ewartet Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland?

VP: Ich werde ins Gefängnis kommen

LA: Warum glauben Sie das?

VP: Sie haben mich zuletzt bedroht Es steht alles im Computer, über meine Festnahme.

LA: Was meinen Sie mit der Festnahme?

VP: Dass ich mehrmals angehalten worden bin, zum Beispiel die Anhaltung bei der

Straßensperre sowie Hausdurchsuchung.

LA: Besteht gegen Sie ein Haftbefehl?

VP: Momentan weiß ich nicht. […]“

I.3. Mit Bescheid vom 05.03.2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag gemäß den §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ab, erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Begründend wurde dazu Folgendes ausgeführt:

„Sie haben im gegenständlichen Verfahren auf internationalen Schutz hinsichtlich Ihrer

Fluchtgründe keinen Sachverhalt vorgebracht, welcher Ihre wohl begründete Furcht vor Verfolgung wegen Ihrer Rasse Religion Nationalität Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen Ihrer politischen Überzeugung untermauert.

Ihre Angaben zu den Fluchtgründen blieben trotz Aufforderungen, dass Sie detaillierte Angaben machen sollten, äußerst vage und Sie konnten auch über entsprechende Nachfragen Ihr Vorbringen nicht maßgeblich konkretisieren.

Hinsichtlich Ihrer danach als Ausreisemotivation geschilderten Bedrohungslage bzw. der diesen zugrunde liegenden persönlichen Erlebnisse, welche unbescheinigt blieben, vermochten das Bundesamt nicht zu überzeugen.

Sie wären zwei Mal, im Jahr 2014 und im Jahr 2015, von türkischen Sicherheitsbehörden angehalten.

Im Jahr 2014 hätten Sie ein Festival besucht. Auf dem Heimweg gerieten Sie an einer Straßensperre, welche von türkischen Sicherheitsbehörden eingerichtet wäre. Sie wären angehalten worden. Ihre Anhaltung führte zu einer routinemäßigen Kontrolle. Die türkischen Sicherheitsbehörden hätten Ihre Personalien kontrolliert und Ihr Auto durchsucht. Sie gaben an, dass Sie dafür ca. 2 Stunden angehalten und folglich freigelassen worden wären.

Im Jahr 2015 wären Sie erneut an einer Straßensperre geraten. Sie wären von türkischen Sicherheitsbehörden angehalten, Ihre Personalien wären kontrolliert. Sie wurden von den anhaltenden türkischen Behörden aufgefordert sich zum Wehrdienst zu melden. Sie hätten sich bei der Musterungsstelle des türk. Wehrdienst gemeldet. Anschließend wurden Sie im Jahr 2015 Ihren Wehrdienst für 12 Monate in den Städten Isparta und Tatvan angetreten.

Sie gaben an, dass nicht nur Sie, sondern allgemein alle Personen welche beabsichtigten die Straßensperre durchfahren zu wollen, wären von den türkischen Sicherheitsbehörden kontrolliert.

Aus den Geschilderten Sachverhalt kann somit weder auf Grund Ihrer persönlichen

Angaben, noch in Bezug auf eine asylrelevante Verfolgungsgefahr iSd GFK einer

maßgeblichen Gefährdungslage, konkret für Sie, erkannt werden. Die angeblichen Straßensperren, an denen Sie zufällig geraten sind, wären aus Sicherheitsgründen errichtet. Festzuhalten ist, dass an diese Straßensperren, wie Sie selbst angaben, nicht nur Sie sondern alle Personen kontrolliert wurden. Somit ist eine vom Staat gegen Ihre Person gerichtete individuelle Verfolgung nicht zu erkennen.

Zu den Ereignissen im Jahr 2018, als Sie auf dem Weg zu Ihrer Viehherde wären, wären Sie angeblich von Soldaten der türkischen Armee angehalten. Die Soldaten hätten Ihren

Proviant weggenommen. Sie hätten Ihnen unterstellt, dass Sie „die Terroristen" mit Nahrungsmittel versorgen würden, diese Behauptung stellt ebenfalls keine asylrelevante Verfolgungsgefahr iSd GFK dar.

Ihre behauptete Gefährdung bzw. Verfolgung vor der Ausreise, kann ebenso nicht gefolgt werden. Sie machten zu Ihrer angeblichen Hausdurchsuchung unterschiedlichen Angaben. Zum einen, gaben Sie bei der Erstbefragung an, dass ca. 1 bis 2 Monaten vor Ihrer Ausreise die türkischen Soldaten das Haus Ihrer Eltern, in dem Sie auch wohnhaft wären, durchsucht hätten. Zum anderen, gaben Sie während Ihrer asylrechtlichen Einvernahme am 18.02.2019 an, dass die türkischen Soldaten ca. 40 Tage vor Ihrer Ausreise die Hausdurchsuchung durchgeführt hätten.

Die türkischen Soldaten hätten Hinweise gehabt, dass Sie und Ihre Familie Waffen versteckt hielten. Die Soldaten hätten Sie und Ihren Vater zu Stützpunkt gebracht, Sie und Ihr Vater wären für ca. 2 Stunden angehalten worden und dann freigelassen worden.

Auch hier hält das Bundesamt fest, dass die Hausdurchsuchung rechtlich korrekt verlaufen wäre, da die Soldaten einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl vorgelegt hätten.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Hausdurchsuchung im angegebenen Zeitraum statt gegeben hätte, so brachten Sie nicht vor, dass diese in weiterer Folge irgendwelche relevante Konsequenzen nach sich gezogen hätte. Vielmehr ergeben sich aus Ihren Schilderungen, dass Sie nach dem Entlassungszeitpunkt aus dem Militärstützpunkt, offenbar ohne jegliche Verfolgung von staatlicher Seite Ihr Leben unbeschwert fortgesetzt hätten. Ihr Vater, der ebenso wie Sie verdächtig war, Waffen versteckt gehalten zu haben, lebt derzeit unbeschwert im selben Ort und im selben Haus, gegenteiliges haben Sie nicht vorgebracht.

Abgesehen davon, kann nicht per se davon gesprochen werden, dass jegliche Festnahme/Hausdurchsuchungen/ Anhaltungen in der Türkei ohne Rechtsgrundlage erfolgt, es sich also im Falle der Wahrunterstellung auch durchaus um gerechtfertigte rechtsstaatliche Verfolgung, fernab von einem asylrelevanten Motiv, gehandelt haben könnte. Die Freilassung ohne weitere staatliche Verfolgungsmaßnahmen könnte zudem auch auf einen Wegfall eines ursprünglichen Anfangsverdachtes hinweisen und damit durchaus auch für ein rechtstaatliches Vorgehen sprechen. Ein staatliches Verfolgungsinteresse wäre daher so nicht nachvollziehbar und nicht glaubhaft.

Zu Ihrer HDP Mitgliedschaft ist Folgendes auszuführen:

Sie wären angeblich seit 2012 Mitglied der politischen Partei HDP (türk. Halklartn Demokratik Partist = deutsch. Demokratische Partei der Völker) dazu haben Sie eine Bestätigung vorgelegt.

Sie brachten vor, dass zufälligerweise zwei Wochen vor Ihrer Ausreise, eines Tages den ,HDP-Verein" verlassen hätten und von Polizisten angehalten worden wären. Die türkische Polizei hätte Sie ins Polizeirevier mitgenommen. Im Polizeirevier wären Sie kurz angehalten. Die Behörden hätten Ihnen zwei Fotos vorgelegt und Sie aufgefordert haben, diese zu identifizieren. Sie hätten die Personen nicht gekannt haben, und die Polizei hätte Sie dann mit einer angeblichen Verhaftung gedroht. Die Exekutivbeamten hätten Sie angeblich geschlagen. Sie wären dann nach dieser kurzzeitigen Anhaltung freigelassen.

Gegen Ihre Behauptung spricht auch der Umstand, dass Sie als ein langjähriges Mitglied der politischen Partei HDP gerade zwei Wochen vor Ihrer Ausreise zufällig von zwei Polizisten, als Sie den „HDP Verein" verlassen hätten, angehalten worden wären, aber davor noch nie, gegenteiliges haben Sie nicht vorgebracht.

Ihren Angaben nach verweilten Sie trotz der behaupteten Bedrohung weiterhin am selben Ort ohne sich ZB. zu verstecken oder den Wohnort zu wechseln, gegenteiliges haben Sie nicht vorgebrecht. Sie gingen vielmehr ungeachtet dessen weiterhin Ihrem geregelten Alltag nach.

Wären Sie für den türkischen Staat von großer Bedeutung, hätte der Staat, bevor Sie Türkei auf illegalem Weg nach Österreich verlassen konnten, bereits festgenommen. Die von Ihnen geschilderte Bedrohung ist für das Bundesamt nicht glaubhaft.

Bei der Einvernahme beim Bundesamt verneinten Sie sogar Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen.

[…]

Aus Ihren bisherigen Aussagen kommt auf Grund der divergenten Angaben nicht glaubhaft hervor, dass Sie sich vor Ihrer Ausreise als einfaches Mitglied exponiert oder Sie deshalb persönlich Repressalien erlitten hatten. Das Asylgesetz verlangt vielmehr die begründete Furcht einer konkret gegen Asylwerber (Sie) selbst gerichteten Verfolgungsmaßnahme von gewisser Intensität. Eine solche ist jedoch Ihren Ausführungen nicht zu entnehmen.

Der Berichtslage kann auch nicht entnommen werden, dass einfache Mitglieder wie Sie, die bisher nicht aufgefallen sind, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aktuell mit asylrelevanter Verfolgung zu rechnen hätten.

Der „HDP Verein" im Landkreis Karakocan hätte nach wie vor ihren Sitz haben. Von einer allgemeinen staatlichen Verfolgung gegenüber alle HDP Mitglieder, kann nicht ausgegangen werden, da die pro-kurdische HDP die drittstärkste Partei mit 11,7% und 67 Mandaten (HDN 26.6.2018) wurde. (LIB Stand 18.10.2018).

Sie gaben an kurdischer Abstammung zu sein und der Glaubensgemeinschaft des Islam anzugehören und Moslem wären. Sie geben an, dass Sie auf Grund Ihrer kurdischen Abstammung in der Türkei unter Druck gesetzt wären. Zumal Sie ausreichende Gelegenheit hatten, konnten Sie keine konkrete Vorfälle Vorbringen. Sie waren nicht im Stande, detaillierte Angaben zu machen und bezogen sich auf die allgemeine schlechte Lage der Kurden.

Zu Ihrer Abstammung als Kurde und Ihrer Glaubensgemeinschaft wird angeführt:

Soweit Sie geltend machen, Angehöriger einer Minderheit zu sein, so sind Sie darauf hinzuweisen, dass die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer ethnischen oder religiösen Volksgruppe allein sowie deren schlechte allgemeine Situation nicht geeignet ist, eine Asylgewährung zu rechtfertigen (vgl. Erk. des VwGH v. 23.5.1995, Z'. 94/20/0816). Das Asylgesetz verlangt vielmehr die begründete Furcht vor einer konkret gegen den Asylwerber selbst gerichteten Verfolgungshandlung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen. Allgemeine geringfügige Benachteiligungen, die noch nicht das Ausmaß einer Gruppenverfolgung angenommen haben, richten sich nicht speziell gegen Ihre Person und können daher nicht zur Gewährung von Asyl führen.

Ihre Bemerkung zur allgemein schwierigen Situation von Kurden ist zwar zum Teil auch in den Länderinformationen der Staatendokumentation zur Türkei abgebildet. Fluchtbegründend kann jedoch eine solche schwierige Allgemeinsituation nicht sein, eine nicht gegebene persönliche Verfolgung gegen Sie wird auch durch Ihr fortwährendes, reguläres Verbleiben in Ihrem Heimatland und den Mangel an Verfolgungshandlungen gegen Sie belegt.

Wie den Länderfeststellungen jedoch zu entnehmen ist, leben in der Türkei etwa 13 bis 15 Millionen Kurden. Folgt man den Länderinformationen, muss gesagt werden, dass Kurden zwar einer gewissen Form der Diskriminierung ausgesetzt sind, von einer asylrelevanten Verfolgungssituation kann jedoch in keiner Weise ausgegangen werden. Den aktuellen

Informationen ist nicht zu entnehmen, dass es in den letzten Jahren zu erwähnenswerten Übergriffen auf Kurden gekommen ist. Da 13 bis 15 Millionen Kurden in der Türkei leben können, ist nicht anzunehmen, dass gerade Sie nur wegen Ihrer Zugehörigkeit zu Ihrer kurdischen Abstammung alleine verfolgt werden sollten. Wie den Informationen zu entnehmen ist, hat die türkische Regierung sowohl durch Gesetze als auch in der Praxis Schritte unternommen, um die kurdische Bevölkerung zu integrieren. Den aktuellen Informationen ist ebenfalls nicht zu entnehmen, dass es in den letzten Jahren zu erwähnenswerten Übergriffen auf Kurden gekommen ist, sofern diese Kurden nicht der terroristischen PKK nahe stehen. Es ist daher auch auszuschließen, dass Sie aufgrund Ihrer kurdischen Abstammung in der Türkei verfolgt werden könnten.

Zur Vervollständigung wird angemerkt, dass hinsichtlich des bloßen Umstands Ihrer kurdischen Abstammung darauf hinzuweisen ist, dass sich entsprechend der herangezogenen Länderberichte und aktuellen Medienberichte die Situation für Kurden — abgesehen von den Berichten betreffend das Vorgehen des türkischen Staates gegen Anhänger und Mitglieder der als Terrororganisation eingestuften PKK und deren Nebenorganisationen, wobei eine solche Anhängerschaft durch Ihre Person nicht festgestellt werden konnte — nicht derart gestaltet, dass von Amts wegen aufzugreifende Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppen oder Religionszugehörigkeit einer eine maßgebliche Intensität erreichenden Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden.

Schließlich haben Sie ja auch noch Ihre Eltern und Geschwister in der Türkei, die ja ebenfalls kurdischer Abstammung und Moslem sind und ebenfalls dort leben können. Ihr Vorbringen und Ihre Behauptung, wegen Ihrer kurdischen Abstammung diskriminiert zu werden, stellen sich somit als haltlos dar.

Ihnen ist es somit, unter Berücksichtigung aller bekannt gewordenen und verfahrensgegenständlichen Fakten, nicht gelungen eine hier entscheidungsrelevante Gefährdungslage glaubhaft zu machen.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Es konnten keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei einer Verfolgungsgefährdung i. S. d. Art. 2, Art. 3 und Art. 6 EMRK ausgesetzt wären.

Sie vermochten auch keine konkrete Gefahr im Fall Ihrer Rückkehr vorbringen, sondern konnten nur keine Gefahren erkennen. Ein reales Risiko im Fall Ihrer Rückkehr konnte nicht ausgemittelt werden und wurde von Ihnen nicht vorgebracht. […]“

I.4. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde ein und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

I.5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.08.2019, Zl. L524 2219751-1, wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.08.2019, Zl. L524 2219751-2 wurde die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

I.6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.11.2020 wurde die Beschwerde dagegen mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: „Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG zurückgewiesen.“

I.7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6.11.2019 wurde die Beschwerde dagegen als unbegründet abgewiesen.

I.8. Am 14.1.2020 stellte der BF vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, seine „alten Gründe“ blieben aufrecht, aber neuerlich hätte er ein Schreiben erhalten, indem die türkische Behörde ihn suche. Seit etwa einem Monat habe er bewusst den Kontakt in die Türkei abgebrochen. Die Behörden besuchten permanent seine Eltern, um herauszufinden wo er sich befinde.

I.9. Anlässlich seiner Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fasste er zunächst seine Gründe für die erste Asylantragstellung zusammen und gab zum gegenständlichen Antrag an, dass die Leute von seiner Partei und auch die Vorsitzenden im Gefängnis seien. Es würden jeden Tag Leute verhaftet. Viele Parteimitglieder aus seinem Bezirk seien im Gefängnis und man höre gar nichts mehr von ihnen. Sie würden die ganze Zeit bei seinen Eltern und sogar bei seinem Bruder nach ihm fragen; allein das zeige schon, dass er keine Sicherheit habe, weil er HDP Mitglied sei und weil er an deren Veranstaltungen teilgenommen habe. Nachgefragt, gab der BF an, er habe nicht den Bruder gemeint, sondern seine Schwester; er habe keinen Bruder.

Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an, er habe Angst, dass sie ihn gleich verhaften und ins Gefängnis stecken würden und dass sie ihn durch Folter umbringen würden. Davon würde dann niemand benachrichtigt werden. Sie würden Kurden hassen und die Kurden würden dann immer wieder an die schlechtesten Orte, nämlich die schlechtesten Gefängnisse kommen.

Nachgefragt, gab der BF an, dass er wegen seiner „HDP-Mitgliedschaft“ und der Teilnahme an Parteiveranstaltungen verfolgt würde. Er habe sogar ein Foto mit dem Bürgermeister; allein das wäre schon ein Grund, dass sie ihn festnehmen könnten. Der Bürgermeister sei auch auf der Flucht und habe sich ins Ausland begeben. Ob es einen Haftbefehl gegen ihn selbst gebe, wisse er nicht, aber sie würden nach ihm suchen.

Auf die Frage, weshalb der Vater des BF, der ebenfalls „HDP-Mitglied“ sei und sogar als Wahlbeobachter fungiert habe, nach wie vor im Heimatdorf leben könne, vermeinte der BF, der Vater sei ein eher passiver Typ. Er sei ein aktives Mitglied und bei Veranstaltungen dabei gewesen, weshalb er ihnen ein Dorn im Auge gewesen sei.

Im Übrigen verwies der BF auf die allgemein schlechte Lage für Kurden in der Türkei.

Am Ende der Befragung bestätigte der BF, dass alles vollständig und richtig protokolliert worden sei. Das Protokoll wurde dem BF rückübersetzt.

Zum Akt gab er folgende Beweismittel:

?        Eine Bestätigung von „Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Wien“, woraus hervorgeht, dass der BF dort Mitglied ist

?        Eine Kopie eines handschriftlich verfassten Schreibens in Türkisch, welches mit einem Stempel versehen ist, auf dem „HDP“ zu lesen ist. Einer von der bB beauftragten Übersetzung zufolge wird darin unter anderem bestätigt, dass nach dem BF gesucht wird

?        Kopien von Schreiben in türkischer Sprache. Einer von der bB beauftragten Übersetzung zufolge handelt es sich dabei um eine Bestätigungen der Parteizugehörigkeit des Vaters des BF und seine Funktion als Wahlbeobachter sowie um eine „Entscheidung zu keiner Notwendigkeit der Verfolgung“ der Republikanischen Oberstaatsanwaltschaft Krakocan

?        Ein Zeugnis über die „Integrationsprüfung A1“

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I.10. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2020 gemäß § 68 AVG Abs. 1 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

Zur Person des BF stellte die bB fest, dass seine Identität aufgrund der vorgelegten Dokumente feststehe. Er sei ledig und für niemanden sorge- oder unterhaltspflichtig. Er sei Staatsangehöriger der Türkei, Kurde und Sunnit. Er leide an keinen schweren, lebensbedrohenden Krankheiten. Der BF sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er sei strafrechtlich unbescholten.

Hinsichtlich der Gründe für den neuen Antrag auf internationalen Schutz stellte die bB fest, dass der BF weitere asylrelevante Gründe nicht glaubwürdig vorgebracht habe bzw. dass sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe.

Beweiswürdigend führte die bB grob zusammengefasst aus, dass der BF keine Gründe darlegen habe können, aus welchen nachvollziehbar sei, dass die von ihm vorgelegten Urkunden aus den Jahren 2014 und 2015 erst jetzt vorgelegt werden konnten. Der BF sei im Vorverfahren auch explizit nach vorhandenen Beweismitteln gefragt worden. Dem Schreiben der HDP, in welchem dargelegt wäre, dass nach dem BF in der Türkei gesucht wird, könne keinerlei Beweiskraft beigemessen werden, da die Echtheit nicht überprüfbar sei und auch nicht auszuschließen sei, dass es sich um ein reines Gefälligkeitsschreiben handle. Einem der vorgelegten Schreiben sei sogar zu entnehmen, dass der Vater des BF nicht nur einfaches Parteimitglied bei der HDP gewesen, sondern sogar als Wahlbeobachter tätig gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei die Aussage des BF, er sei als Mitglied aktiv gewesen und habe bei Parteiveranstaltungen mitgeholfen, während der Vater eher ein passiver Typ gewesen, nicht nachvollziehbar.

Die Angaben in Bezug auf die Parteizugehörigkeit zu einer kurdischen Partei sei bereits im ersten Asylverfahren als nicht glaubhaft bewertet worden. Der BF hielte diesen Grund nach wie vor aufrecht und würde ihn mit dem nunmehrigen Vorbringen vertiefen. Nach wie vor wiesen die vorgebrachten Gründe für die Antragstellung keine Asylrelevanz auf. Einen wesentlich geänderten Sachverhalt habe der BF mit seinem Vorbringen im neuen Asylverfahren nicht bescheinigen können.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde dem BF ein Rechtsberater amtswegig zur Verfügung gestellt. Mit separatem Schreiben vom selben Tag wurde der BF über die Verpflichtung zur Ausreise informiert.

I.11. Der oben zitierte Bescheid wurde zur Gänze angefochten und es wurde der Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Eingangs wurde der Verfahrensgang geschildert und Judikatur zur „entschiedenen Sache“ angeführt.

Daraus leitete der BF zusammengefasst ab, dass es sich bei gegenständlichem Antrag eindeutig um keine entschiedene Sache handle, da sich gegenüber dem früheren Antrag der wesentliche Sachverhalt geändert habe. Eine Neuerung, welche seit dem Bescheid der bB vom 06.02.2020 eingetreten und eine andere Beurteilung der Lage zu bewirken imstande sei, sei darin zu erblicken, dass der BF nun von der Polizei gesucht werde und einschlägige Dokumente erlangt habe, die sein Fluchtvorbringen untermauern würden. Der BF habe auch ergänzt, dass einige seiner Freunde, die auch Parteimitglieder seien, verschwunden seien. Einer seiner Freunde sowie auch der Bürgermeister seien geflohen. Die Familie des BF würde permanent nach dem Aufenthaltsort des BF befragt. Dafür sein eine schriftliche Bestätigung ausgestellt worden. Die Echtheit sei nicht anzuzweifeln, da dieses mit einem Stempel der Partei versehen ist. Die Handschriftlichkeit vermag die Echtheit des Schreibens nicht auszuschließen. Die übrigen vorgelegten Dokumente habe der BF erst zwei Wochen vor der Einvernahme erhalten. Der BF sei auch ohne das Schreiben von einem ausreichend substantiierten und glaubwürdigen Vorbringen ausgegangen. In Bezug auf die Ausführungen zum Vater des BF übersehe die bB, dass der Vater die Tätigkeit für die Partei eingestellt habe. Der BF und sein Vater würden sich durch den wesentlichen Unterschied der aktiven Teilnahme unterscheiden.

Im Weiteren wurden im Wesentlichen rechtliche Ausführungen allgemeiner Natur zu den vom Bescheid umfassten Spruchpunkten sowie zu der – im Bescheid nicht ausgesprochenen – Anordnung der Unterkunftnahme getätigt. Ferner wurde auf die Rückkehrbefürchtungen und das durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben des BF hingewiesen und ausgeführt, dass die bB auf die Gefahr der erneuten Festnahme hätte eingehen müssen und bei richtiger Würdigung der Bemühungen des BF – er habe eine A2 Prüfung ablegen wollen, woran er durch seine Verbringung gehindert worden sei und strebe eine Lehre als Koch an, wofür er jedoch Kenntnisse auf dem Niveau A2 vorweisen müsse – zu einer anderslautenden Entscheidung hätte kommen müssen.

Beantragt werde daher, eine Verhandlung anzuberaumen, Asyl zuzuerkennen, allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückzuverweisen, allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen und aufschiebende Wirkung zu gewähren.

I.12. Die Beschwerdevorlage langte am 28.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

I.13. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.03.2020 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

I.14. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.08.2020 wurde das obgenannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es kann derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat eine reelle Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in das obzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes und die bezughabenden Verfahrensakten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reelle Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Aufgrund der Behebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Verwaltungsgerichtshof sind zusätzliche Prüfungen vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall kann nach derzeitiger Aktenlage innerhalb der gesetzlichen Frist daher nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, dass die Effektuierung der Rückkehrentscheidung in den in Aussicht genommenen Zielstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.

Der Beschwerde war daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielshaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung EMRK reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L526.2219751.4.01

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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