TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 W222 2235961-1

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W222 2235961-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. OBREGON als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Vietnam, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005, iVm § 9, § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, und § 52 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer (in der Folge: BF), einem Staatsangehörigen Vietnams, wurde am 12.07.2017 ein Aufenthaltstitel „Studierender“ erteilt. Am 29.06.2018 beantragte er die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels. Am 01.08.2018 wurde ein Zweckänderungsantrag auf einen Aufenthaltstitel „Schüler“ eingebracht, worauf ihm dieser, gültig ab 13.07.2018, erteilt wurde. Am 02.05.2019 brachte der BF einen erneuten Zweckänderungsantrag für den Aufenthaltstitel „Student“ ein. Dieser Zweckänderungsantrag sowie der Verlängerungsantrag für den Aufenthaltstitel „Schüler“ wurden mit Bescheid der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien vom 15.01.2020 abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am 28.02.2020 heiratete der BF eine österreichische Staatsangehörige.

Mit Schreiben des BFA vom 26.05.2020 wurde der BF über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung informiert und ihm Gelegenheit gegeben, zu seinen familiären und privaten Verhältnissen in Österreich und Vietnam Stellung zu nehmen. Der BF gab keine Stellungnahme ab, übermittelte aber eine Kopie seiner Heiratsurkunde und einen Antrag vom 14.04.2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“.

Mit Schreiben vom 23.06.2020 wurde der BF erneut zur Stellungnahme aufgefordert. Er gab am 24.06.2020 eine schriftliche Stellungnahme ab.

Am 21.08.2020 wurden der BF und seine Ehefrau durch das BFA einvernommen. Der BF gab dabei zusammengefasst an, dass er sich seit November 2017 durchgehend in Österreich aufhalte. In Vietnam lebten noch seine Eltern und eine Schwester. Er habe die Deutschprüfung A2 abgelegt und besuche den Kurs B1. Er habe in Österreich schon in einem Restaurant gearbeitet, sei aber derzeit arbeitslos. Er habe seine Ehefrau im Dezember 2017 kennen gelernt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.08.2020 wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Vietnam gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der BF über die Gültigkeit seines Aufenthaltstitels hinaus in Österreich verblieben sei. Die Heirat mit seiner Ehefrau erfolgte erst nach Abweisung des Antrags auf Verlängerung des Aufenthaltstitels. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben sei daher nicht unverhältnismäßig.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 21.09.2020 Beschwerde. Der Beschwerde lagen eine Bestätigung über die Mitgliedschaft in einem Badminton-Verein, zwei Empfehlungsschrieben und eine Teilnahmebestätigung für einen Deutschkurs B1 bei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geb. XXXX , und ist Staatsangehöriger von Vietnam. Seine Identität steht fest.

1.2. Er reiste am 11.10.2017 legal in das österreichische Bundesgebiet ein.

1.3. Ihm wurde am 12.07.2017 ein Aufenthaltstitel „Studierender“ erteilt. Ab Oktober 2017 war er für ein Masterstudium an der Technischen Universität Wien inskribiert. Am 29.06.2018 beantragte er die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels. Am 01.08.2018 wurde ein Zweckänderungsantrag auf einen Aufenthaltstitel „Schüler“ eingebracht und eine Schulbesuchsbestätigung einer Gastgewerbeschule vorgelegt, worauf ihm ein Aufenthaltstitel „Schüler“, gültig ab 13.07.2018, erteilt wurde. Am 02.05.2019 brachte der BF einen erneuten Zweckänderungsantrag für den Aufenthaltstitel „Student“ ein und legte einen Bescheid über die Zulassung zum Bachelorstudium „English and American Studies“ an der Universität Wien vor. Dieser Zweckänderungsantrag sowie der Verlängerungsantrag für den Aufenthaltstitel „Schüler“ wurden mit Bescheid der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien vom 15.01.2020 abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Der BF ist daher seit Rechtskraft des Bescheids illegal in Österreich aufhältig.

Der BF konnte weder eine Studien- noch einen Schulerfolg nachweisen.

1.4. Der BF ist seit 28.02.2020 mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , verheiratet. Ein gemeinsamer Haushalt besteht seit Dezember 2019.

1.5. Der BF hält sich seit November 2017 im österreichischen Bundesgebiet auf und spricht Deutsch auf dem ungefähren Niveau B1. Er war von März bis Mai 2018 als Arbeiter, von August bis Dezember 2018 als geringfügig beschäftigter Arbeiter beschäftigt. Derzeit geht der BF in Österreich keiner Beschäftigung nach und betreibt auch kein Studium oder eine Ausbildung. Er ist Mitglied in einem Badminton-Verein und hat einige Freundschaften in Österreich geschlossen. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.6. In Vietnam leben die die Eltern und die Schwester des BF. Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF gründen auf dem in Kopie im Akt befindlichen vietnamesischen Reisepass.

2.2. Die Einreise mittels Visum ergibt sich aus der Kopie des Reisepasses des BF im Akt.

2.3. Die Aufenthaltstitel des BF und deren Zweck ergeben sich aus dem Bescheid der MA 35 vom 15.01.2020.

2.4. Die Wohnsitzmeldung des BF und seiner Ehefrau ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister. Die Eheschließung ergibt sich aus der vorgelegten Heuratsurkunde.

2.5. Die privaten Verhältnisse des BF ergeben sich im Wesentlichen aus seinen eigenen Angaben. Die Beschäftigungszeiten ergeben sich aus einem Sozialversicherungsdatenauszug, der im Akt aufliegt. Der BF gab in seiner Einvernahme vor dem BFA an, derzeit arbeitslos zu sein. Es wurden keine Nachweise darüber erbracht, dass der BF zum Entscheidungszeitpunkt wieder einer Beschäftigung nachgehen oder ein Studium betreiben würde. Die Unbescholtenheit ergibt sich aus einem Strafregisterauszug.

2.6. Das Familienleben des BF in Vietnam ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Es wurde im Verfahren keine ärztlichen Befunde vorgelegt du keine physischen oder psychischen Erkrankungen oder Gebrechen geltend gemacht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der BF befindet sich erst seit 11.10.2017 im Bundesgebiet, und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist aktuell nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 erteilt wird, mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

§ 52 FPG lautet auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung

§ 52 (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) – (8) [...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) [...]“

§ 9 BFA-VG lautet auszugsweise:

„Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) […]“

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffs des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, die miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der BF ist seit 28.02.2020 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit der er seit Dezember 2019 im gemeinsamen Haushalt lebt. Es liegt also ein Familienleben im Bundesgebiet vor. Ein Eingriff in dieses Familienleben ist jedoch gemäß des zweiten Absatzes des Art. 8 EMRK bei einer Abwägung zwischen den privaten Interessen der BF an der Fortsetzung des Familienlebens und der öffentlichen Interessen einen geordneten Fremdenwesen durch ein Überwiegen der öffentlichen Interessen zulässig:

Der BF reiste im Oktober 2017 zum Zweck des Studiums an der Technischen Universität Wien nach Österreich ein. Der BF konnte jedoch nie einen Studienerfolgsnachweis erbringen. Ab September 2018 besuchte er eine Gastgewerbefachschule, weshalb ihm ein Aufenthaltstitel „Schüler“ erteilt wurde. Auch diese Ausbildung betrieb der BF jedoch nicht ernsthaft, da er sich schon im Jänner 2019 um die Zulassung zu einem weiteren Studium, diesmal an der Universität Wien bewarb, und deshalb innerhalb von nur zwei Jahren bereits den zweiten Zweckänderungsantrag einbrachte. Da der BF für keine seiner begonnenen Ausbildungen einen Erfolgsnachweis vorlegen konnte, wurde im kein weiterer Aufenthaltstitel „Student“ bzw. „Schüler“ erteilt. Ab Rechtskraft des Bescheids der MA 35 vom 15.01.2020 war der BF daher illegal in Österreich aufhältig. Dem ursprünglichen Zweck des Aufenthaltstitels des BF, nämlich die Absolvierung eines Studiums in Österreich, wurde vom BF daher nie entsprochen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16.07.2020, Ra 2020/21/0243, ebenfalls ausgesprochen, dass einem Aufenthalt, der durch eine Aneinanderreihung befristeter Aufenthaltstitel als Schüler bzw. Studierender zustande kam, ohne dass die diesen zugrundeliegenden Aufenthaltszwecke auch nur ansatzweise erreicht wurden, nur geringe Bedeutung zukommt.

Im Bewusstsein seines illegalen Aufenthalts heiratete der BF am 28.02.2020 seine Lebensgefährtin und stellte am 14.04.2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“. Erstanträge auf Erteilung von Aufenthaltstitel sind jedoch nach § 21 Abs. 1 NAG im Ausland zu stellen. Da der BF über einen anderen Aufenthaltstitel, „Student“ bzw. „Schüler“, verfügte und diese abgelaufen sind, gilt der Antrag auf Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ als Erstantrag. Die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 1 Z 1 für Familienangehörige von Österreichern trifft auf den BF nicht zu, da er nicht rechtmäßig in Österreich aufhältig ist. Der BF hätte daher seinen Antrag vom Ausland aus einzubringen und den Ausgang des Verfahrens im Ausland abzuwarten.

Den Interessen des BF am Zusammenleben mit seiner Ehefrau stehen gegenüber sein Aufenthalt mittels Aufenthaltstiteln „Student“ bzw. „Schüler“, ohne dass der Zweck dieser Aufenthaltstitel durch den BF erfüllt worden wäre, der illegale Verbleib in Österreich nach Abweisung des Antrags auf Verlängerung und zentral das Faktum, dass das „Familienleben“ in Kenntnis der des illegalen Aufenthalts des BF eingegangen wurde. Ausgehend davon, dass der BF nicht begründetermaßen erwarten konnte, in Österreich ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erhalten, musste ihm sowie seiner Lebensgefährtin daher bereits am Beginn ihrer Beziehung klar gewesen sein, dass der gemeinsame Verbleib in Österreich sehr unsicher sein würde. In diesem Zusammenhang kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme jedoch nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (vgl. EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10). In der gegenständlichen Rechtssache liegt ein solcher Ausnahmefall jedoch nicht vor, zumal allein die Tatsache des Bestehens einer Familiengemeinschaft mit österreichischen Staatsbürgern nicht ausreicht, um annehmen zu können, dass mit der angeordneten Rückkehrentscheidung jedenfalls in unzulässiger Weise in das nach Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben eingegriffen werden würde.

Hinsichtlich der Fortsetzung des Familienlebens im Fall der alleinigen Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat Vietnam ist auszuführen, dass auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dahingehend vorliegen, dass es ihm nicht möglich oder zumutbar wäre, bei Aufrechterhaltung des Wohnsitzes seiner Ehegattin in Österreich den Kontakt mit ihr bis zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ (nach Antragstellung aus dem Ausland) über diverse Kommunikationsmittel (etwa über das Internet oder Telefon), durch regelmäßige Besuche der Ehegattin in Vietnam oder – eine freiwillige Rückkehr des Beschwerdeführers nach Vietnam vorausgesetzt – durch Besuche des BF in Österreich aufrechtzuerhalten.

Dier BF versuchte durch seinen illegalen Aufenthalt und der Beantragung eines Aufenthaltstitels im Inland, das Niederlassung- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu umgehen. Der BF war offenbar nicht gewillt, die Bestimmungen des NAG einzuhalten, sondern versuchte durch seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zeigt dieses Verhalten eine deutliche Missachtung gegenüber den österreichischen und/oder europäischen Rechtsvorschriften, was jedenfalls im Rahmen einer Interessensabwägung zu Lasten des BF zu werten ist.

Das NAG stellt jedoch in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Anträge auf Aufenthaltstitel sind nach § 21 Abs. 1 NAG aus dem Ausland einzubringen (siehe oben). Eine Legalisierung eines illegalen Aufenthalts aus dem Inland ist nicht vorgesehen. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Der Aufenthalt des BF von drei Jahren ist daher als sehr kurz zu bewerten, hinzu kommt, dass der Aufenthalt seit fast einem Jahr illegal war.

Der BF spricht Deutsch auf dem ungefähren Niveau B1, ist Mitglied in einem Sportverein und hat Freundschaften geschlossen. Hinweise auf enge private Bindungen haben sich im Verfahren aber nicht ergeben. Die soziale Integration ist daher als durchschnittlich ausgeprägt zu bewerten. Der BF war in Österreich bisher nur kurz erwerbstätig und verfügt auch über kein eigenes, seinen Lebensunterhalt sicherndes Einkommen, weshalb nicht von einer beruflichen Integration in Österreich ausgegangen werden kann.

Es ist daher angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer nicht von einem derart intensiven Privatleben auszugehen, bei dem die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung zugunsten des BF ausfallen würde. Die Rückkehrentscheidung stellt jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar:

Die privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

Vor dem Hintergrund der nur etwa drei Jahre andauernden Ortsabwesenheit aus Vietnam liegen auch keine Anhaltspunkte vor, wonach der BF seinen Bezug zum Herkunftsland verloren hätte, wo er aufgewachsen ist, sozialisiert wurde und den deutlich überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens verbracht sowie studiert hat und mit den kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten hinreichend vertraut ist. Es kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass der BF während seines kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet sprachlich oder kulturell von seinem Hintergrund entwurzelt worden wäre. Auch ist nicht davon auszugehen, dass der BF bei Verbringung nach Vietnam mit unzumutbaren Schwierigkeiten konfrontiert wäre bzw. ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen, dass er bei Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine aussichtlose Lage geraten wird. Er verfügt über ein abgeschlossenes Studium, weshalb die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Außerdem verfügt er in Vietnam über Familienangehörige in Form von Eltern und Schwester.

Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), bei weitem schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, nach denen im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist daher nicht nur nicht geboten, sondern es war dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch verwehrt, über diesen überhaupt abzusprechen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seiner Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wären, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht gegenständlich nicht.

Wie die belangte Behörde bereits festgehalten hat, konnten keine Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Vietnam einer Verfolgungsgefährdung iSd. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Ihm ist als erwachsenen, jungen und arbeitsfähigen Mann mit sozialen und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat eine Rückkehr nach Vietnam zumutbar.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Vietnam ist gegeben, da keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

3.4. Zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

3.5. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Im Übrigen findet sich in der Beschwerdeschrift ein lediglich unsubstantiiertes Vorbringen, welches im konkreten Fall nicht dazu geeignet ist, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen. Was das Vorbringen in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser insbesondere kein neues Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger für die Vornahme der Interessensabwägung bzw. die Beurteilung des Privat- und Familienlebens des BF beachtlicher Aspekte und wird den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in den entscheidungswesentlichen Aspekten nicht entgegengetreten.

Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Interessenabwägung öffentliches Interesse Privat- und Familienleben Resozialisierung Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W222.2235961.1.00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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