TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W150 2204069-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W150 2204069-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau XXXX , geb. XXXX 1975, StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, ZVR-Zahl 460937540, gegen Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.11.2020, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin und sieben ihrer insgesamt acht zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Kinder reisten am 01.03.2017 mit dem Flugzeug legal und in Besitz eines österreichischen Visums nach Österreich ein.

Die Genannte stellte für sich und ihre sieben mitgereisten Kinder, als deren gesetzliche Vertreterin am 03.03.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz im Familienverfahren.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der BF statt. Dabei gab sie u.a. an, afghanische Staatsangehörige, sunnitische Muslimin und Angehörige der Volksgruppe der PASCHTUNEN zu sein. Ihrem Ehemann sei im Bundesgebiet der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, weshalb sie in Österreich denselben Schutz wie ihr Gatte beantrage. Weder sie selbst noch eines ihrer mitgereisten minderjährigen Kinder hätten eigene Fluchtgründe.

3. Am 25.01.2018 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Abermals bestätigte sie ausdrücklich, keine eigenen Fluchtgründe zu haben und verwies auf die Fluchtgründe ihres Mannes, ohne diese jedoch namentlich zu nennen (vgl. Seite 91 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

4. Neuerlich am 02.05.2018 von der Erstinstanz zu ihrer Antragstellung niederschriftlich befragt, bestätigte die Genannte die Richtigkeit ihrer bisherigen Angaben. Prinzipiell gesund, könne sie trotz fortgeschrittener Schwangerschaft problemlos die Verhandlung durchführen.

Eben diese Schwangerschaft hätte die Beschwerdeführerin bislang auch daran gehindert einen Deutschkurs zu besuchen, aber habe sie sich für die Zukunft eine entsprechende Teilnahme fest vorgenommen. „Nach der Entbindung bin ich bereit, einen Deutschkurs zu besuchen (Seite 153 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Ihre Zeit verbringe sie mit Computer- wie auch Fußballspielen. Im Bundesgebiet strebe sie für ihr weiteres Leben eine sichere und friedliche Existenz an. Beruflich interessiere sie sich hauptsächlich für „das Schlichten von Regalen (Seite 154 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)“, weshalb ihr eine Berufstätigkeit bei einer Supermarktkette besonders erstrebenswert erscheinen würde. Alternativ verfüge die Genannte zudem über eingehende Kenntnisse im Reinigungsbereich und traue sich durchaus zu in einem Kleidungsgeschäft zu arbeiten.

Ihre täglichen Einkäufe bei LIDL und PENNY führe sie mittlerweile ohne Beisein ihres Gatten durch und „habe ich hier ein gutes Leben (Seite 155 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ In ihrer Heimat wäre es für Frauen nicht möglich ohne Gesichtsschleier das Haus alleine zu verlassen. In Österreich begleite sie demgegenüber regelmäßig ihre Kinder in die jeweiligen Schul- und Kindergarteneinrichtungen und genieße die BF diese Bewegungsfreiheit in vollen Zügen. So nehme sie neben den täglichen Einkäufen auch selbstständig Arzttermine wahr. Ansonsten „bin ich zuhause und koche für die Kinder (Seite 155 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Auch Waschen zähle zu ihren regelmäßigen Beschäftigungen. Mitglied in einer Organisation oder einem Verein sei die Beschwerdeführerin hingegen nicht, aber sei es ihr wichtig, ihre Selbstständigkeit durch das tägliche Begleiten ihrer Kinder zu den jeweiligen Bildungseinrichtungen zu manifestieren. Sowohl ihre Söhne als auch ihre Töchter wären allesamt sehr sportlich, wenngleich nicht vereinsmäßig aktiv. Nachweise über deren zwischenzeitlich erworbenen Sprachkompetenzen könne sie aktuell nicht vorlegen, zumal „das alles bei meinem Ehemann ist (Seite 157 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Die Freunde ihrer Kinder hätten der Genannten auch regelmäßig bei ihren Einkäufen und Arztbesuchen geholfen. Kommunikationsversuche mit dem Einvernahmeleiter auf Deutsch schlugen fehl und sah sich die BF nicht dazu in der Lage ohne Dolmetscher Fragen zu beantworten. Begründend wurde ins Treffen geführt, wonach „ich sieben Kinder habe (Seite 157 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Abgesehen von ihrem Gatten und den gemeinsamen Kindern würden in Österreich keine Familienmitglieder leben. Zurück in ihr Herkunftsland wolle die Beschwerdeführerin keinesfalls, zumal dort die allgemeine Sicherheitslage schlecht sei. „Ich bin schwanger und bitte um Ihre Hilfe (Seite 157 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“

5. Am 03.05.2018 kam das achte Kind der Genannten in Österreich zur Welt. Selbiges stellte durch die BF als gesetzliche Vertreterin am 14.05.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.

6. In einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme ihres damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 26.06.2018 wurde für sich und drei ihrer Töchter zentral auf die westliche Orientierung der vier Frauen und den daraus resultierenden Folgen in Afghanistan im Falle deren Rückkehr verwiesen. Darauf basierend müssten die Beschwerdeführerin und deren drei namentlich genannte Töchter als „geschlechtsspezifisch verfolgt“ qualifiziert werden, zumal Diskriminierungen und erschwerter Zugang zur Bildung in deren Heimatland noch immer weit verbreitet seien. Das Weiteren wurde in einem „Exkurs“ auf den gewohnheitsrechtlichen Rechts- und Ehrenkodex der PASCHTUNEN verwiesen, welcher im Falle außerehelicher sexuelle Kontakte drakonische Strafen vorsehen würde.

7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder mit Bescheiden vom 18., 19., 26. respektive 27.07.2018 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

8. Gegen die Spruchpunkte I. dieser Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde insbesondere vorgebracht, die Genannte sei wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.11.2020 in den gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Beschwerdeverfahren eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Paschto durch, in welcher die BF ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Weiters wurden die maßgebliche Lage in Afghanistan, das Privat- und Familienleben der BF und ihre Integrationsschritte erörtert. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem BFA übermittelt.

Die rechtsfreundlich vertretene BF erklärte, dass sie gesund und verhandlungsfähig sei. Zu dem in der mündlichen Verhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterial gaben weder die BF noch ihr Vertreter eine Stellungnahme ab.

Die Einvernahme der BF (im Verhandlungsprotokoll als BF3 bezeichnet) gestaltete sich wie folgt:

„RI: Sind Sie gesund oder leiden Sie an Krankheiten?

BF1: Ich bin gesund.

RI: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente?

BF1: Zuhause nehme ich zurzeit, legt Medikamentenpackung vor: Mirtazapin 30mg abends.

RI: Führen Sie Ihren Namen seit Ihrer Geburt?

BF: Seit dem ersten Tag trage ich diesen Namen.

RI: Wie alt waren Sie als Sie geheiratet haben?

BF1: Ich habe acht Kinder.

RI wiederholt die Frage.

BF1: Mit 18 habe ich geheiratet.

RI: Wie hießen Sie vor Ihrer Ehe?

BF1: vorher habe ich natürlich den Familiennamen meines Vaters getragen und der gehört zu dem Stamm XXXX .

RI: Warum haben Sie mir dann vorher gesagt, dass Sie den Namen seit Ihrer Geburt tragen?

BF1: Ich habe Sie so verstanden, dass Sie meinen Vornamen meinen. Ich habe sowohl damals auch jetzt mit Vornamen XXXX geheißen. Mein Familienname ist XXXX . Früher war er XXXX .

RI: Wo sind Sie geboren?

BF1: Ich bin in der Provinz XXXX , dem Distrikt XXXX im Dorf XXXX geboren.

RI: Welches war denn die nächstgelegene größere Stadt?

BF1: Wir haben diese nächstgelegene Stadt XXXX genannt. Die nächstgelegene Stadt heißt XXXX und es war nicht weit, es war ziemlich in der Nähe.

RI: Und welche größere Stadt als XXXX war in der Nähe oder im Umkreis?

BF1: Die nächstgrößere Stadt heißt XXXX .

RI: Diese Stadt lässt sich auf der Landkarte mit Google auch noch nicht finden. Können Sie vielleicht eine wirklich größere Stadt mir nennen?

BF1: Die größte Stadt heißt XXXX .

RI: Ungefähr wie weit war denn XXXX von Ihrem Heimatdorf entfernt?

BF1: Es ist sehr weit, ich kann das nicht genau sagen.

RI: Können Sie mir sagen in welcher Himmelsrichtung XXXX von Ihrem Dorf aus lag?

BF1: Ich denke Richtung Süden muss man anschauen.

RI: Wäre da nicht XXXX näher gewesen als XXXX ?

BF1: Haben Sie Recht, XXXX ist eher näher.

RI: Wie ist es mit XXXX ?

BF1: Die kenne ich nicht.

RI: Sind Sie in Ihrem Heimatland Afghanistan unter anderen Namen, Spitznamen, Kampfnamen, Rufnamen bekannt?

BF1: Nein, ich habe nur diesen Namen.

RI: Sind Sie in anderen Ländern dieser Erde, einschließlich Österreich, unter anderen Namen bzw. Identitäten in Erscheinung getreten?

BF1: Ich trage immer nur diesen Namen.

RI: Haben Sie heute irgendwelche Dokumente (Ausweise, Bestätigungen, etc.) die ihre Person oder Familienangehörige betreffen, die noch nicht im Akt enthalten sind, die sie mir heute vorweisen wollen?

RV: Ich habe Integrationsunterlagen. Von Frau XXXX habe ich keine Integrationsunterlagen, […].

RI: Sie wurden durch Organwalter der LPD Wien und des BFA 2017 bzw. 2018 bereits ausführlich zu Ihren Erlebnissen, Lebensumständen und Fluchtgründen befragt. Haben Sie damals alles wahrheitsgemäß beantwortet?

BF1: Ich habe nur die Wahrheit gesagt. In beiden Einvernahmen habe ich nur die Wahrheit gesagt.

RI: Gehören Sie einer Kirche oder Religionsgemeinschaft an? Wenn ja, welcher? Wenn nein, haben Sie ein religiöses Bekenntnis?

BF1: Ich bin Moslem, Sunnit.

RI: Wie äußert sich ihre religiöse Überzeugung? Woran können Außenstehende erkennen, dass sie sunnitische Muslima sind?

BF1: Ja zum Beispiel ich verrichte das tägliche Gebet. Ich faste einmal pro Jahr.

RI: Das waren zwei Beispiele, gibt es noch andere Umstände?

BF1: Ich kann nur dieses Beispiel noch wiederholen. Ich bete 5-mal am Tag z.B.

RI merkt an, dass die BF1 einen dicken schwarzen Mantel trägt, darüber ein dickes großes Beige pastellfarbenes Kopftuch mit rosa Applikationen, dass sie um Kopf und Hals gewickelt hat.

RI: Halten Sie auch irgendwelche Bekleidungs- oder Speisegebote ein?

BF1: Ja, ich halte mich an Speisegebote und Verbote auch und deswegen selber kaufe ich immer ein und die Sachen die mir rein erscheinen oder gesund erscheinen, die benutze ich.

RI: Was erscheint Ihnen rein und gesund?

BF1: Zum Beispiel benutze ich Hendlfleisch, Schaffleisch, Rindfleisch und solche Sachen.

RI: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

BF: Ich bin Paschtuna.

RI: Der Ort den Sie vorhin erwähnt haben, haben Sie dort bis zu Ihrer Flucht gelebt?

BF1: Ja.

RI: XXXX ?

BF1: Ja.

RI: Stammt Ihr Mann auch aus diesem Ort?

BF1: Ja, er kommt auch aus XXXX .

RI: Haben Sie noch Verwandte (z.B. Eltern, Kinder, Geschwister) in Ihrer Heimat Afghanistan?

BF: Meine Eltern sind schon verstorben. Ich habe einen Bruder in Afghanistan, aber leider habe ich keinen Kontakt von ihm. Ich habe keine Telefonnummer von ihm, ich weiß nicht wo er ist. Ich weiß auch nicht, ob er lebt oder nicht.

RI: Wann hatten Sie denn das letzte Mal Kontakt mit Ihrem Bruder?

BF1: Im ersten Jahr, als ich nach Österreich gegangen bin, hatte ich den letzten Kontakt mit ihm.

RI: Wie heißt denn Ihr Bruder?

BF1: Er heißt XXXX .

RI: Haben Sie noch Verwandte in Österreich oder anderen Ländern dieser Erde?

BF1: Nein, ich habe hier nur Freunde und Bekannte, aber keine Familienmitglieder.

RI: Und in anderen Ländern dieser Erde?

BF1: Nein.

RI: Sind Sie ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden oder in einer eingetragenen Partnerschaft?

BF1: Ja, ich bin verheiratet.

RI: Wie viele Kinder haben Sie?

BF1: 8 Kinder.

RI: Welche Schul- bzw. Berufsausbildungen haben Sie?

BF1: Ich habe nie eine Schule besucht.

RI: Können Sie lesen und schreiben?

BF1: In Paschtu kann ich weder schreiben noch lesen, aber in Deutsch kann ich sowohl ein bisschen schreiben als auch lesen. Ich muss dazu sagen, das habe ich alles von meinen Kindern zuhause gelernt. Anders gesagt sie unterrichten mich.

RI: Haben Sie keine Kurse in Österreich besucht?

BF1: Nein.

RI: Welchem Beruf sind Sie vor ihrer Flucht nachgegangen?

BF1: Ich war Hausfrau. Außer Haushalt habe ich nichts Anderes gearbeitet und ich muss dazu sagen in der Zeit der Taliban konnte ich nicht mal hinausgehen geschweige denn arbeiten.

RI: Wie sind Sie von Afghanistan nach Österreich gelangt?

BF1: Das war so, dass mein Mann zuerst nach Österreich gegangen ist. Wir haben nachher auch wirklich eine harte Zeit gehabt. Wie gesagt es war manchmal so schwer, dass ich hinaus nicht gehen konnte und ich muss dazu sagen, wir haben dort den gesellschaftlichen Druck auch gespürt. Zum Beispiel man hat uns vorgeworfen, dass mein Mann ins Ausland gegangen sei und ungläubig geworden sei.

RI wiederholt die Frage.

BF1: Anfang von Afghanistan sind wir nach Pakistan gefahren.

RI: Wen meinen Sie mit wir?

BF1: Ich meine, meine Kinder und ich. Alle Kinder, nur ein Kind von mir ist hier geboren. Von Pakistan nach Österreich sind wir geflogen.

RI: Welche Stadt war denn das in Pakistan wo Sie waren?

BF1: XXXX .

RI: Wie lange haben Sie in XXXX verbracht?

BF1: Nur eine Nacht in einem Hotel.

RI: Haben Sie in anderen Orten in Pakistan Zeit verbracht?

BF1: Nein.

RI: Wie sind Sie von XXXX nach XXXX gelangt?

BF1: Von XXXX sind wir zuerst mit dem Auto nach XXXX gefahren. Von XXXX zur pakistanischen Grenze und nachher dann weiter nach XXXX .

RI: Mit was für einem Auto sind Sie denn nach XXXX gefahren?

BF1: Es war ein sehr großer LKW. Es war ein Datsun.

RI: War es offen oder geschlossen?

BF1: Der hintere Teil war gedeckt.

RI: Wie lange hat die Fahrt von XXXX nach XXXX gedauert?

BF1: Ca. eineinhalb Stunden.

RI: Sind Sie da in einem durchgefahren oder haben Sie Pausen gemacht?

BF1: Ohne Pause, nur durch.

RI: Wie sind Sie dann von XXXX zur Grenze gekommen?

BF1: Es war eine Art Minibus mit dem höchstens 8 Personen fahren können.

RI: Wie viele Personen sind damit gefahren?

BF1: Meine Kinder, ich und ich glaube noch ein oder zwei Personen sind darin gewesen.

RI: War das nicht sehr eng?

BF1: Ja, es hat nicht so wie eine Straßenbahn wie hier ausgeschaut der Platz aber es ging.

RI: Wie lang hat denn ungefähr die Fahrt von XXXX bis zur Grenze gedauert?

BF1: Zwischen 2 und 3 Stunden.

RI: Haben Sie da unterwegs Pausen eingelegt?

BF1: Sehr kurze, wenn die Kinder nur Wasser gebraucht haben dann schon, ansonsten sind wir durchgefahren.

RI: Sind Sie legal oder illegal von Afghanistan nach Pakistan gereist?

BF1: Nein, es war offiziell, weil mein Mann hat sich von hier um alles gekümmert.

RI: Von XXXX nach Österreich sind Sie dann mit dem Flugzeug geflogen?

BF1: Ja.

RI: Die Republik Österreich hat Ihnen bereits durch den von Ihnen bekämpften Bescheid subsidiären Schutz gewährt und eine, vorerst befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt. Warum streben Sie den Status des Konventionsflüchtlings an? Was glauben Sie, was sich dadurch für Sie ändern würde?

BF1: Ich bin heute deswegen bei Ihnen, weil ich habe Sorge, dass mit diesem Dokument was wir haben irgendwann meine Kinder da nicht mehr leben können. Aus diesem Grund bin ich bei Ihnen, dass sie mit der ruhigen Seele und Sicherheit lernen können und nachher damit diesem Land dienen können.

RI: Warum sind Sie aus Afghanistan geflüchtet?

BF1: Es war sehr unsicher, besonders wegen der Anwesenheit der Taliban. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Vorgestern hat man dort eine Universität angegriffen, bei diesem Angriff sind viele Leute, Lehrer und Lehrerinnen, Studenten und Studentinnen ums Leben gekommen.

RI: Sie haben mir vorher von Ihrem Bruder erzählt, was ist eigentlich mit Ihren 5 Schwestern?

BF1: Ja, das stimmt. Wir sind 6 Schwestern und ein Bruder.

RI: Wann sind Ihre Schwestern verstorben?

BF1: Sie leben alle.

Vorhalt: Sie haben mir vorher erzählt, dass Sie nur einen Bruder haben und Sie nicht wissen, ob er lebt. Von Ihren Schwestern haben Sie mir nichts erzählt, warum?

BF1: Ich dachte, ich habe früher das gesagt und ich brauche es heute nicht noch einmal sagen. Ich habe es so verstanden.

RI: Was ist mit Ihren 5 Schwestern? Wie geht es diesen?

BF1: Die leben alle in Afghanistan. Die sind alle verheiratet, das heißt sie leben an verschiedenen Orten und Dörfern.

RI: In welcher Provinz?

BF1: Einige in der Provinz XXXX und auch in XXXX .

RI: Erzählen Sie mir von jeder Schwester wo sie wohnt.

BF1: 2 Schwestern von mir leben in XXXX .

RI: Wie heißen diese Schwestern?

BF1: Die Schwestern die in XXXX leben heißen XXXX und XXXX . Die zwei die in XXXX leben heißen XXXX und XXXX . In XXXX lebt meine Schwester XXXX .

RI: In welcher Provinz befinden sich XXXX und XXXX ?

BF1: Das gehört zu der Provinz XXXX .

RI: Das heißt nur Ihre Schwester XXXX wohnt in XXXX ?

BF1: Ja.

Vorhalt: AS 89. Bei Ihrer Befragung durch das BFA vom 25.01.2018 haben Sie noch angegeben, dass alle Ihre Schwestern in XXXX wohnen.

BF1: Ich kenne mich mit den Orten nicht sehr gut aus, vielleicht habe ich deshalb gesagt damals.

RI: Sie haben mir vorhin erzählt, dass Sie geflüchtet sind wegen der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan vor allem wegen der Taliban. Habe ich Sie da richtig verstanden?

BF1: Ja, das stimmt. Sogar jetzt sind diese Orte von denen ich spreche nicht sicher.

RI: Was genau befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Afghanistan?

BF1: Ich glaube ich kann dort nicht mehr leben, d.h. wenn ich gehen müsste, dann würde ich auch keine andere Wahl haben, aber ich kann dort nicht mehr weiter leben.

Vorhalt: AS 91. Bei Ihrer Befragung durch das BFA haben Sie zu Ihren Fluchtgründen angegeben „Ich habe keine eigenen Fluchtgründe, meine Kinder und ich beziehen uns auf die Fluchtgründe meines Ehemannes“. Was möchten Sie mir dazu sagen?

BF1: Das stimmt, dass ich zu meinem Mann gezogen bin, da haben Sie zu 100% recht, trotzdem habe ich noch einen anderen Grund wegen der Anwesenheit der Taliban. Ich hoffe, dass sowohl ich als auch meine Kinder für immer hier bleiben können, damit sie hier weiter lernen können und später arbeiten können.

[…]

RI (auf Deutsch und nimmt zu diesem Zweck kurz die MNS-Maske ab): Erzählen Sie mir bitte wie bei Ihnen in Afghanistan ein normaler Tag war, was Sie da alles getan haben.

BF1 (auf Deutsch): Ja. Ich kommen aus Afghanistan. Ich wohne in Wien. 40 Jahre. 7. Bezirk. Ich heiße XXXX .

RI stellt die gleiche Frage mit D.

BF1: Meine Hauptaufgabe war den ganzen Tag mich um die Kinder zu kümmern. Es war sehr schwer, aber trotzdem irgendwie ging es. Für mich war es noch schwieriger, weil der Vater der Kinder hier in Österreich gewesen ist. Ich konnte auch nicht arbeiten, selbst wenn ich wollte, weil die Kinder waren zu jung. Deshalb sage ich, dass jeder normale Tag von mir sehr schwer ausgeschaut hat. Gott sei Dank hier geht es mir sehr gut, ich gehe z.B. selber einkaufen.

RI: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

BF1: Nein.

RI: Waren Sie sonst auf irgendeiner Weise politisch aktiv?

BF1: Ich war nie politisch tätig gewesen, ich bin ein sehr einfacher Mensch.

RI: Sie haben vorher gesagt, dass es schwierig war in Afghanistan, weil der Vater der Kinder in Österreich war. Wann ist denn Ihr Mann aus Afghanistan geflüchtet.

BF1: Ich kann das genaue Datum nicht sagen, aber es ist schon seit langem.

RI: Wie lange waren Sie mit den Kindern allein in Afghanistan ohne Ihren Mann?

BF1: Ca. 4 Jahre haben wir alleine gelebt.

RI: Und warum ist Ihr Mann aus Afghanistan geflüchtet, wissen Sie das?

BF1: Er hat ein großes Problem mit seinem Cousin gehabt und deswegen glaube ich, dass er Afghanistan verlassen musste.

RI: Wie stellen Sie sich Ihr weiteres Leben in Österreich vor?

BF1: Als erstes muss ich sagen, dass ich mir wünsche, dass meine Kinder hier weiter lernen können und ich werde auch selber arbeiten, egal was, in welchen Beruf ich eine Chance kriege habe ich vor selber zu arbeiten. Dafür bin ich auch dankbar, dass ich alleine hinausgehen kann. Das heißt ich bringe die Kinder zum Schwimmen und so weiter.

RI: Haben Sie Berufsvorstellungen?

BF1: Ich kann sehr gut nähen, aber zurzeit Zuhause versuche ich wirklich jeden Tag etwas zu schreiben und auch das Lesen weiter zu lernen.

RI: Sie haben dem BFA gegenüber gesagt, dass Sie bei Lidl oder Spar arbeiten wollen. Glauben Sie, dass Sie dort nähen müssen?

BF1: Das kann ich auch natürlich, keine Frage, aber wie gesagt, ich muss dafür mein Deutsch erst verbessern. Ich habe auch gemeint, ich kann sehr gut nähen.

RI: Sind Sie bei irgendwelchen Vereinen Mitglied?

BF1: Nein, ich bin kein offizielles Mitglied, aber ich bringe die Kinder zum Schwimmen. Ich versuche selber zu wandern oder zu gehen, aber Mitglied bin ich nicht.

RI: Was haben Sie für Hobbies?

BF1: Ich muss ehrlich sagen meine Freizeit ist eher beschränkt bzw. sehr wenig. Ich bezeichne das auch als Vergnügen und Arbeit zusammen.

RI: Haben Sie EDV-Kenntnisse?

BF1: Ich kann EDV-mäßig nur schreiben, mehr kenn ich mich nicht aus. Natürlich wenn die Kinder arbeiten, ich schaue dabei zu jeden Tag.

RI: Wie ist denn das, wenn Sie schreiben? Was machen Sie da mit dem Computer?

BF1: Am Anfang ehrlich gesagt konnte ich überhaupt nicht, aber jetzt kenne ich die Tasten die Buchstaben sind und die Tasten die Zahlen sind und somit kann ich auch etwas Leichtes schreiben.

RI: Mit welchem Programm schreiben Sie?

BF1: Den Namen kenne ich nicht ehrlich gesagt.

RI: Beziehen Sie ein Einkommen in Österreich?

BF1: Ehrlich gesagt, ich weiß das nicht. Das ganze verwaltet mein Mann. Er selber arbeitet und wir beziehen auch Hilfe dazu, aber ich weiß nicht genau, weil er verwaltet das.

RI: Gibt es irgendwelche anderen Dinge oder Aktivitäten mit denen Sie mir Ihre Integration in Österreich näher darlegen wollen?

BF1: Ja, ich habe eine sehr gute Freundin, eine Österreicherin die sowohl meine Freundin ist als auch unterrichtet sie mich und bei ihr versuche ich lesen und schreiben zu lernen. Wie gesagt von den Kindern lerne ich auch. Sogar die Spiele die sie miteinander machen versuche ich zuzuschauen und etwas zu lernen.

RI: Ich habe vorläufig keine weiteren Fragen an Sie. Möchten Sie mir noch etwas sagen?

BF1: Ich habe nichts mehr weiter zu sagen, als eine Bitte. Ich habe eine Bitte, geben Sie uns die Möglichkeit hier weiter zu lernen und auch meine Kinder. Das wäre alles.

RI an RV: Haben Sie Fragen?

RV: Ja.

RV: Inwiefern ist Ihr Leben jetzt anders als in Afghanistan?

BF1: Es gibt einen großen Unterschied zwischen hier und dort und um ein Beispiel zu nehmen: Ich kann hier selber alleine einkaufen gehen und entscheiden was ich kaufen möchte. Wie gesagt meine ersten Termine mache ich selbst, niemand anders macht das für mich. Ich kann die Kinder selber hinbringen wo ich möchte, solche Sachen hätte ich dort nie machen können.

RV: Was können Sie über die Integrationsbemühungen Ihrer Töchter berichten?

BF1: Sie sind sehr gut beschäftigt. Sie gehen in die Schule, sie gehen gerne ins Museum und sie dürfen selber spazieren gehen, selber hinausgehen und sie spüren keinen Druck. Die haben ihre eigenen Freunde und Bekannte.

RV: Haben die Kinder die westliche Kultur angenommen?

BF1: Ja, sie haben sich fast gewechselt.

RV: Keine weiteren Fragen.

RI: Was verstehen Sie unter westlicher Kultur?

BF1: Ich persönlich kenne mich nicht sehr gut aus, ich sage es ehrlich.

[…]

BF1 betritt um 13:19 Uhr den Saal.

RI: Ich habe noch ein paar Fragen an Sie.

BF1: Ja.

RI: Sie sagten vorhin bei Ihrer Befragung, dass Sie von XXXX aus über Pakistan nach Österreich geflüchtet sind. Ist das richtig?

BF1: Ja, das stimmt.

[…]

RI: Sie waren gemeinsam mit Ihren Kindern unterwegs, ist das richtig?

BF1: Ja, wir waren zusammen. Ja, wir waren alle zusammen.

RI: Haben Sie in Afghanistan auf längere Zeit auch in anderen Orten gelebt?

BF1: Ich muss sagen ich habe früher 3 Monate auch in Pakistan gelebt.

RI: Ihr ältester Sohn hat uns vorhin erzählt, dass Sie 2 Jahre lang in XXXX gelebt haben, was sagen Sie dazu?

BF1: Ich glaube er ist dazu zu jung gewesen. Er hat statt drei Monate wahrscheinlich drei Jahre gesagt, ich weiß es nicht.

RI: Ist Ihr Sohn verheiratet?

BF1: Ja, er ist verheiratet, aber wir haben keine große Hochzeit gehabt. Die haben nur Nika gemacht. Nika heißt islamische Eheschließung mit zwei Zeugen.

RI: Sie verheiraten einen Sohn, der noch nicht in der Lage ist zwischen Monaten und Jahren zu unterscheiden?

BF1: Vielleicht hat er sich versprochen, weil wir sowohl in XXXX als auch in XXXX zusammen waren.

RI an RV: Haben Sie noch Fragen?

RV: Nein.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Genannte führt den Namen XXXX und ist am XXXX 1975 geboren. Sie ist mit XXXX , geboren am XXXX 1973, traditionell und standesamtlich verheiratet, dem mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle EISENSTADT, vom 23.09.2011 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Der Antrag des Ehemannes der BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde unter einem rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Die BF und ihr Gatte haben gemeinsam acht – größtenteils minderjährige –Kinder, die sich ausnahmslos im selben Verfahren befinden.

Die Genannte ist afghanische Staatsangehörige, Vertreterin der Volksgruppe der PASCHTUNEN und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Die Beschwerdeführerin wurde in Dorf XXXX im gleichnamigen Distrikt der Provinz XXXX in Afghanistan geboren, wo sie auch aufwuchs. Sie ist Analphabetin und verfügt über keinerlei Schul- oder Berufsausbildung. Ihr Ehemann reiste bereits im Jahre 2011 nach Europa. Die Genannte lebte gemeinsam mit ihren Kindern weitere sechs Jahre lang in Afghanistan.

Die BF und sieben ihrer insgesamt acht – größtenteils minderjährigen – Kinder reisten legal mittels Flugzeug und einem Visum nach Österreich ein und stellten am 03.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Für das in Österreich nachgeborene Kind stellte die Beschwerdeführerin als dessen gesetzliche Vertreterin am 14.05.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.

Die Muttersprache der Genannten ist PASCHTU.

Die mündigen minderjährigen und die volljährigen Töchter der BF haben eine westliche Lebensweise angenommen.

Die BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Leben der Beschwerdeführerin in Österreich

Die BF ist mit ihren Kindern legal am Luftweg nach Österreich eingereist und hält sich zumindest seit dem 01.03.2017 durchgehend im Bundesgebiet auf. Aktuell verfügt die Genannte über äußerst bescheidene Kenntnisse der deutschen Sprache, die ihr die Kommunikation über Dinge des täglichen Lebens bestenfalls rudimentär ermöglichen. Offiziell hat die Antragstellerin keinerlei Sprachprüfung absolviert. Seit ihrer illegalen Einreise ausschließlich von Leistungen der Grundversorgung abhängig, ging die Beschwerdeführerin bislang keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

Im österreichischen Bundesgebiet verfügt die BF an Kernfamilienmitgliedern über ihren Ehemann sowie acht überwiegend minderjährige Kinder.

Ihre Zeit in Österreich verbringt die Genannte vorwiegend mit Spaziergängen, Haushaltsführung und Einkäufen. Allfällige soziale Kontakte zur heimischen Bevölkerung sind im Verfahren nicht behauptet oder dargetan worden.

1.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin

Die BF hat hinsichtlich ihrer Fluchtgründe kein individuelles Vorbringen erstattet beziehungsweise wurde auf das Verfahren des Gatten verwiesen. Ihre Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu den Umständen der Flucht und ihrem Leben in Afghanistan waren in sich widersprüchlich und daher unglaubwürdig.

Die lapidar in den Raum gestellte und durch keinerlei Beweismittel belegte angebliche westliche Orientierung der BF konnte im Verfahren nicht positiv festgestellt werden.

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie spricht sehr wenig Deutsch und kümmert sich in Österreich primär um den Haushalt und die Kinder, was sie auch in Afghanistan getan hat.

Der Genannten droht nicht alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zur dominierenden Volksgruppe der PASCHTUNEN oder zur sunnitischen Religion konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig ist jeder Angehörige der Volksgruppe der PASCHTUNEN oder der sunnitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Es kann festgestellt werden, dass es der BF und deren Kinder nicht unmöglich oder unzumutbar wäre, sich in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren, und dass der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Geschlechts als verheiratete Frau in Afghanistan keine physische und/oder psychische Gewalt droht und sie deswegen keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Festgestellt werden kann, dass der Genannten keine Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Fluchtgründe des Ehemannes droht. Dessen Fluchtgründe wurden mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle EISENSTADT, vom 23.09.2011 als nicht glaubhaft erachtet.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr der Antragstellerin in den Herkunftsstaat

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan kann die BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten könnte. Im Falle einer Verbringung der Genannten in ihren Herkunftsstaat droht dieser daher kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, letzte Information 21.07.2020 - Anm.: die Quellenangaben finden sich in den Länderberichten selbst):

Neueste Ereignisse:

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, dieTaliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a). Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u. a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht.

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019). Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b). Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019).

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten.

Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019). Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und USVertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen.

Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen USVertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019). Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere „temporäre“ Distrikte – Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) –, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Auch im Vergleich z

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten