Entscheidungsdatum
24.11.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W202 2237041-1/2E
W202 2237041-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan,
A)
I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2020, Zahl: 1182911807/200647317, wird gemäß § 33 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
II. beschlossen:
Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2020, Zahl: 1182911807/200647317, wird gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 27.02.2018 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, aus Afghanistan zu stammen und am XXXX geboren zu sein.
Zu seinem Fluchtgrund gab er in diesem ersten Asylverfahren an, dass er sein Heimatland aufgrund von Feindschaften verlassen habe. Diese hätten seinen Vater getötet und ihm ebenfalls mit dem Tod gedroht.
Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 09.03.2018, Zahl: 1182911807/200647317, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht (Spruchpunkt III.), erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gem. § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und setzte die Frist für seine freiwillige Ausreise gem. § 55 Abs. 1–3 mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
Dieser Bescheid erwuchs mit 09.04.2018 in Rechtskraft.
Am 29.01.2020 wurde der BF das erste Mal aus der Schweiz rücküberstellt.
Bereits am 30.01.2020 war der BF wiederum unbekannten Aufenthalts.
Am 27.07.2020 wurde der BF erneut aus der Schweiz rücküberstellt und stellte einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Dabei brachte der Beschwerdeführer vor, dass die alten Asylgründe noch immer gelten würden. Ein mächtiger Kommandant sei in ihrem Dorf getötet worden. Sie hätten seinen Bruder beschuldigt, dass er diesen getötet habe. Sein Bruder sei nach Europa geflüchtet und sie hätten anstelle seines Bruders ihn töten wollen, weswegen er aus seiner Heimat geflüchtet sei.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 25.08.2020, Zahl: 1182911807/200647317, gemäß § 68 Abs. 1 AsylG 2005 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gem. §52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG bestehe keine Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG wurde gegen den BF ein Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren ausgesprochen (Spruchpunkt V.).
Der BF übernahm diesen Bescheid nachweislich am 28.08.2020.
Die Rechtsmittelfrist gegen den oben angeführten Bescheid verstrich mit Ablauf des 11.09.2020, ohne dass ein Rechtsmittel erhoben wurde. Der Bescheid erwuchs somit am 12.09.2020 in Rechtskraft.
Am 25.09.2020 langte beim BFA eine Beschwerde samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §71 AVG gegen den rechtskräftigen Bescheid ein.
Am 07.10.2020 langte eine Beschwerdeergänzung datiert mit 05.10.2020 bei der Behörde ein.
Zum Wiedereinsetzungsantrag brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor:
Der Wiedereinsetzungswerber leide seit Monaten an schweren Depressionen und Suizidgedanken. Dies habe der Wiedereinsetzungswerber der Behörde bereits während seiner Einvernahme mitgeteilt. Auch auf der Krankenstation in der EASt Ost habe der Beschwerdeführer regelmäßig angegeben, unter Depressionen und Schlafstörungen zu leiden. Der Wiedereinsetzungswerber sei auch nach Zustellung des Bescheides in einem sehr schlechten psychischen Zustand gewesen und aufgrund der Einnahme seiner Medikamente derart eingeschränkt, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die nur zweiwöchige Rechtsmittelfrist zu wahren. Derzeit sei der Wiedereinsetzungswerber aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes stationär im Krankenhaus Baden in Behandlung. Aufgrund der Intervention seines Bruders sei die Kontaktaufnahme mit der ARGE Rechtsberatung schließlich erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist möglich gewesen. Die Dispositionsfähigkeit des Wiedereinsetzungswerbers sei aufgrund des schlechten psychischen Zustandes beeinträchtigt gewesen und könne ihm das Unterlassen jener Schritte, die für die Wahrung der Frist erforderlich gewesen wären, nicht mehr als einen minderen Grad des Versehens übersteigerndes Verschulden vorgeworfen werden und jedenfalls keine auffallende Sorglosigkeit angelastet werden.
Mit Bescheid vom 12.10.2020, Zahl: 1182911807/200647317, wies das Bundesamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ab und erkannte dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung nicht zu.
Begründend führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer in engmaschiger medizinischer Betreuung in Form von täglicher Medikamentenvergabe gestanden sei und es könne daher der in den Raum gestellten Vermutung von schweren Depressionen und Suizidgedanken während der gesamten Rechtsmittelfrist nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer sei in seiner Einvernahme am 17.08.2020 befragt worden, ob er psychisch und physisch in der Lage sei, die Befragung zu absolvieren, wobei er geantwortet habe, dass er in psychotherapeutischer Behandlung sei, aber er sei in der Lage, die Befragung zu machen. Auch zum Zeitpunkt der Verfassung des gegenständlichen Antrags auf Wiedereinsetzung sei der Beschwerdeführer nicht mehr in stationärer Behandlung gewesen, die lediglich vom 17.09.2020 bis zum 22.09.2020 stattgefunden habe. Selbst zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme am 17.09.2020 sei der Beschwerdeführer, laut vorliegendem Entlassungsbrief, ausreichend und glaubhaft von Suizidgedanken distanziert gewesen. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, da er erst nach der Rechtskraft in das Krankenhaus eingeliefert worden sei. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass in seinem konkreten Fall kein minderer Grad des Versehens vorliege und er auch nicht durch ein unvorhergesehenes bzw. ein unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Beschwerdefrist einzuhalten.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte hiezu Folgendes vor:
Der Beschwerdeführer leide seit Monaten an schweren Depressionen und Suizidgedanken, auf Anraten seiner Mitbewohner und der betreuenden Rechts- und Sozialberatung habe er auch regelmäßig die Krankenstation der Erstbetreuungsstelle aufgesucht und um psychologische Betreuung ersucht. Ihm seien lediglich täglich Psychopharmaka und Schlafmittel verabreicht worden, um seine Symptome zu lindern. Die Beiziehung eines Psychologen oder Psychiaters vor Ort sei mit der Begründung, dies sei aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie nicht möglich, verweigert worden. Gerade aufgrund seiner schlechten psychischen Verfassung sei der Beschwerdeführer mit starker Medikation behandelt worden und sei auch evident, dass bei regelmäßiger Einnahme starker Antidepressiva und insbesondere auch Schlafmittel massive Nebenwirkungen wie Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit auftreten könnten. Die Einlieferung in das Krankenhaus Baden sei sehr wohl erfolgt. Aufgrund der mehrfach erfolglosen Versuche des Beschwerdeführers, aus Eigenem bei der Krankenstation eine Weiterüberweisung in das Krankenhaus Baden zu erwirken, sei dies erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, nämlich als es dem Beschwerdeführer bereits so schlecht gegangen sei, dass seine Zimmerkollegen sich an die Unterkunftsbetreuung und diese sich an die Rettungskräfte hätten wenden müssen. Im Zeitraum zwischen 15.07.2020 und 15.09.2020 sei der Beschwerdeführer drei Mal im Haus 7 (Krankenstation der Erstbetreuungsstelle) vergeblich vorstellig gewesen, um sich psychologische Hilfe zu organisieren. Am 17.09.2020 sei der Beschwerdeführer aufgrund seines schlechten Zustandes von der Rettung abgeholt und in das Landesklinikum Baden verbracht worden.
Zwei Tage nach Erhalt des negativen Asylbescheides habe der Beschwerdeführer auf Anraten seines Bruders einen ihn unbekannten Anwalt in Wien aufgesucht, welcher den Beschwerdeführer nach den Unterlagen des Erstverfahrens gefragt und ihm eine Woche später einen Termin gegeben habe. Als der Beschwerdeführer jedoch zu diesem Termin erschienen sei, sei besagter Anwalt gerade im Urlaub gewesen und habe der Beschwerdeführer unverrichteter Dinge wieder zurück nach Traiskirchen fahren müssen. Daraufhin habe er sich am 17.09.2020 an die offene Beratung der ARGE Rechtsberatung gewandt, woraufhin am 25.09.2020 binnen vorgeschriebener zweiwöchiger Wiedereinsetzungsfrist gegenständlicher Antrag gestellt worden sei.
Der Wiedereinsetzungswerber sei nach Zustellung des negativen Bescheides in einem sehr schlechten psychischen Zustand und aufgrund der Einnahme seiner Medikamente derart eingeschränkt gewesen, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die nur zweiwöchige Rechtsmittelfrist zu wahren. Soweit es dem Beschwerdeführer möglich gewesen sei, habe dieser auch versucht, mit diversen beratenden Einrichtungen in Kontakt zu treten, es sei ihm jedoch aufgrund der gerade zurzeit wegen der Corona-Krise sehr unregelmäßigen Öffnungszeiten verschiedener Hilfseinrichtungen nicht möglich gewesen, dabei die gesetzliche Rechtsmittelfrist zu wahren. Angesichts bereits ausgeführter Bemühung des Beschwerdeführers, sich trotz seines Zustandes um die Angelegenheit zu kümmern und angesichts bereits erwähnter momentaner schwerer Zugänglichkeit der Beratungs- und Betreuungsstellen könne dem Beschwerdeführer als überdies rechtlichem Laien keinesfalls über die gesetzlich definierte leichte Fahrlässigkeit hinausgehendes Verschulden vorgeworfen werden, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben gewesen wäre.
Aufgrund der Intervention seines Bruders sei die Kontaktaufnahme mit der ARGE Rechtsberatung schließlich erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist möglich gewesen. Aufgrund des schlechten psychischen Zustandes des Wiedereinsetzungswerbers war seine Dispositionsfähigkeit beeinträchtigt und könne ihm das Unterlassen jener Schritte, die für die Wahrung der Frist erforderlich gewesen wären, nicht mehr als einen minderen Grad des Versehens übersteigerndes Verschulden vorgeworfen werden und jedenfalls keine auffallende Sorglosigkeit angelastet werden.
Feststellungen:
Der obige dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.
Der Beschwerdeführer leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung und wurde während der Rechtsmittelfrist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2020 medikamentös behandelt, vom 17.09.2020 bis 22.09.2020 war der Beschwerdeführer diesbezüglich im Landesklinikum Baden in stationärer Behandlung.
Eine Erkrankung, die die Dispositionsfähigkeit vollständig ausschließt, lag beim Beschwerdeführer während der genannten Rechtsmittelfrist nicht vor. Während der aufrechten Rechtsmittelfrist war der Beschwerdeführer mit seinem Bruder in Kontakt, auf dessen Anraten hin suchte der Beschwerdeführer zwei Tage nach Erhalt des negativen Asylbescheides einen Anwalt in Wien auf. Ein weiterer Termin beim Anwalt eine Woche später schlug fehl. Der BF wandte sich am 17.09.2020 an die Beratung der ARGE Rechtsberatung, die für ihn den Wiedereinsetzungsantrag und die Beschwerde einbrachte.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten, die insofern unzweifelhaft sind.
Die Erkrankung und der stationäre Aufenthalt im Krankenhaus Baden ergeben sich aus dem diesbezüglichen Bericht des Landesklinikums Baden vom 22.09.2020.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer während der Rechtsmittelfrist gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2020 nicht dispositionsunfähig war, ergibt sich aus den eigenen Aussagen des Beschwerdeführers etwa in seiner Beschwerde, wenn er darin angibt, dass er während der Rechtsmittelfrist einen Anwalt in dieser Sache aufgesucht habe. Ebenso ergibt sich aus den Ausführungen des BF, dass er während der Rechtsmittelfrist mit seinem Bruder in Kontakt stand.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. I 1961/194, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. I 1950/173, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. I 1984/29, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl. I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
§ 16 Abs. 6 und 8 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Zu A)
Zu Spruchpunkt I.)
Die Bestimmungen des VwGVG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lauten wie folgt:
„§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25. 11.2015, Ra 2015/06/0113; 08.06.2015, Ra 2015/08/0005; 17.03.2015, Ra 2014/01/0134; 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag gestellt wird (vgl. VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/20/0534). Den Wiedereinsetzungswerber trifft somit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen; es ist nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden könnten (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0268 unter Bezugnahme auf das dg. Erkenntnis vom 28.01.1998, Zl. 97/01/0983). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bleibt die Partei im Verfahren wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden. Eine Auswechslung dieses Grundes im Berufungsverfahren ist rechtlich unzulässig (vgl. VwGH 28.02.2000, Zl. 99/17/0317; VwGH 30.11.2000, Zl. 99/20/0543; VwGH 25.02.2003, Zl. 2002/10/0223).
Eine krankheitsbedingte Säumnis erfüllt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann, wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt hat oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung in einem milderen Licht – nämlich als bloß minderer Grad des Versehens – zu beurteilen ist (VwGH 22.07.2004, 2004/20/0122, mwN). Für die Wiedereinsetzung reicht es nicht aus, wenn die Partei gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst zu setzen. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nur vor, wenn die Partei auch gehindert war, der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen – im Besonderen durch Beauftragung eines Vertreters – entgegen zu wirken (VwGH 29.11.2007, 2007/21/0308) bzw. ihr auch insofern nur ein leicht fahrlässiges Fehlverhalten vorgeworfen werden könnte (vgl. VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0057).
Wie oben festgestellt, lag im gegenständlichen Fall eine Dispositionsunfähigkeit des Beschwerdeführers während der Rechtsmittelfrist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2020 nicht vor. Es kann aber auch nicht erkannt werden, dass die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt gewesen sei, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung als bloß minderer Grad des Versehens zu beurteilen wäre. So geht aus dem Beschwerdevorbringen hervor, dass der Beschwerdeführer sich während der in Rede stehenden Rechtsmittelfrist bewusst war, dass Schritte zu setzen waren, indem er auf Anraten seines Bruders einen Anwalt aufsuchte. Es kann aber nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer in der Folge derart gesundheitlich beeinträchtigt gewesen wäre, dass er nach dem behaupteten Zerschlagen des zweiten Termins beim Anwalt keine weiteren Schritte zur Einbringung eines Rechtsmittels zu setzen im Stande gewesen wäre, bzw. hat der Beschwerdeführer nicht konkret dargetan, dass er danach irgendwelche Schritte gesetzt hätte, etwa das Kontaktieren seines Bruders, um Hilfe bei der Einbringung eines Rechtsmittels zu erlangen, oder dass er konkret versucht habe, bei der Rechtsberatung, von dessen Existenz er aufgrund seiner bisherigen Verfahren wissen musste, Hilfe bei der rechtzeitigen Einbringung eines Rechtsmittels gesucht hätte. Der bloß allgemeine Hinweis in der Beschwerde, dass der BF, soweit es ihm möglich gewesen sei, versucht habe, mit diversen Einrichtungen in Kontakt zu treten, die Hilfseinrichtungen aber aufgrund der Corona-bedingten Situation schwieriger zu erreichen seien, vermag aber ein konkretes Bemühen wie oben dargestellt nicht aufzuzeigen, da nicht ersichtlich ist, wie diesfalls eine Kontaktnahme mit dem Bruder oder Hilfseinrichtungen verunmöglicht gewesen wäre. Das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung kann daher im gegenständlichen Fall auch nicht als bloß minderer Grad des Versehens beurteilt werden (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0070).
Ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund liegt daher nicht vor.
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG ist festzuhalten, dass die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid mit vorliegendem Erkenntnis in der Sache selbst erledigt wird und sich somit ein Abspruch hierüber zu diesem Zeitpunkt erübrigt. Die mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einhergehende Suspendierung der mit der Versäumung verbundenen Rechtswirkungen ist mit Ergehen dieses abweisenden Erkenntnisses obsolet geworden (vgl. BVwG 14.04.2020, W282 2215305-2/5E; VwGH 20.04.2017, Ra 2017/19/0113).
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiedereinsetzung wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Der für die Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrags maßgebliche Sachverhalt ist aufgrund der Aktenlage ausreichend geklärt. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden.
Zu Spruchpunkt II.)
Gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes in den Fällen des Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 AsylG 2005, sofern der Status des Asylberechtigten aberkannt und die Aberkennung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde, beträgt abweichend von § 7 Abs. 4 erster Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, zwei Wochen. Dies gilt nicht, wenn es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung um einen unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17 NAG) handelt oder die aufenthaltsbeendende Maßnahme mit der Feststellung verbunden ist, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden unzulässig ist.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der
1.
ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist,
2.
ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht oder
3.
eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird,
sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 25.08.2020, Zahl: 1182911807/200647317, wurde am 28.08.2020 vom BF übernommen und sohin mit diesem Tag rechtswirksam zugestellt. Die Frist des § 16 Abs. 1 BFA-VG endete sohin mit Ablauf des 11.09.2020.
Da die Beschwerde erst mit Schriftsatz vom 24.09.2020 eingebracht wurde, war diese als verspätet zurückzuweisen, zumal auch wie oben ausgeführt dem vom Beschwerdeführer diesbezüglich eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben war.
Da die Beschwerde zurückzuweisen war und zudem der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W202.2237041.1.00Im RIS seit
05.02.2021Zuletzt aktualisiert am
05.02.2021