TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/26 W228 2141983-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W228 2141983-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 1997, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 11.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.10.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass sein Bruder als Dolmetscher für amerikanische Soldaten gearbeitet und deshalb Probleme mit den Taliban bekommen habe. Sein Bruder habe bereits vor drei Jahren Afghanistan verlassen. Der Beschwerdeführer sei sechs Monate vor seiner Ausreise mehrmals von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden. Einmal sei er in der Nacht entführt worden.

Der Beschwerdeführer wurde am 24.01.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er in Kabul geboren sei und bis vor ca. fünf Jahren dort gelebt habe. Dann sei er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Kapisa zu seinen Großeltern übersiedelt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass es eines Abends im Juli oder August 2015 an der Tür geklopft habe. Die Mutter und der Opa des Beschwerdeführers seien zur Tür gegangen und der Beschwerdeführer habe 15 vermummte Männer – es müsse sich um Taliban gehandelt haben - gesehen. Die Mutter des Beschwerdeführers habe geweint und den Beschwerdeführer aufgefordert durch die Hintertür zu flüchten. Der Beschwerdeführer habe in der Folge die Nacht bei seiner Tante verbracht. Am nächsten Tag seien der Opa und die Mutter des Beschwerdeführers gekommen und hätten gesagt, dass die Leute ins Haus gekommen und den Beschwerdeführer gesucht hätten. Daraufhin habe der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 24.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden.

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 09.08.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Vater des Beschwerdeführers Offizier beim Militär sei, ein Bruder des Beschwerdeführers Dolmetscher für die amerikanischen Soldaten gewesen sei und zwei andere Brüder des Beschwerdeführers für die afghanische Polizei bzw. den Geheimdienst arbeiten würden. Der Beschwerdeführer sei aufgrund der Tätigkeit seiner Familienmitglieder für die afghanische Regierung von den Taliban bedroht worden und sei nur knapp einem Angriff bzw. einer Entführung entkommen. Dem Beschwerdeführer wäre Asyl, zumindest jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 01.09.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 06.09.2017 übermittelte die damalige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers Fotos der Dienstausweise des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 02.11.2020 übermittelte die nunmehrige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers diverse Integrationsunterlagen betreffend den Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 09.11.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführt. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen. Im Zuge der Verhandlung wurde der Bruder des Beschwerdeführers als Zeuge einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer heißt XXXX , ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX 1997. Er wurde in Kabul geboren und hat dort einige Zeit lang mit seiner Familie gelebt, bevor er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zu seinem Großvater nach Kapisa gezogen ist, wo er schließlich bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gelebt hat. Wann genau der Umzug von Kabul nach Kapisa erfolgt ist, konnte nicht festgestellt werden.

Die Mutter, der Großvater und die Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Kapisa an der Adresse, an der auch der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Afghanistan mit seiner Familie gelebt hat.

Der Vater des Beschwerdeführers ist Offizier beim afghanischen Militär und lebt in Kabul. Ein Bruder des Beschwerdeführers arbeitet bei der Polizei in Afghanistan und ein anderer Bruder des Beschwerdeführers arbeitet beim afghanischen Geheimdienst. Diese beiden Brüder haben keinen fixen Wohnort in Afghanistan, sondern leben jeweils dort, wo sie gerade Dienst haben. Die in Kapisa lebenden Angehörigen des Beschwerdeführers werden vom Vater sowie den beiden Brüdern des Beschwerdeführers finanziell unterstützt. Auch der in Österreich lebende Bruder des Beschwerdeführers unterstützt die in Kapisa lebenden Angehörigen finanziell.

Der Beschwerdeführer ist ledig. Er ist volljährig. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er ist Tadschike, sunnitischer Moslem und spricht Dari. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan acht Jahre lang die Schule besucht. Danach hat er als Bauer auf dem familieneigenen Grundstück gearbeitet.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens 11.10.2015 in Österreich. Er ist illegal in das Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Ein Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , welcher in Afghanistan als Dolmetscher für die US-Armee gearbeitet hat, lebt in Österreich. Ihm wurde der Status des Asylberechtigten rechtskräftig zuerkannt.

XXXX lebt in 1100 Wien. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Bruder ein- bis zweimal pro Woche persönlichen Kontakt, dabei gehen sie zusammen spazieren, lesen oder sehen fern. Der Beschwerdeführer wird von seinem Bruder finanziell unterstützt; er bekommt von ihm gelegentlich Geld beispielsweise für Kleidung. Der Beschwerdeführer ist von seinem Bruder nicht finanziell abhängig und wohnt auch nicht mit ihm zusammen. Der Beschwerdeführer hilft seinem Bruder gelegentlich im Haushalt, wenn er ihn besucht.

Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutsch- und Integrationskurse besucht. Er hat von September 2018 bis März 2020 am Sprachcafe teilgenommen. Seit 26.04.2019 ist der Beschwerdeführer ehrenamtlich im Pensionisten-Wohnhaus Augarten tätig. Er hat an einem Schwimmkurs im Rahmen eines Flüchtlingsprojekts teilgenommen und hat am 13.09.2018 einen Werte- und Orientierungskurs besucht.

1.2. Zum Fluchtgrund

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm keine asylrelevanten Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates dargetan. Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgungsgefahr durch die Taliban droht.

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer als Rückkehrer mit westlicher Orientierung in Afghanistan einer Verfolgung nicht ausgesetzt wäre.

1.3. Zur Situation im Falle der Rückkehr:

Bei einer Rückkehr in die Provinz Kapisa kann eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des Beschwerdeführers aufgrund der instabilen Sicherheitslage sowie der schlechten Erreichbarkeit dieser Provinz nicht ausgeschlossen werden.

Der Beschwerdeführer kann sich stattdessen im Rückkehrfall in Mazar-e Sharif niederlassen und mittelfristig dort eine Existenz aufbauen. Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut und wuchs in einem afghanischen Familienverband auf. Der Beschwerdeführer lebte zwar nie in Mazar-e Sharif und verfügt dort auch über keine familiären Anknüpfungspunkte. Er könnte jedoch in Mazar-e Sharif von seinem in Kabul lebenden Vater und seinen beiden in Afghanistan lebenden Brüdern sowie von seinem in Österreich lebenden Bruder finanziell unterstützt werden und könnte sich daher in Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen.

Angesichts seines achtjährigen Schulbesuchs, seiner Schreib- und Lesekompetenz, seiner Sprachkenntnisse (Dari), seiner Tätigkeit in Afghanistan in der Landwirtschaft sowie seinem guten Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit könnte sich der Beschwerdeführer - mit finanzieller Unterstützung durch seinen Vater und seine drei Brüder - in Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und diese zumindest anfänglich mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Ihm wäre der Aufbau einer Existenzgrundlage in Mazar-e Sharif möglich. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Er hat weiters die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Es ist daher anzunehmen, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten sowie mit Unterstützung durch seinen Vater und seine Brüder ein ausreichendes Einkommen zu sichern.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende Pandemie aufgrund des Corona-Virus kein Rückkehrhindernis darstellt. Der Beschwerdeführer gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat/ maßgebliche Situation in Afghanistan:

Kapisa:

Die Provinz Kapisa liegt im zentralen Osten Afghanistans, umgeben von den Provinzen Panjshir im Norden, Laghman im Osten, Kabul im Süden und Parwan im Westen. Kapisa ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Alasai, Hissa-e-Awali Kohistan, Hissa-e-Duwumi Kohistan, Koh Band, Mahmood Raqi, Nijrab und Tagab. Mahmood Raqi ist die Provinzhauptstadt von Kapisa.

Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Kapisa für den Zeitraum 2019-20 auf 479.875 Personen. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in Kapisa sind Tadschiken, Paschtunen und Nuristani, wobei die Tadschiken als größte Einzelgruppe hauptsächlich im nördlichen Teil der Provinz leben.

Eine Hauptstraße verbindet die Provinzhauptstadt Mahmood Raqi mit Kabul.

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Kapisa 2018 nicht zu den zehn wichtigsten afghanischen Provinzen, die Schlafmohn anbauen. Die Größe der Anbaufläche verringerte sich 2018 im Vergleich zu 2017 um 60%. Schlafmohn wurde hauptsächlich in den Distrikten Tagab und Alasai angebaut.

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Kapisa hat strategische Bedeutung: für Aufständische ist es einfach, die Provinzhauptstadt von Kapisa und die benachbarten Provinzen zu erreichen. Die Taliban sind in entlegeneren Distrikten der Provinz aktiv und versuchen oft, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung oder Sicherheitskräfte durchzuführen; wie z.B. im zentral gelegenen Distrikt Nijrab. Im März 2019 konnten sie beispielsweise drei Dörfer – Afghania, Pachaghan und Ghin Dara – in Kapisa erobern.

Aufseiten der Regierungskräfte liegt Kapisa in der Verantwortung des 201. ANA Corps, das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - East (TAAC-E) untersteht, welche von US-amerikanischen und polnischen Streitkräften geleitet wird.

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 124 zivile Opfer (49 Tote und 75 Verletzte) in der Provinz Kapisa. Dies entspricht einem Rückgang von 11% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe am Boden, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und Luftangriffe.

Kapisa zählt zu den relativ volatilen Provinzen. Die Regierungstruppen führen, teils mit Unterstützung der USA, regelmäßig Operationen in Kapisa durch. Auch werden Luftangriffe ausgeführt – in manchen Fällen werden dabei auch hochrangige Taliban getötet oder Dörfer von den Taliban zurückerobert. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften.

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt.

Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).

Einreise und Bewegungsfreiheit

Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).

Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers. Der Familienname wurde zwecks Vereinheitlichung in der Schreibweise jener des Bruders angepasst, der Vorname an die letztgültige Version seines Ausweises, welcher durch das BFA ausgestellt wurde. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zur Abstammung aus Kabul, seinem Aufenthalt in Kapsia sowie zum nunmehrigen Aufenthaltsort seiner Angehörigen stützen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde, sowie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari.

Der Umstand, dass nicht festgestellt werden konnte, wann der Umzug von Kabul nach Kapisa erfolgte, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich unstimmige Angaben tätigte. So führte er in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 24.01.2017 aus, dass er bis vor fünf Jahren, sohin bis zum Jahr 2013 (damals war er 16 Jahre alt) in Kabul gelebt habe. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er hingegen auf die Frage, wann er aus Kabul weggezogen sei, an, dass er dies nicht genau wisse, weil er damals noch sehr klein gewesen sei.

Die Feststellungen zur Tätigkeit des Vaters und der Brüder des Beschwerdeführers ergeben sich aus den diesbezüglich gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers sowie aus den vorgelegten Dokumenten.

Der Umstand, dass die in Kapisa lebenden Angehörigen des Beschwerdeführers vom Vater sowie den beiden in Afghanistan lebenden Brüdern des Beschwerdeführers finanziell unterstützt werden, ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo der Beschwerdeführer aussagte, dass sein Vater bzw. seine Brüder den in Kapisa lebenden Angehörigen bei Bedarf Geld schicken würden. Die Feststellung, wonach auch der in Österreich lebende Bruder des Beschwerdeführers die in Kapisa lebenden Angehörigen finanziell unterstützt, ergibt sich aus dessen Aussage in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zu den absolvierten Kursen sowie zur ehrenamtlichen Tätigkeit ergeben sich aus den vorgelegten Nachweisen/Bestätigungen.

Die Feststellungen zur Ausgestaltung der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Bruder ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seines Bruders in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.2. Zum vorgebrachten Fluchtgrund:

Die Feststellungen zu den Gründen des Beschwerdeführers für das Verlassen seines Heimatstaates stützen sich auf die vom Beschwerdeführer vor dem BFA, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht getroffenen Aussagen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt wäre, ist, aus folgenden Erwägungen, nicht glaubwürdig:

Wie bereits ausgeführt, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach einige seiner Familienmitglieder für die afghanische Regierung arbeiten bzw. gearbeitet haben, als glaubwürdig zu beurteilen. So schilderte der Beschwerdeführer nachvollziehbar und ohne Widersprüche, dass sein Vater Offizier beim afghanischen Militär sei, einer seiner Brüder bei der Polizei und der andere beim afghanischen Geheimdienst arbeite. Ebenfalls glaubwürdig ist, dass der Bruder des Beschwerdeführers, welcher in Österreich lebt, in Afghanistan als Dolmetscher für die US-Armee gearbeitet hat.

Der Beschwerdeführer konnte allerdings eine konkrete Verfolgung seiner Person durch die Taliban aufgrund der Tätigkeit seiner Familienmitglieder für die afghanische Regierung nicht glaubhaft machen.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung vorbrachte, dass er mehrmals von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden und einmal sogar entführt worden sei. Im weiteren Verfahren sprach der Beschwerdeführer stets nur noch von einem einzigen Vorfall und brachte er auch keine Entführung mehr vor. Auch wenn den Angaben in der Erstbefragung kein allzu großes Gewicht zukommt, sprechen derart massiv widersprüchliche Angaben gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers.

Des Weiteren hat der Beschwerdeführer zum angeblichen Vorfall, bei dem die Taliban zu ihm nachhause gekommen seien und welcher ihn schließlich zur Flucht veranlasst habe, teilweise widersprüchliche und unstimmige Angaben getätigt.

So gab er in der Einvernahme vor dem BFA am 24.01.2017 an, dass 15 Männer gekommen seien. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte er aus, dass die Taliban mit dem Motorrad gekommen seien und antwortete auf die Frage, wie viele Motorräder es gewesen seien, dass es eins, zwei oder drei gewesen seien. Es erscheint jedoch unmöglich, dass 15 Personen auf (höchstens) drei Motorrädern unterwegs gewesen sind.

Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, dass er an besagtem Abend gegen 22:00 oder 23:00 Uhr abends aus dem Fenster die Taliban gesehen haben. Auf Vorhalt, wie der Beschwerdeführer bei fehlender Straßenbeleuchtung, wie von ihm selbst vorgebracht, überhaupt etwas erkennen habe können, gab er an, dass es nicht so dunkel gewesen sei, da an jenem Abend Vollmond gewesen sei. Etwas später führte er jedoch aus, dass er aus der Hintertür vor den Taliban geflüchtet sei und gab auf die Frage, wieso die Taliban ihn nicht entdeckt hätten, widersprüchlich zu seiner vorhergehenden Aussage an, dass es dunkel gewesen sei. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich, das zwischen der Ankunft der Taliban und seinem Verlassen des Hauses durch die Hintertür höchsten wenige Minuten vergangen seien und erscheint es daher nicht möglich, dass sich die Lichtverhältnisse in dieser kurzen Zeit derart geändert haben.

Aufgrund dieser unstimmigen Angaben des Beschwerdeführers kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich einer Verfolgung durch die Taliban aufgrund der Tätigkeit seiner Angehörigen für die afghanische Regierung ausgesetzt gewesen ist.

In einer Gesamtschau konnte der Beschwerdeführer eine ihm im Falle der Rückkehr nach Afghanistan drohende Verfolgungsgefahr durch die Taliban nicht glaubhaft machen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Rückkehrer mit westlicher Orientierung in Afghanistan keiner Verfolgung aus diesem Grund ausgesetzt wäre, ergibt sich aus dem diesbezüglich lediglich völlig allgemein gehaltenen Vorbringen in dem in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Schriftsatz, mit dem mögliche Gewalthandlungen gegen die Person des Beschwerdeführers nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt wurden.

2.3. Zur Situation im Falle der Rückkehr:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 13.11.2019), den EASO-Richtlinien (Country Guidance Afghanistan) von Juni 2019 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten in Zusammenschau mit den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers:

Es ist nicht zu übersehen, dass die wirtschaftliche Lage sowie Versorgungslage in Afghanistan im Allgemeinen sowie speziell in Mazar-e Sharif - insbesondere auch aufgrund der großen Anzahl sonstiger Binnenvertriebener und anderer Rückkehrer, die einströmen - jedenfalls insbesondere im Hinblick auf die Wohnressourcen als angespannt betrachtet werden muss und die Arbeitslosigkeit auch dort hoch ist. Hinsichtlich der Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung in Mazar-e Sharif ist in Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen allerdings auszuführen, dass dort auch allgemein der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten, Bildung und zu Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist, wenn auch die Gesamtsituation angespannt ist.

Den getroffenen Feststellungen ist zu entnehmen, dass die Stadt Mazar-e Sharif ein regionales Handelszentrum sowie ein wichtiger Wirtschaftsknotenpunkt des Landes ist und eine höhere Industrialisierung als andere Städte in Afghanistan aufweist. Zudem hat Mazar-e Sharif grundsätzlich bessere Arbeitsmöglichkeiten aufgrund einer größeren Anzahl an Unternehmen, sodass insgesamt Erwerbsmöglichkeiten gegeben sind.

Hinsichtlich der Wohnsituation ist auszuführen, dass die Lage in den genannten Städten angespannt ist, jedoch den amtswegig eingeholten Berichten nicht entnommen werden kann, dass es keine realistische Möglichkeit für alleinstehende Rückkehrer ohne familiäre Anknüpfungspunkte gäbe, Wohnraum zu finden.

Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger junger Mann. Er ist im afghanischen Familienverband zunächst in Kabul und dann in der Provinz Kapisa aufgewachsen und sozialisiert worden und spricht Dari als Erstsprache. Mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates ist er sohin ausreichend vertraut. In Mazar-e Sharif verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte. Er könnte jedoch finanzielle Unterstützung von seinem in Kabul lebenden Vater, seinen beiden in Afghanistan lebenden Brüdern sowie seinem in Österreich lebenden Bruder erhalten. Der Vater sowie die in Afghanistan lebenden Brüder des Beschwerdeführers unterstützen auch die in Kapisa lebenden Angehörigen des Beschwerdeführers (Mutter, Großvater, Schwester) finanziell und ist kein Grund ersichtlich, warum sie den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht ebenfalls unterstützen sollten. Der in Österreich lebende Bruder des Beschwerdeführers unterstützt sowohl die in Kapisa lebenden Angehörigen als auch den Beschwerdeführer in Österreich finanziell und ist daher davon auszugehen, dass er jenen auch im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif weiterhin finanziell unterstützen würde. Zudem hat der Beschwerdeführer acht Jahre lang die Schule besucht, ist arbeits- und leistungsfähig und hat in Afghanistan bereits in der Landwirtschaft gearbeitet. Diese Umstände führen zu der Feststellung, dass der Beschwerdeführer trotz einer angespannten Situation am Wohnungs- und Arbeitsmarkt (allenfalls nach anfänglichen Schwierigkeiten) eine Existenz im Herkunftsstaat aufbauen und sichern kann.

Vor dem Hintergrund der Sicherheits- und Versorgunglage in Mazar-e Sharif war auf Basis dieser persönlichen Merkmale des Beschwerdeführer in einer Gesamtschau festzustellen, dass in dieser Stadt weder ein solcher Grad an willkürlicher Gewalt herrscht, dass er allein durch seine Anwesenheit tatsächlich einer ernsthaften, individuellen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt ist, noch dass er Gefahr läuft, dort grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Dass der Beschwerdeführer mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 angehört, ergibt sich aus den – auf Basis allgemein zugänglicher Informationen der WHO getroffenen – Feststellungen zu dieser Erkrankung. Es ist demnach auch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür zutage getreten, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 6.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 28.5.2009, 2008/19/1031. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.2.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793¿19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101).

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer stützte sein Fluchtvorbringen auf die Furcht vor Verfolgung durch die Taliban. Eine Verfolgungsgefahr ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u. v.a.). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers war jedoch, wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, keine dem Beschwerdeführer selbst mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende individuelle, in seiner Person liegende, Verfolgung durch die Taliban zu entnehmen.

Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen:

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.).

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482; vgl. 28.05.1994, 94/20/0034). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

Soweit der Beschwerdeführer behauptete, aufgrund seiner "westlichen" Lebenseinstellung asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein, so kommt seinem Vorbringen schon deshalb keine Glaubhaftigkeit zu, weil es ihm nicht gelungen ist, eine "westliche" Orientierung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Weise glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer vermochte nicht, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Im Übrigen ist aus den vorhandenen Länderberichten nicht ableitbar, dass alleine ein Aufenthalt in Europa und eine westliche Geisteshaltung bei Männern bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würden (vgl. hierzu auch die hg. Ausführungen in BVwG 07.11.2016, W169 2007031-1, Pkt. I.8.); die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung, wie es der Beschwerdeführer angibt, genügt dafür nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Aus dem Vorbringen zur "westlichen Einstellung" wurde somit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine die Intensität von Abschnitt A Z 2 der GFK erreichende Verfolgung bei Rückkehr an den angenommenen Zielort glaubhaft gemacht.

Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Herkunftsstaat glaubhaft darzutun, war der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gem. § 3 AsylG 2005 abzuweisen.

Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen zu seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.

Eine Wiederansiedlung des Beschwerdeführers in seiner Herkunftsprovinz Kapisa würde für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Gefahr seiner in Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte mit sich bringen.

Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan, in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, konkret in die Stadt Mazar-e Sharif, verwiesen werden:

Die allgemeine Lage in Mazar-e Sharif ist als hinreichend sicher zu qualifizieren. Überdies verfügt Mazar-e Sharif über einen internationalen Flughafen, über welchen die Stadt sicher und legal erreicht werden können. Die Versorgungslage ist angespannt, doch hat der Beschwerdeführer keinen Nachweis des Vorliegens von in seiner Person gelegenen, exzeptionellen Umständen im Hinblick auf eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK durch seine Rückführung in den Herkunftsstaat erbracht (vgl. dazu VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

In Mazar-e Sharif findet der Beschwerdeführer kein soziales Netzwerk vor. Die Erkenntnisquellen machen ersichtlich, dass die Rückkehrsituation für alleinstehende Rückkehrer ohne direkte Anknüpfungspunkte schwieriger ist als für Personen, die in den Familienverband zurückkehren. Die Rückkehrsituation des Beschwerdeführers wird weiters dadurch erschwert, dass er lediglich in Kabul sowie in der Provinz Kapisa gelebt, sich nie in Mazar-e Sharif aufgehalten hat und in der genannten Stadt über keine Ortskenntnisse verfügt.

Der Beschwerdeführer hat jedoch in Afghanistan acht Jahre lang die Schule besucht, spricht Dari und ist im afghanischen Familienverband sozialisiert worden, sodass davon auszugehen ist, dass er mit den sozialen und kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans ausreichend vertraut ist. Er ist gesund, arbeits- und leistungsfähig, hat in Afghanistan bereits in der Landwirtschaft gearbeitet. Zudem könnte er in Mazar-e Sharif von seinem in Kabul lebenden Vater und seinen in Afghanistan lebenden Brüdern sowie von seinem in Österreich lebenden Bruder finanziell unterstützt werden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass er im Fall der Rückkehr in der Lage ist, seine Existenz zu sichern. Er gehört sohin keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Außerdem kann er durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden. Aus diesen Gründen ist auch nicht zu befürchten, dass er in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

Bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif besteht für den Beschwerdeführer zwar die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation, dies bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, damit ist aber die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK nicht dargetan (vgl. dazu die Erkenntnisse des VwGH vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, und vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063, bzw. zur Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative für einen gesunden und arbeitsfähigen afghanischen Staatsangehörigen den Beschluss vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096; sowie das Erk vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; vgl. auch VfGH vom 26.02.2019, E 4917/2018-13).

Auch andere Faktoren, die gegen die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif sprechen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht substantiiert vorgebracht.

Der Klarstellung des Verwaltungsgerichts folgend, dass von der wirtschaftlichen angespannten Situation in Afghanistan das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert, zu unterscheiden ist (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), ist für den gegenständlichen Fall entscheidend, dass beim Beschwerdeführer aufgrund obenstehender Erwägungen eine solche Situation nicht gegeben ist.

Es ergibt sich nämlich zusammenschauend, dass für den Beschwerdeführer bei der Rückkehr nach Mazar-e Sharif die Möglichkeiten für eine den durchschnittlichen afghanischen Verhältnissen entsprechende Lebensführung realistisch ist und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung und damit einer Verletzung der nach Art. 3 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt ist.

Aufgrund der den Beschwerdeführer erwartenden Lebenssituation, in der es ihm möglich ist, als Mann mit den oben beschriebenen individuellen Merkmalen in einem hinreichend sicheren afghanischen urbanen Gebiet durch eigene Erwerbstätigkeit sowie die Unterstützung seiner Verwandten seine Existenz zu sichern, er also für seine Grundbedürfnisse aufkommen und für sein Fortkommen sorgen kann, ist ihm die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in diesen Städten auch zumutbar.

Dies entspricht auch der oben dargestellten aktuellen Einschätzung von UNHCR zur Zumutbarkeit interner Schutzalternativen, wonach alleinstehende leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf eine Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung (Familie/ethnische Gruppe) darstellen. Die vom erkennenden Gericht angenommene Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative entspricht auch der Einschätzung von EASO zu internen Schutzalternativen für „applicants who were born and/or lived outsinde Afghanistan for a very long period of time“.

Der VwGH befand in seiner Entscheidung vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188, es möge sein, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan aufgrund der Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19 verschlechtert hätten. Um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinem Herkunftsstaat ausgehen zu können, reiche es aber nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich sei. Es bedürfe einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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