TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/26 W213 2197338-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W213 2197338-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert Slamanig als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Iran, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2020, Zl. 1120923505-200896660, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1.2 VwGVG i.V.m. § 68 Abs. 1 AVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer brachte am 30.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, wobei er im Wesentlichen vorbrachte, dass er in Masjed Soleiman geboren sei, der Volksgruppe der Bakhtiari (Untergruppe der Lor/Luren) angehöre und katholischer Christ sei. Er sei als schiitischer Moslem geboren worden. Im Heimatland würden noch seine Eltern und vier Geschwister leben. Seine Brüder hätten jeweils ein Geschäft, einen Coffee Shop bzw. ein Geschäft für Autoersatzteile. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er sei im August 2014 für zwei Tage festgenommen worden, da er sich für eine andere Religion entschieden habe. Er sei aber wieder freigelassen worden, weil es keine Beweismittel gegen ihn gegeben habe. Nach einigen Monaten seien andere Christen festgenommen worden. Er glaube, das sei Gottes Plan und dass man auserwählt werde. Er habe sich dann auch entschieden auszureisen. Er sei schon immer, auch als Moslem, ein gläubiger Mensch gewesen. Als der Beschwerdeführer einmal in seinem Frisörgeschäft einen Kreuzanhänger als Armband getragen habe, habe er einen Herrn kennengelernt; dieser habe ihm über das Christentum erzählt. Das Kreuz könne man am Bazar kaufen und habe er es bereits eineinhalb Jahre zuvor gehabt. Er habe sich zur Ausreise entschieden, nachdem der Etelaat immer mehr Christen festgenommen habe. Sie hätten im Iran eine Hauskirche gehabt, in der sie gemeinsam gebetet und auch Bibelunterricht gehabt hätten. Die Hauskirche habe nie am selben Ort stattgefunden. Es habe Pastoren gegeben, die gepredigt und sie evangelisiert hätten. Jetzt sei er Katholik. Er sei am 16.03.2017 getauft worden. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, wieder festgenommen oder hingerichtet zu werden.

I.2. Mit Bescheid vom 07.05.2018, GZ. 1120923505-160913014, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 200/2005 (AsylG), (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage („2 Wochen“) Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend stützte sich die Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft habe vermitteln können, ernsthaft zum Christentum konvertiert zu sein.

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er ausführte, die getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetzen. Die Länderberichte würden bestätigen, dass Menschen, die vom Islam abgefallen sind, verfolgt werden und Apostasie mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bestraft wird und er sohin religiös verfolgt werde. Es gebe Berichte vom April 2017 über willkürliche Verhaftungen von Christen und würde auch die Zahl der Verhaftungen steigen. Der Beschwerdeführer sei bei einer allfälligen Rückkehr in den Iran nicht gewillt, seinen christlichen Glauben zu verleugnen bzw. zu verbergen, zumal er darunter gelitten habe, diesen nur im Geheimen auszuleben. Der Beschwerdeführer gehöre bereits aufgrund des Taufscheines, der eine öffentliche Urkunde darstelle, der röm.-kath. Religionsgemeinschaft an. Die Behörde wäre gehalten gewesen, hätte sie Zweifel an der Konversion des Beschwerdeführers gehabt, den Pfarrer, der den Beschwerdeführer getauft habe, einzuvernehmen und ihn zu befragen.

I.4. In weiterer Folge wies das Bundesverwaltungsgericht nach einer am 02.12.2019 stattgefundenen Verhandlung diese Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar am 16.03.2017 in der röm.-kath. Pfarre Heidenreichstein getauft worden sei, es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass der christliche Glaube ein wesentlicher Bestandteil seiner Identität geworden sei. Der Beschwerdeführer habe daher keinen inneren Entschluss gefasst, auch im Falle seiner Rückkehr in den Iran nach dem christlichen Glauben zu leben. Der Beschwerdeführer habe daher im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanten Verfolgungshandlungen von hinreichender Intensität ausgesetzt wäre. Dem Beschwerdeführer sei daher der Status eines Asylberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen.

Ebenso wenig sei ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen, da nicht angenommen werden könne, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Gefährdung noch einer sonstigen Bedrohung ausgesetzt wäre, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr zwei nicht ersichtlich, auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte. Der Beschwerdeführer habe weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen „außergewöhnlichen Umstand“ behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

Die gebotene Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers zeige, dass er ein gesunder, junger Mann sei, der über familiäre Anknüpfungspunkte im Iran verfüge. Er habe dort mehrjährige Schulbildung erfahren und als Frisör gearbeitet. Demnach sei dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung im Iran möglich und zumutbar bzw. könne ihn seine Familie dabei unterstützen. Es gebe auch keine entsprechenden Hinweise darauf, dass eine existenzielle Bedrohung des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Versorgung und Sicherheit im Iran gegeben sei. Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) lägen nicht vor, weshalb hieraus bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden könne.

Die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 Abs. 1 AsylG sei mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht gekommen.

Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen worden sei und ihm auch nach anderen Bundesgesetzen als dem AsylG kein Aufenthaltsrecht zukomme, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen. Von Familienangehörigen oder einer sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich, die einen Eingriff in sein Recht auf Schutz des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK darstellen würde, sei nicht auszugehen gewesen. Es lägen – insbesondere auch im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer – keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Es lägen auch keine besonderen integrationsverfestigenden Aktivitäten vor. Eine Verfestigung in einer kirchlichen Gemeinde habe sich nicht ergeben. Selbst wenn man vom Vorliegen schützenswerten Privatlebens ausginge, wäre der Eingriff in dieses Recht durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig:

Die Dauer des Verfahrens habe nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen sei, überstiegen. Es liege somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht hätten, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ erscheinen zu lassen. Die festgestellten sozialen Kontakte und Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers genügten insbesondere vor dem Hintergrund seiner erst kurzzeitigen Aufenthaltsdauer in Österreich nicht, um eine nachhaltige Integration in Österreich annehmen zu können. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass der Beschwerdeführer für die Dauer seines Asylverfahrens in Österreich stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Er habe von vornherein damit rechnen müssen, dass es im Falle einer negativen Entscheidung über den Asylantrag zu einer Beendigung des Aufenthalts komme. Den (vergleichsweise) schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stünden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des VwGH komme den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

In einer Gesamtbetrachtung sei die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiege und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliege. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Im gegenständlichen Fall lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer ein Risiko nach Art. 2 und Art. 3 EMRK darstellen würde. Die grundsätzliche Versorgung im Herkunftsland sei vorhanden. Der Beschwerdeführer spreche die Landessprache, sei im erwerbsfähigem Alter, gesund und arbeitsfähig, wobei er zudem über entsprechende Bildung und Arbeitserfahrung verfüge. Er würde nicht in eine aussichtlose Lage geraten, sodass eine Rückführung nicht nur keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstelle, sondern ihm auch zumutbar sei.

I.5. Am 22.09.2020 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz und brachte bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen vor, dass es neue Fluchtgründe gebe. Er beteilige sich aktiv an Demonstrationen, in Österreich, die sich gegen die Islamische Regierung richteten. Sollte er in den Iran zurückkehren würde er noch am Flughafen hingerichtet. Im Iran werde man als Christ aufgehängt. Er habe auch einen Song gegen die iranische Regierung gesungen. Auf seinem Handy bekomme er Nachrichten das man ihn aufspüren und töten werde, da sich das Lied bereits im Internet verbreitet habe. Bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er, dass er durch die Regierung erhängt werde. Auf seinem Handy seien Drohnachrichten. Die geänderten Fluchtgründe bestünden seit 4 bis 5 Monaten.

In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 08.10.2020 durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, dass er sich der in Österreich bestehenden oppositionellen Gruppe “HAMBASTEGIYE MELLI" angeschlossen habe, die von in Österreich lebenden Iranern gegründet worden sei. Er habe auch gegen das islamische Regime gerichtete Lieder gesungen, die auch in sozialen Netzwerken veröffentlicht worden seien. Er sei deshalb über Instagram mit dem Umbringen bedroht worden, wobei er davon ausgehe, dass diese Drohungen vom iranischen Geheimdienst ausgingen. Die Drohungen hätten nach der Veröffentlichung seiner Lieder begonnen.

Schon seit seinem 18. Lebensjahr sei er gegen das Regime gewesen. Im Iran sei eine Atmosphäre voller Angst. Man könne nicht auf die Straße gehen und sagen, dass man gegen das Regime sei. Viele Leute sei dagegen, aber könnten es nicht öffentlich äußern. Erst seit er in Europa sei könne er es öffentlich sagen. In Österreich fühle er sich sicher. Im Iran habe er sich nicht aktiv gegen das Regime gestellt. Als er nach Österreich gekommen sei, habe er einen Instagram Account eröffnet und dort sehr viele politische Kommentare gepostet. Auch damals seien Kommentare gekommen, die bedrohlich gewesen seien. Er poste auch politische Kommentare über seine Seite und habe die Stimmen der Führers KHAMENEI nachgemacht. Wenn die Gruppe etwas veranstalte, sei er fast immer dabei, auch wenn es Demonstrationen vor der Botschaft seien. Er sei der Gruppe vor ca. 4 oder 5 Monaten beigetreten. Seit Mai 2020 nehme er aktiv an Demonstrationen teil.

Nach der Hinrichtung des Sportlers AFKARI Navid habe die Gruppe eine Demonstration vor der iranischen Botschaft organisiert. Dabei sei auch sein Lied vor der Botschaft gespielt worden. Er selbst habe das Lied auf seinen Instagram Account gestellt. Ein anderes Mitglied der habe es auf Telegramm veröffentlicht. Insgesamt sei sein Video von 11 000 Usern gesehen worden.

Aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung würde er sofort nach dem Aussteigen aus dem Flugzeugverhaftet und direkt zur Hinrichtung gebracht werden. In seinem Fall würde es sicher keine Gerichtsverhandlung geben. Er sei vom Islamabgefallen. Das sei Mortad und ziehe die Todesstrafe nach sich. Auch die aktive Teilnahme an Demonstrationen und Verbreitung seiner Arbeiten gegen das iranische Regime würde zu seiner Hinrichtung führen.

I.6. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr bekämpften Bescheid dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hat:

„l. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 21.09.2020 wird hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

II. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 21.09.2020 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

IV. Gemäß § 10 Absatz l Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. l Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. l Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

V. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist.

VI. Gemäß § 55 Absatz la FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.

VII. Gemäß § 53 Absatz l iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBI. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 1 Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen.“

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keinen Sachverhalt vorgebracht habe, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens Verfahrenszahl 160913014 entstanden sei. Es könne insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages reiche nicht aus, einen neuen gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Das Vorbringen im gegenständlichen Verfahren, wonach er aufgrund Veröffentlichung eines Musikvideoclips online bedroht werden würden, weise keinen glaubhaften Kern auf.

In Österreich sei er Mitglied des Vereins „Iranische nationale Sicherheit". Die maßgebliche und den Beschwerdeführer betreffende allgemeine Lage im Herkunftsland habe sich seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens nicht geändert.

Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass sich der Erstverfahrens geltendgemachte Asylgrund auf ein nichtglaubhaftes Vorbringen stütze, was sich insbesondere aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.01.2020 ergebe, in welchem festgestellt wurde, dass die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen erhebliche Widersprüche aufwiesen und daher unglaubwürdig seien. Der Beschwerdeführer habe keine glaubwürdigen Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention vorbringen können.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren Weise keinen glaubhaften Kern auf:

Er beziehe sich im gegenständlichen Verfahren darauf, dass er angefangen habe aktiv an Demonstrationen - gegen die iranische Regierung - teilzunehmen. Des Weiteren habe er ein Musik-Clip veröffentlicht. Seit der Veröffentlichung dieses Musik-Clips würde man ihn über das Soziale Netzwerk „Instagram" in Kommentaren bzw. in privaten Chats bedrohen. Konkret gehe es hierbei um zwei Personen, welche ihn über Instagram bedrohen würden. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Bedrohungen über das soziale Netzwerk „Instagram" habe er dem Bundesamt (Smartphone Screenshots) vorgelegt. Aus den von ihm vorgelegten Beweismitteln gehe eine private Unterhaltung hervor. Ein Datum sei nicht ersichtlich. In dieser privaten Unterhaltung gehe es hauptsächlich um die unterschiedlichen politischen Meinungen, welche auch großteils in gegenseitigen Beschimpfungen und Drohungen übergehen.

Aus den vorgebrachten Beweismitteln könne eine Bedrohung oder Verfolgung im Iran nicht abgeleitet werden, zumal nicht hervorgehe, woher die Bedrohungen kommen. Die Aussage des Beschwerdeführers, dass es sich hierbei bestimmt um Kommentare des iranischen Geheimdienstes handeln würde, stelle lediglich dessen eigene Meinung bzw. Spekulation dar. Ein tatsächlicher Beweis, dass es sich hierbei um den iranischen Geheimdienst handeln würde, sei nicht vorhanden.

Der Beschwerdeführer selbst habe dagegen keine Schritte (Anzeige bei der Polizei) unternommen, sondern nur den gegenständlichen Asylantrag gestellt.

Aus seinen Angaben und Beweismitteln sei keine direkte Bedrohung oder Verfolgung im Iran feststellbar gewesen. Sein Vorbringen beruhe lediglich auf seinen eigenen Annahmen. Die von ihm vorgelegten Drohnachrichten über Instagram seien nicht geeignet, etwas anderes aufzuzeigen.

Zu seinem Vorbringen im Erstverfahren, nämlich Konversion, würden im gegenständlichen Verfahren keine zusätzlichen Angaben gemacht.

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für die neuerliche Antragstellung bereits zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden hätten und sich seither kein entscheidungsrelevant geänderter Sachverhalt im Sinne des § 68 AVG ergeben habe. Sein Vorbringen weise keinen glaubhaften Kern auf. Somit stehe die Rechtskraft des Erstverfahrens einer neuerlichen inhaltlichen Entscheidung entgegen.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, stehe die Rechtskraft des ergangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.01.2020, GZ. W176 2197338-1/10E dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten iSd § 3 AsylG, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 AsylG entgegen.

I.7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde und brachte - unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer sich während seines Aufenthaltes in Österreich aktiv an Demonstrationen gegen die gegenwärtige iranische Regierung beteiligt habe, dabei öffentlich, vor allem durch Vortragen eines Liedes, aufgetreten sei und dies – aufgrund glaubhafter Nachrichten auf seinem Handy - auch im Iran bekannt geworden sei. Eine sofortige Verhaftung des Beschwerdeführers wegen staatsschädlichen bzw. -verräterischen Verhaltens bei einer angeordneten Rückkehr - zum Beispiel im Rahmen der Einreise über den Flughafens Teheran - scheine nahezu die logische Konsequenz zu sein.

Zudem lägen auch Änderungen hinsichtlich des Privat- und Familienlebens in Österreich vor. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthalts in Österreich bereits - wenn auch nur rudimentär - Deutsch gelernt. Eine ganz einfache Konversation im Alltag sei seitens des Beschwerdeführers immer möglich. Sein Wille in Österreich Fuß zu fassen, sei somit dokumentiert; dies nicht nur wegen seiner schon aktenkundigen Hinwendung zum Christentum, die sich ebenso vertiefend niederschlage. Ebenso habe er nun aufgrund seiner Demonstrationsteilnahmen und seinem mutigen Eintreten für Menschenrechte einen überschaubaren Freundeskreis in Österreich gewinnen können.

Die belangte Behörde habe bei der Interessensabwägung zwischen den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich und den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung seinen mehrjährigen Aufenthalt und die Integration nicht ausreichend berücksichtigt. Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Die belangte Behörde habe die Verhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung nur unzureichend geprüft und von ihrem Ermessen rechtswidrig Gebrauch gemacht.

Die Sicherheitslage im Iran habe sich bezüglich politischer Agitatoren, die öffentlich das Mullah-Regime kritisieren, seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 23.01.2020 maßgeblich verändert. Es werde nunmehr aktuell mit noch viel härteren Sanktionen gegen angebliche Staatsverräter vorgegangen.

Jedenfalls hätte sich die Behörde trotz entschiedener Sache auch ohne eine Änderung des Sachverhalts immer mit einer Verletzung des Artikel 3 EMRK auseinander zu setzen gehabt, da Art 3 EMRK insofern den Grundsatz von res iudicata durchbreche.

Hätte die belangte Behörde den Sachverhalt genauestens erhoben, so hätte sie festgestellt, dass der Tatbestand der entschiedenen Sache nicht erfüllt sei, sondern anderer Sachverhalt im Sinne des § 68 AVG.

Es werde daher beantragt,

?        eine mündliche Beschwerdeverhandlung gem. § 24 VwGVG anzuberaumen;

?        das erlassene Einreiseverbot für die Dauer von einem Jahr aufzuheben oder zumindest auf eine angemessene und verhältnismäßige Art und Weise herabzusetzen;

?        den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben, und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen.

In eventu:

?        den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 Asyl- G zuzuerkennen;

?        den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt wird.

In eventu:

?        den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Darüber hinaus wurde beantragt der Beschwerde gemäß § 17 BFA -VG aufschiebende Wirkung zu verleihen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 30.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, wobei er im Wesentlichen vorbrachte, dass er in Masjed Soleiman geboren sei, der Volksgruppe der Bakhtiari (Untergruppe der Lor/Luren) angehöre und katholischer Christ sei. Er sei als schiitischer Moslem geboren worden. Im Heimatland würden noch seine Eltern und vier Geschwister leben. Seine Brüder hätten jeweils ein Geschäft, einen Coffee Shop bzw. ein Geschäft für Autoersatzteile. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er sei im August 2014 für zwei Tage festgenommen worden, da er sich für eine andere Religion entschieden habe. Er sei aber wieder freigelassen worden, weil es keine Beweismittel gegen ihn gegeben habe. Nach einigen Monaten seien andere Christen festgenommen worden. Er glaube, das sei Gottes Plan und dass man auserwählt werde. Er habe sich dann auch entschieden auszureisen. Er sei schon immer, auch als Moslem, ein gläubiger Mensch gewesen. Als der Beschwerdeführer einmal in seinem Frisörgeschäft einen Kreuzanhänger als Armband getragen habe, habe er einen Herrn kennengelernt; dieser habe ihm über das Christentum erzählt. Das Kreuz könne man am Bazar kaufen und habe er es bereits eineinhalb Jahre zuvor gehabt. Er habe sich zur Ausreise entschieden, nachdem der Etelaat immer mehr Christen festgenommen habe. Sie hätten im Iran eine Hauskirche gehabt, in der sie gemeinsam gebetet und auch Bibelunterricht gehabt hätten. Die Hauskirche habe nie am selben Ort stattgefunden. Es habe Pastoren gegeben, die gepredigt und sie evangelisiert hätten. Jetzt sei er Katholik. Er sei am 16.03.2017 getauft worden. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, wieder festgenommen oder hingerichtet zu werden.

Mit Bescheid vom 07.05.2018, GZ. 1120923505-160913014, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 200/2005 (AsylG), (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage („2 Wochen“) Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend stützte sich die Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft habe vermitteln können, ernsthaft zum Christentum konvertiert zu sein.

In weiterer Folge wies das Bundesverwaltungsgericht nach einer am 02.12.2019 stattgefundenen Verhandlung diese Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar am 16.03.2017 in der röm.-kath. Pfarre Heidenreichstein getauft worden sei, es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass der christliche Glaube ein wesentlicher Bestandteil seiner Identität geworden sei. Der Beschwerdeführer habe daher keinen inneren Entschluss gefasst, auch im Falle seiner Rückkehr in den Iran nach dem christlichen Glauben zu leben. Der Beschwerdeführer habe daher im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanten Verfolgungshandlungen von hinreichender Intensität ausgesetzt wäre. Dem Beschwerdeführer sei daher der Status eines Asylberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen.

Ebenso wenig sei ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen, da nicht angenommen werden könne, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Gefährdung noch einer sonstigen Bedrohung ausgesetzt wäre, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr zwei nicht ersichtlich, auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte. Der Beschwerdeführer habe weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen „außergewöhnlichen Umstand“ behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

Der Beschwerdeführer hat seit Mai 2020 in Wien an Demonstrationen der oppositionellen Gruppe “HAMBASTEGIYE MELLI" teilgenommen. Er ein Video, das ihn beim Singen eines gegen den religiösen Führer des Irans gerichteten Liedes zeigt, in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Darüber hinaus wurden vom Beschwerdeführer Korrespondenzen in sozialen Netzwerken vorgelegt, auf denen er sich regimekritisch äußerte bzw. Bedrohungen bzw. Beschimpfungen gegen seine Person beinhalten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der vom Beschwerdeführer im Vorverfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 30.06.2016 bzw. im gegenständlichen Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 22.09.2020 ergeben sich aus dem hg. Erkenntnis vom 23.01.2020, GZ. W 176 2197338-1/10E, sowie den im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.09.2020 bzw. seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.10.2020. Den vorgelegten Akten ist zu entnehmen, dass das Musikvideo des Beschwerdeführers am 06.10.2020 veröffentlicht wurde. Wenn auch die Bilder, die dem Beschwerdeführer als Teilnehmer von regimekritischen Demonstrationen zeigen, nicht datiert sind, kann seine Aussage, dass er ab Mai 2020 anwesende Stationen teilgenommen hat aufgrund des vorliegenden Materials nicht widerlegt werden

Angesichts des in dieser Hinsicht unstrittigen Sachverhalts konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung daher gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (vgl. etwa VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

„Entschiedene Sache“ iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. zB. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235; 06.11.2009, 2008/19/0783). Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050). Bei der Beurteilung der Identität der Sache ist zudem in primär rechtlicher Betrachtungsweise festzuhalten, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist (VwGH 24.03.2011, 2007/07/0155). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066; 25.04.2007, 2004/20/0100, jeweils mwN).

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes – nicht bloß von Nebenumständen – kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2007, 2004/20/0100; 06.11.2009, 2008/19/0783).

Wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, ist eine neue Sachentscheidung auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.04.2007, 2004/20/0100 und 17.09.2008, 2008/23/0684).

Da sich der Antrag auf internationalen Schutz auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, bei den Asylbehörden geltend zu machen, zumal nur sie dem Asylwerber diesen Schutzstatus zuerkennen können. Die zur Rechtslage des § 8 Asylgesetz 1997 ergangene gegenteilige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 09.11.2004, 2004/01/0280, mwN) ist daher im Anwendungsbereich des AsylG 2005 nicht mehr zutreffend. Vielmehr sind für Folgeanträge nach dem AsylG 2005 die Asylbehörden auch dafür zuständig, Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist demnach Sache des gegenständlichen Verfahrens ausschließlich die Frage, ob sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage seit der Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz geändert hat. Es hat daher entweder – falls entschiedene Sache vorliegt – das Rechtsmittel abzuweisen oder – falls dies nicht zutrifft – den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben. Die Rechtsmittelinstanz darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).

Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass sich in Hinblick auf die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die maßgebliche Sach- und Rechtslage zwischen der Rechtskraft der Vergleichsentscheidung vom 23.01.2020 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 05.11.2020 wesentlich geändert hat.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 22.09.2020 im Wesentlichen einen Nachfluchtgrund behauptet, indem er vorbrachte ab Mai 2020 in Wien an gegen das im Iran herrschende Regime gerichteten Demonstrationen teilgenommen zu haben. Er habe auch einen Song gegen die iranische Regierung gesungen. Auf seinem Handy bekomme er Nachrichten das man ihn aufspüren und töten werde, da sich das Lied bereits im Internet verbreitet habe. Bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er, dass er durch die Regierung erhängt werde. Auf seinem Handy seien Drohnachrichten. Die geänderten Fluchtgründe bestünden seit 4 bis 5 Monaten.

Demgegenüber stützte sich sein Antrag auf internationalen Schutz vom 30.06.2016 lediglich darauf, dass er in Masjed Soleiman geboren sei, der Volksgruppe der Bakhtiari (Untergruppe der Lor/Luren) angehöre und katholischer Christ sei. Er sei als schiitischer Moslem geboren worden. Im Heimatland würden noch seine Eltern und vier Geschwister leben. Seine Brüder hätten jeweils ein Geschäft, einen Coffee Shop bzw. ein Geschäft für Autoersatzteile. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er sei im August 2014 für zwei Tage festgenommen worden, da er sich für eine andere Religion entschieden habe. Er sei aber wieder freigelassen worden, weil es keine Beweismittel gegen ihn gegeben habe. Nach einigen Monaten seien andere Christen festgenommen worden. Er glaube, das sei Gottes Plan und dass man auserwählt werde. Er habe sich dann auch entschieden auszureisen. Er sei schon immer, auch als Moslem, ein gläubiger Mensch gewesen. Als der Beschwerdeführer einmal in seinem Frisörgeschäft einen Kreuzanhänger als Armband getragen habe, habe er einen Herrn kennengelernt; dieser habe ihm über das Christentum erzählt. Das Kreuz könne man am Bazar kaufen und habe er es bereits eineinhalb Jahre zuvor gehabt. Er habe sich zur Ausreise entschieden, nachdem der Etelaat immer mehr Christen festgenommen habe. Sie hätten im Iran eine Hauskirche gehabt, in der sie gemeinsam gebetet und auch Bibelunterricht gehabt hätten. Die Hauskirche habe nie am selben Ort stattgefunden. Es habe Pastoren gegeben, die gepredigt und sie evangelisiert hätten. Jetzt sei er Katholik. Er sei am 16.03.2017 getauft worden. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, wieder festgenommen oder hingerichtet zu werden.

Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei um zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte handelt, wobei der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Nachfluchtgrund erst nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz vom 23.01.2020 gesetzt wurde. Angesichts der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel (Bilder, die seine Teilnahme an derartigen Demonstrationen glaubhaft erscheinen lassen, vom Beschwerdeführer veröffentlichtes Musikvideo), kann seinem Vorbringen jedenfalls nicht von vorneherein die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht vom Vorliegen einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG gegangen. Der Beschwerdeführer hat eine exilpolitische Tätigkeit behauptet, was prinzipiell eine Nachfluchtgrund darstellen könnte (Gachowetz, Schmidt, Simma, Urban, Asyl-und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BVA, Wien 2017, Seite 164). Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, das Vorbringen des Beschwerdeführers einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen, wobei vor allem auch zu prüfen gewesen wäre, ob dem verfahrensgegenständlichen Antrag nicht die Bestimmung des § 3 Abs. 2 Asylgesetz entgegensteht.

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Betreffend den Status des subsidiär Schutzberechtigten ist zudem auszuführen, dass bei der Prüfung der Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu berücksichtigten ist, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174).

Wie eingangs dargelegt, beschränkt sich die Überprüfungskompetenz des erkennenden Gerichts im Falle einer zurückweisenden Entscheidung der belangten Behörde wegen entschiedener Sache auf die Frage, ob die Zurückweisung zu Recht erfolgte. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens behauptete Lageänderung im Herkunftsstaat der Zurückweisung des Folgeantrags dann entgegenstehen würde, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass demnach eine andere Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfolgen könnte (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, mit Hinweis auf 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die belangte Behörde zu Unrecht vom Vorliegen einer entschiedenen Sache ausgegangen ist. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben.

Im Hinblick auf die mit diesem Erkenntnis erfolgte Entscheidung in der Hauptsache erübrigt es sich eine gesonderte Absprache über den Antrag des Beschwerdeführers seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige - oben zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Demonstration Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache ersatzlose Behebung exilpolitische Aktivität Nachfluchtgründe politische Gesinnung Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W213.2197338.2.00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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